Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende, den Richter Mag. Schweiger und die Richterin Dr in . Meier sowie die fachkundigen Laienrichter Färber (AG) und Mag a . Stangl (AN) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Klein, Wuntschek Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei B* KG , FN **, **, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 3.627,69 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 3.627,69), gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Juli 2025, **-17, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 731,90 (darin EUR 121,98 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war ab 1. Februar 2024 als Pharmazeutin in der von der Beklagten betriebenen Apotheke „C*“ beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch einvernehmliche Auflösung am 15. Oktober 2024. Die Klägerin erhob gegenüber der Beklagten noch Entgeltforderungen in der Höhe von EUR 9.450,95. Die Streitteile führten darüber Vergleichsgespräche. Letztlich wurde im November 2024 eine Einigung mit folgendem Wortlaut erzielt:
„1. Meine Mandantin bezahlt Ihrer Klientin innerhalb von 14 (vierzehn) Tagen ab Zustandekommen des Vergleiches einen Pauschalbetrag in Höhe von EUR 6.500,00 brutto (darin enthalten EUR 2.354,87 an Urlaubsersatzleistung). Überwiesen wird der sich aus der entsprechenden Lohnabrechnung ergebende Netto-Betrag. Die zugehörige Lohnabrechnung wird schriftlich übermittelt.
2. Mit Zustandekommen des Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen Ihrer Klientin einerseits und C* KG sowie Frau Mag. D* andererseits vollständig bereinigt und verglichen.
3. Der Vergleich kommt nur dadurch zustande, dass die hier anliegende Meldung von Ihrer Klientin gegengezeichnet und an die Pharmazeutische Gehaltskasse übermittelt wird und mir gegenüber von Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, bestätigt wird, dass diese Übermittlung tatsächlich erfolgt ist.“
Nach dem System der „doppelten Besoldung“ von Pharmazeut:innen über die pharmazeutische Gehaltskasse haben Apotheken für jede Pharmazeut:in (pharmazeutische kaufmännische Angestellte - sog. „PKA“ - sind von dieser Regelung ausgenommen) einen Pauschalbetrag entsprechend dem zeitlichen Ausmaß der jeweiligen Beschäftigung an die Gehaltskasse, von der die Apotheken diesbezüglich monatliche Betragsvorschreibungen erhalten, zu bezahlen. Die Gehaltskasse wiederum bezahlt an die Pharmazeut:innen das der jeweiligen Gehaltsstufe entsprechende monatliche Gehalt. Die Apotheken wiederum zahlen allfällige Zulagen für Überstunden, Nacht- oder Wochenenddienste und allfällige freiwillige gehaltsmäßige Überzahlungen direkt an die für sie tätigen Pharmazeut:innen. Bei der Lohnabrechnung werden die durch die Gehaltskasse geleisteten Gehaltszahlungen zum Zwecke der Berechnung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge den Direktzahlungen der Apotheke an die Pharmazeut:innen hinzugerechnet und sodann die (Netto-) Zahlungen durch die Gehaltskassen an die Pharmazeut:innen als „Akontozahlungen“ wieder in Abzug gebracht. Allfällige sich daraus ergebende Differenzen werden sodann durch entsprechende Nach- oder Rückzahlungen wieder ausgeglichen. Auch zwischen den Streitteilen wurden die monatlichen Gehaltsabrechungen auf diese Weise gehandhabt.
Die Gehaltskasse schrieb der Beklagten die Pauschalbeiträge für die Klägerin bis Oktober 2024 vor. Die Klägerin erhielt für die Monate August bis Oktober 2024 auch weiterhin Gehaltszahlungen durch die Gehaltskasse. Die letzte Lohn-/Gehaltsabrechnung von der Beklagten erhielt die Klägerin im August 2024.
Unmittelbar vor dem Abschluss des oben dargestellten Vergleichs vom November 2024 waren zwischen den Streitteilen verschiedene Entgeltsbestandteile, insbesondere allfällige ausständige Gehaltszahlungen an die Klägerin strittig. In diesem Zusammenhang war noch eine endgültige Abrechnung durch die Gehaltskasse ausständig, für deren Vornahme eine Unterschriftsleistung der Klägerin fehlte. Beide Parteien waren zu diesem Zeitpunkt bereits durch Rechtsanwälte vertreten, denen sie die Aushandlung des Vergleichsinhalts überließen. Zuletzt forderte der Klagsvertreter namens der Klägerin am 12. November 2024 von der Beklagten die Zahlung eines Betrags von EUR 9.450,95 brutto, der sich aus einer restlichen Leiterinnenzulage für die Monate Juni bis August 2024, einer Urlaubsersatzleistung (inkl. Sonderzahlungen), anteiliger Sonderzahlungen und der Abgeltung eines offenen Zeitguthabens von 48,5 Stunden zusammensetzte. Allfällige an die Beklagte erfolgte Gehaltskassenvorschreibungen waren in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. Der Klagsvertreter schlug eine vergleichsweise Bereinigung durch Zahlung eines Vergleichsbetrags im Sinne des § 67 Abs 8 lit a EStG in Höhe von EUR 6.500,00 brutto (darin enthalten EUR 2.354,87 brutto an Urlaubsersatzleistung) durch die Beklagte vor, wobei der sich daraus - nach Abzug von Steuer und Sozialversicherungsbeitrag - ergebende Nettobetrag binnen 14 Tagen ab der schriftlichen Annahme des Vorschlags bezahlt werden solle. Mit einer solchen Einigung sollten sämtliche wechselseitigen Ansprüche bereinigt und verglichen sein. Zum Zeitpunkt, als der Klagsvertreter dem Beklagtenvertreter diesen Vorschlag unterbreitete, war sowohl der Klägerin als auch der Geschäftsführerin der Beklagten bekannt, dass die endgültige Abrechnung durch die Gehaltskasse noch nicht erfolgt war, und dass aus einer derartigen Abrechnung allenfalls noch Forderungen der Beklagen gegenüber der Klägerin resultierend aus den von der Beklagten an die Gehaltskasse geleisteten Zahlungen resultieren könnten. Mag. a D*, die Geschäftsführerin der Beklagten und Leiterin der Apotheke, erklärte sich gegenüber dem Beklagtenvertreter mit dem von der Klägerin geforderten Betrag in Höhe von EUR 6.500,00 brutto einverstanden. Die Höhe des zu überweisenden Nettobetrags besprach sie mit ihrem Rechtsanwalt nicht. Sie ging zu diesem Zeitpunkt allerdings davon aus, dass die Beklagte noch Forderungen gegenüber der Klägerin aufgrund der von der Beklagten geleisteten Beträge an die pharmazeutische Gehaltskasse und der von der Gehaltskasse an die Klägerin geleisteten Zahlungen habe. Die Gehaltskassenabrechnung lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.
Nachdem die Vertreterin der Beklagten ihre Zustimmung zum Vergleichstext abgegeben hatte, antwortete der Beklagtenvertreter auf das Schreiben des Klagsvertreters vom 12. November 2024 mit dem Schreiben vom 27. November 2024, das das Angebot auf Abschluss eines Vergleichs mit dem oben wiedergegebenen (unstrittigen) Vergleichsinhalt enthielt. Darauf antwortete der Klagsvertreter mit dem Schreiben vom 28. November 2024, dass die Klägerin mit dieser Vorgangsweise einverstanden sei. Zweck des zwischen den Streitteilen auf diese Weise vereinbarten Vergleichs war die Leistung einer steuerschonenden Abschlagszahlung. Am 3. Dezember 2024 übermittelte der Klagsvertreter an den Beklagtenvertreter schließlich den in Punkt 3. des Vergleichstexts erwähnten Nachweis der Übermittlung der Änderungsmeldung an die pharmazeutische Gehaltskasse und ersuchte um fristgerechte Erfüllung des Vergleichs binnen 14 Tagen. Abgesehen von diesem Schriftverkehr wurden zwischen den Streitteilen oder deren Rechtsanwälten keine weiteren Gespräche geführt oder Abreden getroffen. Insbesondere wurde nicht darüber gesprochen, ob - und falls ja, in welcher Höhe - von dem in Punkt 1. des Vergleichsvorschlags genannten „Nettobetrag“ noch ein Abzug wegen der an die Klägerin zuvor von der Gehaltskasse geleisteten Zahlungen vorgenommen werden oder eine „Aufrollung“ aus Zahlungen in den Vormonaten erfolgen sollte. Eine Forderung auf Rückzahlung der von der Beklagten an die Gehaltskasse geleisteten Zahlungen wurde von der Beklagten im Zug der Vergleichsgespräche weder thematisiert noch erhoben .
Der im Schreiben des Beklagtenvertreters vom 27. November 2024 formulierte Vergleichstext wurde nach der Annahme des Vergleichsvorschlags durch den Klagsvertreter an die externe Lohnverrechnerin der Beklagten übermittelt. Diese verstand den Vergleichstext so, dass eine pauschalierte Abrechnung nach § 67 Abs 8 lit a EStG vorzunehmen sei. Dementsprechend ermittelte sie die Lohnsteuern mit EUR 326,12, die Sozialversicherungsabzüge mit EUR 1.064,74 und gelangte so zu einem „Auszahlungsbetrag“ von (netto) EUR 5.109,14. Diese Abrechnung, die dem entsprach, was der Klagsvertreter im Schreiben vom 12. November 2024 vorgeschlagen hatte und was in Punkt 1. des Vergleichsvorschlags vom 27. November 2024 formuliert worden war, wurde von der Lohnverrechnerin sowohl an die Klägerin als auch an die Geschäftsführerin der Beklagten übermittelt. Als die Geschäftsführerin der Beklagten sah, dass in dieser Berechnung die Forderungen der Beklagten aufgrund der Akontozahlungen durch die Gehaltskasse nicht berücksichtigt worden waren, wies sie die Lohnverrechnerin an, eine neuerliche Berechnung unter Berücksichtigung dieser Gehaltskassenzahlungen vorzunehmen. Die Lohnverrechnerin nahm sodann am folgenden Tag, also am 11. November 2024, eine neuerliche Berechnung vor, im Rahmen derer sie das Gehalt für November 2024 in Höhe von EUR 7.030,16, die Weihnachtsremuneration in Höhe von EUR 3.576,50 und die „Vergleichszahlung“ von EUR 6.500,00 zusammenzählte und so zu einem Bruttobetrag von EUR 17.106,66 gelangte. Nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuerbeiträgen für die „laufenden“ Vormonate in Höhe von insgesamt EUR 2.657,65 errechnete sich ein Nettobetrag von EUR 14.449,01. Davon wurde der SV-Anteil für die Vergleichszahlung in Höhe von EUR 1.064,74, ein Betrag von EUR 1.296,60 an „negatives Netto-VM“, ein Betrag von EUR 7.030,16 an Gehaltsakontozahlungen und ein Betrag von EUR 3.576,50 aus dem Titel „Akonto WR Gehaltskasse“, insgesamt also ein weiterer Betrag von EUR 12.967,56 abgezogen. Der sich daraus ergebende Betrag von EUR 1.481,45 wurde der Klägerin sodann ausbezahlt. Die genannte „korrigierte“ Lohn-/Gehaltsabrechnung vom November 2024 wurde der Klägerin mit Email vom 11. Dezember 2024 übermittelt.
Die „korrigierte Abrechnung“ leitete die Klägerin unverzüglich an ihren Rechtsanwalt weiter. Dieser urgierte mit Email vom 12. Dezember 2024 beim Beklagtenvertreter die Bezahlung der sich aus der ursprünglichen Abrechnung vom 11. Dezember 2024 ergebenden Differenz von EUR 3.627,69 netto. Mangels Reaktion des Beklagtenvertreters urgierte der Klagsvertreter am 30. Dezember 2024 neuerlich die Bezahlung des Betrags von EUR 3.627,69 netto mit einer Fristsetzung bis 14. Jänner 2025, widrigenfalls der Gerichtsweg beschritten werde. Mit Email vom 14. Jänner 2025 lehnte der Beklagtenvertreter mit dem Hinweis darauf, dass der geschlossene Vergleich vollständig und ordnungsgemäß erfüllt worden sei, eine weitere Zahlung ab.
Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von EUR 3.627,69 samt Zinsen. Nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses habe sie gegenüber dieser außergerichtlich Entgeltansprüche geltend gemacht. Hierüber sei ein Vergleich dahin erzielt worden, dass die Beklagte der Klägerin den sich aus dem Betrag von EUR 6.500,00 brutto (darin enthalten EUR 2.354,87 an Urlaubsersatzleistung) ergebenden Nettobetrag zu bezahlen habe. Zunächst habe die Beklagte auch eine Lohn-/Gehaltsabrechnung übermittelt, die dem Vergleich entsprochen habe und aus welcher sich nach Abrechnung des Vergleichsbetrags gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG ein Nettobetrag in Höhe von EUR 5.109,14 ergeben habe. In weiterer Folge sei dann jedoch lediglich ein Betrag von EUR 1.481,45 netto überwiesen und am 11. Dezember 2024 eine korrigierte Endabrechnung übermittelt worden, die dem Inhalt der getroffenen Einigung widerspreche. Dort sei nicht der vereinbarte Vergleichsbetrag abgerechnet worden, vielmehr seien hier vollkommen andere Entgeltbestandteile abgerechnet und „Aufrollungen“ für Vormonate durchgeführt sowie Abzüge aufgrund geleisteter Entgeltzahlungen für Vormonate vorgenommen worden. Der abgeschlossene Vergleich sei dadurch nicht erfüllt worden. Von einer „Aufrollung“ oder Berücksichtigung von Vormonaten sei in der vor Vergleichsabschluss geführten Korrespondenz keine Rede gewesen, damit wäre die Klägerin niemals einverstanden gewesen. Die vereinbarte Bereinigungswirkung des Vergleichs erstrecke sich auf alle Ansprüche, an die die Parteien zwar nicht gedacht hätten, an die sie aber hätten denken können. Hinzu komme, dass die Beklagte durch die Ausstellung der am 10. Dezember 2024 übermittelten Lohn-/Gehaltsabrechnung den dort richtig ausgewiesenen Betrag von EUR 5.109,14 netto anerkannt habe.
Die Beklagte bestreitet dem Grunde und der Höhe nach und wendet zusammengefasst ein, der zwischen den Streitteilen geschlossene Vergleich sei ordnungsgemäß erfüllt worden. Der Vergleichsvereinbarung entsprechend habe die Beklagte durch die von ihr beauftragte Steuerberatung die Lohnverrechnung vornehmen lassen und den sich daraus ergebenden Betrag von EUR 1.481,45 netto an die Klägerin überwiesen. Von der Beklagten könne nicht verlangt werden, eine Gehaltsabrechnung vorzunehmen, die nicht den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere den Bestimmungen der pharmazeutischen Gehaltsklasse) entspreche. Die vor Vergleichsabschluss geforderten EUR 9.500,00 wären in jedem Fall um das bereits erhaltene Akonto der Gehaltskasse zu kürzen gewesen, sodass der Anspruch auf Bruttobasis, unter Berücksichtigung des erhaltenen Akontos, nur EUR 6.000,00 brutto hätte betragen können. Die Klägerin habe gewusst, dass die Abrechnung nach der pharmazeutischen Gehaltskasse vorzunehmen sei und dadurch Abzüge bei der Endabrechnung vorzunehmen seien, die sich im Bereich von EUR 3.500,00 bewegen würden. Dass dieser Abzug in der Beilage ./E nicht berücksichtigt worden sei, sei ein offensichtlicher, für die Klägerin leicht erkennbarer Fehler.
Mit der angefochtenen Entscheidung gibt das Erstgerichtdem Klagebegehren auf Zahlung von EUR 3.627,69 samt 12,23 % Zinsen p.a. seit 18. Dezember 2024 statt; das Zinsmehrbegehren weist es unbekämpft ab. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen, im Berufungsverfahren nicht strittigen Sachverhalt kommt es rechtlich zum Ergebnis, dass die Klägerin aufgrund des geschlossenen Vergleichs Anspruch auf Zahlung von EUR 5.109,14 habe. Ein Vergleich, durch den in Bereinigung einer zweifelhaften Rechtslage einverständlich strittige Rechte neu festgelegt würden, sei nach den §§ 914 f ABGB im Sinne der Vertrauenstheorie zu verstehen und so auszulegen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Es sei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern ausgehend vom Wortlaut die Absicht der Parteien zu erforschen. Dem konkreten Vergleichszweck sei dabei großes Gewicht beizumessen. Entscheidend sei der objektive Erklärungswert. Dabei sei das gesamte Verhalten der Vertragsteile zu berücksichtigen. Hier sei die Formulierung „aus der entsprechenden Lohnabrechnung“ in Punkt 1. des Vergleichs, wenn man den ursprünglichen Vorschlag des Klagsvertreters vom 12. November 2024 heranziehe, aus dem sich ergebe, dass die Vergleichszahlung durch einen Pauschalbetrag gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG erfolgen solle, eindeutig so zu verstehen, dass vom Bruttobetrag von EUR 6.500,00 die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge im Sinn des § 67 Abs 8 lit a EStG abzuziehen seien und an die Klägerin der sich daraus ergebende Nettobetrag zu bezahlen sei. Dieser Interpretation entspreche auch die von der Lohnverrechnerin am 10. Dezember 2024 vorgenommene Abrechnung laut Beilage ./E, die einen Nettobetrag von EUR 5.109,14 ergeben habe. Eine Auslegung des Vergleichspunkts 1. dahin, dass im Zuge der Lohnabrechnung noch allfällige Rückforderungen der Beklagten wegen der von ihr an die Gehaltskasse geleisteten Pauschalbeträge zu berücksichtigen seien, lasse der insoweit eindeutige Wortlaut der Vereinbarung nicht zu. Hinzu komme, dass die Streitteile mit Punkt 2. des Vergleichs eine Generalbereinigung vereinbart hätten. Eine solche Bereinigungswirkung beziehe sich auf alle naheliegenden Ansprüche, die mit dem bereinigten Rechtsverhältnis typischerweise in Zusammenhang stünden, nicht jedoch auf Ansprüche, mit deren späterem Entstehen die Parteien trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht rechnen hätten können. Im Sinne dieser Grundsätze seien auch allfällige Forderungen der Beklagten auf Abzug von Beträgen, die sich aus den Gehaltszahlungen durch die Gehaltskasse und die der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgeschriebenen Zahlungen an die Gehaltskasse ergeben könnten, mitverglichen. Denn zum Zeitpunkt Ende November, als die Streitteile den Vergleich vereinbart hätten, sei beiden Vertragsparteien bekannt gewesen, dass der Beklagten von der Gehaltskasse bis Oktober noch Beiträge vorgeschrieben worden seien und die Klägerin von der Gehaltskasse auch entsprechende Gehaltszahlungen erhalten habe. Damit handle es sich bei diesen Forderungen der Beklagten um solche, die mitbedacht hätten werden können. Allfällige daraus resultierende Nachforderungen seien mit dem geschlossenen Vergleich mitbereinigt. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung in Höhe von EUR 1.481,45 schulde die Beklagte der Klägerin daher noch EUR 3.627,69.
Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil in Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war, ist nicht berechtigt .
Das Berufungsgericht erachtet die Berufungsausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe für zutreffend, sodass auf deren Richtigkeit zu verweisen ist und es im Hinblick auf die Argumente in der Berufung nur folgender Erwiderung bedarf (§ 500a ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG):
Festzuhalten ist zunächst, dass ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kein anderes Auslegungsergebnis möglich ist. Das Erstgericht stellt nämlich auf Urteilsseite 5 (unbekämpft) fest, dass die erste Abrechnung laut Beilage ./E vom 10. Dezember 2024 genau dem entsprochen habe, was der Klagsvertreter im Schreiben vom 12. November 2024 vorgeschlagen habe und was in Punkt 1. des – unstrittig vom Beklagtenvertreter formulierten – Vergleichsvorschlags vom 27. November 2024 formuliert worden sei; dazu stellt es im Rahmen der Beweiswürdigung unmissverständlich klar, dass nach Überzeugung des erkennenden Senats somit diese erste Abrechnung genau dem entsprochen habe, was zwischen den Streitteilen nach Punkt 1. des Vergleichstexts vereinbart worden war (Urteilsseite 7; Unterstreichung erfolgte durch das Berufungsgericht). Damit steht unbekämpft fest, dass die einen Auszahlungsbetrag von EUR 5.109,14 ergebende Abrechnung genau der Vereinbarung entspricht. Schon daran muss die Berufung scheitern, weil nach diesen Tatsachenfeststellungen eine Abweisung der Klage nicht in Frage kommt.
Die Berufungsausführungen sind aber auch nicht geeignet, Zweifel an dem Ergebnis der vom Erstgericht vorgenommenen Auslegung zu erzeugen. Ihren Argumenten ist noch zu entgegnen:
Die Klägerin leitet die klagsgegenständlichen Ansprüche aus dem im November 2024 geschlossenen Vergleich ab. Im Verfahren galt es zu klären, was zwischen den Parteien betreffend die damals zwischen ihnen strittigen Ansprüche vereinbart wurde. Insoweit kam das Erstgericht im Wege der Auslegung zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis, dass zu Punkt 1. des Vergleichs eine Pauschalzahlung im Sinne des § 67 Abs 8 lit a EStG vereinbart wurde, bei der von dem Bruttobetrag von EUR 6.500,00 nur Steuer und Sozialversicherungsbeitrag abzuziehen und der sich daraus ergebende Nettobetrag an die Klägerin zu überweisen sei; dieser vereinbarten Vorgehensweise entspreche die Abrechnung laut Beilage ./E, aus der sich ein Auszahlungsbetrag von EUR 5.109,14 ergebe.
Dieses Verständnis von der Vereinbarung ergibt sich eindeutig aus deren Wortlaut unter Berücksichtigung des gesamten Verhaltens der Vertragsteile, das sich aus Äußerungen in Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann (vgl dazu 1 Ob 256/05m). Hervorzuheben ist hier der zum Vergleichsabschluss führende Vorschlag des Klagsvertreters vom 12. November 2024 einerseits und die unterbliebene Thematisierung allfälliger nach Erhalt der Gehaltskassenabrechnung noch vorzunehmender Abzüge oder „Aufrollungen“ durch die Beklagte andererseits. Die Bezugnahme auf eine „ entsprechende “ Lohnabrechnung im Vergleichstext kann sich nach dem Wortlaut der Vereinbarung nur auf den Begriff des „Pauschalbetrags“ und eine standardmäßige pauschalierte Abrechnung nach § 67 Abs 8 lit a EStG (im Unterschied zu einer die Besonderheiten des Systems der „doppelten Besoldung“ berücksichtigenden Abrechnung, die damals zwischen den Streitteilen nie thematisiert worden war) beziehen, wie sich näher erklärt, wenn man den zum Vergleichsabschluss führenden Vorschlag des Klagsvertreters berücksichtigt: In Beilage ./G schlug der Klagsvertreter die Leistung eines Pauschalbetrags im Sinne einer Vergleichszahlung gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG vor und dass der Betrag von EUR 6.500,00 dann binnen 14 Tagen abgerechnet und der sich daraus ergebende Nettobetrag zur Überweisung gebracht werden solle (Beilage ./G). Im Antwortschreiben des Beklagtenvertreters vom 27. November 2024 (Beilage ./1) wurde dann der letztlich zustandegekommene Vergleichsvorschlag formuliert, ohne dass die vorgeschlagene Abrechnung eines Vergleichsbetrags gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG abgelehnt worden wäre oder ein Hinweis auf noch offene Forderungen der Beklagten oder die notwendige Abrechnung nach dem System der „doppelten Besoldung“ erfolgt wäre (Beilage ./1). Bereits das Erstgericht weist zutreffend darauf hin, dass der eindeutige Wortlaut der Vereinbarung eine Auslegung dahin, dass nicht der vereinbarte Pauschalbetrag von EUR 6.500,00 brutto „entsprechend“ – also im Sinne des Vorschlags des Klagsvertreters – abgerechnet werde, sondern – wie dies die Beklagte letztlich in Beialge ./F vornahm – zu diesem Vergleichsbetrag andere Entgeltbestandteile hinzu- bzw abgerechnet und eine (nie thematisierte) „Aufrollung“ von Vormonaten durchgeführt werde, nicht zulässt.
Soweit die Beklagte auf die getroffene Feststellung dazu, dass bei der Lohnabrechnung nach dem System der „doppelten Besoldung“ von Pharmazeut:innen Differenzen, die sich aus den Zahlungen an die Gehaltskasse ergeben, durch Rückzahlungen wieder ausgeglichen würden, verweist, ist ihr zu entgegnen: Die relevierte, auf Urteilsseite 3 getroffene Feststellung betrifft das System der „doppelten Besoldung“ generell und wie die Gehaltsabrechnungen während aufrechtem Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen gehandhabt wurden. Sie trifft aber keine Aussage darüber, was zwischen den Parteien im November 2024 betreffend die nach Beendigung des Dienstverhältnisses noch strittigen restlichen Entgeltansprüche konkret vereinbart wurde. Auch wenn in der Vergangenheit die Lohnabrechnung wie auf Urteilsseite 3 festgestellt erfolgte und es dabei zu Rückforderungen der Beklagten gegen die Klägerin kam, so schlug der Klagsvertreter abweichend davon ein Vorgehen der pauschalierte Abrechnung nach § 67 Abs 8 lit a EStG vor, das von der Beklagten angenommen wurde. Durch den Hinweis darauf, auch eine pauschalierte Abrechnung nach § 67 Abs 8 lit a EStG schließe eine Berücksichtigung der Zahlungen an die Gehaltskasse nicht aus, was durch die Zeugenaussage von E* bestätigt worden sei, ist für die Beklagte nichts zu gewinnen. Nicht nur, dass die Zeugin zuvor erklärt hatte, dass man bei der Abrechnung eines „Vergleichsbetrags“ grundsätzlich zwei Möglichkeiten habe, und eine davon die pauschalierte Abrechnung entsprechend Seite 2 der Beilage ./E sei, ohne dass sie in diesem Zusammenhang eine Berücksichtigung von Zahlungen an die Gehaltskassa erwähnte; zudem vermag die Aussage der Zeugin nichts an den getroffenen Feststellungen zu ändern, die dem von der Beklagten vertretenen Standpunkt entgegenstehen. Selbst wenn generell eine pauschalierte Abrechnung nach § 67 Abs 8 lit a EStG eine Berücksichtigung der Zahlungen an die Gehaltskasse nicht ausschließen würde, wurde eine solche Berücksichtigung hier, wie bereits näher erläutert, nicht zum Inhalt der getroffenen Vereinbarung. Klarzustellen ist zur Vollständigkeit auch noch, dass die Aussage der Zeugin E*, eine Berücksichtigung der Gehaltskassenzahlungen sei nur fälschlicherweise nicht erfolgt, weil die Abrechnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden gewesen sei, vom Erstgericht als nicht glaubhaft beurteilt wurde, das zum Ergebnis kam, dass die erste Abrechnung der Vereinbarung entsprochen habe und der Geschäftsführerin der Beklagten erst im Nachhinein, nach Abschluss des Vergleichs, eingefallen sei, dass man noch Abzüge wegen der Gehaltskassenvorschreibungen vornehmen müsse.
Dass zu Punkt 3. vereinbart wurde, dass der Vergleich nur zustande komme, wenn die „hier anliegende Meldung“ von der Klägerin gegengezeichnet und an die pharmazeutische Gehaltskasse übermittelt werde, steht dem vom Erstgericht erzielten Verständnis des Vergleichs nicht entgegen. Rückforderungen der Beklagten aus der Gehaltskassenabrechnung waren damals im Zusammenhang mit der vergleichsweisen Bereinigung kein Thema, was dagegen spricht, dass Punkt 3. deswegen vereinbart worden sei, damit diese Gehaltskassenabrechnung bei der Lohnverrechnung berücksichtigt werden könne – was die Beklagte im Übrigen im Verfahren erster Instanz auch gar nie vorgebracht hat. Ein Grund für diese Regelung könnte auch einfach darin gelegen sein, dass nach dem System der „doppelten Besoldung“ offenbar die beklagte Apotheke Vorschreibungen von der Gehaltskasse erhielt, bis die Änderungsmeldung samt Unterschrift der Klägerin übermittelt wurde; zumindest ergibt sich aus der Aussage der Zeugin E*, dass die Beklagte nach wie vor Vorschreibungen erhielt, obwohl das Arbeitsverhältnis beendet war, und über Erkundigung bei der Gehaltskasse mitgeteilt worden sei, es fehle eine Unterschrift der Klägerin (ON 14, Seite 13). Unabhängig davon ist schon rein aus dem Wortlaut von Punkt 3. des Vergleichs auf kein anderes, als das vom Erstgericht erzielte Auslegungsergebnis zu schließen. Dort wird nämlich nichts Anderes, als die Meldung an die pharmazeutische Gehaltskassa (im Akt zu finden in Beilage ./2, Seite 4) als aufschiebende Bedingung vereinbart, und nicht etwa der Erhalt der Abrechnung durch die Gehaltskassa selbst oder dergleichen, was allenfalls andere Rückschlüsse zulassen könnte.
Auch durch den Hinweis auf die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen im Gehaltskassengesetz 2002 wird keine unrichtige rechtliche Beurteilung aufgezeigt. Gegenständlich geht es nicht um die Beurteilung, welche Abrechnung (Beilage ./E oder ./F) aus steuer- und sozialabgabenrechtlicher Sicht richtig ist und ob die letztlich getroffene Vereinbarung der grundsätzlich nach dem System der „doppelten Besoldung“ von Pharmazeut:innen vorzunehmenden Lohnabrechnung entspricht, sondern darum, was zwischen den Parteien mit dem Vergleich vereinbart wurde und welche Abrechnung dem abgeschlossenen Vergleich entspricht. Im Vergleichsweg können Parteien betreffend zwischen ihnen strittige Rechte autonom Lösungen finden, dabei ist es auch möglich, auf an sich zustehende Ansprüche zu verzichten. Selbst wenn der Beklagten also grundsätzlich noch Rückforderungsansprüche gegenüber der Klägerin zugestanden hätten, so stand es den Parteien frei, im Wege eines Vergleichsabschlusses zur endgültigen Erledigung des Rechtsstreits auf allfällige Rückforderungsansprüche zu verzichten. Das erzielte Auslegungsergebnis steht auch nicht in Widerspruch zum festgestellten Besoldungssystem entsprechend den gesetzlich zwingenden Bestimmungen, zumal auch nach dem System der „doppelten Besoldung“ freiwillige Überzahlungen nicht ausgeschlossen sind und direkt an die Pharmazeutin bezahlt würden. Hier steht fest, dass – auch wenn die endgültige Gehaltskassenabrechnung damals noch nicht vorliegend war – sich sowohl die Klägerin als auch die Geschäftsführerin der Beklagten darüber im Klaren waren, dass sich aus dieser endgültigen Abrechnung noch Forderungen der Beklagten gegen die Klägerin ergeben könnten, und sich dennoch dazu entschieden haben, zu Punkt 2. des Vergleichs eine Generalbereinigung zu vereinbaren. Die Bereinigungswirkung des Vergleichs erstreckt sich daher auch auf allfällige aus der endgültigen Gehaltsabrechnung resultierende Nachforderungen der Beklagten (vgl 6 Ob 151/18a; RS0032453; RS0032589).
Der Vorwurf eines Feststellungsmangels ist nicht berechtigt. Die Beklagte hat im Verfahren kein Vorbringen dazu erstattet, dass der Klägerin bewusst gewesen wäre, dass „die Rückforderung jedenfalls den Zeitraum 16. Oktober bis 30. November 2024 betreffen“ werde. Wurde ein bestimmter Sachverhalt nicht behauptet, dann bedeutet die Unterlassung entsprechender Feststellungen auch keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO (Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 496 Rz 11 mN). Dies ganz abgesehen davon, dass ein Bewusstsein der Klägerin über allfällige „Rückforderungen“ (was konkret damit gemeint ist, erklärt die Berufung nicht) im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nichts an der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ändern würde. Wie bereits dargestellt, wurde ohnehin festgestellt, dass beiden Streitteilen damals bewusst gewesen ist, dass sich aus der Gehaltskassenabrechnung noch Forderungen der Beklagten ergeben könnten, dennoch wurde der Vergleich mitsamt einer Generalbereinigungsklausel abgeschlossen.
Der Berufung ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil der Auslegung einer Vergleichsvereinbarung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl RS0113785; RS0042776; RS0044358).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden