Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über den Verfall gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 22.7.2024, GZ **-161, nach der am 16.9.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Özlem, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Willam sowie des Verteidigers RAA Mag. Felician Simma (TWP Rechtsanwälte), jedoch in Abwesenheit des Erstangeklagten A* öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der Berufung wird F o l g egegeben und betreffend A* gemäß § 20 Abs 3 StGB ein Geldbetrag von EUR 312.374,98 für verfallen erklärt.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen A* auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde - soweit für das Berufungsverfahren relevant - der Erstangeklagte A* des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (zu I.1. und 2.) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (zu III.) schuldig erkannt.
Danach haben in ** A* als Leiter der Finanzabteilung sowie ab Ende des Jahres 2013 auch für Personalangelegenheiten zuständiger Beamter der Gemeinde B* und C* als ** der Gemeinde B*
I. die ihnen in ihrer jeweiligen Eigenschaft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die Gemeinde B* in einem EUR 300.000,00 übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt und zwar
1. A* und C*, indem sie
a) am 04.09.2013 ohne Genehmigung des Gemeindevorstandes im Sinne des § 142 Abs 2 Gemeindebedienstetengesetz 1988 (in der Folge kurz: GBedG) und ohne sachliche Rechtfertigung eine Änderung des Dienstvertrages des A* vereinbarten, derzufolge ihm ab 01.07.2013 eine Sonderzulage gemäß § 70 Abs 1 Gemeindeangestelltengesetz 2005 (in der Folge kurz: GAG) in Verbindung mit § 128 GBedG in Höhe von 20 % sowie eine 3-fache Dienstzulage (**) gemäß § 67 GBedG zugebilligt wurde, die von 01.07.2013 bis 31.12.2013 zur Auszahlung gelangten, wodurch der Gemeinde B* ein Schaden von zumindest EUR 19.884,27 entstand;
b) am 09.01.2014 entgegen der in der **. Sitzung des Gemeindevorstandes B* vom 19.11.2013 beschlossenen und ab 01.01.2014 für die Gemeindebediensteten der Funktionsebene 3 (Finanzleiter und Amtsleiter) geltenden Gehaltsobergrenze (das entsprach im Jahr 2014 brutto EUR 71.020,02, im Jahr 2015 brutto EUR 72.575,35, im Jahr 2016 brutto EUR 73.518,83, im Jahr 2017 brutto EUR 74.496,63, im Jahr 2018 brutto EUR 76.232,41, im Jahr 2019 brutto EUR 78.626,10 und im Jahr 2020 brutto EUR 80.277,25) eine schriftliche Vereinbarung trafen, derzufolge A* ab 01.01.2014 „eine Überstundenabgeltung von monatlich 45 Stunden“ auf Basis seines Grundgehaltes als fixer Lohnbestandteil erhielt, womit jedoch keine Verpflichtung zur Erbringung von Mehr- bzw. Überstunden einherging und tatsächlich geleistete Überstunden gesondert zu vergüten waren, auf die gestützt er in der Zeit von 01.01.2014 bis 31.07.2020 die mit der Gehaltsverrechnung beauftragte Stadt D* bzw. Gemeinde E* jeden Monat zur Berücksichtigung einer Überstundenpauschale von 45 Stunden auf Basis seines jeweiligen Grundgehaltes anhielt, in der Folge die vorbereitete Auszahlungsanordnung abzeichnete und schließlich die Überweisung an sich selbst durchführte, wodurch der Gemeinde B* ein Schaden von zumindest EUR 84.796,26 entstand;
2. A*, indem er in der Zeit von 01.07.2013 bis 31.07.2020 gegenüber der mit der Gehaltsabrechnung beauftragten Stadt D* bzw. Gemeinde E* tatsächlich nicht erbrachte Überstunden geltend machte und sich in der Folge auf Grundlage der unrichtig zustande gekommenen Lohn-/Gehaltsabrechnungen die darauf ausgewiesenen Mehrdienstleistungen ohne Zutun einer weiteren Person selbst zur Auszahlung brachte, wodurch der Gemeinde B* ein Schaden in Höhe von zumindest EUR 203.694,45 entstand und im Mai 2020 gesetzwidrig die Überweisung eines Betrages von netto EUR 23.520,38 an sich selbst durchführte, wodurch der Gemeinde B* ein Schaden von EUR 47.040,75, daher ein Gesamtschaden von zumindest EUR 250.735,20 entstand;
III. A* zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 02.12.2015 und 10.12.2015 ein ihm als Leiter der Finanzabteilung der Gemeinde B* anvertrautes Gut, nämlich einen Bargeldbestand von EUR 4.000,00, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder einen Dritten, nicht jedoch C*, dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er diesen der Gemeindekasse entnahm, das unter Spruchpunkt II. angeführte Verhalten setzte und den dadurch entstandenen Überstand von EUR 3.500,00 sowie Gutscheine der F*gesellschaft mbH im Gegenwert von EUR 500,00 für sich oder einen Dritten, nicht jedoch für C*, verwendete."
Hiefür wurde er zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe und nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gleichzeitig wurde er nach § 366 Abs 2 erster Satz iVm § 369 Abs 1 StPO verpflichtet, der Privatbeteiligten Gemeinde B* binnen 14 Tagen EUR 4.000,-- sowie zur ungeteilten Hand mit dem Zweitangeklagten C* EUR 308.374,98 zu bezahlen.
Einen Verfallsausspruch enthält das Erkenntnis trotz Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 90) nicht. In den schriftlichen Urteilsgründen (US 73) wurde zum Verfall ausgeführt, dass es ausgehend von den getroffenen Feststellungen Aufgabe des erkennenden Gerichts gewesen wäre, hinsichtlich des Erstangeklagten gemäß § 20 Abs 1 (und sofern von der Sicherstellung laut ON 34 und 48 nicht umfasst: Abs 3) StGB iVm § 20 Abs 4 StGB einen vermögenswertersetzenden Geldbetrag, welcher durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung erlangt worden sei und zwar in Höhe des Privatbeteiligtenzuspruchs, für verfallen zu erklären. Dies sei schlicht verabsäumt worden.
Die gegen dieses Urteil von der Staatsanwaltschaft rechtzeitig angemeldete (ON 162) und fristgerecht schriftlich ausgeführte (ON 181) Berufung richtet sich ausschließlich gegen den unterbliebenen Verfallsausspruch und mündet in den Antrag, „den Verfall in Höhe von EUR 308.374,98 im Sinne des § 20 StGB hinsichtlich des Erstangeklagten aus[zu]sprechen“.
Der Angeklagte beantragt in seiner Gegenausführung unter Berufung auf 12 Os 38/15g die Zurückweisung des Rechtsmittels „gemäß § 294 Abs 4 StPO“ mit dem Argument, dass das Unterbleiben einer Entscheidung über einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Verfall Gegenstand einer Anfechtung nach § 281 Abs 1 Z 7 StPO sei und dementsprechend im Rechtsmittelverfahren das Verschlechterungsverbot nach § 16 StPO gelte, jedoch anerkannt werde, dass die unterbliebene Entscheidung über den von der Staatsanwaltschaft beantragten Verfall durch das Erstgericht einen absoluten, nicht rügepflichtigen Nichtigkeitsgrund darstelle (ON 173). In der Berufungsverhandlung verwies der Verteidiger zur Untermauerung der Rechtsmittelargumentation zudem auf RIS-Justiz RS0099640.
Die Oberstaatsanwaltschaft führt in ihrer Stellungnahme aus, dass die Anordnung eines (Wertersatz-)Verfalls ungeachtet des darauf abzielenden Antrags in der Anklageschrift keinen eigenen Prozessgegenstand bilde, weshalb das Unterbleiben einer positiven Entscheidung von der Staatsanwaltschaft folglich zu Recht mit Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe bekämpft werde. Die Berufung sei im Einklang mit den Ausführungen im Ersturteil auch inhaltlich berechtigt.
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Dem Verfall unterliegen Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden (§ 20 Abs 1 StGB). Der Verfall erstreckt sich auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der nach § 20 Abs 1 StGB für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte (§ 20 Abs 2 StGB). Soweit die dem Verfall unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind, hat das Gericht einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den nach Abs 1 und Abs 2 erlangten Vermögenswerten entspricht (§ 20 Abs 3 StGB). § 20 Abs 1 StGB umschreibt somit den Grundtyp des gegenstandsbezogenen Verfalls, der sich zufolge § 20 Abs 2 StGB auch auf Nutzungen und Ersatzwerte erstreckt. Der Wertersatzverfall nach § 20 Abs 3 StGB erfasst hingegen jene Fälle, in denen der Verfall nach § 20 Abs 1 und Abs 2 StGB nicht durchführbar ist (EBRV 918 BlgNR 24. GP 7 f) und ist daher personenbezogen.
Abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines selbständigen Verfahrens (§§ 445 ff StPO) erfolgt die (inhaltliche) Entscheidung über den Verfall gemäß § 443 Abs 1 StPO im Strafurteil. Im Unterschied zum selbständigen Verfahren ist für die Entscheidung im Strafverfahren ein besonderer Antrag des Anklägers auf Verfall nicht vorgesehen. Die Anklage wegen einer bestimmten Tat verpflichtet das Gericht vielmehr von Amts wegen auch über alle vermögensrechtlichen Anordnungen (hier: Wertersatzverfall) zu entscheiden, die unmittelbar von der Begehung der angeklagten Straftat abhängen. Ein gesonderter Antrag des Anklägers auf einen Verfallsausspruch hat ebenso wenig zu erfolgen wie ein besonderer Antrag des Anklägers zur Strafart oder zur Strafbemessung (vgl § 255 Abs 1 letzter Satz StPO); ein trotzdem gestellter Antrag ist daher für den Prozessgegenstand rechtlich irrelevant. Zudem besteht keine betragsmäßige Bindung an einen etwaigen Antrag des Anklägers. Eine negative Entscheidung über den Verfall ist daher mangels eigenem Prozessgegenstand nicht in den Spruch aufzunehmen, sondern findet sich (lediglich) in den Entscheidungsgründen ( Fuchs/Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 443 Rz 5 ff, 19 mwN). Nur im Falle der - hier nicht vorliegenden - notwendigen Antragstellung des Anklägers bei einem Verfall, der sich nicht unmittelbar auf die Straftat gründet, bildet der Verfallsausspruch einen eigenen Prozessgegenstand ( Fuchs/Tipold aaO Rz 20 iVm Rz 13).
Entscheidungen über den Verfall sind gemäß § 443 Abs 3 StPO mit Berufung zu bekämpfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist daneben aber auch gegen die unrichtige Lösung von Rechtsfragen in Bezug auf die - dem Ausspruch über die Strafe gleichstehenden (§ 443 Abs 3 StPO) - Entscheidung über den Verfall Nichtigkeitsbeschwerde (jedenfalls) nach Maßgabe des § 281 Abs 1 Z 11 StPO zulässig und damit im Falle der Z 11 erster Fall auch eine Anfechtung der Tatfragen mit Verfahrens-, Mängel- und Tatsachenrüge iSd Z 2 - 5a (RIS-Justiz RS0114233; Ratz in Fuchs/Ratz,WK StPO § 281 Rz 663, 669; Fuchs/Tipold aaO Rz 55 ff; vgl auch Haslwanterin WK² StGB § 26 Rz 18). In jedem Falle ist aber der Rechtsmittelwerber aufgrund des klaren Wortlauts des § 443 Abs 3 StPO frei, einen nichtigkeitsbegründenden Umstand bloß als Berufungsgrund geltend zu machen (vgl zum ähnlich gelagerten Fall der Nichtigkeit des [eigentlichen] Strafausspruchs Ratz aaO § 283 Rz 1 mwN).
Unabhängig davon, dass fallaktuell der Verfall trotz des (nicht notwendigen) Antrags der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift keinen eigenen Prozessgegenstand bildet, die vom Erstangeklagten ins Treffen geführten Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu 12 Os 28/15g, wonach das Unterbleiben einer Entscheidung über einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Verfall Gegenstand einer Anfechtung nach § 281 Abs 1 Z 7 StPO ist, aufgrund des Verweises auf Fuchs/TipoldaaO Rz „17“ (nunmehr in der Neuauflage Rz 20) jene (hier nicht vorliegenden) Fälle betreffen, bei denen der Verfall einen eigenen Prozessgegenstand bildet und der ebenfalls vom Erstangeklagten angeführte Rechtssatz RIS-Justiz RS0099640 ein selbstständiges Verfahren (§§ 445 ff StPO) betrifft, steht es der Staatsanwaltschaft nach den obigen Ausführungen ohnehin frei, einen allenfalls auch nichtigkeitsbegründenden Umstand in Bezug auf den Verfall mit Berufung geltend zu machen.
Weil der Erstangeklagte nach den - von diesem ohnehin nicht kritisierten - unbedenklichen Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts durch die den Schuldsprüchen I. und III. zugrunde liegenden strafbaren Handlungen Vermögenswerte von insgesamt EUR 359.415,73 (inklusive Steuern und Abgaben [RIS-Justiz RS0133117]) erlangte, eine Schadensgutmachung von EUR 47.040,75 (US 28) leistete (§ 20a Abs 2 Z 2 StGB), weitere Gründe des § 20a StGB für ein Unterbleiben des Verfalls nicht vorliegen und die erlangten Vermögenswerte auch nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind (zu den vom Erstgericht angeführten gesicherten Konten [ON 34 und 48] und der ununterscheidbaren Vermengung mit anderen Forderungen vgl 13 Os 71/23z und Fuchs/TipoldaaO Rz 4 ff), war der Berufung Folge zu geben und betreffend den Erstangeklagten gemäß § 20 Abs 3 StGB ein Geldbetrag von EUR 312.374,98 für verfallen zu erklären.
Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angezogenen Gesetzesstelle.
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