Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Mag. Böhm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und FOI Tamara Haller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Michael Celar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O*, vertreten durch Huber Dietrich Rechtsanwalts-Partnerschaft, wegen 10.570,81 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Juli 2025, GZ 9 Ra 1/25w-25, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] 1. Das Erstgericht gab dem (neben anderen, im Revisionsverfahren nicht mehr gegenständlichen) Begehren des Klägers auf Kündigungsentschädigung wegen fristwidriger Kündigung durch die beklagte Arbeitgeberin statt. Zur Frage, ob eine Branche vorliegt, in der Saisonbetriebe überwiegen, traf es eine Negativfeststellung. Die 14 tägige Kündigungsfrist des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe (KV) käme nicht zur Anwendung, weil es der insoweit behauptungsund beweispflichtigen Beklagten aufgrund der getroffenen Negativfeststellung nicht gelungen sei, zu beweisen, dass der Ermächtigungstatbestand des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB erfüllt sei.
[2] 2. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Nach der Entscheidung 9 ObA 57/24h treffe im vorliegenden Fall den Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass es sich um keine Branche handle, in der Saisonbetriebe überwiegen.
[3]3. Der Kläger rügt in seiner außerordentlichen Revision als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (sowie unzutreffend auch als unrichtige rechtliche Beurteilung, RS0037095) ausschließlich, dass das Berufungsgericht den Kläger mit dieser Rechtsansicht überrascht habe. Mit dem Argument, das Berufungsgericht sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgegangen, weil es – anders als der Oberste Gerichtshof zu 9 ObA 57/24h – trotz Judikaturänderung die Entscheidung des Erstgerichts nicht aufgehoben und die Rechtssache nicht an dieses zurückverwiesen habe, um den Parteien nach Erörterung die Möglichkeit zu ergänzendem Tatsachenvorbringen und Beweisanboten zu geben, wirft die Revision keine Rechtsfrage des Verfahrensrechts (vgl RS0037095[T7]) von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[4]3.1 Richtig ist, dass das (Berufungs-)Gericht nach § 182a ZPO das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern hat und seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen darf, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat ( RS0037300 [T46]). Es darf daher die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden ( RS0037300 ).
[5] 3.2 Das ist nach herrschender Rechtsprechung aber nur dann der Fall, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde ( RS0037300 [T16] ua).
[6]3.3 Bei der Beurteilung des vorliegenden Falls steht nicht eine „Judikaturänderung“ im Vordergrund, sondern eine unterschiedliche Rechtsauffassung der Parteien zur – im erstinstanzlichen Verfahren allein maßgeblichen – Frage der Beweislastverteilung im Anwendungsbereich des § 1159 Abs 2 ABGB. Der Kläger konnte daher nicht überrascht sein, wenn seiner im erst und zweitinstanzlichen Verfahren vorgetragenen und von der Arbeitgeberin ausdrücklich bestrittenen Rechtsansicht, die beklagte Arbeitgeberin sei für das Überwiegen von Saisonbetrieben in der maßgeblichen Branche und damit für die Anwendbarkeit der kollektivvertraglichen Ausnahmebestimmung behauptungs und beweispflichtig, vom Berufungsgericht nicht gefolgt wurde (zu derselben Konstellation vgl bereits 9 ObA 8/25d Rz 9). Von der in der Revision zitierten Entscheidung 9 ObA 57/24hunterscheidet sich der vorliegende Fall, weil dort – anders als hier – auch die beklagte Arbeitgeberin im erstinstanzlichen Verfahren kein (ausreichendes) Vorbringen zur Beurteilung der Frage erstattet hatte, ob Pkt 21 lit a KV mit § 1159 Abs 2 ABGB in Widerspruch steht (Rz 48).
[7]4. Die außerordentliche Revision des Klägers war somit zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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