Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Richterin Dr. Beate Abler als Einzelrichterin (§ 8a JN) in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch die Arbeiterkammer **, Abteilung Sozialrecht, **, wider die beklagte Partei PVA Landesstelle , wegen Invaliditätspension, über den Rekurs des Sachverständigen Dr. B* gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 13.08.2025, **-14, beschlossen:
Dem Rekurs wird keine Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet im Rechtsmittelverfahren n i c h t statt.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
BEGRÜNDUNG:
Beim Landesgericht Feldkirch behängt zu ** ein Sozialrechtsverfahren, in welchem der Kläger eine Invaliditätspension anstrebt. Dazu wurde vorgebracht, beim Kläger bestünden lebensgeschichtlich multiple psychosoziale Belastungsfaktoren. Aufgrund seines Gesundheitszustandes sei der Kläger nicht mehr imstande, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet werde und ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden könne, wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig zu erzielen pflege.
Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, das bei der beklagten Partei durchgeführte Verfahren habe ergeben, dass weder ein Anspruch auf Invaliditätspension noch auf medizinische Rehabilitation bestehe.
Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 12.06.2025 wurde Dr. B*, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, zum Sachverständigen bestellt (ON 4).
Dem Sachverständigen wurde aufgetragen Befund und Gutachten über den Krankheitszustand des Klägers, insbesondere zu folgenden Fragen, zu erstatten:
1. An welchen Krankheiten leidet die klagende Partei und welche Gesundheitsstörungen bestehen bei ihr?
2. Welche Behinderungen und Funktionsausfälle werden dadurch verursacht?
3. Welche Arbeiten kann die klagende Partei mit Rücksicht auf den bestehenden Gesundheitszustand unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses seit dem 01.01.2025 noch verrichten:
a) schwere, mittelschwere oder leichte Arbeiten?
b) Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen?
c) Arbeiten im Freien oder in geschlossenen Räumen?
d) Wie viele Stunden kann die klagende Partei täglich arbeiten?
1) Ist ihr dies mit oder ohne längere als die üblichen Unterbrechungen möglich?
2) Kann die klagende Partei bei Einschränkung auf eine 4h-Tätigkeit fallweise 6h-täglich (aufs Jahr bezogen 4 Wochen) arbeiten?
e) Müssen bestimmte Verrichtungen (z.B. Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten am Fließband oder an bestimmten Maschinen usw.) vermieden werden.
f) Bestehen bei der klagenden Partei bei Verrichtung der Arbeit Einschränkungen hinsichtlich des Zeitdrucks?
Wenn ja, in welchem Ausmaß?
Ist der klagenden Partei ein höherer Zeitdruck als nur durchschnittlicher Zeitdruck möglich?
g) Bestehen Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte?
Kann die klagende Partei öffentliche Verkehrsmittel benutzen?
h) Stehen medizinische Gründe einer Wohnsitzverlegung der klagenden Partei bzw Tagespendeln oder Wochenpendeln entgegen?
i) Besteht begründete Aussicht, dass sich der Gesundheitszustand der klagenden Partei bessern wird, bejahendenfalls in welcher Weise und ab wann? Oder ist eine Besserung des Gesundheitszustandes und damit des Leistungskalküls für nach dem 1.1.1964 geborene Versicherte: nicht sehr wahrscheinlich?
4.Sind bei nicht kalkülsüberschreitender Tätigkeit aus Sicht ihres Fachgebietes in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit leidensbedingte Krankenstände zu erwarten, wenn ja, in welchem Umfang jährlich (7 und mehr Wochen pro Jahr)?
5.Ist ihrer Ansicht nach eine weitere Begutachtung erforderlich?
Wenn ja, aus welchem Fachgebiet?
Der Sachverständige erstattete auftragsgemäß ein mit 10.07.2025 datiertes Gutachten, in dem er nach Befundaufnahme die ihm aufgetragenen Fragen beantwortete (ON 5).
Er verzeichnete hierfür mit Honorarnote vom 10.07.2025 (ON 6) Gebühren in Höhe von EUR 1.570,00, die er wie folgt aufschlüsselte:
Befund und Gutachten § 43 Abs. 1d EUR 168,50
10 weitere Fragen/Zusatzfragen § 43 EUR 842,50
Aktenstudium § 36 EUR 65,10
Nicht wahrgenommener / versäumter Termin am (§35/1) 26.06.2025 EUR 49,00
12 Ablichtungen á € 0,90 (§31/1) EUR 10,80
Zeitversäumnis (§ 32/1)
2 begonnene Stunden à €32,9 EUR 65,80
Schreibgebühr (§ 31/1)
1 Original (12 Seiten à € 2,90) EUR 34,80
Elektronische Gutachtensübermittlung (§ 31 Abs 1 Z 5) EUR 13,20
Verwendung einer Hilfskraft für GA-Archivierung (§30/Z1) EUR 19,40
Variable Kosten (§31)2xPorto u. Kuvertierung, Handakt, 27 Ausdrucke Datensicherung EUR 39,30
Summe EUR 1.308,40
zzgl. 20% USt EUR 261,68
Gesamtsumme EUR 1.570,00
In ihren rechtzeitig erstatteten Einwendungen gegen diese Gebührennote sprach sich die beklagte Partei dezidiert gegen die vom Sachverständigen verzeichnete Position „10 Zusatzfragen (gerafft) € 842,50“ aus und wandte ein, das psychiatrische Gutachten sei nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d Gebührenanspruchsgesetz im Ausmaß von EUR 168,50 zu honorieren. Es sei gänzlich nicht nachvollziehbar, weshalb der Sachverständige zusätzlich EUR 842,50 für 10 Zusatzfragen (gerafft) – die sich auch aus dem Akteninhalt nicht ergeben – veranschlage (ON 11).
Über Auftrag des Erstgerichts führte der Sachverständige dazu aus, es seien selbstverständlich sämtliche von ihm beantwortete Fragen "Teil des Gerichtsaktes" und Bestandteil des gerichtlichen Gutachtensauftrags. Die Gebührennote entspreche der Rechtsprechung, wonach bei mehrfacher Fragestellung eine Kumulierung der Tarifansätze des § 43 GebAG zulässig sei, um wenigstens eine gewisse Annäherung an außergerichtliche Einkünfte zu erreichen. Dem Umstand, dass nicht für jede einzelne Frage eine gesonderte Untersuchung notwendig gewesen sei, habe er durch Reduktion der Mühewaltungsgebühr für die Zusatzfragen um 50% Rechnung getragen. Es wolle den Einwendungen der beklagten Partei nicht gefolgt und die Gebühren in der verzeichneten Höhe bestimmt werden (ON 13).
Mit dem angefochtenen Beschluss(ON 14) hat das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen für die Erstattung von Befund und Gutachten mit EUR 559,00 (darin enthalten EUR 3,18 an USt) bestimmt. Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die in § 43 Abs 1Z 1 GebAG normierten Gebührenansätze für die Mühewaltungsgebühr ärztlicher Sachverständiger grundsätzlich eine Gesamtgebühr für Befund und Gutachten darstellen. Mit dieser werden die üblichen Vorbereitungsarbeiten, die Befundaufnahme und die Gutachtenserstattung honoriert. Im vorliegenden Fall habe der bestellte Sachverständige die im Erwachsenenschutzverfahren regelmäßig vorkommenden Fragen zu beantworten gehabt, ob die betroffene Person an einer psychischen Krankheit oder vergleichbaren Beeinträchtigung leide, und ob und welche Angelegenheiten die betroffene Person allenfalls nicht mehr für sich selbst besorgen könne. § 43 Abs 1 GebAG schließe nicht aus, ein einheitlich in Auftrag gegebenes Gutachten in punkto Mühewaltung mehrfach zu honorieren, wenn nach dem erteilten Auftrag in Wahrheit mehrere Gutachten zu erstatten sind, die unabhängig davon bestehen können. Da im gegenständlichen Fall der Sachverständige entsprechend dem Gutachtensauftrag mehrere Fragen zu beantworten gehabt habe, die aber alle nur einen Themenkreis, nämlich die Frage des Leistungskalküls der klagenden Partei, betroffen haben und nur eine Befundaufnahme erfordert haben, bestehe für die Bestimmung der geltend gemachten Gebühr für 10 weitere Fragen/Zusatzfragen keine Berechtigung. Die Gebühren des Sachverständigen seien daher ohne Berücksichtigung des dafür verzeichneten Betrages von EUR 842,50 zu bestimmen gewesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Sachverständige Dr. B* mit seinem rechtzeitigen Rekurs, in dem er die Entscheidung im Umfang der Abweisung seines Gebührenmehrbegehrens von EUR 1.011 (darin EUR 168,50 USt) anfechtet und beantragt die Gebühren im beantragten Umfang zu bestimmen. Wie bereits in der Stellungnahme (ON 13) zu den Einwendungen der beklagten Partei gegen die Gebührennote wiederholte der Sachverständige seinen Standpunkt, und wies – soweit für das Rechtsmittel relevant - darauf hin, dass die Gebührennote der Rechtsprechung entspreche.
Die klagende Partei und die beklagte Partei haben sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.Nach der Grundregel des § 34 Abs 1 GebAG ist die Mühewaltungsgebühr für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens grundsätzlich nach richterlichem Ermessen nach der aufgewendeten Zeit bzw. Mühe und nach den Einkünften, die der Sachverständige für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise bezöge, zu bestimmen. Wird die Expertise in einem sozialgerichtlichen Verfahren nach § 65 ASGG erstattet, ist die Gebühr für Mühewaltung nach § 34 Abs 2 GebAG zu bestimmen. Danach ist für bestimmte Verfahren, darunter auch Sozialrechtssachen nach § 65 ASGG, die Gebühr für Mühewaltung grundsätzlich nach den Tarifen des GebAG zu bestimmen, wobei zu beachten ist, dass nach § 49 Abs 1 GebAG dann, wenn es sich um Leistungen handelt, die im einschlägigen Tarifkatalog nicht angeführt, aber wegen ihrer Ähnlichkeit mit den dort aufscheinenden Leistungen vergleichbar sind, eine Entlohnung mit der im GebAG für die nächst ähnliche Leistung vorgesehenen Gebühr stattzufinden hat. Soweit es sich dabei um Leistungen handelt, die nicht nach Tarif zu entlohnen sind, ist bei der Bemessung der Gebühr nach Abs 1 im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohle der Allgemeinheit ein Abschlag von 20 % vorzunehmen (§ 34 Abs 2 zweiter Satz GebAG).
1.1.Für die Mühewaltung medizinischer Sachverständiger sieht § 43 GebAG einen eigenen Leistungs- und Tarifkatalog vor. Nach § 43 Abs. 1 GebAG ist ein einheitlich in Auftrag gegebenes Gutachten mehrfach zu honorieren, wenn nach dem erteilten Auftrag in Wahrheit mehrere Gutachten zu erstatten sind, die unabhängig voneinander bestehen können. Die Rechtsprechung lässt bei mehrfacher Fragestellung die Verzeichnung von Mühewaltungsgebühren für mehrere Gutachten bei einem gerichtlichen Auftrag weitgehend zu, um eine gewisse Annäherung an die außergerichtlichen Einkünfte der Sachverständigen zu erreichen (
Auch eine qualitative Trennung rechtfertigt nach der Rechtsprechung eine Kumulierung, wenn die an den medizinischen Sachverständigen gerichteten Gutachtensaufträge der Sache nach als getrennte, wenngleich dieselbe untersuchte Person betreffende, spezielle Fachkenntnisse erfordernde Fragenkomplexe angesehen werden können ( WeberaaO § 43 GebAG Rz. 9). Maßgeblich ist, zu wie viel selbständigen Themenkreisen der Sachverständige nach dem Gutachtensauftrag gutachterliche Aussagen zu machen hat ( KrammerSchmidt/Guggenbichler aaO E 134 ).
1.2 In vorliegendem Fall hat das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Sachverständige entsprechend dem Gutachtensauftrag zwar mehrere Fragen zu beantworten hatte, diese aber alle nur einen Themenkreis, nämlich die Frage des Leistungskalküls der klagenden Partei, betroffen haben und nur eine Befundaufnahme erforderten. Der Sachverständige hatte nicht, wie von der Rechtsprechung gefordert, mehre selbständige Themenkreise zu beantworten. Einziger Themenkreis war das Leistungskalkül des Klägers zu beurteilen. Das Erstgericht hat daher richtigerweise dem Sachverständigen eineGebühr für Befund und Gutachten nach § 43 Abs 1 d GebAG zugesprochen und das Mehrbegehren für 10 weitere Fragen/Zusatzfragen abgewiesen.
1.3 Die weiteren Einwände des Sachverständigen in seinem Rekurs, wonach es ihm „rein aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sei, für das Arbeits -und Sozialgericht mit dem angewandten § 43 und Reduktion der Honorierung von über zehn Fragen auf lediglich noch eine übrig gebliebene Frage bzw. gutachterliche Antwort, so daß ca. zehn Fragen „gratis“ zu beantworten gewesen wären, einen wirtschaftlich positiv bilanzierenden Betrieb zu führen“, müssen zur Kenntnis genommen werden. Diese stellen aber keinen begründeten Einwand dar, der zu einer Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts führen könnte.
2. In seinem Rekurs bekämpft der Sachverständige ausschließlich die Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 1.011 (darin enthalten EUR 168,50 an USt) für 10 weitere Fragen/Zusatzfragen. Die beklagte Partei hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt, weshalb vom Rekursgericht keine weitere Überprüfung vorzunehmen war.
3. Im Ergebnis war dem Rekurs des Sachverständigen keine Folge zu geben.
4.Die Kostenentscheidung gründet in § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG, nach dem im Verfahren über Sachverständigengebühren kein Kostenersatz stattfindet.
5.Der Ausschluss eines Rechtszuges an den OGH ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 5 ZPO.
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