Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strubreiter in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 19. August 2025, GZ 43 Hv 36/25g 49.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] M it dem angefochtenen Urteil wurde* G* des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./), jeweils mehrererVergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2, § 15 StGB (II./) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III./), sowie jeweils eines Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 2, § 224 StGB (IV./), des Betrugs nach § 146 StGB (V./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (VI./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit gegenständlich relevant – in W*/Schweiz und andernorts
I./ am 18. Jänner 2024 Gewahrsamsträgernder V* AG durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe Bargeld in Höhe von 2.298 Schweizer Franken (rund 2.406 Euro) mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abgenötigt, indem er ein Messer mit 15–20 cm Klingenlänge gegen die Tankstellenangestellte * B* richtete, damit gegen ihren Bauch drückte und sie zwang, die Kassa zu öffnen und ihm das Bargeld zu übergeben;
II./ Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei er sich die Gewalt über die Fahrzeuge durch Einbruch und durch widerrechtlich erlangte Schlüssel verschaffte oder verschaffen wollte (Pkt 2./a./) und anschließend mit den Fahrzeugen den Tatort verließ oder verlassen wollte, und zwar
1./ am 18. Jänner 2024 den Porsche Cayenne des * S*, indem er durch eine unverschlossene Garagentür auf die Liegenschaft gelangte und von einem Wandschlüsselbrett in einem Büro den Schlüssel des Fahrzeugs entnahm;
2./ am 21. Jänner 2024
a./ ein unbekanntes Fahrzeug, indem er einen Schlüsselkasten der G* GmbH mittels Flachwerkzeug aufbrach, wobei es ihm nicht gelang, ein Fahrzeug in Gebrauch zu nehmen (US 8);
b./ den Jeep GD Cherokee der A* GmbH, indem er einen Schlüsselkasten aufbrach „und mindestens einen Schlüssel entwendete“;
3./ im Zeitraum von 21. bis 22. Jänner 2024 den Mercedes Benz TH des * D*, indem er den Schlüsseltresor am Betriebsgelände der W* AG mit einem Werkzeug gewaltsam öffnete und den Schlüssel des genannten Fahrzeugs entnahm;
IV./ die Schweizer Kennzeichentafeln BL * des * B*, „somit echte ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind“, durch Abänderung auf BE * sowie BE * mit dem Vorsatz verfälscht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich der Identität des Eigentümers, gebraucht werden, indem er die verfälschten Kennzeichentafeln auf den zu II./1./ und II./2./b./ genannten, unbefugt in Gebrauch genommenen Fahrzeugen anbrachte.
[3]Nur gegen den Schuldspruch zu I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Entgegen der Unvollständigkeit reklamierenden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) musste sich das Schöffengericht nicht gesondert mit denAussagen des Angeklagten auseinandersetzen, wonach er sich auf der Flucht befunden und „von einem Bekannten“, zu dem er keine Angaben machen wolle, „Geld besorgt“ habe (ON 49.3, 5 f). Das Erstgericht hat die Feststellungen zur objektiven Tatseite insbesondere auf die als „überaus glaubwürdig“ erachteten Angaben der Zeugin B* sowie auf eine Videoaufnahme von der Tat (ON 23) gestützt, sich mit der – vor der Polizei noch geständigen, in der Hauptverhandlung jedoch leugnenden – Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt und diese, soweit die Tatbegehung bestritten wurde, als „unglaubwürdige Schutzbehauptung“ gewertet (US 14 ff). Daher war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gehalten, die von der Beschwerde aufgeworfenen Aspekte der Verantwortung des Angeklagten im Urteil zu thematisieren (RIS-Justiz RS0106642, RS0106295 [T7, T12, T15]).
[5]Der Einwand (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe die Feststellungen zur subjektiven Tatseite lediglich aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitet, übergeht die weiteren zu diesem Thema angestellten Beweiserwägungen (US 17; RIS-Justiz RS0119370). Im Übrigen begegnet die Ableitung der Feststellungen zur inneren Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit – unter Berücksichtigung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten – keinen Bedenken (RIS-Justiz RS0116882 [T1]).
[6] Die von der Beschwerde (der Sache nach Z 9 lit a) vermissten Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz des Angeklagten befinden sich – prozessordnungswidrig übergangen (vgl aber RISJustiz RS0099810) – auf US 8, wonach „er Verf ügungsberechtigte der V* AG am Vermögen schädigen und sich selbst am Bargeld unrechtmäßig bereichern wollte“. Soweit der Beschwerdeführer vermeint, das Erstgericht „hätte feststellen müssen, dass kein Bereicherungsvorsatz vorlag“, wird kein Nichtigkeitsgrund zur Darstellung gebracht, sondern in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt.
[7]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[8]Dieses wird zu beachten haben, dass der Schuldspruch zu IV./ mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet ist. Nach den Feststellungen (US 10) änderte der Angeklagte die Schweizer Kennzeichentafeln BL-* mit einem schwarzen Filzstift auf BE-* sowie BE-* und brachte sie in der Folge auf zwei unbefugt in Gebrauch genommenen Fahrzeugen an. Dabei wollte er die Kennzeichentafeln verfälschen und hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der Identität des Eigentümers gebraucht werden.
[9]Ausländische öffentliche Urkunden sind nur dann vom Schutzbereich des § 224 StGB umfasst, wenn sie durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind. Dies trifft auf ausländische Kennzeichentafeln von Kraftfahrzeugen nicht zu (RIS-Justiz RS0112566 [T6]; Kienapfel/Schroll in WK 2StGB § 224 Rz 38), sodass die Subsumtion der vom Schuldspruch zu IV./ umfassten Tat (auch) nach § 224 StGB verfehlt ist. Da sich dieser Subsumtionsfehler nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat (US 20; vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f), bietet er keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufungen an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch nicht gebunden (RISJustiz RS0118870).
[10]Gleiches gilt für die verfehlte Subsumtion (Z 10) der zu II./ abgeurteilten Taten als mehrere Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2, § 15 StGB anstatt richtig (zufolge des Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB) als ein Vergehen nach § 136 Abs 1 und 2, § 15 StGB (vgl RIS-Justiz RS0114927 [T11], RS0090730 [T9, T28]).
[11]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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