Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Berufungen des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche und der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 7.3.2025, GZ **-37, nach der am 23.10.2025 in Anwesenheit des Schriftführers Rp Mag. Anwander, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft EStA HR Mag. Patterer, der Privatbeteiligtenvertreterin RA Mag. Lechthaler für RA Dr. Müller, des Angeklagten sowie seines Verteidigers RA Dr. Halil Arslan öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe und des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird n i c h t , jener des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe teilweise F o l g egegeben und in Anwendung des § 43a Abs 3 StGB ein Teil der ausgesprochenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Ein Schöffensenat des Landesgerichts Feldkirch erkannte mit dem angefochtenen Urteil den ** geborenen Angeklagten A* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig.
Danach hat er am 14.10.2023 in ** die schlafende und solcherart wehrlose B* unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornahm, indem er sie vaginal mit zwei Fingern penetrierte.
Hiefür verhängte der Schöffensenat über den Angeklagten nach § 205 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, verurteilte ihn gemäß § 366 Abs 2 erster Satz StPO zur Leistung eines Teilschadenersatzbetrags in Höhe von EUR 2.500,-- an die Privatbeteiligte B* binnen 14 Tagen, verwies diese mit ihrem Mehrbegehren auf den Zivilrechtsweg und verpflichtete ihn nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Die gegen dieses Urteil ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 5.8.2025, GZ 12 Os 79/25x-4, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen und den Akt dem Oberlandesgericht Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen zugewiesen.
Die Berufung des Angeklagten zielt auf eine Herabsetzung der Strafe, die Verhängung einer Strafenkombination und die Aufhebung des Adhäsionserkenntnisses sowie die Verweisung der Privatbeteiligten mit ihren gesamten Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg ab (ON 40). Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft wiederum strebt mit dem Vorbringen, die verhängte Strafe werde weder dem Unrechtsgehalt der Tat noch der Schuld des Täters gerecht, eine Erhöhung derselben an (ON 38).
Während die Staatsanwaltschaft ausdrücklich auf die Erstattung von Gegenausführungen zum Rechtsmittel des Angeklagten verzichtet hat (ON 1.20), beantragten der Angeklagte, dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft (ON 42), die Privatbeteiligte jenem des Angeklagten keine Folge zu geben (ON 44).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung des Angeklagten nicht Folge zu geben sein werde, allenfalls aber jener der Staatsanwaltschaft.
Nur die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe dringt im spruchgemäßen Ausmaß durch.
Im Rahmen der Strafbemessung ging das Erstgericht von einem zur Anwendung zu gelangenden Strafrahmen nach § 205 Abs 1 StGB von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe aus und wertete mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, mit dem die Tat in auffallendem Widerspruch stehe (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie seine eingeschränkte Dispositions- und Diskretionsfähigkeit infolge der festgestellten leichten Alkoholisierung, erschwerend keinen Umstand. Ausgehend davon sowie unter besonderer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB erachtete der Schöffensenat die referierte Freiheitsstrafe als schuld- und tatangemessen und verneinte die Voraussetzungen auch nur teilweiser bedingter Strafnachsicht aus Gründen der Spezial- und Generalprävention. Den Privatbeteiligtenzuspruch stützte der Schöffensenat auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 366 Abs 2 erster Satz StPO sowie vorrangig auf § 1328 ABGB und sah aufgrund der getroffenen Feststellungen und mit Blick auf § 19 Abs 3 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes den Zuspruch eines Teilschmerzensgeldbetrags in Höhe von EUR 2.500,-- als jedenfalls angemessen an. Die Verpflichtung zum Kostenersatz wurde auf die angezogene Gesetzesstelle gestützt.
Die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe treffen zu, sie sind nur geringfügig zu korrigieren.
Dem Berufungsargument, der Angeklagte sei eine gesetzestreue Person und bislang nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, wurde bereits durch den vom Schöffensenat recte herangezogenen Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 1 StGB Rechnung getragen. Der Umstand, dass er Rechtswissenschaften studiert habe, sozial kompetent und ehrenamtlich tätig sei, spricht kein milderndes Moment an.
Dem Vorbringen, eine unbedingte Freiheitsstrafe würde dazu führen, dass der Angeklagte seine Arbeitsstelle verlieren würde, er damit karrieremäßig ruiniert sei und seine soziale Stellung vernichtet werde, ist zu entgegnen, dass die mit dem Strafverfahren verbundenen Nachteile (wie etwa der Verlust des Arbeitsplatzes) vom Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 19 StGB nicht umfasst sind (idS RIS-Justiz RS0130394).
Entgegen der Ansicht des Angeklagten kommt ihm der Milderungsgrund der Tatbegehung aus Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) nicht zugute, steht doch bei einem mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohtem Verbrechen (§ 205 Abs 1 StGB) die damit verbundene höhere Hemmschwelle einem Verständnis für die aus dem Augenblick entstandene Tatbegehung entgegen (RIS-Justiz RS0091025 [T1], Riffel in WK 2StGB § 34 Rz 19 f).
Zutreffend weist aber die Oberstaatsanwaltschaft angesichts der nach den unbedenklichen Urteilskonstatierungen erlittenen psychischen Beeinträchtigungen des Tatopfers (US 5) darauf hin, dass diese aggravierend zu werten sind.
Ausgehend davon sowie unter besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Strafbemessungskriterien des § 32 StGB ist die Freiheitsstrafe von 18 Monaten eine schuld- und tatangemessene Sanktion, die sowohl dem Unrechtsgehalt der Tat als auch der Täterpersönlichkeit ausreichend Rechnung trägt und damit keiner Herabsetzung zugänglich ist, dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft zuwider aber auch nicht erhöht werden muss.
Gewährung zur Gänze bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB bzw einem von der Berufung ausdrücklich geforderten Ausspruch einer Strafenkombination nach § 43a Abs 2 StGB stehen bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung in der Art der gegenständlichen generalpräventive Erwägungen entgegen. Diese Aspekte der positiven wie negativen Generalprävention erfordern fallbezogen aber auch nicht den Ausspruch einer zur Gänze unbedingten Freiheitsstrafe, sodass beim unbescholtenen Angeklagten mit einer Strafteilung nach § 43a Abs 3 StGB im spruchgemäßen Ausmaß vorgegangen werden konnte. Die Probezeit hinsichtlich des bedingt nachgesehenen Strafteils war mit drei Jahren zu bestimmen, um dem Angeklagten ausreichend Zeit zur Bewährung zu geben.
Die weitere Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche kommt mit ihrem Vorbringen, das Opfer habe keine Therapie in Anspruch genommen und keine Beweismittel vorgelegt, die eine ärztliche Behandlung nachweisen würden, dies müsse gutachterlich geklärt werden, schließlich sei der Zuspruch auch überhöht, keine Berechtigung zu.
Beim Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB handelt es sich um eine strafbare Handlung im Sinn des § 1328 ABGB ( Reischauer in Rummel ABGB 3§ 1328 Rz 4). Nach § 1328 ABGB ist dem Opfer nicht nur der Vermögensschaden auszugleichen, sondern auch eine Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten, also ein ideeller Schaden zu ersetzen. Der Ersatz immaterieller Schadens soll einen Ausgleich für die Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung und für die mit dem Eingriff unmittelbar verbundenen und in weiterer Folge daraus resultierenden negativen Gefühle (einschließlich etwaige Belastung durch juristische Aufarbeitung des Delikts) bieten. Diese bräuchten nicht einmal die Intensität einer Verletzung der psychischen Gesundheit erreichen, was nach den Urteilskonstatierungen aber anlassbezogen ohnedies der Fall ist, litt B* nämlich durch diesen Vorfall an Schlafstörungen und Panikattacken (US 5; Hinteregger in Kletečka/Schauer aaO § 1328 Rz 8). Mit Blick auf den Schuldspruch und die Urteilsannahmen zu den Folgen der Tat ist daher der vom Erstgericht in freier Überzeugung ( Spenling, WK-StPO § 369 Rz 6 mwN) zuerkannte Betrag an die Privatbeteiligte auch ohne gutachterliche Abklärung weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden; dies umso mehr, als der Gesetzgeber im Bereich des Arbeitsrechts - worauf auch das Erstgericht bereits zutreffend hingewiesen hat – betreffend den Ersatz materiellen und immateriellen Schadens bereits bei sexuellen Belästigungen Mindestbeträge von EUR 1.000,-- normiert (§ 12 Abs 11 GlBG, § 19 Abs 3 B-GlBG).
Letztlich bleibt das Berufungsvorbringen, der Privatbeteiligten sei eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorzuwerfen, unverständlich.
Damit drang lediglich die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe im spruchgemäßen Ausmaß durch.
Die Verurteilung zum Kostenersatz ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angezogenen Gesetzesstelle.
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