Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* P*, vertreten durch die Reif und Partner RAe OG in Feldbach, gegen die beklagte Partei L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwältin in Graz, wegen Zustimmung (Streitwert 7.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den mit einem Teilurteil verbundenen Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2025, GZ 5 R 135/24w-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldbach vom 19. Juni 2024, GZ 2 C 7/24d 15, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger und dessen Ehefrau waren je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft. Das nördlich an diese Liegenschaft angrenzende Grundstück steht im Alleineigentum einer Gesellschafterin der Beklagten. Die Beklagte selbst ist aufgrund eines Kaufvertrags vom 13. 3. 2020 über die entsprechende Baurechtseinlage Bauberechtigte dieser Nachbarliegenschaft.
[2] Die Gesellschafterin der Beklagten und Alleineigentümerin der Nachbarliegenschaft wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 27. 7. 2022 gegenüber dem Kläger schuldig erkannt, in die Abtretung der in einer bestimmt bezeichneten Vermessungsurkunde als Trennstück 1 ausgewiesenen Fläche ihres Grundstücks und in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Klägers an dieser Fläche einzuwilligen.
[3] Mit Schenkungsvertrag vom 25. 8. 2022 übertrugen der Kläger und seine Ehegattin ihre Liegenschaft an die gemeinsame Tochter.
[4] Mit seiner Klage vom 4. 1. 2024 begehrte der Kläger, (nun auch) die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm gegenüber in die Abtretung des in der bestimmt bezeichneten Vermessungsurkunde als Trennstück 1 ausgewiesenen Fläche des Grundstücks der Gesellschafterin der Beklagten und in die Einverleibung seines Eigentumsrechts für diese Fläche einzuwilligen. In eventu begehrte er, die Beklagte zur grundbuchsfähigen Unterfertigung einer vorformulierten Freilassungserklärung zu verpflichten, wonach sie ihre Zustimmung erteilt, dass die in der Vermessungsurkunde als Trennstück 1 bezeichnete Fläche des Grundstücks der mit ihrem Baurecht belasteten Liegenschaft lastenfrei abgeschrieben werden kann und keine dieses Baurecht betreffenden Mitübertragungen vorgenommen werden.
[5] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte insbesondere ein, dass dem Kläger die Aktivlegitimation fehle, weil er nicht (mehr) Hälfteeigentümer jener Liegenschaft sei, der das Trennstück zugeschrieben werden soll.
[6] Das Erstgerichtwies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Der Kläger sei seit 2022 nicht (mehr) Eigentümer des Grundstücks, dem das Trennstück 1 laut dem Teilungsplan zugeschrieben werden soll. Das Trennstück, dessen Freilassung begehrt werde, bilde auch keinen eigenen Grundbuchskörper. Eine Abschreibung des Trennstücks zugunsten des Klägers sei daher nicht möglich. Im Übrigen sei der Teilungsplan nicht mehr rechtsgültig, weil die Teilung, Ab- und Zuschreibung gemäß § 39 VermG innerhalb von 18 Monaten beim Grundbuch beantragt werden müsse. Beide Klagebegehren gingen damit ins Leere.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens mit Teilurteil und hob die Entscheidung über das Eventualbegehren auf.
[8] Bei Abschreibung eines Bestandteils eines Grundbuchskörpers komme dessen Zuschreibung zu einem anderen Grundbuchskörper oder die Eröffnung einer neuen Einlage in Betracht. Ein Teilungsplan sei dann erforderlich, wenn – wie hier – ein Teil eines Grundstücks abgeschrieben werden soll, nicht aber bei einer Abschreibung eines ganzen Grundstücks von einer Einlage. Eine lastenfreie Abschreibung erfordere die Zustimmung der Buchberechtigten. Diese Zustimmung habe ausdrücklich durch eine sogenannte „Freilassungserklärung“ zu erfolgen.
[9] Der Kläger stütze das Hauptbegehren ausdrücklich auf eine Vermessungsurkunde, laut der das Trennstück 1 durch Verschieben der Grenze Richtung Norden in ein Grundstück der Nachbarliegenschaft abgeschrieben werden soll. Da der Kläger weder zum Zeitpunkt der Klageeinbringung noch des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz Eigentümer jener Liegenschaft gewesen sei, der das Trennstück zugeschrieben werden soll, sei er insoweit nicht aktivlegitimiert.
[10]Mit seinem Eventualbegehren hingegen begehre der Kläger nicht die Eintragung seines Eigentumsrechts, sondern die Zustimmung der Beklagten zur lastenfreien Abschreibung des Trenngrundstücks. Der Kläger habe dazu vorgebracht, dass ihm gegenüber eine materiell-rechtliche Verpflichtung der Beklagten bestehe, diese Erklärung abzugeben. Um diesen Anspruch gegenüber der Beklagten durchsetzen zu können, sei es nicht notwendig, dass er noch Eigentümer der Liegenschaft sei, der das Trennstück nach der Vermessungsurkunde zugeschrieben werden soll. Die Freilassungserklärung stelle vielmehr einen selbständigen wirtschaftlichen Wert dar, über den der Kläger dann verfügen könne. Der Ablauf der Frist nach § 39 VermG bewirke, dass der Plan neu bescheinigt werden könne, sei in dem Verfahren, in dem zu klären sei, ob sich die Beklagte zur Abgabe einer Freilassungserklärung verpflichtet habe, aber ohne rechtliche Relevanz.
[11] Somit sei das Urteil im Umfang der Abweisung des Eventualbegehrens aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, ob es zwischen den Streitteilen zu einer Einigung gekommen sei, dass die Beklagte eine Erklärung abgebe, dass sie auf ihr Baurecht im Umfang des abzuschreibenden Grundstückteils verzichte.
[12] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen diesen Aufhebungsbeschluss zur Klärung der Frage zu, ob für die Abgabe einer „Freilassungserklärung“ eines Buchberechtigten aufgrund einer behaupteten Vereinbarung zwischen diesem und dem Rechtsvorgänger des nunmehrigen Eigentümers der Liegenschaft, dem der Grundstücksteil zugeschrieben werden soll, der Rechtsvorgänger zur Geltendmachung dieses Anspruchs aktiv klagelegitimiert sei.
[13] Die Abweisung des Klagehauptbegehrens ist in Rechtskraft erwachsen. Gegen den Aufhebungsbeschluss in Bezug auf das Eventualbegehren erhob die Beklagte Rekurs. Der Kläger hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
[14] Der Rekurs ist zur Klarstellung zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
[15] 1. Der Umfang eines Grundbuchskörpers kann durch die grundbücherliche Ab- und Zuschreibung von einzelnen Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen geändert werden (§ 3 Abs 2 GBG). Der abgeschriebene Bestandteil des Grundbuchskörpers kann einem anderen Grundbuchskörper zugeschrieben werden oder für dieses Trennstück wird eine neue Einlage eröffnet (§ 74 Abs 1 GBG).
[16] 2.Bei der Durchführung einer Ab- und Zuschreibung ist nach dem LiegTeilG vorzugehen (§ 74 Abs 2 GBG).
[17]Gemäß § 23 LiegTeilG ist um die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers von einer Einlage und deren Zuschreibung zu einer anderen oder die Eröffnung einer neuen Einlage für sie mit einem einzigen Gesuch anzusuchen. Es ist daher jedenfalls zulässig, die Abschreibung von einer Einlage, die Eröffnung einer neuen Einlage und die Einverleibung des Eigentumsrechts ob dieser neuen Einlage in einem Gesuch zu begehren (5 Ob 252/04a; RS0061062).
[18]Gemäß § 3 Abs 1 LiegTeilG ist zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers die Zustimmung der Personen, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind (Buchberechtigte), nicht erforderlich, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Buchberechtigten in diese eingetragen werden. Gleiches gilt im Fall der Zuschreibung zu einer bereits bestehenden, aber unbelasteten oder gleichrangig sowie inhaltlich gleich belasteten Einlage (RS0049610; RS0109559).
[19]Bei der Abschreibung sind daher grundsätzlich alle Lasten iSd § 9 GBG mitzuübertragen (5 Ob 132/23g; 5 Ob 131/19d). Die lastenfreie Abschreibung erfordert – abgesehen von der Möglichkeit des Aufforderungsverfahrens (§§ 4 ff LiegTeilG), der Abschreibung geringwertiger Trennstücke (§§ 13 f LiegTeilG) und den Sonderbestimmungen für die Verbücherung von Straßen-, Weg-, Eisenbahn- und Wasserbauanlagen (§§ 15 ff LiegTeilG) – die ausdrückliche Einwilligung (Freilassungserklärung) der Buchberechtigten (§ 3 Abs 1 LiegTeilG e contrario; 5 Ob 191/21f).
[20]Zu den dinglichen Rechten iSd § 9 GBG zählt auch das Baurecht; dieses lastet – ungeachtet einer allfälligen inhaltlichen Beschränkung auf bestimmte räumliche Grenzen – auf dem gesamten Grundbuchskörper (RS0115311).
3. Daraus folgt den vorliegenden Fall:
[21] 3.1. Die Abschreibung des Trennstücks vom Grundstück der Gesellschafterin der Beklagten und dessen Zuschreibung zu einer allenfalls neu zu bildenden Einlage ist grundbuchsrechtlich zulässig. Im Weg einer solchen Ab- und Zuschreibung könnte der Kläger unter den sonstigen materiell-rechtlichen und grundbuchsrechtlichen Voraussetzungen Eigentum an diesem Trennstück erwerben. Entgegen der Argumentation der Beklagten in ihrem Rekurs setzt dies nicht voraus, dass er (nach wie vor) Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks ist, weil das Trennstück nicht zwingend einem solchen zugeschrieben werden muss.
[22] Auf dem Grundbuchskörper, von dem das Trennstück abgeschrieben werden soll, lastet das Baurecht der Beklagten. Für die lastenfreie Abschreibung des Trennstücks und den lastenfreien Eigentumserwerb benötigt der Kläger daher die Freilassungserklärung der Beklagten.
[23]Im Fall der Klagsstattgebung hätte die Beklagte gemäß dem Inhalt des Exekutionstitels diese Freilassungserklärung abzugeben. Diese Willenserklärung würde gemäß § 367 Abs 1 EO bereits mit Eintritt der Vollstreckbarkeit als abgegeben gelten; das auch gegenüber Dritten (RS0004552). Die so erwirkte Freilassungserklärung der Beklagten wäre daher für den Kläger gegebenenfalls nicht nur für den eigenen lastenfreien Eigentumserwerb zu verwerten.
[24] 3.2. Den mit dem Eventualbegehren geltend gemachten klagbaren Anspruch auf Abgabe dieser Freilassungserklärung stützt der Kläger auf eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten, die er aus angeblichen (ausdrücklichen und konkludenten) Erklärungen ihrer Geschäftsführer im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft durch die Gesellschafterin ableitet.
[25] Die Sachlegitimation in Bezug auf einen auf eine Vereinbarung gestützten Anspruch hängt davon ab, was zwischen den Parteien vereinbart wurde. Generelle Aussagen ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls können daher nicht getroffen werden.
[26] Hier soll nach dem Vorbringen des Klägers der Anspruch auf Zustimmung zur lastenfreien Abschreibung der Teilfläche dem Kläger persönlich eingeräumt worden sein, nicht etwa dem jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks. Zwar sollte die abgeschriebene Teilfläche nach der Klageerzählung dem Nachbargrundstück zugeschrieben werden; dass dies zur Bedingung für den Anspruch auf lastenfreie Abschreibung und Abgabe der Freilassungserklärung der Beklagten gemacht worden sei, ergibt sich aus dem Klagevorbringen gerade nicht.
[27] 3.3. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Zustimmung der Beklagten zur lastenfreien Abschreibung ist daher nicht schon deshalb zu verneinen, weil er nicht mehr Eigentümer des Nachbargrundstücks ist, dem das Trennstück ursprünglich zugeschrieben werden sollte.
[28] 4.Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (RS0035976).
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