Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Abstammungssache der Antragstellerin J*, vertreten durch Dr. Markus Moser, Rechtsanwalt in Imst, gegen den Antragsgegner F*, vertreten durch Dr. Edgar Pinzger, Rechtsanwalt in Landeck, unter Beteiligung der Mutter der Antragstellerin, V*, vertreten durch Dr. Markus Moser, Rechtsanwalt in Imst, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Jänner 2024, GZ 53 R 127/23z 28, mit dem dem Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Imst vom 20. Oktober 2023, GZ 1 FAM 5/23a-24, nicht Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 502,70 EUR (darin enthalten 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Beteiligten V* die mit 502,70 EUR (darin enthalten 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass sie vom Antragsgegner abstammt. Sie bringt vor, ihre Mutter, V*, habe 1971 während eines beruflichen Aufenthalts des Antragsgegners in Nigeria ein Verhältnis mit diesem gehabt. Die beiden hätten mehrfach geschlechtlich miteinander verkehrt. Sie sei am 26. 7. 1972 geboren worden. Da ihre Mutter später J* geheiratet habe, sei ihre Geburt erst mittels einer am 1. 1. 1974 ausgestellten Geburtsurkunde, die diesen als Vater angeführt habe, registriert worden. Sie habe einen Anspruch, die Vaterschaft feststellen zu lassen. Es würden nicht nur äußerliche Merkmale die Abstammung vom Antragsgegner vermuten lassen. Es gebe auch DNA Vergleiche mit Verwandten des Antragsgegners, die für eine Blutsverwandtschaft sprächen. Weiters beantragte die Antragstellerin, es möge festgestellt werden, dass die Weigerung des Antragsgegners an der Mitwirkung an der Befundaufnahme unrechtmäßig sei.
[2] Der Antragsgegner bestreitet. Er habe zwar während seines Aufenthalts in Nigeria eine Beziehung zu einer Frau gehabt, jedoch nicht der Mutter der Antragstellerin. Er gehe davon aus, dass bisher keine ausreichenden Beweismittel für eine mögliche Vaterschaft vorgelegt worden seien. Alleine die Ausführungen wonach ein über „MyHeritage DNA“ erstellter Test mit Verwandten des Antragsgegners eine Vaterschaft als möglich erscheinen ließen, würden nicht ausreichen, ihn zu verpflichten, durch einen DNA-Test nachzuweisen, dass er nicht der Vater der Antragstellerin sei. Auch gelte materiell nigerianisches Recht.
[3] Das Erstgericht wies neben anderen Anträgen des Antragsgegners unter Spruchpunkt I.6. seiner Entscheidung den Antrag des Antragsgegners ab, festzustellen, dass seine Weigerung zur Abgabe einer DNA Probe rechtmäßig sei, und trug dem Antragsgegner unter Spruchpunkt II. auf, der in § 85 Abs 1 (richtig:) AußStrG genannten Mitwirkungspflicht nachzukommen und beim Gerichtsmedizinischen Institut I* binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Beschlusses einen DNA-Test zu machen, widrigenfalls er vorgeführt werde. Nach § 25 Abs 1 IPRG sei die Feststellung der Vaterschaft nach dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen, im vorliegenden Fall nach nigerianischem Recht. Dieses kenne keine verpflichtende Mitwirkung an DNA-Tests bei einer Vaterschaftsfeststellung von unehelichen erwachsenen Kindern. Das sei jedoch mit den in Art 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten nicht zu vereinbaren und verstoße somit gegen die Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung. Daher komme nach § 6 IPRG österreichisches Recht zur Anwendung. Die von der Antragstellerin vorgebrachte Vaterschaftsvermutung nach § 148 Abs 2 ABGB sei schlüssig. Den Antragsgegner treffe nach § 85 Abs 1 AußStrG eine Mitwirkungspflicht bei der Vaterschaftsfeststellung durch DNA-Test.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners, soweit er sich gegen den Spruchpunkt I.6. und II. der erstgerichtlichen Entscheidung wendet, nicht Folge. Ausländische Normen seien nur bei der Prüfung materiell-rechtlicher Fragen anzuwenden, nicht jedoch bei verfahrensrechtlichen. Von österreichischen Gerichten seien nur inländische Verfahrensvorschriften anzuwenden. § 85 AußStrG stelle eine solche Verfahrensvorschrift dar. Es sei daher nicht näher zu prüfen, ob auch das nigerianische Recht derartige Verfahrensvorschriften kenne, weil es darauf nicht ankomme.
[5] Bei der Feststellung durch positiven Vaterschaftsbeweis durch Vornahme eines DNA-Tests komme es nicht darauf an, ob auch die Zeugungsvermutung für die Vaterschaft des Antragsgegners spreche. Der Nachweis eines Anfangsverdachts sei nicht erforderlich. Sogar der Antragsgegner habe aber ausgeführt, er habe, als er in Nigeria beruflich tätig gewesen sei, mit einer Nigerianerin eine Beziehung gehabt. Es lägen daher durchaus Anhaltspunkte für eine Vaterschaft des Antragsgegners vor. Sachliche Gründe, die gegen eine Mitwirkung des Antragsgegners sprächen, seien nicht vorgebracht worden. Der Antragsgegner sei daher zur Mitwirkung verpflichtet, wobei zur Klarstellung dieser Spruchpunkt mit der Maßgabe zu bestätigen sei, dass die Weigerung des Antragsgegners zur Mitwirkung an der Befundaufnahme durch die bestellten Sachverständigen nicht berechtigt sei.
[6] Werde die Mitwirkung zu Unrecht verweigert, könne gemäß § 85 Abs 3 AußStrG zur Gewinnung von Gewebeproben mit Methoden, bei denen die körperliche Integrität nicht verletzt werde, erforderlichenfalls die zwangsweise Vorführung und die Anwendung angemessenen unmittelbaren Zwangs angeordnet werden. Dies sei auch nur für den Fall angeordnet worden, dass der Antragsgegner binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Beschlusses seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme. Dem Rekurs gegen die Beschlusspunkte I.6. und II. sei daher nicht Folge zu geben.
[7] Zu diesen Spruchpunkten ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs zu , weil zwar die Frage, ob gemäß § 85 Abs 2 und 3 AußStrG Zwangsmittel angewendet werden könnten, rein verfahrensrechtlicher Natur sei , aber auch materiell-rechtliche Gesichtspunkte hineinspielten und zu diesem Spannungsverhältnis – soweit überblickbar – keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege .
[8] Im Umfang der Zulassung bekämpft der Antragsgegner die Rekursentscheidung und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den verfahrenseinleitenden Antrag abzuweisen, in eventu festzustellen, dass seine Weigerung zur Mitwirkung an der Befundaufnahme berechtigt sei, und den Auftrag zur Mitwirkung ersatzlos zu beheben, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
[10] Die nunmehr beigezogene Mutter der Antragstellerin beantragt ebenfalls, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
[11] Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
[12] 1. Der Antragsgegner macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil die Mutter der Antragstellerin entgegen § 82 Abs 2 AußStrG bislang dem Verfahren nicht beigezogen worden sei.
[13] Grundsätzlich ist im Verfahren außer Streitsachen den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Gegenstand, über den das Gericht das Verfahren von Amts wegen eingeleitet hat, den Anträgen und Vorbringen der anderen Parteien und dem Inhalt der Erhebungen Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen (§ 15 AußStrG). Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht mehr absolut – wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO – wirkt, sondern nur dann zur Aufhebung führen kann, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RS0120213).
[14] Mittlerweile wurde die Rekursentscheidung und der Revisionsrekurs allerdings der Mutter der Antragstellerin zugestellt, die in ihrer Revisionsrekursbeantwortung eine Zurückweisung des Revisionsrekurses bzw dessen Abweisung beantragt. Eine Relevanz des Verfahrensverstoßes liegt daher nicht vor.
[15] 2. Der Antragsgegner rügt weiters seine unterlassene Einvernahme ebenfalls als Verletzung des rechtlichen Gehörs.
[16] Der Grundsatz des Parteiengehörs fordert aber nur, dass der Partei ein Weg eröffnet werde, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt sowie überhaupt alles vorbringen kann, was der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs dienlich sei. Rechtliches Gehör ist der Partei auch dann gegeben, wenn sie sich nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (RS0006048).
[17] Der Antragsgegner war während des gesamten Verfahrens anwaltlich vertreten und hatte die Gelegenheit zur Stellungnahme. Dass er nicht persönlich einvernommen wurde, kann daher keine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen. Auch hat das Gericht vor der Beschlussfassung den Antragsteller entgegen den Ausführungen in der Revision ausdrücklich auf seine Mitwirkungspflicht nach § 85 AußStrG und – für den Fall seiner Weigerung – auf die Möglichkeit einer zwangsweisen Vorführung hingewiesen. Eine Überraschungsentscheidung, wie im Revisionsrekurs inhaltlich geltend gemacht, liegt daher ebenfalls nicht vor.
[18] 3. Die Antragstellerin ist am 26. 7. 1972 in Nigeria geboren. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass sie und ihre Mutter nigerianische Staatsbürgerinnen sind.
[19] Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass grundsätzlich nach IPRG auf den hier zu prüfenden Antrag nigerianisches Recht anwendbar sei. Das IPRG ist mit 1. 1. 1979 in Kraft getreten (§ 50 Abs 1 IPRG). Es ist auf bereits davor abgeschlossene Sachverhalte nicht anwendbar.
[20] Richtig ist zwar, dass §§ 3, 4 IPRG über die Ermittlung fremden Rechts als Verfahrensvorschriften auch auf Sachverhalte anwendbar sind, die sich vor dem Inkrafttreten des IPRG verwirklicht haben (RS0008733). Das gilt aber nicht für die eigentlichen Kollisionsnormen, soweit sie an bestimmte, vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene Ereignisse anknüpfen.
[21] § 25 Abs 1 IPRG stellt für die Voraussetzungen der Feststellung und Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind auf das Personalstatut im Zeitpunkt der Geburt ab und damit auf einen Tatbestand, der im konkreten Fall vor Inkrafttreten des IPRG bereits abgeschlossen war. Das IPRG ist daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Feststellung des anzuwendenden Rechts hat vielmehr nach § 12 4. DVEheG zu erfolgen. Danach richtet sich die Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nach den Gesetzen des Staates, dem die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört. Anzuwenden ist daher auch nach dieser Bestimmung nigerianisches Recht.
[22] 4. Die Verweisung auf ein fremdes Recht ist grundsätzlich eine Gesamtverweisung, sodass die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung auch deren Verweisungsnormen, also unter Einschluss von Rück- und Weiterverweisungen umfasst. Dass das nigerianische Recht allerdings in dieser Frage auf eine andere Rechtsordnung weiter verweist, wird im Rechtsmittelverfahren von keiner der Parteien behauptet.
[23] 5. Dass nach nigerianischem Recht auch erwachsene Kinder einen Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft haben, wird im Revisionsrekurs nicht angezweifelt. Der Antragsgegner wendet sich jedoch dagegen, dass ein DNA Test angeordnet werden kann, da die Durchführung eines solchen Tests gegen den Willen des potentiellen Vaters in Nigeria nicht zulässig sei. Auch diese Frage sei nach nigerianischem Recht zu beurteilen, weil es sich um keine rein verfahrensrechtliche Frage handle.
[24] 6. Ob eine bestimmte Frage dem Verfahrensrecht (oder dem materiellen Recht) zuzuordnen ist, bestimmt das inländische Recht (Qualifikation lege fori). Ist sie dem Verfahrensrecht zuzuordnen (wie etwa nach österreichischem Recht die Zulässigkeit einer bestimmten Rechtsschutzform oder eines bestimmten Beweismittels; die Verfahrensart; die Frage, welche Angaben eine in Österreich eingebrachte Klage enthalten muss; die Zulässigkeit vorläufigen Rechtsschutzes), kommt allein dieses zur Anwendung ( Matscher in Fasching/Konecny 3 Vor Art IX EGJN Rz 95 [Stand 30. 11. 2013, rdb.at]).
[25] Die österreichischen Verfahrensvorschriften enthalten keine Bestimmungen, die die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts ermöglichen. Es sind daher von österreichischen Gerichten nur inländische Verfahrensvorschriften anzuwenden (RS0009195). Ausländische Normen sind nur bei der Prüfung materiell rechtlicher Fragen anzuwenden (RS0076618).
[26] 7. Die kollisionsrechtliche Bestimmung über „die Feststellung der Vaterschaft“ umfasst vom Regelungsgegenstand her etwa die Abstammung des unehelichen Kindes und damit allfällige Anerkennungshindernisse oder das allfällige Erfordernis der Zustimmung des Kindes und Dritter sowie zusätzliche Voraussetzungen und Bedingungen, Wirkungen, Fristen und gesetzliche Vermutungen der Abstammung (vgl Uitz/Balthasar-Wach/Wodniansky Wildenfeld in Laimer , IPR Praxiskommentar zu der insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 25 IPRG, Rz 7). Insoweit kann auch die Notwendigkeit der Erbringung eines Nachweises der genetischen Abstammung, des Verzichts auf eine solche Überprüfung und der Begründung einer Eltern-Kind-Beziehung durch bloße Behauptung zu diesen Voraussetzungen gezählt werden (vgl Uitz/Balthasar-Wach/Wodniansky-Wildenfeld aaO).
[27] 8. Wenn eine Rechtsordnung einen positiven DNA-Test als materiell rechtliche Voraussetzung für die Feststellung der Vaterschaft fordert, ist dies dem Sachrecht zuzurechnen. Die Art der Durchführung der entsprechenden Beweisaufnahme ist dessen ungeachtet eine solche des Verfahrensrechts.
[28] Unter welchen Voraussetzungen eine Person zur Mitwirkung am Beweisverfahren und damit zur Duldung von Untersuchungen verpflichtet ist, ist daher als Verfahrensfrage nach inländischem Recht zu beurteilen (siehe zur insoweit vergleichbaren deutschen Rechtslage Hausmann in InEuFamR, § 169 FamFG Rn 19).
[29] Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem nigerianischem Recht. Auch in dem bereits vom Erstgericht zitierten wissenschaftlichen Beitrag ( Akpa AjaNwachuku , „Determination of paternity of a child or an adult in Nigeria: Is there any justifikation for the distinction?“, Journal of Law, Policy and Globalization, Vol. 44, 2015; 115) und der Entscheidung Anozia v. Nnani , auf die dieser Artikel Bezug nimmt, wird der DNA-Test als mögliches Beweismittel für den Nachweis der Vaterschaft behandelt, nicht als materiell rechtliche Voraussetzung.
[30] 9. Richtig ist, dass Fragen der Beweislastverteilung im Zivilrecht im Allgemeinen dem materiellen Recht zugerechnet werden (vgl 1 Ob 17/15d; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka , ZPO 5 Vor § 266 Rz 12; Rechberger in Fasching/Konecny 3 III/1, Vor § 266 Rz 29).
[31] § 85 AußStrG, auf den die Vorinstanzen ihre Entscheidung stützen, regelt aber nicht die Beweislast, sondern die Mitwirkungspflicht an der Beweisaufnahme und damit die prozessuale Vorgangsweise (vgl auch 8 Ob 54/13v).
[32] 10. Nach § 85 Abs 1 AußStrG haben, soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, die Parteien und alle Personen, die nach den Ergebnissen des Verfahrens zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben, mitzuwirken.
[33] Die in § 85 Abs 1 AußStrG verlangte „Erforderlichkeit“ der Mitwirkung für die Feststellung der Abstammung war bereits in der Vorgängerbestimmung des § 7 Abs 1 FamRAnglV enthalten. Schon dazu wurde judiziert, dass es bei den sogenannten Statusklagen zwar nicht eines besonderen rechtlichen Interesses an der Klageführung bedarf, weil das Gesetz schon aufgrund des Tatbestands von einem solchen als unmittelbarem Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeht. Eine Blutabnahme wurde dann als erforderlich angesehen, wenn sie zur Klärung des Sachverhalts offenbar notwendig war (RS0058782). Allgemein wird angenommen, dass die Mitwirkung im Abstammungsverfahren gemäß § 85 Abs 1 AußStrG dann erforderlich ist, wenn sie im konkreten Fall geboten ist (s 9 Ob 3/17g Pkt 4.1. mwN). Ob dies der Fall ist, lässt sich nur nach den Umständen des Falls beurteilen (RS0058782 [T3]).
[34] 11. Der Antragsgegner argumentiert, dass keine Beweise aufgenommen worden seien, die eine Vaterschaft vermuten ließen, daher sei der DNA-Test nicht erforderlich im Sinn des Gesetzes.
[35] Das Kind hat allerdings nach der Rechtsprechung die Wahl zwischen Feststellung durch positiven Vaterschaftsbeweis und Zeugungsvermutung (RS0122643). Bei der Feststellung durch positiven Vaterschaftsbeweis durch Vornahme eines DNA-Tests kommt es daher gerade nicht darauf an, ob auch die Zeugungsvermutung für die Vaterschaft des Antragsgegners spricht (9 Ob 66/22d).
[36] Soweit daher der Antragsgegner beanstandet, dass keine Beweise dazu aufgenommen wurden, ob er mit der Mutter in der relevanten Zeit Geschlechtsverkehr hatte, kommt es darauf für die hier zu beurteilende Frage nicht an. Eine Antragstellung auf Feststellung der Vaterschaft bedarf nicht des Nachweises eines Anfangsverdachts (vgl Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 163 ABGB Rz 5; Pierer in Schneider/Verweijen , AußStrG § 85 Rz 17; Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I 2 § 85 Rz 13). Die Grenze liegt im Rechtsmissbrauch ( Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 163 ABGB Rz 5).
[37] Von einem solchen Rechtsmissbrauch kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, da die Antragstellerin konkrete Gründe darlegen konnte, warum sie von einer Vaterschaft des Antragsgegners ausgehen kann.
[38] 12. Nach dem im außerstreitigen Verfahren herrschenden Untersuchungsgrundsatz sind aufgrund des Antrags auf Feststellung der Vaterschaft vom Gericht die entsprechenden Beweise aufzunehmen. Dem Gericht ist es aber durch das Amtswegigkeitsprinzip und den Untersuchungsgrundsatz nicht nur erlaubt, sondern, wenn das zur Sachverhaltsklärung notwendig ist, sogar aufgetragen, DNA-Gutachten einzuholen (9 Ob 3/17g). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen:
[39] Bereits zu 9 Ob 316/99g wurde festgehalten, dass oberstes Ziel der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung ist, „den wirklichen biologischen Vater zu ermitteln und festzustellen“. „Ist es Ziel der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, die größtmögliche Übereinstimmung mit den wahren Abstammungsverhältnissen zu erreichen, dann wird die Forderung nach einem Maximum und Optimum richterlicher Ermittlungstätigkeit im Regelfall nicht erfüllt, wenn sich das Verfahren auf die Vernehmung von Zeugen und Parteien beschränkt. Für die Feststellung der Vaterschaft stehen naturwissenschaftliche Methoden zur Verfügung; ihr Ergebnis kann schon seiner Objektivität wegen nicht durch Aussagen ersetzt werden, die naturgemäß von den Interessen und Empfindungen der Betroffenen geprägt sind. Auch wenn nämlich das Gericht durch den Untersuchungsgrundsatz weder in seiner freien Beweiswürdigung beschränkt noch verpflichtet ist, unnötige Beweise aufzunehmen, ist die Verpflichtung, alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände aufzuklären, regelmäßig nicht erfüllt, solange die durch die Wissenschaft gebotenen Möglichkeiten der Aufklärung der Abstammung nicht genützt sind. Die Ermessensübung des Gerichts ist daher in diesem Zusammenhang einer besonders strengen Prüfung zu unterziehen.“
[40] Entgegen dem Revisionsrekurs ist ohne die Durchführung eines DNA-Tests nur aufgrund von Einvernahmen im Regelfall nicht davon auszugehen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass ein Kind von einem bestimmten Mann gezeugt wurde. Soweit der Antragsgegner darauf verweist, dass die Geburtsurkunde der Antragstellerin vollen Beweis für die Vaterschaft eines anderen Mannes schaffe, so übergeht er, dass auch gegen Urkunden, die vollen Beweis machen, der Gegenbeweis nicht ausgeschlossen ist (RS0037323).
[41] 13. Die Feststellung der Abstammung ist ein elementares Grundrecht, das nicht an der ungerechtfertigten Weigerung beteiligter Personen scheitern darf. Der Gesetzgeber hat sich daher entschlossen, in § 85 Abs 3 AußStrG die zwangsweise Vorführung und die Ausübung angemessenen unmittelbaren körperlichen Zwangs zur Gewinnung von Proben für DNA-Tests zuzulassen (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 66 f; 8 Ob 54/13v).
[42] Die Weigerung einer Partei, im Abstammungsverfahren mitzuwirken, ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie sachlich ausreichend begründet ist. Nach § 85 Abs 2 AußStrG besteht die Pflicht zur Mitwirkung iSd § 85 Abs 1 AußStrG nicht, soweit diese mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre. Dass dies hier der Fall wäre, hat auch der Antragsgegner nicht behauptet.
[43] 14. Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners ist daher nicht Folge zu geben.
[44] 15. Im Abstammungsverfahren besteht nur hinsichtlich minderjähriger Kinder keine Kostenersatzpflicht (§ 83 Abs 4 AußStrG). Da es sich um einen Zwischenstreit über die Mitwirkungspflicht an der Befundaufnahme handelt, hat der unterlegene Antragsgegner der Antragstellerin und der Beteiligten die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 AußStrG iVm §§ 41, 50 ZPO.
[45] Der Streitwert des Verfahrens richtet sich nach § 10 Z 4 lit b RATG und beträgt 2.400 EUR. Der ERV Zuschlag beträgt nach § 23a RATG 2,60 EUR.
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