Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Dampf und die Richterin Dr. Offer als weitere Mitglieder des Senats in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 10.1.2025, GZ **-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG).
Begründung :
Der ** geborene A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Innsbruck die über ihn zum Verfahren ** des Landesgerichts Innsbruck wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren. Die bedingte Entlassung zum Hälftestichtag (am 14.7.2024) wurde zu ** des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht abgelehnt. Diese Entscheidung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Im Zuge amtswegiger Prüfung der bedingten Entlassung zum Drittelstichtag, der am 14.3.2025 erreicht sein wird (das Strafende fällt auf den 14.7.2026), erklärte der Strafgefangene die bedingte Entlassung anzustreben. Er habe während der Haft eine Suchttherapie absolviert, die er auch in Freiheit fortzusetzen bereit sei. Er wolle wieder arbeiten, den Führerschein machen und ersuche um eine zweite Chance, um seine Familie, zu der er seit zwei Jahren und acht Monaten keinen Kontakt mehr habe, wieder zu sehen (Erhebungsbogen ON 2.9). Die Leitung der Justizanstalt Innsbruck attestierte dem Strafgefangenen trotz vier Ordnungswidrigkeiten ein gutes Anstalts- und Sozialverhalten, eine durchschnittliche Arbeitsleistung, verwies im Übrigen auf eine Psychotherapie im Haus, die Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) vom 29.11.2024 (ON 2.8, 1 ff) und des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt Innsbruck vom 10.12.2024 (ON 2.4, 1 f) und äußerte aufgrund der Führung keine Bedenken gegen die bedingte Entlassung zum Drittelstichtag. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck stimmte einer bedingten Entlassung bei Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen laut BEST und Stellungnahme des Psychologischen Dienstes zu (ON 4).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach dessen Anhörung abgelehnt und dies insbesondere mit der Wirkungslosigkeit einer Hafterfahrung und des aus der Stellungnahme der BEST ableitbaren überdurchschnittlich hohen Risikos für neuerliche allgemeine Gewaltdelikte begründet. Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB würden sich beim Strafgefangenen nicht anbieten, womit die von § 46 Abs 1 StGB geforderte Prognose für eine bedingte Entlassung auch zum Drittelstichtag in spezialpräventiver Hinsicht nicht zu rechtfertigen sei (ON 6).
Gegen diesen Beschluss richtet sich eine rechtzeitig und schriftlich ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen, die darauf anträgt, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Bewilligung der bedingten Entlassung zum Drittelstichtag abzuändern (ON 9).
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist nicht im Recht.
§ 46 Abs 1 StGB schreibt die bedingte Entlassung frühestens nach der Hälfte vor, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB (Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit ( Jerabek/Ropper in WK² StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist nach § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzugs begonnene freiwillige Behandlung im Sinn von § 51 Abs 3 StGB, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist oder durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann.
Die Besserungsbeteuerungen des Strafgefangenen sind positiv zu vermerken. Dem steht aber entgegen, dass es sich beim derzeitigen Vollzug um die bereits zweite Hafterfahrung des Strafgefangenen handelt, der nach einer bedingten Entlassung trotz Anordnung von Bewährungshilfe schon zweimal rückfällig wurde. Die Aufführung im Vollzug ist durch vier Ordnungswidrigkeiten getrübt. Die letzte im Jänner 2024 hatte zur Folge, dass der Strafgefangene von der Maßnahmenabteilung abgelöst wurde. Dort hat er sich vom 8.8.2023 bis zum 18.1.2024 im Rahmen des § 68a StVG einer freiwilligen Suchttherapie unterzogen und nahm am psychologisch-therapeutischen Betreuungsprogramm teil. Dieses setzte sich aus klinisch-psychologischen Gesprächen sowie Einzel- und Gruppengesprächen mit verhaltenstherapeutischem Hintergrund zusammen. Dazu kamen verschiedene Elemente der Suchttherapie sowie regelmäßige psychiatrische Kontrolltermine. Eine Wiederaufnahme in dieses Programm wurde von Seiten des Maßnahmenteams wegen Bedenken an der Wohngruppentauglichkeit abgelehnt.
Aus der eingeholten Stellungnahme der BEST ergibt sich, dass beim Strafgefangenen ein durchschnittliches Risiko für die Begehung eines neuerlichen Sexualdelikts, allerdings ein überdurchschnittlich (hohes) Risiko für ein neuerliches allgemeines Gewaltdelikt vorliege. Ausgehend davon empfahl die BEST für den Fall der bedingten Entlassung strukturierende und kontrollierende Maßnahmen (Bewährungshilfe, kontrollierte Suchtmittelkarenz) sowie eine Integration in eine forensisch-psychiatrische und psychotherapeutische Nachbetreuungseinrichtung (ON 2.8, 3). Dem schloss sich der Psychologische Dienst der Justizanstalt Innsbruck in seiner Äußerung an und verwies ergänzend darauf, dass bereits Kontakte zur Forensischen Ambulanz Innsbruck (FORAM) und dem Verein Neustart aufgenommen worden seien (ON 2.4). Aus beiden Stellungnahmen ist aber auch ableitbar, dass die Umsetzbarkeit dieser begleitenden prognostisch günstigen Maßnahmen von etwaigen fremdenrechtlichen Schritten (Anhaltsverbot; Duldung fraglich) abhängig sei.
Bei einer gesamthaften Betrachtung aller Prognosekriterien des § 46 Abs 1 StGB teilt das Beschwerdegericht in Anbetracht obiger Umstände fallbezogen die Einschätzung des Erstgerichts, dass die von § 46 Abs 1 StGB geforderte Prognose, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, auch zum Drittelstichtag nicht zu rechtfertigen ist und sich Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB fallbezogen nicht anbieten.
Damit musste die Beschwerde erfolglos bleiben.
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