Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall und Abs 4 zweiter Fall StGB über die Beschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 16.9.2025, AZ ** (= GZ ** 15 der Staatsanwaltschaft Innsbruck), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Begründung :
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führt(e) zum Aktenzeichen ** ein Ermittlungsverfahren gegen B*, C* und A* wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall und Abs 4 zweiter Fall StGB im Zusammenhang mit dem Vorwurf, nachts zum 22.12.2024 in ** als Mitarbeiterinnen des Pflegeheims ** die dortige Patientin D* durch fehlerhafte Pflege und Betreuung grob fahrlässig schwer am Körper verletzt zu haben. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens bestellte die Staatsanwaltschaft am 14.7.2025 E* zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gesundheits- und Krankenpflege und beauftragte sie mit der Erstattung von Befund und Gutachten unter anderem zur Frage, ob eine unter dem Opfer befindliche Leibschüssel durch sach- und fachgerechte Positionswechsel bemerkt werden konnte bzw musste (ON 7). Das schriftliche Gutachten erstattete die Sachverständige am 1.9.2025 (ON 8).
Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck mit Verfügung vom 2.9.2025 das Ermittlungsverfahren gegen B* und C* nach § 190 StPO ein und bot A* eine diversionelle Erledigung der Strafsache in Form einer Mitteilung nach § 200 Abs 4 StPO an (Anbot zur Zahlung eines Geldbetrags).
Mit Antrag vom 10.9.2025 begehrte die anwaltlich vertretene A* die Enthebung der Sachverständigen aufgrund von Befangenheit nach § 126 Abs 4 und 5 StPO iVm § 47 Abs 1 Z 3 StPO. Begründet wurde der Antrag damit, dass die Sachverständige im Rahmen der Befundaufnahme eigene Befragungen von Zeugen und sogar Beschuldigten durchgeführt habe, ohne diese zu belehren oder die Ablehnungswerberin beizuziehen. Diese „Befragungen“ seien nicht dokumentiert worden. Die Sachverständige habe die Befundaufnahme weder mit der Staatsanwaltschaft noch mit der Kriminalpolizei abgestimmt und sogar eine Tatrekonstruktion vorgenommen. Dieser Umstände würden den Anschein der (strukturellen) Befangenheit begründen, weil es den Anschein erwecke, dass die Sachverständige quasi als „Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft“ tätig geworden sei, die auch mit „präsumtiven Beteiligten eines Verfahrens wegen Verbandsverantwortlichkeit“ Gespräche geführt habe (ON 13).
Die Staatsanwaltschaft holte dazu eine Stellungnahme der Sachverständigen ein und übermittelte den Antrag mit dem Bemerken, dem Begehren auf Umbestellung nicht Folge leisten zu wollen, zur Entscheidung darüber dem Gericht.
Das Landesgericht Innsbruck hat mit dem angefochtenen Beschluss den Erhebungsantrag abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass Gründe, die geeignet seien, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, nicht deutlich und bestimmt aufgezeigt worden seien (ON 15).
Gegen diesen Beschluss richtet sich eine rechtzeitige Beschwerde der A*, die unter Wiederholung des Vorbringens im Ablehnungsantrag darauf abzielt, den angefochtenen Beschluss in Stattgebung der Beschwerde abzuändern und „die Sachverständige ihres Amtes zu entheben“ (ON 60).
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist nicht im Recht.
Nach § 126 Abs 4 StPO gelten für Sachverständige und Dolmetscher die Befangenheitsgründe des § 47 Abs 1 StPO sinngemäß. Nach der hier relevanten Vorschrift des § 47 Abs 1 Z 3 StPO ist demnach ein Sachverständiger unter anderem dann befangen, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Bei der hier relevanten objektiven Befangenheit wird auf äußere Umstände abgestellt, die geeignet sind, Zweifel an der Objektivität des Betroffenen zu erwecken. Entscheidend ist dabei nicht die subjektive Ansicht des Betroffenen oder des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu erwecken ( Lässig in Fuchs/Ratz, WK² StPO § 43 Rz 10). Eine Befangenheit liegt demnach insbesondere dann vor, wenn eine Beeinträchtigung der unparteilichen Begutachtung durch sachfremde psychologische Motive zu befürchten ist ( Hinterhofer in Fuchs/Ratz, WK² StPO § 126 Rz 69).
Zu Sachverständigen bestellte Personen haben die Aufgabe, beweiserhebliche Tatsachen festzustellen (Befundaufnahmen) und/oder aus diesen rechtsrelevante Schlüsse zu ziehen und sie zu begründen (Gutachtenserstattung), aber keine Befugnis zum Eingriff in subjektive Rechte. Die zur Befundaufnahme erforderliche Information erlangen sie, indem ihnen die Anwesenheit bei Vernehmungen gestattet und im erforderlichen Umfang Akteneinsicht gewährt wird. Da ihnen Befugnis nach diesem Gesetz (nach der StPO) nicht zukommt, ihnen Verlangen von Auskunft (§ 151 Z 1 StPO) also ebenso wenig zusteht, wie die Vernehmung von Personen nach förmlicher Information über ihre Stellung und ihre Rechte im Verfahren (§ 151 Z 2 StPO), Informationsaufnahme durch sie also weder Erkundigung nach § 151 Z 1 StPO noch Beweisaufnahme nach § 151 Z 2 StPO ist, können Bestimmungen über die Vernehmung von Beschuldigten und von Zeugen durch Informationsaufnahme nach diesem Gesetz zum Sachverständigen bestellter Personen der Beschwerde zuwider nicht umgangen werden (siehe Ratz, Verfahrensführung und Rechtsschutz nach der StPO 2 Rz 137 mwN). Auch eine Verletzung von Belehrungspflichten ist nicht auszumachen.
Die Erstellung des Befundes durch den Sachverständigen muss der Beschwerde zuwider nicht parteiöffentlich erfolgen; ein solches Erfordernis lässt sich der StPO nicht entnehmen. Ferner müssen bei der Befundaufnahme des Sachverständigen die Strafverfolgungsorgane (Kripo, Staatsanwaltschaft und Gericht) nicht anwesend sein. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich beim Beweis durch Sachverständige um keinen Augenschein handelt (RIS-Justiz RS0096652). Zudem hat die Staatsanwaltschaft nach § 103 Abs 2 StPO ausdrücklich die Befugnis, Ermittlungen durch einen Sachverständigen durchführen zu lassen und fallbezogen den Sachverständigen im Rahmen der Bestellung explizit ersucht, allenfalls für die Gutachtenserstellung notwendige, noch nicht im Akt befindliche weitere Unterlagen direkt einzuholen (ON 7). Demzufolge kann ein Sachverständiger im Rahmen seiner Befundaufnahme auch allein etwa Auswärtsbesichtigungen durchführen, formfrei erforderliche Informationen auf freiwilliger Basis einholen und selbst Personen befragen, ohne die Grenzen der ihm übertragenen Befundaufnahmen zu überschreiten (RIS-Justiz RS0096652; 11 Os 10/16d; Hinterhofer aaO § 127 Rz 16).
Indem fallbezogen die Sachverständige mit Blick auf die von ihr als mangelhaft erachtete schriftliche Dokumentation des Betreuungs- und Pflegezustands des Opfers bei der Befundaufnahme im Pflegeheim ** weitere anwesende Mitarbeiter zur gesundheitlichen Verfassung und zum Pflegeaufwand des mutmaßlichen Opfers befragte und die Situation der Positionierung der Leibschüssel nachstellte, hat sie weder die Grenzen der ihr übertragenen Befundaufnahme überschritten noch sonst eine ihr nach der StPO zustehende Befugnis fehlerhaft gebraucht. Sie konnte mit Blick auf die Formfreiheit der Informationsbeschaffung keinerlei Informations- und Belehrungspflichten verletzen und war auch nicht dazu verhalten, Strafverfolgungsorgane oder Beschuldigte förmlich vom Termin der Befundaufnahme zu verständigen, um ihnen Gelegenheit zur Teilnahme zu geben. Nach dem Akteninhalt wurden die vormals Beschuldigten B* und C* ausschließlich deswegen befragt, weil sie bei der Befundaufnahme ersichtlich im Gegensatz zur Ablehnungswerberin vor Ort waren. Die erhobenen Informationen wurden zusammenfassend im Befund dokumentiert. Das Ziehen von Schlussfolgerungen aus den im Befund festgestellten Tatsachen und ihre Begründung ist wiederum zentrale Aufgabe eines Sachverständigen und bildet das Gutachten, das nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln der Wissenschaft oder Kunst oder des Gewerbes abzugeben ist.
Ausgehend davon zeigt aber der Ablehnungsantrag der Beschuldigten keine Zustände auf, die geeignet waren, in (struktureller oder individueller) Hinsicht die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der bestellten Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, der die Auswahl der Untersuchungsmethoden und die Entscheidung über die Art und Weise der Befundaufnahme zusteht. Anhaltspunkte dafür, dass die Sachverständige nach Abgabe ihres schriftlichen Gutachtens dieses auch dann nicht zu ändern gewillt wäre, wenn die Beweisergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigten (RIS-Justiz RS0126626), liegen ohnedies nicht vor.
Damit konnte die Beschwerde nicht durchdringen.
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