Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Korn, Dr. Stiefsohn, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner-Helm in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch die Kosesnik Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei B* SA/NV, *, Belgien, vertreten durch die E+H Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. März 2025, GZ 1 R 154/24k-40, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. August 2024, GZ 41 Cg 33/23w-35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1]Der Kläger ist ein nach § 29 KSchG klageberechtigter Verband. Die Beklagte betreibt eine Fluglinie und bietet ihre Leistungen unter anderem im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Sie tritt dabei laufend auch mit österreichischen Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Beförderungsverträge ab, denen sie auch ihre Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) zu Grunde legt.
[2] Die ABB enthalten unter der Überschrift „Anwendbares Recht“ folgende Klausel:
„ In Übereinstimmung mit der beschränkten Rechtswahlmöglichkeit nach dem zweiten Unterabsatz von Artikel 5 Abs. (2) der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. 'Rom I Verordnung') unterliegen ihr Beförderungsvertrag mit uns sowie diese Beförderungsbedingungen belgischem Recht. Sollte eine Bestimmung dieser Beförderungsbedingungen nach dem anwendbaren Recht ungültig sein, bleiben die übrigen Bestimmungen gleichwohl gültig. “ [Klausel 2]
[3] Der Kläger begehrte, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in ihren ABB 35 näher bezeichnete Klauseln (darunter auch die Klausel 2) oder sinngleiche Klauseln zu verwenden oder sich darauf zu berufen. Daneben erhob er ein Begehren auf Urteilsveröffentlichung.
[4] Die Beklagte trat dem Klagebegehren entgegen und berief sich auf die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Klauseln.
[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
[6] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Die in der Klausel 2 getroffene Rechtswahl zugunsten von belgischem Recht entspreche den Anforderungen von Art 3 und Art 5 Klausel RL. Die Zulässigkeit der bekämpften Klauseln sei daher nach belgischem materiellen Recht zu prüfen. Der Kläger habe aber gar nicht behauptet, dass die Klauseln nach belgischem Recht unzulässig seien.
[7] Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu gebe, ob Rechtswahlklauseln in Personentransportverträgen – zur Vermeidung einer missbräuchlichen Irreführung im Sinne der Klausel RL – auf die Geltung der Fluggastrechte VO oder den Verlust zwingender Schutzbestimmungen des Aufenthaltsstaats hinweisen müssen.
[8] Die – von der Beklagten beantwortete – Revisiondes Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen.
[9] 1. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind ( RS0121516 ). Demnach genügt für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt ( RS0121516[T4]). Auch der Umstand allein, dass im konkreten Fall mehrere Personen Verträge mit der Beklagten abgeschlossen haben, die gleichartige (oder ähnliche) Klauseln enthalten, bewirkt nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ( RS0121516 [T39]).
[10] 2. Gegen die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, dass die gegenständliche Klausel 2 mit der zu 4 Ob 222/22h beurteilten Klausel nicht vergleichbar sei, wendet sich die Revision nicht, sodass auch keine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Rechtswahlklauseln besteht.
[11] 3. Das anwendbare Recht ist auch im Verbandsprozess nach der Rom I VO (Verordnung [EG] Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) zu ermitteln ( 4 Ob 222/22h Rz 13 mwN = RS0131886 [T2]). Nach Art 3 Abs 5 iVm Art 10 Abs 1 Rom I VO ist die Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel grundsätzlich nach dem gewählten Recht zu beurteilen, hier also nach belgischem Recht (vgl 2 Ob 155/16g[Pkt 2.4.]; zu Art 3 Abs 4 iVm Art 8 Abs 1 EVÜ siehe bereits 1 Ob 48/12h).
[12] Damit scheidet eine vom Kläger gewünschte Prüfung der Zulässigkeit der Rechtswahlklausel im ersten Satz der Klausel 2 nach den Bestimmungen der österreichischen Normenkontrolle jedenfalls aus. Inwieweit die die Zulässigkeit der Rechtswahlklausel bejahende Entscheidung des Berufungsgerichts in Widerspruch zu zwingendem belgischen Recht steht, zeigt die Revision nicht auf. Die vom Berufungsgericht und der Revision aufgeworfene Frage eines allfälligen Verstoßes der Klausel gegen die Klausel RL kann die Zulässigkeit der Revision mangels Präjudizialität nicht begründen (vgl RS0088931 [insb T2, T4]). Eine Richtlinie ist nämlich in der Regel nicht unmittelbar anwendbar, sondern muss von den Mitgliedstaaten in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden. Der Einzelne kann durch die Richtlinie nicht unmittelbar verpflichtet werden. Ebenso wenig besteht eine unmittelbare Wirkung von Bestimmungen nicht umgesetzter Richtlinien im Verhältnis zwischen Privatpersonen (vgl RS0111214 [T28]). Dass das belgische Recht die Klausel-RL in einer Art und Weise umgesetzt hat, die eine richtlinienkonforme Auslegung einer solchen nationalen belgischen Bestimmung erlaubt, steht nicht fest, und wird im Übrigen von der Revision auch nicht behauptet.
[13] Zwar wurde belgisches Recht von den Vorinstanzen nicht erhoben. Der Kläger legt in der Revision aber nicht ansatzweise dar, warum nach dieser anzuwendenden Rechtsordnung ein günstigeres als das vom Gericht zweiter Instanz erzielte Ergebnis zu erwarten wäre. Auch insofern zeigt er also keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl 2 Ob 121/11z [Pkt 3.], vgl 2 Ob 235/16x [Pkt 1.1.] je mwN).
[14] 4. Schon aus diesen Gründen war die Revision zurückweisen.
[15] 5. Dagegen argumentiert der Kläger ausschließlich mit einem Widerspruch der Klausel zu der – wie bereits dargelegt nicht unmittelbar anwendbaren – Klausel RL, wobei es ihm auch dabei nicht gelingt, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen:
[16] Schon aus seinem Wortlaut („In Übereinstimmung mit der beschränkten Rechtswahlmöglichkeit“) ergibt sich, dass der erste Satz der Klausel 2 nicht einseitig die Geltung belgischen Rechts anordnet, sondern vielmehr eine Rechtswahl zugunsten dieser Rechtsordnung trifft. Eine dahingehende Irreführung des Verbrauchers ist somit nicht zu befürchten.
[17] Der zweite Satz der Klausel 2 regelt dagegen nicht die Wahl des anwendbaren Rechts, sondern die Rechtsfolgen für den Fall, dass eine Bestimmung der ABB nach dem anwendbaren Recht ungültig sein sollte. Er weist somit einen gegenüber dem ersten Satz eigenständigen Regelungsbereich auf (vgl RS0121187 [T1]). Ob diese Vertragsbestimmung – wie die Revision meint – „unverständlich und widersprüchlich“ ist, hat daher keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirksamkeit der im ersten Satz normierten Rechtswahlklausel.
[18] Dass es sich beim belgischen Recht um das Recht eines Staates handelt, das grundsätzlich von den Parteien nach Art 5 Abs 2 Unterabsatz 2 Rom I-VO als auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen anzuwendendes Recht gewählt werden kann, ist im Verfahren nicht strittig (vgl 4 Ob 222/22h Rz 15). Die Revision zieht auch nicht in Zweifel, dass Personenbeförderungsverträge, wie sie Gegenstand der ABB der Beklagten sind, nach Art 6 Abs 4 lit b Rom I-VO ausdrücklich vom Günstigkeitsprinzip des Art 6 Abs 2 Rom I-VO ausgenommen sind (vgl 4 Ob 222/22h Rz 19). Warum es vor diesem Hintergrund für die Wirksamkeit der hier vorliegenden Rechtswahl einer Aufzählung aller in Art 5 Abs 2 Unterabsatz 2 Rom I-VO genannten Rechtswahlmöglichkeiten oder des Hinweises bedarf, dass ein Personenbeförderungsvertrag aufgrund der Rechtswahl allenfalls nicht dem Recht des Staates unterliegt, in dem ein am Vertragsabschluss beteiligter Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, legt die Revision nicht schlüssig dar.
[19] Wenn die Revision argumentiert, die Rechtswahlklausel sei nach der Klausel-RL auch deshalb intransparent, weil sie nicht darauf hinweise, dass die dem belgischen Recht vorgehende Fluggastrechte-VO weitergelte, verkennt sie, dass eine Verordnung – anders als eine Richtlinie – nach Art 288 Abs 2 AEUV in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gilt. Damit ist – worauf das Berufungsgericht bereits hingewiesen hat – auch die Fluggastrechte-VO ohnehin Teil des gewählten belgischen Rechts.
[20] 6. Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach infolge der Rechtswirksamkeit der Rechtswahlklausel auch die übrigen beanstandeten Klauseln daher nach belgischem Recht zu beurteilen seien, zeigt die Revision nicht auf, die die Unwirksamkeit nur auf österreichisches Recht stützt. Mit der Behauptung, die übrigen beanstandeten Klauseln verstießen deshalb gegen belgisches Recht, weil sie nicht „europäischen Verbraucherstandards“ entsprechen, ist der Kläger auf die Ausführungen zu Punkt 3. zu verweisen.
[21] 7. Aus den oben angeführten Gründen war auch der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht näher zu treten.
[22]8. Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen (RS0035979 [T8]).
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