Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin und die Hofräte Dr. Annerl, Dr. Vollmaier und Dr. Wallner Friedl in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. N*, und 2. H*, beide vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Baden, wegen Übertragung des Eigentumsrechts, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 8. Mai 2025, GZ 19 R 4/25m 79, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 18. November 2024, GZ 18 C 16/22t 73, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der Beklagte war Mieter, die Kläger Vermieter einer an die Kläger am 11. 3. 2021 zurückgestellten Badeparzelle. Der Beklagte ist Eigentümer der auf dem Mietobjekt errichteten Superädifikats. Nach Punkt XIII 2) des Mietvertrags sind die Kläger verpflichtet, dem Beklagten die auf dem Mietobjekt befindlichen Baulichkeiten käuflich abzulösen, wenn sie das Mietverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nicht mehr mit dem Mieter fortsetzen wollen. Nach Punkt XIII 3) des Mietvertrags ist der Schätzwert zum Stichtag der Schätzung mangels anderer Einigung von einem Sachverständigen festzustellen.
[2] Der von den Klägern herangezogene Schiedsgutachter bewertete den Wert der Baulichkeiten mit 14.307 EUR, wobei er sich bei den Neuherstellungskosten an den Richtpreisen für Wohngebäude aus dem Jahr 2010 orientierte, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Empfehlung für Herstellungskosten 2020 veröffentlicht war. Der Sachwert beträgt tatsächlich 27.700 EUR.
[3] Die Kläger begehren gestützt auf Punkt XIII des Mietvertrags die Übertragung des Eigentumsrechts des Superädifikats, wobei sie die Verpflichtung zugestehen, den vollen Schätzwert (gemäß Schiedsgutachten) „Zug-um-Zug nach Eigentumsübertragung“ abzulösen.
[4] Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Übertragung des Eigentumsrechts am Superädifikat Zug um Zug gegen Zahlung von 14.307 EUR an den Beklagten. Es verneinte eine grobe Unbilligkeit des vom Schiedsgutachter ermittelten Werts.
[5] Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Erörterung auf, ob das Zug-um-Zug-Angebot der Kläger auch die Zahlung des – vom Berufungsgericht wegen grober Unbilligkeit des vom Schiedsgutachter ermittelten Werts als maßgebend erachteten – festgestellten tatsächlichen Werts umfasse. Den Rekurs ließ es mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob ein Schiedsgutachten zur Festsetzung eines Kaufpreises im Falle einer Abweichung des vom Schiedsgutachter ermittelten Preises um nahezu 94 % vom tatsächlichen Wert als grob unbillig anzusehen sei und im Rahmen einer Verpflichtung Zug um Zug einer Korrektur bedürfe, um eine Eigentumsübertragung zu rechtfertigen.
[6]Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[7] 1. Im Rekursverfahren ist nicht strittig, dass der Anspruch der Kläger auf Übertragung des Eigentums des auf der Liegenschaft befindlichen Superädifikats nur Zug um Zug gegen Ablöse des Sachwerts der Baulichkeiten zu erfüllen ist und der Sachwert nach Punkt XIII 3) des Mietvertrags von einem Schiedsgutachter zu bestimmen war (vgl dazu bereits 5 Ob 24/24s ). Gegenstand des Rekurses ist vielmehr ausschließlich die Frage, ob sich die Höhe des von den Klägern zu zahlenden Betrags nach dem von ihnen eingeholten Schiedsgutachten zu richten hat oder ob dafür der festgestellte höhere Sachwert maßgeblich ist.
[8] 2. Das Ergebnis eines Schiedsgutachtens ist für die Parteien und das Gericht grundsätzlich materiell-rechtlich bindend. Diese Rechtsfolge entspricht dem Zweck des Schiedsgutachtens, einem zeitaufwändigen und kostspieligen Rechtsstreit vorzubeugen. Aus diesem Grund soll das Schiedsgutachten nicht jeder beliebigen Anfechtung ausgesetzt sein, andererseits aber auch keine absolute Gültigkeit haben ( RS0106359 ). Nicht jede objektive, sondern nur eine qualifizierte Unrichtigkeit beraubt das Schiedsgutachten seiner bindenden Wirkung ( RS0106360 ). Ein Schiedsgutachten ist (nur) dann nicht bindend, wenn es offenbar der Billigkeit widerstreitet ( RS0016769 ). Dies ist der Fall, wenn es den Maßstab von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und seine Unrichtigkeit sich dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängt ( RS0081234 ). Die Leichtigkeit und rasche Erkennbarkeit des dem Schiedsgutachten innewohnenden Fehlers darf jedoch nicht überbetont werden. Der augenscheinlichen Unrichtigkeit steht bei komplizierten Sachverhalten nicht entgegen, dass ein sachkundiger Beurteiler eine eingehende, zeitintensive Prüfung vorzunehmen hat. Maßgeblich ist, ob ein Sachkundiger, der sich mit den erforderlichen Grundlagen vertraut gemacht hat, ohne Zögern das Verdikt der offenbaren Unrichtigkeit ausspricht ( RS0106360 ).
[9] 3.Die Frage, inwieweit Schiedsgutachten als bindend anzusehen sind, kann naturgemäß nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt damit regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des dar (
[10] 4. Wenn das Berufungsgericht eine grobe Unbilligkeit des (unter Heranziehung veralteter Daten ermittelten) Ergebnisses des Schiedsgutachters aus dem Umstandableitet, dass der tatsächliche Wert fast das Doppelte beträgt, handelt es sich um eine vertretbare Rechtsansicht, die keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Der vom Erstgericht festgestellten Einschätzung des Ergebnisses des Schiedsgutachtens durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen als (nicht richtig, aber) „akzeptabel“ maß das Berufungsgericht offenkundig nicht den im Rekurs behaupteten, eine qualifizierte Unrichtigkeit verneinenden Inhalt zu, was keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS00118891). Die weitere Behauptung der Kläger im Rekurs, die Liegenschaftsbewertung sei „keine exakte Wissenschaft“ und es gäbe bei verschiedenen Gutachten „immer eine Bandbreite“, erklärt die hier vorliegende besondere Divergenz nicht. Ob der Relation zwischen ermitteltem und tatsächlichem Wert bei (in absoluten Zahlen) niedrigen Beträgen geringere Bedeutung zuzumessen wäre , kann angesichts der hier zu beurteilenden Beträge dahinstehen.
[11] 5.Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen, sodass er die Kosten seiner nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienenden Rekursbeantwortung selbst zu tragen hat (RS0035979 [T6, T11, T15, T18]).
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