I419 2319797-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Marc Deiser und Thomas Geiger MBA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS XXXX vom 11.09.2025, Zl XXXX betreffend Rückforderung von Notstandshilfe zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete das AMS die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung von € 1.483,02 die wegen einer aufschiebenden Wirkung ausgezahlt worden wären, und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe in den vergangenen Monaten kontinuierlich alle Pflichten gegenüber dem AMS erfüllt, indem sie sich regelmäßig gemeldet und aktiv an Terminen teilgenommen habe, sich intensiv auf zahlreiche Stellen beworben habe und sich nachweislich bemüht, ihre berufliche Situation zu verbessern. Ihr durchgängiges Engagement belege, dass das Nichterscheinen zu einem einzelnen Termin eine Ausnahme gewesen sei. Keinesfalls hätte Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorgelegen.
Zudem stelle die Rückforderung eine erhebliche finanzielle Belastung dar und gefährde ihre wirtschaftliche Existenz. Sie beantrage daher die Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung über diese Beschwerde und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
3. Das AMS legte die Beschwerde mit der Stellungnahme vor, dass es der Beschwerdeführerin gegenüber einen Anspruchsverlust für 42 Bezugstage ab 05.05.2025 ausgesprochen habe, wogegen diese Beschwerde erhoben, jedoch die abweisende Beschwerdevorentscheidung unbekämpft lassen hätte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, wie in I. wiedergegeben. Außerdem wird festgestellt:
1.1 Die Beschwerdeführerin bezog Notstandshilfe von € 35,31 täglich, wobei der tägliche Betrag seit 31.08.2024 unverändert war. Mit Bescheid vom 16.05.2025 sprach das AMS aus, dass sie den Anspruch darauf für 42 Tage ab 05.05.2025 verloren habe. Sie habe eine zugewiesene, zumutbare Beschäftigung vereitelt, indem sie sich zu spät beworben habe. Nachsichtgründe seien nicht zu berücksichtigen gewesen.
1.2 Die Beschwerde dagegen wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.07.2025 als unbegründet ab ( XXXX ). Die Beschwerdevorentscheidung enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: „Sie können binnen zwei Wochen nach Zustellung dieser Beschwerdevorentscheidung bei der oben angeführten regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. […]“
1.3 Wegen der aufschiebenden Wirkung wurde die Notstandshilfe für den vom Bescheid umfassten Zeitraum ausbezahlt. Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung erfolgte nach Zustellversuch anschließend durch Hinterlegung mit erster Abholmöglichkeit am 11.07.2025. Die Beschwerdeführerin stellte keinen Vorlageantrag.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden AMS-Akt und den eingeholten Versicherungsdaten sowie der Beschwerde und der Stellungnahme zur Beschwerdevorlage. Den Rückschein betreffend die Hinterlegung der Beschwerdevorentscheidung nach dem Zustellversucht (mit Poststempel vom 11.07.2025) legte das AMS nachträglich vor (OZ 4).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1 Abweisung der Beschwerde betreffend Rückersatz:
Wie festgestellt, wurde die Beschwerde gegen den vorangegangenen Bescheid, aufgrund derer infolge ihrer aufschiebenden Wirkung Leistungen aus der Notstandshilfe vorläufig weiter ausbezahlt wurden, mit der Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Mangels Einbringung eines Vorlageantrags dagegen wurde diese rechtskräftig. Damit ist verbindlich entschieden, dass der Beschwerdeführerin die Notstandshilfe für 42 Bezugstage ab 05.05.2025 nicht zustand.
Das AMS stützt die Rückforderung zu Recht auf § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG, welcher die Verpflichtung zum Rückersatz von Leistungen anordnet, die wegen „Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels“ weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten. Betreffend die Höhe der vom AMS erhobenen Rückforderung ergibt sich aus den Feststellungen, dass für die 42 Tage insgesamt € 1.483,02 ausgezahlt wurden (€ 35,31 * 42). Die mit dem bekämpften Bescheid erfolgte Vorschreibung der Rückzahlung erging also auch in der genannten Höhe zu Recht.
Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen die Rückforderung der gemäß der Beschwerdevorentscheidung vom 04.07.2025 unberechtigt empfangenen Leistung im angefochtenen Bescheid richtet, erweist sie sich somit als nicht berechtigt.
Daher war sie betreffend den ersten Spruchpunkt dieses Bescheids als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde:
Ferner hat das AMS der Beschwerde gegen die nun geltend gemachte Rückforderung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. (VwGH 27.04.2020, Ra 2020/08/0030, mwN)
„Gefahr im Verzug“ bringt nach der Rechtsprechung zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll. Voraussetzung für den Ausschluss der einer Beschwerde grundsätzlich zukommenden aufschiebenden Wirkung ist daher eine auf dem (allenfalls nach Bescheiderlassung geänderten) Sachverhalt beruhende nachvollziehbare Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen der Verfahrensparteien, aus der sich, wenn nur ein Beschwerdeführer in Betracht kommt, ebenso nachvollziehbar ergibt, dass für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung nicht ausgeschlossen wird, gravierende Nachteile für das öffentliche Wohl eintreten würden. (VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0354, 07.02.2020, Ra 2019/03/0143, je mwN)
Um die vom Gesetzgeber nach § 13 Abs. 2 VwGVG außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, hat ein Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z. 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen. (VwGH 29.08.2024, Ra 2024/08/0078, Rz. 12, mwN)
Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG (i. V. m. § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen. Wirkt der Notstandshilfebezieher allerdings nicht in der oben beschriebenen Weise an den Feststellungen über die Prognose der Einbringlichkeit mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden. (VwGH 29.08.2024, Ra 2024/08/0078, Rz. 13)
Vorliegend hat die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen, wonach die Rückzahlung ihre wirtschaftliche Existenz gefährde, nicht bescheinigt. Zudem ließ sie im Verfahren betreffend den Verlust der Notstandshilfe die Beschwerdevorentscheidung unbekämpft.
Da vorliegend der disziplinierende Zweck der Verhängung der Sperrfrist in Anbetracht der unberechtigten Beschwerde gegen die Vorschreibung der Rückzahlung ohnehin durch die Verzögerung der Einbringung des Überbezuges litt, ist die vom AMS vorgenommene Abwägung, es sei keine andere Entscheidung zu erwarten, wogegen eine weitere Verzögerung und Gefährdung der Einbringung wieder zulasten der Versichertengemeinschaft ginge, im Ergebnis - dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung - nicht zu beanstanden.
Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen. (VwGH 27.04.2020, Ra 2020/08/0030, Rz. 13) Darauf lag fallbezogen aber kein Hinweis vor. Demnach ist auch der mit Bescheid bestätigte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht zu beanstanden.
Folglich erwies sich die Beschwerde im Ergebnis auch zum zweiten Spruchteil als unbegründet, sodass sie abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung betreffend die Verpflichtung zum Rückersatz zu Unrecht bezogener Notstandshilfe und betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde in diesen Fällen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Antrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Fallbezogen liegt dem Bundesverwaltungsgericht ein umfassender Verwaltungsakt mit einem ausreichenden Ermittlungsverfahren und entsprechenden Ermittlungsergebnissen vor. Eine mündliche Erörterung und die Einvernahme der Parteien hätte daher, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Rechtsmittel nicht dezidiert bestreitet, dass der Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe im vorangehenden Verfahren in Rechtskraft erwuchs (vgl. VwGH 15.05.2019, Ra 2019/08/0034, Rz. 12), keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Der Sachverhalt war entscheidungsreif im Sinne des eben angeführten § 24 Abs. 4 VwGVG. Daher konnte von einer Verhandlung abgesehen werden.
Es entspricht nämlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist; und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die für die Beurteilung relevanten Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann. In diesen Fällen kann daher nach § 24 Abs. 4 VwGG im Verfahren des Verwaltungsgerichtes eine Verhandlung unterbleiben. (VwGH 18.12.2020, Ra 2019/08/0100, Rz 18, mwN)
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