Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende, Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Mitter, BSc (Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Knoll (Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Außendienstmitarbeiter, **, **straße **, vertreten durch die Korn Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt , 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, Landesstelle **, wegen Versehrtenrente über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. März 2025, Cgs*-24, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger stürzte bei Verrichtung seiner Erwerbstätigkeit am 6. Mai 2021 auf einer Stiege.
Mit Bescheid vom 24. September 2024 hat die Beklagte dieses Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt, als Unfallfolge eine Prellung des Ellbogen- sowie Handgelenks rechts festgestellt und die Zuerkennung einer Versehrtenrente abgelehnt.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Klage mit dem Begehren auf Gewährung der Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab dem Ende des unfallbedingten Krankenstands und dem Vorbringen, durch den Unfall sei auch eine proximale Verdickung des Nervus ulnaris ausgelöst worden, die zu einem Engpasssyndrom des Ellennervs sowie zu einem Schmerzsyndrom des rechten Arms geführt habe.
Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, die bestehenden Beschwerden seien auf degenerative Veränderungen zurückzuführen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Der Entscheidung liegt – zusammengefasst – folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erlitt durch den Sturz eine Prellung des rechten Unterarms. Darüber hinausgehende Verletzungen und Beschwerden, insbesondere die Symptomatik im Bereich des Ellennervs rechts mit sensibler Schädigung, sind nicht unfallbedingt.
Der unfallbedingte Krankenstand dauerte bis Ende Juli 2021.
Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt ab dem Ende des unfallbedingten Krankenstands 0 %.
In rechtlicher Beurteilung des Sachverhalts ist das Erstgericht zum Ergebnis gekommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Versehrtenrente.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist nicht berechtigt .
1 Auch im Berufungsverfahren ist ausschließlich strittig, ob die beim Kläger bestehende Schädigung des Nervus ulnaris durch den Arbeitsunfall verursacht wurde. Dabei kritisiert der Kläger in allen drei Teilen der Berufung im Kern das eingeholte unfallchirurgische Gutachten sowie das Unterbleiben der Einholung eines neurologischen Gutachtens.
2.1 Das Gericht, dem die für die Beurteilung medizinischer Fachfragen erforderliche Fachkenntnis in der Regel fehlt, darf sich bei der Beurteilung solcher Fragen grundsätzlich auf die von ihm eingeholten medizinischen Gutachten verlassen. Wenn der medizinische Sachverständige die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen – insbesondere die Einholung eines Gutachtens aus einem anderen Fachgebiet – verneint, darf es somit davon ausgehen, dass diese tatsächlich nicht besteht (vgl nur Neumayr in ZellKomm 3§ 75 ASGG Rz 9 mwN).
2.2 Der Kläger lässt unberücksichtigt, dass der beigezogene Sachverständige nicht bloß eine neurologische Begutachtung als nicht erforderlich erachtet hat (ausdrücklich ON 13 S 6, vgl bereits ON 6 S 9), sondern zur Begründung darauf hingewiesen hat, dass (a) die Beurteilung der Unfallbedingtheit von Verletzungen peripherer Nerven in das Fachgebiet der Unfallchirurgie, also in sein Fachgebiet fällt und (b) die Beiziehung eines neurologischen Sachverständigen nur für die exakte Erhebung der bestehenden neurologischen Defizite erforderlich wäre (Ergänzungsgutachten ON 13 S 6; Gutachtenserörterung ON 21.3 S 2).
Für ihn ist daraus nichts zu gewinnen, dass nach Auffassung des behandelnden Facharztes für Plastische, Ästhetische und Wiederherstellende Chirurgie „für weitere Begutachtungen des Patienten neurologische Fachgutachter zu empfehlen“ sind (Blg ./D): Zum einen geht dieser unrichtig offenbar davon aus, der Kläger sei durch einen Orthopäden untersucht worden. Zum anderen bezieht sich die Empfehlung augenscheinlich auf die Begutachtung der – „durch periphere Nerven“ verursachten und „psychosomatisch verstärkten“ – aktuellen Problematik. Für diesen – im Verfahren letztlich nicht relevanten – Aspekt hätte auch der Sachverständige die Beiziehung eines neurologischen Sachverständigen als erforderlich erachtet.
2.3 Der Sachverständige hat die Verneinung der Unfallbedingtheit der Schädigung des Nervus ulnaris zweifach begründet, und zwar zum einen mit der unterschiedlichen Lokalität des Traumas und der neurologischen Veränderungen und zum anderen mit dem zeitlichen Verlauf der geschilderten Symptomatik.
2.3.1 Die am 6. Oktober 2021 erfolgte Operation indiziert tatsächlich Probleme im Zusammenhang mit dem Nervus ulnaris bereits vor diesem Zeitpunkt. Für die Frage, wann und warum diese aufgetreten sind, ist daraus jedoch nichts abzuleiten.
2.3.2 Auszugehen ist davon, dass der – aus dem beim Kläger vorgeschädigten Plexus brachialis entspringende – Nervus ulnaris für die sensible Innervation des Kleinfingers und der ulnaren Ringfingerhälfte, auf der dorsalen Seite auch der radialen Ringfingerhälfte und der ulnaren Mittelfingerhälfte bis etwa zu den Mittelphalangen verantwortlich ist (vgl etwa https://flexikon. doccheck.com/de/Nervus_ulnaris, abgefragt am 30. Juli 2025). Betroffen ist damit (insgesamt) der dritte bis fünfte Finger.
Ein Schreibfehler bei den Eintragungen zum 4. Juni 2021 in den (undatierten) Befunden des behandelnden Facharztes liegt daher durchaus nahe (Blg ./3 S 4 sowie ./5 S 7 = ./6 S 2: „Einschlafendes 2/3 Finger“, während der Befund der Sonographie des Nervus ulnaris rechts vom 14. Juni 2021 [Blg ./3 S 3] eine „deutliche Schmerzsymptomatik mit Ausstrahlung in den 3. und 4. Finger“ festhält).
2.3.3 Der Facharzt berichtet allerdings auch von einem „Druckschmerz über N ulnaris dist OA und prox UA“, wobei ein „Druck auf den Bereich am Nervus ulnaris […] dann die bekannte Taubheit am 2.3.Finger“ auslöse (Blg ./6 S 2).
Der Verweis auf eine „bekannte Taubheit“ könnte durchaus darauf hindeuten, dass diese im Zeitpunkt der Untersuchung bereits längere Zeit bestanden hat. Dass der Kläger – als Ursache des dort gleichermaßen bestehenden Druckschmerzes – auf den körperfernen Oberarm und den körpernahen Unterarm gestürzt wäre, widerspricht seinen Angaben zum Unfallhergang, wonach er „auf die rechte Hand (Ellenbogen u Handgelenk) gefallen“ sei (vgl Unfallmeldungen Blg ./1 S 1 und ./5 S 3: Niederschrift Blg ./7 S 2; unbekämpfter Sachverhalt).
2.3.4 Nach dem Befund vom 14. Juni 2021 über die Sonographie des Nervus ulnaris rechts (Blg ./3 S 3) ist die bestehende „proximale Verdickung des Nervs [zwar] untypisch für ein reines Sulcus nervi ulnaris Syndrom“. Zu deren Entstehung enthält dieser allerdings widersprüchliche Aussagen: Während zunächst lediglich der Verdacht geäußert wird, dass „neben einem möglicherweise vorher subklinisch bestehenden Sulcus nervi ulnaris Syndrom ein Trauma dazu gekommen sein könnte“, wird im „Ergebnis“ von einem Nerventrauma ausgegangen. Letztere Einschätzung wird vom behandelnden Chirurgen unreflektiert übernommen (vgl Befund Blg ./6 S 2; Eintrag zum 24. Juni 2021).
2.3.5 Nicht nur der vom Erstgericht beigezogene unfallchirurgische Sachverständige hat die Unfallbedingtheit der Schädigung des Nervus ulnaris verneint; dies steht vielmehr auch im Einklang mit den im Anstaltsverfahren eingeholten Gutachten aus den Fachgebieten der Unfallchirurgie und der Neurologie (Blg ./11 S 6, Blg ./12 S 4).
2.4 Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, begründete Zweifel an der Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens aufzuzeigen; der – in allen drei Teilen der Berufung monierten – Einholung eines weiteren Gutachtens bedurfte es daher nicht.
3 In der Tatsachenrüge bekämpft der Kläger die kursiv dargestellten Feststellungen und kritisiert, dass das Erstgericht das eingeholte unfallchirurgische Gutachten seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat.
Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch wenn durchaus Hinweise darauf vorliegen mögen, dass es beim Unfall zu einer Schädigung des Nervus ulnaris gekommen sein könnte, kann diese doch – auch in Anbetracht der Gesamtheit der vorliegenden Beweisergebnisse – nicht mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Es gelingt somit dem Berufungswerber auch nicht, eine vom Berufungsgericht aufzugreifende Unrichtigkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen.
4 Der Berufung musste daher insgesamt der Erfolg versagt bleiben.
5Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Ein Kostenersatz aus Billigkeit scheidet aus, weil keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten bestanden haben.
6Die ordentliche Revision ist im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil im Ergebnis keine Rechtsfrage, sondern eine Frage aus dem Tatsachenbereich zu lösen war.
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