BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Mühlschuster, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zum Zwecke der Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen vom 24.09.2025 zur Versicherungsnummer XXXX , betreffend Versicherungsplicht nach dem GSVG, beschlossen:
A.)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs 1 VwGVG abgewiesen.
B.)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom 24.9.2025 sprach die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (im Folgenden kurz: „SVS“) aus, dass der nunmehrige Antragsteller aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Zeitraum vom 1.6.2020 bis 31.5.2021 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG unterliegt.
Begründend wurde – auf das kürzeste zusammengefasst – auf die Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 verwiesen, wobei die zuständige Finanzbehörde in diesen Jahren für die Einkünfte von der Zuordnung zur betrieblichen Einkunftsart „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ nach § 23 EStG 1988 und damit von einer betrieblichen selbständigen Erwerbstätigkeit ausgehe. Die in den Einkommensteuerbescheiden 2020 und 2021 ausgewiesenen betrieblichen Einkünfte des BF aus Gewerbebetrieb würden die in § 4 Abs 1 Z 5 GSVG genannte Versicherungsgrenze übersteigen. Es bestehe keine Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit nach einem anderen Bundesgesetz bzw. einer anderen Bestimmung nach dem GSVG und sei dies auch gar nicht behauptet worden.
2. Am 5.11.2025 langte beim BVwG im Wege der SVS ein Antrag des Antragstellers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde ein, wobei die Befreiung von Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten Gebühren sowie die Befreiung von den notwendigen Barauslagen und den Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt beantragt wurde. Zum Sachverhalt wies der BF darauf (nur) hin, dass die „Forderung der SVS zur Nachzahlung“ ungerechtfertigt sei, da im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit vorgelegen sei.
Beigefügt wurde vom Antragsteller ein Vermögensbekenntnis, aus dem hervorgeht, dass der Antragsteller Pensionist ist, im eigenen Haus lebt, eine Pension von netto monatlich € 1.403,61 bezieht sowie über Bargeld in Höhe von € 100 und Guthaben auf seinem Girokonto in Höhe von € 79.102,88 verfügt. Er habe Schulden in Höhe von € 6.343,22, und zwar bei der SVS.
Anlässlich der Vorlage des Antrags an das BVwG wies die SVS darauf hin, dass sich aus dem vorliegenden Vermögensverzeichnis die Notwendigkeit einer Verfahrenshilfe nicht ableiten lasse, da der Antragsteller über ausreichende Geldmittel verfüge (Kontostand Girokonto € 79.102,88). Aus Sicht der SVS stelle der vorliegende Antrag einzig und allein eine mutwillig herbeigeführte Verfahrensverzögerung bzw. -verschleppung dar; der Antragsteller sei im laufenden Verfahren durch einen Rechtsanwalt sowie durch einen Steuerberater vertreten gewesen. Beide Vertreter hätten es verabsäumt, über einen Zeitraum von 12 Monaten hinweg der SVS notwendige Unterlagen vorzulegen. Der vorliegende Antrag sei am letzten Tag der Rechtsmittelfrist (rechtzeitig) eingebracht worden, dies deute ebenso auf eine Verzögerungstaktik hin. Den (professionellen) Vertretern des Antragsstellers sei ausreichend Zeit für eine Beschwerde geblieben, diese sei jedoch nicht erfolgt. Weder die tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit des Verfahrens noch die Vermögensverhältnisse des Antragstellers würden die Gewährung der Verfahrenshilfe rechtfertigen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Abweisung des Antrags auf Verfahrenshilfe
1. Einschlägige Rechtsgrundlage (§ 8a VwGVG):
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.
2. Im konkreten Fall bedeutet dies:
2.1. Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse“; in jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde,“ müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG; siehe auch VwGH 15.5.2024, Ra 2023/03/0096, und 30.11.2022, Ra 2022/21/0153).
2.2. Den gegenständlichen Fall betreffend ist auszuführen, dass der Antragsteller anwaltlich vertreten ist; dem von der SVS dem BVwG vorgelegten Akt sind keinerlei Hinweise darauf zu entnehmen, dass das Vollmachtsverhältnis mittlerweile aufgelöst worden wäre. In diesem Zusammenhang ist vor allem darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller als Pensionist zwar eigenen Angaben zufolge nur ein Nettoeinkommen von € 1.403,61 hat (wenngleich er ein in seinem Eigentum stehendes Haus bewohnt), sein Girokonto jedoch ein Guthaben von € 79.102,88 aufweist und er (lediglich) bei der SVS Schulden in Höhe von € 6.343,22 hat. Insofern erhellt in keiner Weise – und hat der Antragsteller diesbezüglich auch keinerlei Vorbringen erstattet -, warum er sich nicht (weiterhin) anwaltlich vertreten lassen können sollte bzw. warum er außerstande sein sollte, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Darüber hinaus weist das zugrunde liegende Verfahren prima facie keine besondere Komplexität auf, da Ausgangspunkt für die Feststellung der Versicherungspflicht die Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 sind und führte der Antragsteller in seinem Antrag hierzu nur lapidar aus, es sei „im gegenständlichen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit vorgelegen“, wobei auch die rechtliche Vertretung des BF, soweit ersichtlich, die Vorlage von angeforderten Unterlagen trotz Gewährung mehrfacher Möglichkeiten durch die SVS bis dato unterlassen hat.
2.3. In einer Gesamtbetrachtung ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs 1 VwGVG abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH zur Gewährung von Verfahrenshilfe. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, sodass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
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