Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und durch die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH Co KG, *, vertreten durch die Oberlojer Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* Z*, vertreten durch Mag. Nikolaus Vogt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. August 2025, GZ 39 R 92/25f-40, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung in *. Die Beklagte ist Mieterin dieser Wohnung.
[2] Mit der am 7. 6. 2023 eingebrachten und gerichtlich bewilligten Aufkündigung kündigte die Klägerinunter Berufung auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG und § 30 Abs 2 Z 6 MRG die Wohnung zum 30. 9. 2023 auf. Sie begehrt die geräumte Übergabe der Wohnung und einer der Beklagten für die Dauer von Umbauarbeiten zur Verfügung gestellten Ersatzwohnung. Die Beklagte habe die Wohnung und die Ersatzwohnung an ihre Tochter und deren Familie weitergegeben. Ein Eintrittsrecht nach § 14 Abs 3 MRG liege nicht vor, da die Tochter erst nach Auszug der Beklagten in die Wohnung eingezogen sei und ein gemeinsamer Haushalt nie bestanden habe.
[3] Die Beklagtewendet ein, dass ihre Tochter und deren Kinder eintrittsberechtigte Personen nach § 14 Abs 3 MRG seien. Es habe ein gemeinsamer Haushalt bestanden. Die Beklagte verfüge zwar über eine Eigentumswohnung. Sie habe diese aber erst ab März 2020 bewohnt und beabsichtige, nach Abschluss der Umbauarbeiten in der aufgekündigten Wohnung mit ihrer Tochter und deren Familie zu wohnen.
[4] Das Erstgericht hob die gerichtliche Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Klagebegehren ab.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die Tochter der Beklagten habe auf Dauer bei ihren Eltern in der aufgekündigten Wohnung gelebt und dort ab März 2016 ihren Lebensmittelpunkt gehabt. Alle in der Wohnung lebenden Personen hätten beabsichtigt, dort dauerhaft zusammen zu wohnen. Für die Annahme des Fehlens eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalts bleibe damit kein Raum.
[6] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revisionder Klägerin, die jedoch keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
[7]1.1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG ist gegeben, wenn der Mieter den Mietgegenstand weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen dringend benötigt. Dabei geht es um die Weitergabe des Mietgegenstands an Dritte, also um den tatsächlichen Vorgang des Verlassens der Wohnung durch den Mieter und deren Übernahme durch einen Dritten.
[8]1.2. Trotz Überlassung der Wohnung ist dieser Kündigungsgrund daher nicht erfüllt, wenn der Mieter oder eintrittsberechtigte Personen im Sinn des § 14 Abs 3 MRG im Zeitpunkt der Weitergabe (oder offenbar in naher Zeit) am Mietgegenstand einen dringenden Bedarf (ein dringendes Wohnbedürfnis) haben. Die Überlassung des Mietgegenstands an eine eintrittsberechtigte Person verwirklicht den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG nicht vorliegen (RS0069472).
[9]1.3. Für die Frage, ob derjenige, an den die Wohnung weitergegeben worden ist, zum Eintritt berechtigt war, ist nach der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Weitergabe abzustellen (RS0069472 [T3]).
[10]2.1. Die Beurteilung, ob die Eintrittsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts nach § 14 Abs 3 MRG vorliegt, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche Beurteilung wirft daher nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, wenn dem Berufungsgericht eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0107188). Das ist hier nicht der Fall.
[11] 2.2. Nach den Feststellungen übersiedelte die Tochter der Beklagten im März 2016 mit ihren Kindern zu ihren Eltern in die Wohnung. Ihre eigene Mietwohnung wurde zum 30. 4. 2017 gekündigt. Die Tochter verblieb mit ihren Kindern auf Dauer bei ihren Eltern. Ungeachtet des 2017 erfolgten Erwerbs einer Eigentumswohnung beabsichtigte die Beklagte, weiterhin in der gegenständlichen Wohnung zu wohnen, und tat dies zunächst auch. Damit kann am Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts vernünftigerweise nicht gezweifelt werden.
[12]2.3. Soweit die Revision ausführt, ein gemeinsamer Haushalt der Beklagten und ihrer Tochter habe im Zeitpunkt der Weitergabe deshalb nicht bestanden, weil die Beklagte ihren Schwerpunkt der Lebensführung ab Sommer 2018 in ihre Eigentumswohnung verlagert habe und daher im März 2020 – zu welchem Zeitpunkt die Eintrittsvoraussetzungen nach § 14 Abs 3 MRG zu beurteilen seien – kein gemeinsamer Haushalt mehr mit ihrer Tochter bestanden habe, übergeht sie die Feststellungen, wonach sich die Beklagte (erst) ab März 2020 regelmäßig zu Wohnzwecken in ihrer Eigentumswohnung aufhielt, also erst im Jahr 2020 dorthin umgezogen ist. Selbst wenn aus dem festgestellten Sachverhalt geschlossen werden könnte, die Beklagte hätte bereits im Jahr 2018 ihren Schwerpunkt der Lebensführung in ihre Eigentumswohnung verlagert und seitdem keinen gemeinsamen Haushalt mit ihrer Tochter mehr gehabt, ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil in der Revision nicht nachvollziehbar dargelegt wird, aus welchem Grund auch in diesem Fall als Zeitpunkt der Weitergabe an die Tochter dennoch März 2020 zugrunde zu legen sei.
[13] 2.4. Dass die Tochter ein dringendes Wohnbedürfnis hat, stellt die Klägerin ebenso wenig in Frage, wie die tatsächliche Nutzung der (Ersatz-)Wohnung durch diese.
[14]3. Die in der Revision angeführte Entscheidung 8 Ob 2299/96p ist nicht einschlägig, ging es dort doch darum, ob sich der Vermieter gegenüber einem Lebensgefährten des Mieters auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG stützen kann, wenn die Lebensgemeinschaft aufgehoben wird. Im vorliegenden Fall ist die eintrittsberechtigte Person jedoch unstrittig eine Verwandte in gerader Linie.
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