Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Engljähringer als Vorsitzende, die Richterin Mag. Kuranda und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 27. Juni 2025, Hv*-66.1, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** geborene A* B* wurde mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 15. November 2024 des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 und 39 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, auf die gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Vorhaft vom 30. August 2024, 5.35 Uhr, bis zum 15. November 2024, 13.47 Uhr, angerechnet wurde (ON 31). Noch am selben Tag beantragte der Verurteilte unter Hinweis auf seine Suchtgiftabhängigkeit Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG (ON 31, 5).
Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens (ON 36) gewährte das Landesgericht Linz mit Beschluss vom 13. März 2025 (ON 45), abgeändert mit Beschluss vom 26. März 2025 (ON 49), dem Verurteilten Aufschub des Vollzugs der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 39 Abs 1 SMG für die Dauer von zwei Jahren mit der Maßgabe, dass er sich gemäß § 39 Abs 2 SMG beginnend mit 4. April 2025 einer stationären Suchtgiftentwöhnungsbehandlung in der Therapieeinrichtung C* oder einer anderen gesetzlich anerkannten und hiefür geeigneten Einrichtung für die Dauer von maximal sechs Monaten und im Anschluss an die stationäre Therapie einer ambulanten Weiterbetreuung in Form einer psychosozialen Beratung und Betreuung in einer gesetzlich anerkannten und hiefür geeigneten Einrichtung (Drogenberatungsstelle) unterzieht, wobei ihm gemäß § 39 Abs 3 SMG die Weisung erteilt wurde, den Therapiebeginn binnen einer Woche sowie den weiteren Verlauf sowohl der stationären als auch der ambulanten Therapie in der Folge vierteljährlich schriftlich unaufgefordert nachzuweisen. Gleichzeitig wurde er über die Gründe für den Widerruf eines solchen Strafaufschubs gemäß § 39 Abs 4 SMG belehrt (ON 45, 3 f).
Am 4. April 2025 trat der Verurteilte die stationäre Suchtgiftentwöhnungsbehandlung in der Therapieeinrichtung C* D* an, nachdem er zuvor von Mitarbeitern der Therapieeinrichtung aus der JA D* abgeholt worden war (ON 58). Am 30. Mai 2025 teilte die Therapieeinrichtung mit, dass A* B* die Therapie am 28. Mai 2025 nicht regulär beendet habe. Der Therapievertrag habe aufgrund schwerer Verstöße gegen die Therapieregeln, nämlich gefährlichem, intravenösem Konsum innerhalb der Therapiestation, aufgelöst werden müssen (ON 61 und 62).
Bis 2. Juni 2025 war der Verurteilte an der Adresse der Therapieeinrichtung C* in der **gasse ** in ** D* ** gemeldet; anschließend verfügte er über keine aufrechte Meldeadresse, sodass er für das Erstgericht nicht erreichbar war.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Juni 2025 widerrief das Erstgericht gemäß § 39 Abs 4 Z 1 SMG den dem Verurteilten gewährten Strafaufschub im Wesentlichen mit der Begründung, dass sich B* beharrlich der gesundheitsbezogenen Maßnahme, nämlich der stationären Suchtgiftentwöhnungstherapie, zu der er sich bereit erklärt hatte, entzogen habe. Der Vollzug der Freiheitsstrafe sei spezialpräventiv geboten, weil damit zu rechnen sei, dass der Verurteilte in Freiheit und ohne Therapie ein neuerlich delinquentes Verhalten setzen wird (ON 66.1).
Dieser Beschluss konnte dem Verurteilten erst nach wiederholten Fahndungsmaßnahmen am 29. August 2025 im Weg der Polizei zugestellt werden (ON 67, 70 bis 74).
Mit am 10. September 2025 persönlich beim Landesgericht Linz überreichtem Schreiben erhob der Verurteilte Beschwerde gegen den Widerruf des Strafaufschubs im Wesentlichen mit der Begründung, dass er seit Juni 2025 für die Aufnahme in ein stationäres Suchttherapieprogramm sowohl im E* als auch in der Therapieeinrichtung C* D* für eine Wiederaufnahme der von ihm zu leistenden gesundheitsbezogenen Maßnahme angemeldet sei. C* habe ihm angeboten, noch in dieser Woche die stationäre Behandlung wieder aufnehmen zu können. Die betreffende Zusage habe er telefonisch erhalten. Er werde noch diese Woche die stationäre Therapie fortsetzen. Es könne deshalb weder von einer Therapieunwilligkeit noch von einem dauerhaften Therapieabbruch ausgegangen werden (ON 75). Gleichlautendes teilte die Bewährungshelferin unter Hinweis auf entsprechende Angaben des Rechtsmittelwerbers dem Erstgericht mit Schreiben vom 11. September 2025 mit (ON 77).
Die Beschwerde, zu der die Oberstaatsanwaltschaft keine inhaltliche Stellungnahme abgegeben hat, ist nicht berechtigt.
Gemäß § 39 Abs 4 Z 1 SMG ist der Aufschub zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, zu der er sich gemäß Abs 1 Z 1 leg cit bereit erklärt hat, nicht unterzieht oder es unterlässt, sich ihr weiterhin zu unterziehen, und der Vollzug der Freiheitsstrafe geboten erscheint, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Voraussetzung für den Widerruf ist die Therapieunwilligkeit, die sich nach außen hin durch konsequente Weigerung der Therapie (erster Fall) oder einen dauerhaften Abbruch der gesundheitsbezogenen Maßnahme nach begonnener Behandlung (zweiter Fall) zeigen muss, wobei in beiden Fällen eine gewisse Beharrlichkeit der Therapieverweigerung zu verlangen ist ( Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK² SMG § 39 Rz 40; Oshidari in Hinterhofer, SMG² § 39 Rz 46). Zusätzlich muss der Vollzug der Freiheitsstrafe im konkreten Einzelfall auch spezialpräventiv geboten sein. Vereinzelte und vorübergehende Rückfälle, die für Suchtgiftabhängige geradezu typisch sind und daher in Maßen, wie auch bei anderen chronisch Erkrankten, akzeptiert werden müssen, verwirklichen nicht einmal die Grundvoraussetzung der Therapieunwilligkeit und machen daher den Widerruf auch spezialpräventiv nicht erforderlich ( Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK² SMG § 39 Rz 46). Allenfalls ist der Betroffene vom Gericht zu ermahnen und ihm die Fortsetzung der gesundheitsbezogenen Maßnahme nachdrücklich nahezulegen ( Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG³ § 39 Rz 34). Erst wenn dieser Appell erfolglos bleibt, kann von einem dauerhaften Abbruch gesprochen werden ( Schwaighofer in Höpfel/Ratz,WK² SMG § 39 Rz 41 mwN).
Unter Berücksichtigung der Chronologie der Ereignisse seit Gewährung des Strafaufschubs ist gegenständlich allerdings von einem solchen Fall eines dauerhaften Abbruchs der gesundheitsbezogenen Maßnahme nach begonnener Behandlung auszugehen:
Nach dem unbedenklichen Abschlussbericht von C* hat der Verurteilte schwere Verstöße gegen die Therapieregeln in Form von gefährlichem, intravenösem Konsum von Suchtmitteln innerhalb der Station gesetzt, die zur Auflösung des Behandlungs- und Betreuungsvertrags mit der Therapieeinrichtung geführt haben. Dabei wurden im Rahmen der ärztlichen Untersuchung mehrere Einstichstellen am Körper des Klienten vorgefunden. Aufgrund der Schwere der Suchterkrankung wurde eine Weiterführung einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme aus fachlicher Sicht empfohlen und der Verurteilte über die Gefährlichkeit des Konsums nach dem stationären Aufenthalt, auch in der vorher gewohnten Dosis, aufgeklärt (ON 62). Seit dem Austritt aus der Therapieeinrichtung mit 28. Mai 2025 war der Verurteilte für das Gericht in Ermangelung einer Meldeadresse nicht mehr erreichbar. Ab 5. August 2025 wurde er vom Verein F* als obdachlos gemeldet (ON 71). Er wurde allerdings von Polizeibeamten über die gegen ihn bestehende Aufenthaltsermittlung in Kenntnis gesetzt, sodass er letztlich über deren Aufforderung den angefochtenen Beschluss behob (ON 74). Seine Beschwerdebehauptungen hat der Verurteilte nicht bescheinigt. Auch dem Bericht seiner Bewährungshelferin waren Nachweise nicht angeschlossen. Vielmehr ist, den Ankündigungen zuwider, bei Gericht bis dato keine (Wieder-)Eintrittsmeldung hinsichtlich des Verurteilten in ein stationäres Suchttherapieprogramm eingelangt. Seit dem Abbruch der Therapie sind mittlerweile vier Monate vergangen, ohne dass der Verurteilte (abgesehen von gegenständlicher Beschwerde) auch nur den Kontakt zu einer Therapieeinrichtung zwecks Wiederaufnahme, welche – gerichtsnotorisch – Drogenfreiheit [Harnprobe] voraussetzt, belegt hätte.
Im Hinblick auf die, aus dem beschriebenen Gesamtverhalten abzuleitende dauerhaft mangelnde Bereitschaft des Verurteilten, seine Suchtproblematik (psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch-Substitutionsprogramm [F19.2]) mit Hilfe einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme zu bewältigen, und die bereits wiederholte einschlägige Vermögensdelinquenz (ON 2.3) bedarf es mit der Einschätzung des Erstgerichts zudem des Vollzugs der Freiheitsstrafe, um den Beschwerdeführer von weiteren Straftaten – sowohl nach dem SMG als auch zwecks Beschaffung von Suchtmitteln – abzuhalten.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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