Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz-Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen M* T* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten M* T*, N* T* und * S* gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 25. Februar 2025, GZ 17 Hv 160/24i-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M* T* wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch dieses Angeklagten aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Steyr verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M* T* im Übrigen sowie die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten N* T* und * S* werden zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird M* T* auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten N* T* und * S* kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.
M* T*, N* T* und * S* fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden M* T*, N* T* und * S* jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (S* unter Anwendung des § 12 dritter Fall StGB) schuldig erkannt.
[2] Danach haben am 9. Dezember 2024 in S* jeweils mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz M* T* und N* T* in einverständlichem Zusammenwirken * F* mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich 310 Euro Bargeld weggenommen, indem sie ihn festhielten, zu Boden rissen und das Bargeld aus seiner Jackentasche an sich nahmen, wobei * S* zur Ausführung der strafbaren Handlung sonst beitrug, indem sie das Opfer zum Tatort lockte.
[3] Ihre dagegen ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten M* T* auf Z 3, 4 und 11, N* T* auf Z 4 und S* auf Z 5, jeweils des § 281 Abs 1 StPO. Nur jene des Angeklagten M* T* ist zum Teil berechtigt.
Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M* T*:
[4] Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) wendet sich zutreffend gegen die Annahme des Vorliegens der Rückfallvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB.
[5] Die Entscheidungsgründe lassen nämlich offen, ob der Angeklagte schon zweimal wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen (§ 39 Abs 1 erster Halbsatz StGB), verurteilt worden ist. Denn danach wurde der Angeklagte zunächst wegen Suchgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB, sodann wegen D iebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB und schließlich wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB sowie nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG zu Freiheitsstrafen verurteilt (US 3). Die genannten strafbaren Handlungen beziehen sich aber auf jeweils unterschiedliche Rechtsgüter im Sinn des § 71 erster Fall StGB. Ob die verwirklichten Taten (oder zumindest zwei davon) auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder den gleichen Charaktermangel (§ 71 zweiter und dritter Fall StGB) – wozu etwa das Gewinnstreben gehört (vgl Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 71 Rz 5 mit weiteren Beispielen) – zurückzuführen sind, kann anhand des Urteilssachverhalts nicht festgemacht werden.
[6] Aufhebung des Strafausspruchs dieses Angeklagten ist die Folge (§ 285e StPO), worauf er mit seiner Berufung zu verweisen war.
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten M* T* im Übrigen und des Angeklagten N* T*:
[7] Die Verfahrensrüge (Z 3) des Angeklagten M* T* zeigt mit dem Einwand, der neuerliche Aufruf der Sache (§ 239 StPO) sei nach der 16-minütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung zwecks Zuwartens auf das Eintreffen des Dolmetschers unterblieben (ON 37 S 3), keinen nichtigkeitsbewehrten Fehler auf (vgl Danek/Mann , WK-StPO § 239 Rz 8/1).
[8] Entgegen den gleichsinnig erhobenen Verfahrensrügen (Z 4) beider Beschwerdeführer wurden deren Verteidigungsrechte durch die Abweisung ihrer Beweisanträge nicht verkürzt.
[9] Der Angeklagte M* T* beantragte in der Hauptverhandlung (ON 37 S 23) zunächst „die zeugenschaftliche Frau Insp. * M* […] zum Beweis dafür, dass Herr * F* den behaupteten Raub inszeniert hat und es sich hierbei um einen Racheakt handelt, folglich der Angriff durch den Beschuldigten nicht stattgefunden hat. Der Beweis ist geeignet das Beweisthema zu klären, denn hat der Angeklagte, welcher selbst früher der S* Drogenszene angehört hat, gegenüber der beantragten Zeugin die Aktivitäten des Zeugen * F* im Zusammenhang mit illegalen Drogen offengelegt. Der Beklagte hat sohin strafbare Handlungen des Zeugen gegenüber den Verfolgungsbehörden dargelegt und sohin den Zeugen und auch dessen guten Bekannten oder sogar Lebensgefährtin * St* der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt. Da der Zeuge dies erfahren hat, handelt es sich bei dem gegenständlichen Vorwurf gegenüber dem Angeklagten, dieser habe ihn ausgeraubt, um eine offensichtliche Revanche“.
[10] Der Angeklagte N* T* schloss sich diesem Beweisantrag an und führte ergänzend aus, „dass die Einvernahme der Zeugin M* geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des einzigen Belastungszeugen F* zu erschüttern und es sich deshalb um einen zulässigen Beweis zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen F* handelt“ (ON 37 S 24).
[11] Dieses Beweisbegehren haben die Tatrichter schon deshalb zu Recht abgelehnt, weil die Antragsteller nicht bekannt gaben, aus welchem Grund aus einer bloßen Anzeigeerstattung gegen den Zeugen F* ein Schluss auf dessen verleumderisches Vorgehen gezogen werden könnte, und darüber hinaus, weshalb die mit der Entgegennahme der Anzeige befasste Polizistin über derartige Wahrnehmungen berichten hätte können. Solcherart handelte es sich um einen unbeachtlichen Erkundungsbeweis (vgl RIS Justiz RS0118444).
[12] Gleiches gilt für das weitere Begehren des Angeklagten M* T* (dem sich der Angeklagte N* T* anschloss – ON 37 S 24) auf „Einsichtnahme bzw die Auswertung des Mobiltelefons, das heißt er erklärt sich selbst bereit, dass darin Einsicht genommen darf, welches von der JA Garsten verwahrt wird, zum Beweis dafür, dass Herr * F* den behaupteten Raub inszeniert hat und es sich hierbei um einen Racheakt handelt, folglich dieser Raub nicht stattgefunden hat“. Dazu führte der Antragsteller weiters aus: „Der Beweis ist geeignet das Beweisthema zu klären, denn hat der Angeklagte auf seinem Mobiltelefon diverse Beweise gesammelt, welche genau die Aktivitäten des Zeugen F* im Zusammenhang mit illegalen Suchtmitteln beweisen. Er hat diese gesammelt, um sie den Strafverfolgungsbehörden vorzulegen. Da der Zeuge dies erfahren hat, handelt es sich beim gegenständlichen Vorwurf gegenüber dem Angeklagten um eine offensichtliche Revanche“ (ON 37 S 23 f).
[13] Denn auch insoweit machten die Antragsteller weder klar, weshalb sich aus den – im Übrigen nicht näher bekanntgegebenen – „Beweisen“ auf dem Mobiltelefon die behauptete „Racheaktion“ ableiten hätte sollen. Abgesehen davon erschöpfte sich die Bekanntgabe, dass der Zeuge F* von der Sammlung des angeblich ihn belastenden Beweismaterials erfahren habe, in einer bloßen Behauptung.
[14] Das in den jeweiligen Rechtsmitteln nachgetragene Vorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten S*:
[15] Das Vorbringen der Mängelrüge (der Sache nach Z 5 dritter Fall) zur Widersprüchlichkeit zwischen den Feststellungen zur Beitragshandlung (§ 12 dritter Fall StGB) und den Erwägungen des Schöffengerichts, wonach die Beschwerdeführerin den leicht beeinflussbaren und aufgrund seiner Suchtmittelabhängigkeit körperlich und geistig eingeschränkten Zeugen F* nicht überzeugen musste, sie zum Tatort zu begleiten (US 11), bezieht sich auf keinen entscheidenden Umstand. Denn die Tatrichter erblickten – von der Beschwerde übergangen – im Anlocken des Opfers (unter anderem auch) eine „Stärkung des Tatentschlusses“ der Mitangeklagten im Sinn eines psychischen Beitrags (US 8).
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M* T* im Übrigen sowie jene der Angeklagten N* T* und * S * waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[17] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der beiden letzterwähnten Angeklagten (§ 285i StPO).
[18] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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