Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Obmann, LL.M. als Vorsitzenden, den Richter Mag. Koller und die Richterin Mag a . Berzkovics in der Strafsache gegen A *wegen der Vergehen der fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. August 2025, GZ **-41, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Strafverfahrens aufgetragen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Mit Strafantrag vom 12. Juni 2025 (ON 35) legt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt dem am ** geborenen A* die Vergehen der fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2 StGB zur Last.
Dem Anklagetenor zufolge habe der Angeklagte in ** und anderen Orten durch kridaträchtiges Handeln grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB)
I. im Zeitraum von November 2022 bis Ende Jänner 2023 die Zahlungsunfähigkeit des Einzelunternehmens B* dadurch herbeigeführt, dass er entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterlassen hat oder so führte, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird, und zwar indem er eine lückenhaften Buchführung führte, insbesondere indem er in der Buchhaltung Zahlungseingänge von Kunden ohne zuordenbare Ausgangsrechnungen bzw. Zahlungen an Lieferanten ohne zuordenbare Eingangsrechnungen (teils verspätet) verbuchte;
II. im Zeitraum vom Anfang Februar 2023 bis Ende August 2023 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der B* die Befriedigung wenigstens eines seiner Gläubiger dadurch vereitelt oder geschmälert, dass er
a) Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterlassen hat oder so führte, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird, und zwar indem er eine lückenhaften Buchführung führte, insbesondere, indem er in der Buchhaltung Zahlungseingänge von Kunden ohne zuordenbare Ausgangsrechnungen bzw. Zahlungen an Lieferanten ohne zuordenbare Eingangsrechnungen (teils verspätet) verbuchte sowie Ausgangsrechnungen für Löhne und Gehälter nur bis Juli 2023 verbuchte;
b) übermäßigen, mit seinen Vermögensverhältnissen oder seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, indem er einen wirtschaftlich nicht mehr zu rechtfertigenden Geldbetrag von insgesamt EUR 45.833,62 privat entnahm.
In der Hauptverhandlung vom 17. Juli 2025 erklärte der Angeklagte, dass er sich nicht schuldig fühle und sich keinen Fehler vorwerfen könne. Ungeachtet dessen übernehme er aber die Verantwortung für das Geschehen und strebe eine diversionelle Erledigung an (ON 40 S 3 f). Daraufhin bot ihm der Erstrichter nach der Anhörung der Staatsanwaltschaft, die einer Diversion entgegentrat, die Zahlung eines Geldbetrags von EUR 2.200,00 inklusive Pauschalkostenbeitrag an (ON 40 S 4). Der Geldbetrag wurde am 28. Juli 2025 erlegt (Beleg im Ordner „Gebühren“).
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht das Strafverfahren gemäß § 199 iVm § 200 Abs 5 StPO ein.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen, weil die Schuld des Angeklagten schwer sei und seine Verurteilung geboten sei, um ihn und andere von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten (ON 42).
Die Beschwerde ist berechtigt.
Gemäß §§ 198, 199 StPO hat das Gericht nach Einbringung der Anklage das Verfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung mit Beschluss einzustellen, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre und – neben weiteren Voraussetzungen – eine Bestrafung im Hinblick auf (etwa) die Zahlung eines Geldbetrags (§ 200 StPO) nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Im vorliegenden Fall steht einer Diversion schon entgegen, dass keine hinreichende Sachverhaltsklärung erfolgt ist.
Dem Sachverständigengutachten in ON 34.2 ist zu entnehmen, dass das Einzelunternehmen des Angeklagten spätestens zum 31. Jänner 2023 zahlungsunfähig war und dies dem Angeklagten zu diesem Zeitpunkt auch bekannt gewesen sein muss (Tz 50 f). Der Sachverständige zeigt zwar auf, dass die Buchhaltung ab November 2022 nur lückenhaft geführt wurde (etwa in Tz 12 bis 17, 20 f, 54), trifft aber zur eigentlichen Ursache der Zahlungsunfähigkeit – entgegen dem Gutachtensauftrag (vgl ON 22) – keine klare Aussage, sondern referiert insoweit bloß die Verantwortung des Angeklagten, wonach die Zahlungsunfähigkeit darin begründet sei, dass Kundenzahlungen ausgeblieben seien (Tz 5). Insoweit bedarf daher der zu Punkt I. des Strafantrags erhobene Vorwurf nach § 159 Abs 1 StGB einer weiteren Klärung.
Aber auch zu Punkt II. kann nicht von einem hinreichend geklärten Sachverhalt ausgegangen werden. Aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich, dass der Angeklagte im Zeitraum von Februar bis August 2023 Privatentnahmen von insgesamt EUR 45.833,62 tätigte (Tz 68), dies obwohl ihm das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sein muss (Tz 51). Ein übermäßiger, mit den Vermögensverhältnissen oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehender Aufwand stellt eine kridaträchtige Handlung nach § 159 Abs 5 Z 3 StGB dar. Derartige Handlungen können bei (zumindest bedingt) vorsätzlicher Gläubigerschädigung – die nach den Ausführungen des Sachverständigen indiziert ist – allerdings auch nach § 156 StGB strafbar sein, wobei bei einheitlichem Tatgeschehen und Identität des Objekts die fahrlässige Tatbegehung (§ 159 StGB) gegenüber der vorsätzlichen Begehung (§ 156 StGB) nach dem Scheinkonkurrenztyp der Subsidiarität zurücktritt (RS0124805; Kirchbacher, WK² StGB § 159 Rz 98). Aus diesem Grund muss insoweit noch die innere Tatseite des Angeklagten, der überhöhte Privatentnahmen im Übrigen ausdrücklich bestritten hat (ON 24.3), geklärt werden.
Darüber hinaus stehen aber auch spezialpräventive Hindernisse einer Diversion entgegen. Zwar ist ein Geständnis für ein diversionelles Vorgehen nicht vorausgesetzt, nach ständiger Rechtsprechung bedarf es allerdings der Übernahme der Verantwortung für das Bewirken der eine strafrechtliche Haftung begründenden Tatsachen ( Schroll/Kert, WK StPO § 198 Rz 36, 36/1). In der Regel indiziert bereits die Bereitschaft zur diversionellen Vorgangsweise eine solche Verantwortungsübernahme (RS0130304). Im konkreten Fall hat der Angeklagte allerdings noch in der Hauptverhandlung – und trotz förmlich bekundeter Verantwortungsübernahme – jegliches Fehlverhalten in Abrede gestellt (ON 40 S 3), sodass er kein Unrechtsbewusstsein erkennen lässt, welches jedoch bei allen Diversionsvarianten unentbehrlich ist (RS0126734).
In Stattgebung der Beschwerde ist der angefochtene Beschluss daher aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
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