Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Mag. Christine Mayrhofer und Dr. Gert Schernthanner in der Insolvenzeröffnungssache der Antragstellerin SVS GW , Landesstelle A*, B*straße C*, ** D*, wider den Antragsgegner E* , geboren am **, Güterbeförderungsgewerbe, **straße **, ** D*, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 14. August 2025, Se*-16, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Antrag der SVS GW, Lst. A*, B*straße C*, ** D*, auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Antragsgegners abgewiesen wird.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht jedoch EUR 30.000,00.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Die SVS GW, Lst. A* beantragte mit Schriftsatz vom 28.03.2025, über das Vermögen des Schuldners den Konkurs zu eröffnen. Laut integriertem Rückstandsausweis schulde er für den Zeitraum vom 01.10.2023 bis 31.12.2024 EUR 10.238,88 an Versicherungsbeiträgen und EUR 1.337,69 an Nebengebühren und Verzugszinsen zuzüglich weiterer Verzugszinsen. Laut Bericht des BG Linz zu E* sei der Vollzug mangels pfändbarer Gegenstände erfolglos geblieben.
Die amtswegigen Erhebungen ergaben vier offene Exekutionsverfahren mit betriebenen Forderungen in Höhe von EUR 15.244,36 bei zwei Gläubigern.
Zu der für den 07.05.2025 anberaumten Einvernehmungstagsatzung erschien der Antragsgegner trotz rechtswirksamer Zustellung der Ladung nicht.
Mit Schriftsatz vom 08.05.2025 zog die Antragstellerin ihren Antrag auf Insolvenzeröffnung zurück, weil am 28.04.2025 eine Zahlungsvereinbarung abgeschlossen worden sei.
Mit Note vom 08.07.2025 teilte das Erstgericht dem Antragsgegner mit, dass aufgrund der durchgeführten amtswegigen Erhebungen nach wie vor Rückstände bei der ÖGK und beim Finanzamt bestünden. Es werde ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen 14 Tagen das Vorliegen einer bloßen Zahlungsstockung durch Vollzahlung bei der ÖGK sowie Vollzahlung beim Finanzamt oder Vorlage einer schriftlichen Ratenzahlungsvereinbarung zu bescheinigen.
Mit Aktenvermerk vom 12.08.2025 erhob das Erstgericht – wie bereits schon mehrfach zuvor – die aktuellen Außenstände des Antragsgegners bei ÖGK, Finanzamt und Antragstellerin. Danach betrage der aktuelle fällige Rückstand bei der ÖGK EUR 33,92; da seit 08.06.2025 keine Dienstnehmer mehr gemeldet seien, solle sich der Rückstand auch nicht mehr erhöhen. Der aktuell fällige Rückstand beim Finanzamt betrage EUR 7.772,37. Es bestehe keine Ratenzahlungsvereinbarung. Die jeweiligen Anträge seien abgewiesen worden, weil es sich um Selbstbemessungsaufträge handle. Es bestehe eine aufrechte Forderungsexekution. Der Antragsgegner habe seit 11.06.2025 nichts mehr selbst überwiesen. Die letzten drei Eingänge seien alle samt Forderungspfändungen. Bei der SVS bestehe eine Ratenzahlungsvereinbarung vom 13.06.2025.
Seitens des Antragsgegners erfolgte keine weitere Reaktion.
Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Erstgericht den Antragsgegner für zahlungsunfähig und wies den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners mangels kostendeckendes Vermögens ab und hielt fest, das Insolvenzverfahren nicht zu eröffnen. In seiner Begründung verwies es auf die oben wiedergegebenen Erhebungsergebnisse. Da nur für die Forderung der Antragstellerin eine Ratenzahlungsvereinbarung bestehe, ergebe sich, dass der Schuldner nicht genügend Liquidität aufweise, um alle aktuellen fälligen Rückstände zu bezahlen. Unter Abwägung der Gesamtumstände bestehe kein Zweifel, dass tatsächlich Insolvenz gegeben sei und auch der Kostenvorschuss für die Insolvenzeröffnung nicht aufgebracht werden könne.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem erkennbaren Antrag, den Insolvenzeröffnungsantrag abzuweisen. Er macht geltend, er habe die beim Finanzamt bestehenden Rückstände in Höhe von EUR 7.772,37 vollständig bezahlt, sodass dort keine Schulden mehr bestünden. Mit der Antragstellerin habe er eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen, die er ordnungsgemäß einhalte. Daher habe auch die Antragstellerin den Antrag zurückgezogen. Da er nicht mehr zahlungsunfähig sei, sei ein Insolvenzverfahren nicht erforderlich. Dem Rekurs angeschlossen ist eine Einzahlung an das Finanzamt über den Betrag über EUR 7.772,37 mit der Auftraggeberreferenz **. Dies entspricht der vom Finanzamt am 12.08.2025 bekanntgegebenen Steuernummer des Antragsgegners: „**/**“.
Die Antragstellerin erklärt in ihrer Rekursbeantwortung gegen den Rekurs keine Einwände vvorzubringen. Die mit dem Antragsgegner abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarung sei bis dato aufrecht.
Der Rekurs ist trotz der ihm verwerten Neuerungserlaubnis (Schumacher in KLS, IO 2, § 71c Rz 30) berechtigt und es auch gemäß § 70 Abs 4 IO nicht zu berücksichtigen war, dass die Gläubigerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezogen hat. Der Mitteilung der Antragstellerin vom 08.05.2025 kommt bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit keine Bedeutung zu. Die Zurückziehung des Insolvenzeröffnungsantrags ist verfahrensrechtlich unwirksam; der Antrag ist weiterhin als aufrecht anzusehen (Schumacher aaO, § 70 Rz 54). Es ist nach wie vor zu prüfen, ob die vom Erstgericht in seiner Begründung angeführte Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung vorgelegen ist.
Auszugehen ist daher davon, dass die Frage der Zahlungs(un)fähigkeit vom Rekursgericht grundsätzlich nur auf Basis der bei erstinstanzlicher Beschlussfassung gegebenen Aktenlage geprüft werden kann, weil der Schuldner die Vernehmungstagsatzung unbesucht ließ. Nach § 259 Abs 2 IO können nämlich Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Somit ist es dem Schuldner verwehrt, im Rekurs gegen die Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag Neuerungen – insbesondere solche betreffend die Tatfrage seiner Zahlungs-(un)fähigkeit – vorzubringen, wenn er der Ladung zur Tagsatzung über den Konkursantrag bzw zu seiner Vernehmung keine Folge geleistet hat (Mohr, IO [2012], § 70 E 212 und § 71c E 14; OLG Linz 8.10.2013, 2 R 158/13p; 11 21.8.2014, 2 R 133/14p uva; OLG Graz 3 R 154/14p, ZIK 2015/37; RIS-Justiz RS0110967 T6 und RS0115313).
Das Erstgericht verwies zutreffend darauf, dass hinsichtlich der von der Antragsstellerin geltend gemachten Forderung eine aufrechte Zahlungsvereinbarung besteht. Diese Forderung ist daher bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners nicht zu berücksichtigen. Es verbleiben die geringfügige Forderung der ÖGK in Höhe von EUR 33,92 und die kurz nach Erlassung des angefochtenen Beschlusses vollständig befriedigte Forderung des Finanzamtes über EUR 7.772,37. Die sehr kurz nach Konkurseröffnung erfolgte Zahlung an das Finanzamt erlaubt gerade noch die Beurteilung, dass auch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch keine Zahlungsunfähigkeit, sondern vielmehr Zahlungsstockung oder Unwilligkeit vorgelegen ist, sind doch auch mittlerweile sämtliche Exekutionsverfahren eingestellt (ON 14).
Aus dem Aktenvermerk des Erstgerichtes vom 12.08.2025 geht hervor, dass für den Antragsgegner beim Finanzamt schon dem Grunde nach keine Möglichkeit bestand, hinsichtlich der offenen Forderung eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Wenn daher kurz nach Beschlussfassung des Erstgerichtes die fehlende Möglichkeit einer Ratenzahlung durch eine Vollzahlung der offenen Forderung bereinigt wird, ist zusammenfassend das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz zu verneinen. Dem Rekurs war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss abzuändern und der – ohnehin wirkungslos zurückgezogene – Antrag auf Insolvenzeröffnung abzuweisen.
Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich an der Höhe der Insolvenzforderung der Antragstellerin.
Angesichts der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung und ihrer Abhängigkeit von der Beantwortung der Tatfrage nach der Zahlungs(un)fähigkeit des Antragsgegners liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses nicht vor (§§ 252 IO iVm 528 Abs 1 ZPO).
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