Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 20. Oktober 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als weiteren Richter sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher und den Rechtsanwalt Dr. Schimik als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 23. Februar 2024, GZ D 20 39, 3 DV 21 22 47.1, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
In Stattgebung der Beschwerde wird der Beschluss des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 23. Februar 2024 (ON 47.1) ersatzlos aufgehoben.
Gründe:
[1]Mit am 25. Mai 2023 in Rechtskraft erwachsenem (ON 43) Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 10. Mai 2022 (ON 24) wurde der Beschuldigte der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.
[2]Einen Ausspruch, dass der Beschuldigte die Kosten des Disziplinarverfahrens ganz oder zum Teil zu ersetzen habe (§ 38 Abs 2 zweiter Satz DSt), enthält das Erkenntnis nicht. Lediglich in den Entscheidungsgründen der schriftlichen Ausfertigung findet sich folgende Textpassage: „Für den Ersatz der Verfahrenskosten gilt § 38 Abs 2 DSt“ (ON 24 S 8).
[3]Dieses Unterbleiben des Kostenausspruchs blieb vom Kammeranwalt unbekämpft (§ 47 Z 2 DSt).
[4]Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss (ON 47.1) bemaß der Vorsitzende des Disziplinarrats unter Bezugnahme auf das rechtskräftige Erkenntnis vom 10. Mai 2022 die Höhe der vom Beschuldigten zu ersetzenden Pauschalkosten mit 625 Euro und legte sie diesem „gem. § 41 DSt. zur Zahlung“ auf.
[5] Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschuldigten (ON 47.3) ist im Recht.
[6]Gemäß § 38 Abs 2 zweiter Satz DSt ist in einer den Beschuldigten eines Disziplinarvergehens schuldig erkennenden Entscheidung auszusprechen, dass dieser die Kosten des Disziplinarverfahrens ganz oder zum Teil zu ersetzen hat. Dieser Ausspruch ist jedenfalls mündlich zu verkünden und kann nicht der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werden (RISJustiz RS0057077; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11§ 38 DSt Rz 1). Der Ausspruch über die grundsätzliche Kostenersatzpflicht gemäß § 38 Abs 2 zweiter Satz DSt bildet die Voraussetzung für eine spätere Bestimmung der Höhe der zu ersetzenden Kosten nach § 41 Abs 1 DSt (RISJustiz RS0101304; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8§ 41 DSt, 949; vgl auch Lendl , WKStPO § 381 Rz 3).
[7] Aufgrund des Unterbleibens der Kostenentscheidung im verurteilenden Erkenntnis entbehrt der angefochtene Beschluss somit der gesetzlichen Grundlage (RISJustiz RS0101304 und RS0101332).
[8]Der in den Entscheidungsgründen der schriftlichen Ausfertigung des verurteilenden Erkenntnisses vorgenommene Verweis auf § 38 Abs 2 DSt vermag den Ausspruch über die grundsätzliche Kostenersatzpflicht weder zu ersetzen noch nachzuholen (12 Os 36/20s).
[9] Der angefochtene Beschluss war daher in Stattgebung der Beschwerde sowie in Übereinstimmung der Stellungnahme der Generalprokuratur ersatzlos aufzuheben.
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