L512 2235583-2/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Marlene JUNGWIRT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan (kurz: Pakistan), war zuletzt aufgrund eines Aufenthaltstitels zum Zweck Familienangehöriger, Kartennummer: XXXX gültig bis zum XXXX zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet berechtigt.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , wurde der BF wegen dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie dem Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn Monaten) verurteilt, wobei 12 Monate unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) vom XXXX , GZ: XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF zulässig sei. Es wurde zudem ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erlassen, eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (kurz: BVwG) vom XXXX GZ: XXXX wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides nach dem Wort „nach“ das Wort „Pakistan“ ergänzt wird und die mit Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides verhängte Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt wird.
2. Am 04.02.2024 wurde der BF im Rahmen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle einer Personenkontrolle unterzogen. Es wurde der illegale Aufenthalt des BF festgestellt. Anschließend wurde der BF nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen.
3. Am 04.02.2024 wurde der BF niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Niederschrift stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 13.02.2024 erfolgte eine Rückkehrberatung. Der BF zeigte sich nicht rückkehrwillig.
Anlässlich des gegenständlichen Asylverfahrens wurde der BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt. Der BF gab im Wesentlichen zu seinem Fluchtgrund an, seine damalige Ehefrau habe gegen den BF eine Anzeige mit falschem Inhalt erstattet. Daraufhin sei er zu einer 6-monatigen Haftstrafe verurteilt worden. Als er nach Pakistan zurückkehrte, sei er vom Bruder seiner Ex-Frau, der Anhänger der Taliban ist, gefangen genommen, gefoltert und bedroht worden. Als es zu einer Eskalation zwischen der Taliban kam und zu einer Schießerei, habe sich der BF befreien und flüchten können. Daraufhin sei er so schnell wie möglich aus Pakistan ausgereist.
Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 13.09.2024 die in der Erstbefragung erwähnten Fluchtgründe vor und ergänzte diese.
4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise im Ausmaß von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Beweiswürdigend wurde vom BFA ausgeführt, dass die Angaben zum Fluchtgrund nicht asylrelevant sind (AS 301 ff.).
5. Gegen den Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist vollumfänglich Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung erhoben (AS 639 ff.).
6. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Verhandlung an. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.
7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer
Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der islamischen/sunnitischen Religionsgemeinschaft sowie der Volksgruppe der Punjabi. Der BF spricht die Sprachen Punjabi, Urdu und Deutsch.
Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Punjab geboren. Der BF besuchte 9 Jahre die Schule. Der BF lebte vor seiner Ausreise in seinem Geburtsort. Der BF lebte zusammen mit seinen Eltern in einer Mietwohnung. Der BF arbeitete als XXXX . Vor seiner Ausreise unterstützte der Vater des BF diesen. Der Vater hat ein XXXX .
Drei Brüder und eine Schwester des BF leben in Pakistan. Der BF hat derzeit mit seiner Schwester Kontakt.
Der BF ist geschieden. Der BF ist gesund. Er befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung und nimmt auch keine Medikamente. Der BF ist arbeitsfähig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Jahr 2021 nach Pakistan zurückkehrte. Der BF reiste nach XXXX und XXXX und hielt sich dort auf, bis er erneut nach Österreich reiste.
Der BF heiratete am XXXX in Pakistan die österreichische Staatsangehörige XXXX , die zu diesem Zeitpunkt bereits drei minderjährige Kinder aus einer früheren Ehe hatte, nämlich ihren XXXX . Aufgrund dieser Eheschließung mit XXXX wurde dem BF vom XXXX am XXXX der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ ausgestellt und ab diesem Zeitpunkt lebte er auch im gemeinsamen Haushalt mit XXXX . Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn XXXX geboren. Am XXXX beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seines bis XXXX befristet gewesenen Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Die zuständige XXXX übermittelte diesen Antrag dem BFA zur Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , wurde der BF wegen dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie dem Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn Monaten) verurteilt, wobei 12 Monate unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Diesem Urteil liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer
I. am XXXX anderen vorsätzlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht
(§15 StGB) hat, indem er
A./ mit einer Keramikvase zum Schlag gegen den Kopf seines Sohnes, XXXX , ausholte, diesen jedoch nicht traf, da XXXX die Position des Kindes veränderte und die Vase gegen deren Kopf prallte;
B./ seiner (damaligen) Ehefrau, XXXX , mit der genannten Vase einen Schlag gegen den Kopf und mit einem Stanleymesser einen Stich gegen den Bauch versetzte, wodurch sie eine Beule im rechten Scheitelbereich und eine 6 cm lange sowie 0,5 mm tiefe Schnittverletzung am rechten Unterbauch erlitt, wobei es deshalb nur beim Versuch blieb, weil das Opfer nur leicht verletzt wurde;
II. andere vorsätzlich am Körper verletzt hat und zwar
A./ am XXXX XXXX , indem er ihr eine Ohrfeige versetzte, wodurch diese eine offene Wunde am Zahnfleisch erlitt;
B./ am XXXX XXXX indem er ihr mit einem Stanleymesser eine 3cm lange und 3 mm tiefe Schnittwunde am linken Oberarm zufügte;
III. andere durch gefährliche Drohung mit dem Tod an ihr und Sympathiepersonen zu einer Handlung oder Unterlassung genötigt hat, nämlich
A./ XXXX , zur Abstandnahme die MA 35 davon zu verständigen, dass er seinen
Bruder illegal nach Österreich bringen wolle, indem er via SMS sinngemäß äußerte
1./ am XXXX er werde sie und die vier Kinder so in Stücke zerteilen, dass man nicht mehr wisse, wem welcher Kopf gehöre;
2./ am XXXX , wenn diese die MA 35 verständige, werden er XXXX töten und sie ins Gefängnis bringen, diese solle darüber nachdenken, wenn ihr sein Leben am Herzen liege;
B./ in der Nacht von XXXX auf XXXX XXXX , indem er ihr Lichtbilder zeigte, auf denen er mit Schusswaffen und Magazinen abgebildet ist und sinngemäß äußerte, sie wisse schon wozu er fähig sei, wenn sie den zur A./2./ geschilderten SMS angefertigten Screenshots nicht lösche, sohin zur Löschung der Drohnachricht.
Das Landesgericht nahm als erwiesene Tatsachen an, dass der Beschwerdeführer das dargestellte Verhalten in objektiver Hinsicht verwirklicht habe, er die Erfüllung der genannten Tatbilder, insbesondere auch die Entstehung schwerer Verletzungen bei der unter I./ beschriebenen Handlungen jeweils zumindest ernstlich für möglich gehalten habe, sich jedoch jeweils damit abgefunden habe. Bei den unter III./ geschilderten Handlungen sei es ihm jeweils darauf angekommen, die Opfer durch gefährliche Drohung mit ihren Tod bzw. mit dem Tod von Sympathiepersonen zu den beschriebenen Handlungen bzw. Unterlassungen zu nötigen.
Als für die Strafbemessung mildernd bewertete das Landesgericht das reumütige Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel, als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit Vergehen und die Gewaltausübung gegen unmündige Opfer.
Gleichzeitig erteilte das Landesgericht dem Beschwerdeführer mit Beschluss die Weisung, für die Dauer der Probezeit jeglichen Kontakt zu den Opfern XXXX , XXXX und XXXX sowohl auf telefonischer als auch in persönlicher Form sowie über Dritte zu unterlassen, sofern dies nicht entweder durch die Opfer gewünscht ist oder durch Behörden, insbesondere durch das Jugendamt geregelt wird.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) vom XXXX , GZ: XXXX , wurde dem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF zulässig sei. Es wurde zudem ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG in der Höhe von 5 Jahren erlassen, eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (kurz: BVwG) vom XXXX GZ: XXXX wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides nach dem Wort „nach“ das Wort „Pakistan“ ergänzt wird und die mit Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides verhängte Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt wird.
Mit Bescheid des BFA vom 26.01.2021 wurde dem BF die Mitwirkung zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes aufgetragen. Der BF konnte jedoch krankheitsbedingt dem Ladungstermin keine Folge leisten. Mit Verfahrensanordnung vom 12.04.2021 wurde dem BF mitgeteilt, dass der BF der Verpflichtung die im Zuge des Bescheides vom 26.01.2021 dargelegt wurde nicht nachgekommen ist und wurde dem BF eine Fristverlängerung um eine Woche eingeräumt. Der BF ist seiner Mitwirkung nicht nachgekommen.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde dem BF bei Nichtwahrnehmung näher genannter Mitwirkungsverpflichtungen eine Zwangsstrafe angedroht.
Der BF wurde am 12.05.2021 festgenommen, da er der im Bescheid vom XXXX angeführten Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Die angedrohte Haft wurde vollstreckt.
Am 21.05.2021 wurde der BF niederschriftlich einvernommen und nach der Einvernahme entlassen.
Mit Schreiben vom 09.07.2021 stellte der damalige rechtsfreundliche Vertreter einen Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes.
Mit Bescheid vom 14.09.2021, Zl. XXXX wurde der Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes abgewiesen.
Am 16.09.2021 wurde der BF neuerlich einvernommen.
Am 08.10.2021 erfolgte eine Abmeldung des BF an der Meldeadresse und war seitdem sein Aufenthalt unbekannt.
Am 04.02.2024 wurde der BF im Rahmen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle einer Personenkontrolle unterzogen. Es wurde der illegale Aufenthalt des BF festgestellt. Anschließend wurde der BF nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen.
Am 04.02.2024 wurde der BF niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Niederschrift stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der leibliche Sohn des BF XXXX lebt in Österreich. Der Sohn des BF leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung. Der Sohn des BF lebt mit seiner leiblichen Mutter XXXX in einem Haushalt. Die alleinige Obsorge kommt der Mutter zu. Dem BF wurde am XXXX die Obsorge entzogen. Seit 2019 besteht kein Kontakt zu seinem Sohn oder seiner Ex-Frau. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde die Ehe des BF und seiner Ehefrau aus dem alleinigen Verschulden des BF geschieden. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf Einräumung von begleitenden Besuchskontakten zu seinem Sohn abgewiesen. Der BF hat zu seinem Sohn seit seiner Inhaftierung im Jahr 2019 keinen Kontakt. Nach der Entlassung aus der Strafhaft leistete der BF Unterhalt für seinen Sohn, derzeit nicht.
Der BF lebt in Österreich in keiner Lebensgemeinschaft oder Beziehung.
Der BF wird bei der Bestreitung seines Lebensunterhaltes von einem Freund unterstützt.
Der BF bezog keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.
Der BF ging in Österreich legalen Beschäftigungen nach bzw. erhielt der BF im Zeitraum vom XXXX bis XXXX Arbeitslosengeld. Derzeit geht der BF keiner Beschäftigung nach. Der BF verfügt über einen Arbeitsvorvertrag.
Der BF hat einen Deutschsprachkurs auf A2 Niveau besucht. Er verfügt über einfache Deutschkenntnisse.
Der BF ist in Österreich kein Mitglied in einem Verein.
1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-02-01 11:02
Allgemeine Entwicklungen im Bereich Terrorismus
Pakistan konnte ab 2014 bedeutenden Erfolg in seiner Terrorbekämpfung aufweisen. Sie führten zu einer verbesserten allgemeinen Sicherheitslage, die allerdings aktuell wieder vor Herausforderungen steht (PIPS 10.1.2024).
Konstante Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte und polizeilichen Anti-Terrorabteilungen, darunter die groß angelegten Militäroperationen Zarb-e-Azb, Khyber I-IV und Radd-ul-Fasaad sowie einige Anti-Extremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, NAP, trugen zu einem kontinuierlichen Rückgang terroristischer Anschläge von 2009 bis 2020 - mit Ausnahme des Jahres 2013 - bei (PIPS 15.6.2021).
Die Operation Zarb-e-Azb 2014 war in erster Linie auf die Provinz Khyber Pakhtunkhwa und die damaligen Federal Administered Tribal Areas, FATA, ausgerichtet, um Terrorgruppen in Nord-Waziristan zu bekämpfen. Aus den meisten Gebieten konnten die militanten Extremisten vertrieben werden. Unter den Militäroperationen litt allerdings auch die Zivilbevölkerung vor Ort, eine hohe Anzahl an Personen wurde zu intern Vertriebenen. Die darauf folgende Operation Radd-ul-Fasaad involviert auch zivile Einsatzkräfte und konzentrierte sich auf geheimdienstliche Operationen im gesamten Land, um Schläferzellen und Verstecke militanter Extremisten auszuheben (EASO 10.2021).
Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vgl. PIPS 24.2.2023). Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings nur geringe Erfolge erzielt. Die Verbreitung extremistischer Literatur, extremistische Kundgebungen und die Verherrlichung von Terroristen hielten an (FES 12.2020). Ebenso zeigten sich wenige Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten (PIPS 18.2.2022).
Ab Mitte 2020 kam es zu einem Wiederaufleben jihadistischer militanter Gruppen in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur in Khyber Pakhtunkhwa (FES 12.2020). Der Regimewechsel in Afghanistan hat diese Gruppen bekräftigt. Dies wird besonders in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sichtbar (PIPS 4.1.2022; vgl. CRSS 19.5.2023).
Trendumkehr bei den Anschlagszahlen seit 2021
Bereits das Jahr 2021 war von einem 42-prozentigen Anstieg der Zahl an Anschlägen im Vergleich zum Jahr 2020 auf 207 Terrorakte gekennzeichnet (PIPS 4.1.2022). Im Jahr 2022 stieg die Zahl der Anschläge wiederum um 27 Prozent auf 262 Terrorakte. Diese forderten zusammen 419 Menschenleben, ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ungefähr die Hälfte der Todesopfer 2022, 206, waren - laut Daten des Analyseinstituts Pak Institute for Peace Studies, PIPS, - Mitglieder der Sicherheitskräfte bzw. Exekutivbehörden, 152 waren Zivilisten und 61 Terroristen (PIPS 24.2.2023).
Das Jahr 2023 verzeichnete als drittes Jahr in Folge einen neuerlichen Anstieg in den Erhebungen von PIPS: um 17 Prozent in der Zahl der Anschläge auf 306; und um 65 Prozent in der Zahl der Todesopfer auf 693. Von den Todesopfern waren 330 - erneut beinahe die Hälfte - Sicherheitskräfte, 260 Zivilisten und 103 Terroristen (PIPS 10.1.2024).
Das Center for Research and Security Studies, CRSS, als Vergleichsquelle, verzeichnet in einer ersten Gesamtauswertung für das Jahr 2023 586 terroristische Anschläge mit 986 Toten (CRSS 31.12.2023). In der vertieften Auswertung für 2022 waren es 378 Anschläge mit 602 Todesopfern, davon 291 Mitglieder der Sicherheitskräfte, 297 Zivilisten und 14 Terroristen (CRSS 19.5.2023). Für das Jahr 2021 verzeichnete es 403 Terrorakte mit 555 Toten, davon 330 Zivilisten (CRSS 3.1.2022).
Eine spezifische Analyse des PIPS verdeutlicht konkret, dass im Zeitraum der 21 Monate zwischen der Machtübernahme der Taliban in Kabul vom August 2021 bis zum Stand der Auswertung im April 2023 im Vergleich zu den 21 Monaten davor eine Steigerung der Anschläge um 73 Prozent festgestellt werden kann, während die Todeszahlen eine Steigerung um 138 Prozent erfuhren. In diesem Vergleich zeigt sich allerdings auch eine starke Konzentration. Während Khyber Pakhtunkhwa einen Anstieg an Anschlägen um 92 Prozent in diesem Zeitraum erfuhr und Belutschistan um 81 Prozent, gingen die Anschläge im Punjab, Islamabad und Sindh im selben Zeitraum zurück (PIPS 30.5.2023).
Regionale Konzentration der Anschläge
Seit vielen Jahren ist sichtbar, dass die terroristische Gewalt hauptsächlich auf Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa konzentriert bleibt (PIPS 4.1.2022). Regional aufgeschlüsselt betrafen im Jahr 2023 93 Prozent aller Anschläge in Pakistan diese beiden Provinzen. Wie zuvor entfiel die Mehrheit - konkret 174 der 306 landesweiten Anschläge und damit 57 Prozent auf Khyber Pakhtunkhwa. 422 der landesweit 693 Todesopfer entfielen auf die Provinz. Belutschistan verzeichnete 110 der Anschläge mit 229 Todesopfern (PIPS 10.1.2024).
Im Vorjahr, 2022, entfielen 95 Prozent aller Anschläge auf diese beiden Provinzen und hier wiederum allein 64 Prozent - beinahe zwei Drittel - auf Khyber Pakhtunkhwa mit 169 Anschlägen. Hier waren auch 294 der 419 Todesopfer des Jahres 2022 zu beklagen. Mehr noch ließ sich der Gesamtanstieg der Anschlagszahlen 2022 allein auf einen Anstieg der Anschläge um 52 Prozent in dieser Provinz zurückführen. In den übrigen Provinzen gingen 2022 die Anschläge zurück oder blieben auf gleichem Niveau. In Belutschistan, das von der zweithöchsten Zahl an Anschlägen betroffen war, wurden im Jahr 2022 79 Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 81 des Vorjahres. Dabei wurden 106 Menschen getötet (PIPS 24.2.2023). In der Auswertung von CRSS betrafen 303 von 378 Anschlägen im Jahr 2022 allein diese beiden Provinzen (CRSS 19.5.2023).
Im Jahr 2021 trafen 93 Prozent der gesamten von PIPS erfassten Anschläge die beiden Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan zusammengenommen, die meisten mit 111 von insgesamt 207 Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 4.1.2022).
In seiner vertieften Jahresauswertung weist CRSS für 2022 folgende regionale Aufschlüsselung der Anschlagszahlen und Todesopfer aufgrund terroristischer Akte aus:
Regionale Auswertung aller Anschläge pro Monat und Provinz 2023 nach Daten von PIPS
Hauptakteure
Mehr als 20 terroristische Gruppierungen waren 2023 aktiv, allerdings lassen sich 78 Prozent aller Anschläge sowie 82 Prozent der Todesopfer drei Gruppen zuschreiben: den pakistanischen Taliban - Tehrik-e Taliban Pakistan, TTP, inklusive ihrer Untergruppen, dem Islamic State Khorasan Province, ISKP, und der Belutschistan Liberation Army, BLA. Letztere konzentrierte ihre Anschläge hauptsächlich in Belutschistan, der ISKP war in Teilen Khyber Pakhtunkhwas und Belutschistans aktiv und die TTP überwiegend in Khyber Pakhtunkhwa, wobei sie allerdings auch in den anderen Provinzen Anschläge durchführte. Hauptakteur der Gewalt ist dabei die TTP, auf die - mit 151 an der Zahl und 281 Todesopfern - beinahe die Hälfte aller Anschläge in Pakistan zurückgehen (PIPS 10.1.2024).
Der TTP gelang es ab 2020, sich neu zu formieren - verstärkt seit der Machtübernahme der afghanischen Taliban in Kabul (PIPS 10.1.2024). Sie hat von allen ausländischen Gruppierungen am meisten vom Abzug der internationalen Truppen in Afghanistan profitiert (PIPS 24.2.2023). Ihre dortige Präsenz nutzt sie, um Operationen in Pakistan durchzuführen (UNSC 25.7.2023). In der Folge haben sich ihre Anschläge in Pakistan sprunghaft erhöht (UNSC 13.2.2023). Trotz gegenteiliger Versprechungen ziehen die afghanischen Taliban nicht ernsthaft in Erwägung, gegen die pakistanischen Taliban auf afghanischem Gebiet vorzugehen (PIPS 4.1.2022; vgl. PIPS 10.1.2024). Einen unter der Vermittlung des Islamischen Emirates von Afghanistan im Mai 2022 eingesetzten Waffenstillstand inklusive Verhandlungen zwischen Vertretern der TTP und des pakistanischen Staats in Kabul kündigte die TTP im November 2022 auf (PIPS 24.2.2023; vgl. PIPS 10.1.2024).
Der ISKP konnte ebenfalls die Zahl seiner Anschläge steigern (PIPS 30.5.2023). Die 17 Anschläge der Gruppierung verursachten mit 155 Toten die zweithöchsten Opferzahlen im Jahr 2023. Die hohe Opferzahl unterstreicht auch ihre Kapazität Großanschläge durchzuführen (PIPS 10.1.2024). Auch den belutschischen und Sindhi-nationalistischen Gruppierungen gelangen seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan größere Anschläge als zuvor - in ihrem Fall auf Sicherheitskräfte und chinesische Interessen (PIPS 30.5.2023).
Hauptsächliche Zielsetzungen
Verbunden mit ihrem Wiedererstarken sind auch bedeutende Änderungen von Strategie und Modus Operandi der TTP erkennbar. Die hohen Opferzahlen unter Zivilisten bei früheren Selbstmordattentaten hatten einen Verlust der Unterstützung in der Bevölkerung - aber auch unter Jihadisten - und umgekehrt eine breite Befürwortung der Militäroperationen zur Folge, was einen der Gründe für ihre Zurückdrängung in Pakistan im Zeitraum 2014 bis 2016 darstellte. In der neuen Strategie der TTP steht die Zielsetzung auf Sicherheitskräfte im Vordergrund - bei einer deutlichen Reduzierung der zivilen Opfer (CTC Sentinel 5.2023).
Auch im Jahr 2023 stellten die Sicherheitskräfte das Hauptziel von Anschlägen dar. 205 an der Zahl und damit 67 Prozent aller Terroranschläge waren spezifisch gegen sie gerichtet (PIPS 10.1.2024). 2022 waren es 180, also 69 Prozent, das entspricht auch ungefähr deren gesamtem Anteil an den Todesopfern, wo ungefähr die Hälfte unter den Sicherheitskräften auszumachen war (PIPS 24.2.2023). 2021 zielten 66 Prozent der Anschläge gegen die Sicherheitskräfte, 177 der 335 Todesopfer waren analog dazu Mitglieder der Sicherheits- oder Strafverfolgungsbehörden (PIPS 4.1.2022).
Unter den weiteren öfters ins Visier geratenen Gruppen waren 2023 regierungsfreundliche Stammesältere mit vier Anschlägen und insgesamt fünf Todesopfer, Staatsbedienstete bzw. staatliche Einrichtungen mit neun Anschlägen und zwei Toten sowie vermutete Spione mit neun Anschlägen und 12 Toten. 19 Anschläge mit 32 Opfern richteten sich 2023 undifferenziert gegen Zivilisten (PIPS 10.1.2024).
2022 zielten 14 Anschläge undifferenziert gegen Zivilisten, weitere 14 gegen regierungsfreundliche Stammesführer oder Mitglieder von Friedenskomitees, acht gegen politische Führungspersonen oder Aktivisten (PIPS 24.2.2023).
Gezielte Anschläge gegen Minderheitenangehörige
Im März 2023 starb ein Sikh bei einem gezielten terroristischen Anschlag durch den ISKP in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 5.4.2023);
im April ein Christ bei einem gezielten Anschlag durch den ISKP ebenfalls in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 6.5.2023);
im Mai ein Sikh im Punjab bei einem gezielten Anschlag ungeklärter Täterschaft (PIPS 8.6.2023);
im Juni ein Sikh bei einem gezielten Anschlag durch den ISKP in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 5.7.2023);
im Juli ein Angehöriger der schiitischen Minderheit bei einem mutmaßlichen gezielten Anschlag in Sindh (PIPS 4.8.2023);
im August eine lokale Führungsperson der PPP bei einem gezielten Anschlag aufgrund seines schiitischen Glaubens im Sindh (PIPS 6.9.2023).
Im Oktober tötete ein Anschlag auf die schiitische Gemeinde in Khyber Pakhtunkhwa vier Menschen (PIPS 7.11.2023).
Im Dezember wurden zehn Menschen bei einem gegen Schiiten gerichteten Anschlag der Lashkar-e-Jhangvi auf einen Bus in Gilgit-Baltistan getötet (PIPS 8.1.2024).
Außerdem eröffnete im Mai ein dort zur Sicherheit abgestellter Polizist im Swat in Khyber Pakhtunkhwa das Feuer auf den Schulbus einer christlichen Mädchenschule, wobei zwei Mädchen getötet wurden. Es wurde als Tat einer psychischen Erkrankung, nicht als Terrorakt eingestuft (BW 1.6.2023).
Allerdings waren auch religiöse Führer bzw. Gemeindemitglieder des sunnitischen Glaubens in acht Anschlägen mit neun Toten ein spezifisches Ziel (PIPS 10.1.2024).
2022 zielten zwei Anschläge gegen Schiiten, darunter ein Großanschlag gegen eine schiitische Moschee in Peschawar mit 68 Toten, ein Anschlag gegen Sunniten, zwei gegen die christliche Gemeinde mit insgesamt zwei Toten und einer gegen die Sikh-Gemeinde, der zwei Menschenleben forderte (PIPS 24.2.2023).
Wahl der Mittel
In Bezug auf die Wahl der Mittel setzten Terroristen bei 160 Anschlägen im Jahr 2023 Direktbeschuss ein, improvisierte Sprengsätze (IEDs) in 65 und Handgranaten in 38 Fällen. 12 Anschläge wiesen einen koordinierten Schusswaffen- und Sprengeinsatz auf. Unter den weniger häufig eingesetzten Mitteln stechen drei Raketenangriffe hervor. Es zeigt sich außerdem eine signifikante Erhöhung der Selbstmordanschläge von 14 im Jahr 2022 auf 23 im Jahr 2023 (PIPS 10.1.2024), wobei bereits jene des Jahres 2022 einen starken Anstieg von den fünf des Jahres 2021 demonstrierten (PIPS 24.2.2023).
Der überproportional hohe Anstieg - um 65 Prozent - in der Zahl der Todesopfer bei um 17 Prozent gestiegenen Anschlägen verdeutlicht, dass es den Terrorgruppen gelang, vermehrt auch Großanschläge durchzuführen. Dabei gehen die Anschläge mit besonders hohen Opferzahlen allesamt auf Selbstmordattentäter der TTP oder des ISKP zurück. Insgesamt forderten die 23 Selbstmordanschläge des Jahres 315 Menschenleben (PIPS 10.1.2024).
Die erhöhten technischen Kapazitäten der TTP und ihrer Verbündeten lassen sich - neben ihren Möglichkeiten des Unterschlupfs und der Nutzung von Trainingsbasen in Afghanistan - auch auf ihren Zugang zu dem in Afghanistan zurückgelassenen modernen Equipment der abgezogenen US-Truppen zurückführen, u. a. Nachtsicht-Heckenschützengewehre und gepanzerte Fahrzeuge (PIPS 10.1.2024).
Durchführung Großanschläge 2023
Im Jänner 2023 gelang ein Großanschlag auf eine Moschee in einem Polizeiareal in Peschawar, Khyber Pakhtunkhwa. Es starben 97 Polizisten und 3 Zivilsten. Zu Beginn bekannte sich die TTP zu dem Selbstmordanschlag (PIPS 20.2.2023).
Im Juli starben bei einem Großanschlag auf eine Wahlveranstaltung der Jamiat Ulema-i-Islam-Fazl (JUI-F) im Bajaur Tribal District in Khyber Pakhtunkhwa mindestens 54 Menschen (PIPS 4.8.2023). Der ISKP bekannte sich zum Selbstmordanschlag. Die Partei JUI-F tritt selbst für die Umsetzung der Scharia ein und steht mutmaßlich den afghanischen und pakistanischen Taliban nahe, welche der ISKP ablehnt (CSIS 3.8.2023).
Im September starben 55 Menschen bei einem Anschlag auf muslimische Feierlichkeiten zu Ehren Mohammeds Geburtstag in Mastung, Belutschistan. Keine Gruppierung bekannte sich dazu. In der Gegend ist der ISKP besonders aktiv (PIPS 4.10.2023; vgl. AJ 29.9.2023, BBC 29.9.2023). Feiern zu Ehren Mohammeds Geburtstag werden von einigen muslimischen Strömungen als ketzerisch verurteilt (AJ 29.9.2023; vgl. BBC 29.9.2023).
Reaktion der Sicherheitskräfte
Auf den Anstieg der terroristischen Gewalt reagierten die Streitkräfte mit geheimdienstlichen Operationen, der Fortführung der Operation Radd-ul-Fasaad und in den Grenzregionen mit der Stationierung regulärer Armeetruppen (EASO 10.2021).
Die Sicherheitskräfte führten im Jahr 2023 129 Anti-Terror-Operationen in 31 Distrikten des Landes durch. Bei diesen starben - laut den Erhebungen von PIPS - 373 Terroristen, 50 Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten. Zusätzlich kam es zu 24 bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Terroristen, bei denen 37 Terroristen und 18 Mitglieder der Sicherheitskräfte starben. 21 dieser Auseinandersetzungen betrafen Khyber Pakhtunkhwa. Außerdem nahmen die Sicherheitskräfte bei 87 Suchoperationen im gesamten Land 377 des Terrorismus Verdächtigte bzw. Mitglieder militanter Gruppen fest. Diese Zahl umfasst keine Personen, die nach ersten Untersuchungen wieder freigelassen wurden (PIPS 10.1.2024).
Im Vergleich wurden 2022 87 Anti-Terror-Operationen in 25 Distrikten durchgeführt. Diese forderten 327 Tote, laut Daten von PIPS 302 Terroristen, 24 Sicherheitskräfte und ein Zivilist. 57 der Sicherheitsoperationen des Jahres 2022 wurden in Khyber Pakhtunkhwa durchgeführt, 28 in Belutschistan. In 66 Suchoperationen wurden im Rahmen der Operation Radd-ul-Fasaad laut PIPS 129 des Terrorismus Verdächtigte festgenommen. Außerdem kam es zu elf bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Militanten/Terroristen in Khyber Pakhtunkhwa mit 25 Toten, davon 13 Terroristen und zwölf Soldaten. Für das Jahr 2021 wurden sechs derartige Zusammenstöße und 63 Anti-Terror-Operationen aufgezeichnet (PIPS 24.2.2023).
CRSS berichtet von 197 Operationen gegen Militante und Aufständische durch die Sicherheitskräfte im Jahr 2023 mit 537 Toten (CRSS 31.12.2023).
Für das Jahr 2022 zählte CRSS 128 Operationen, bei denen 368 Menschen getötet und 102 mutmaßliche Terroristen verhaftet worden sind. Die Mehrheit der Sicherheitsoperationen zeichnete CRSS in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan auf (CRSS 19.5.2023). Für das Jahr 2021 registrierte CRSS 146 Sicherheitsoperationen (CRSS 3.1.2022).
In den letzten Jahren hat Pakistan außerdem mehrere rechtliche, administrative und operative Maßnahmen gegen Terrorfinanzierung gesetzt und 26 der 27 Bedingungen des Aktionsplanes der Financial Action Task Force, einer internationalen Organisation gegen Terrorismusfinanzierung, erfüllt (PIPS 24.2.2023).
Kommunale Gewalt aufgrund religiösen Fundamentalismus'
Weiters zeigt sich, dass der religiöse Extremismus, auch abseits der Terrorgruppen, eine große Herausforderung darstellt. Zum einen ist dies in den Gewalttaten von aufgestachelten Menschenmengen, sogenannten Mobs, erkennbar [Anm. siehe dazu auch Kap. Religionsfreiheit ]. Zum anderen manifestiert sich dies in den gewalttätigen Protesten der politisch-religiösen Bewegung Tehreek-e-Labbaik Pakistan, TLP. Die Gewalt der TLP erreichte 2021 einen Höhepunkt, als bei Demonstrationen in den Städten des Punjab 24 Menschen ums Leben kamen, 10 davon Polizisten, und eine Polizeistation gestürmt und besetzt wurde. Sie wurden erst beigelegt, nachdem die Regierung dem Druck nachgab, den Anführer freiließ und das Verbot der Gruppe aufhob (PIPS 4.1.2022). Für 2022 zählte das Sicherheitsanalyseinstitut PIPS zwei Gewaltvorfälle auf, in denen Anhänger der TLP involviert waren und bei denen jeweils eine Person getötet wurde (PIPS 24.2.2023). 2023 war die TLP in zwei Gewaltakte durch aufgehetzte Menschenmengen gegen Minderheiten involviert (PIPS 10.1.2024).
Für das Jahr 2023 verzeichnete PIPS folgende Vorfälle kommunaler religiös-motivierter Gewaltausbrüche, also Gewalt durch religiös motiviert aufgehetzte Menschenmengen:
Im Februar stürmte im Punjab eine aufgebrachte Menschenmenge einen Polizeiposten und tötete einen inhaftierten Blasphemiebeschuldigten (AJ 16.8.2023; vgl. PIPS 8.3.2023). Ein weiterer Mob verwüstete im Sindh eine Glaubensstätte der Ahmadi in Karatschi (PIPS 8.3.2023).
Im März attackierten Anhänger einer islamistischen Partei Hindu-Studenten an einer Universität im Punjab bei einem religiösen Fest und verletzten 15 von ihnen (WION 7.3.2023; vgl. PIPS 5.4.2023).
Im Mai wurde eine Person nach angeblicher Blasphemie durch eine Menschenmenge in Khyber Pakhtunkhwa getötet (PIPS 8.6.2023).
Im August verzeichnete PIPS zwei Mob-Vorfälle mit einem Toten (PIPS 6.9.2023): Im Punjab randalierte ein aufgebrachter Mob nach Blasphemievorwürfen in einem christlichen Viertel und setzte dabei auch Kirchen und Häuser in Brand. Die Rangers wurden herangezogen, um die Lage unter Kontrolle zu bringen (AJ 16.8.2023; vgl. Lowy Inst 21.9.2023, HRW 22.8.2023). In Belutschistan wurde eine Woche zuvor ein Lehrer nach Blasphemievorwürfen getötet (DAWN 7.8.2023; vgl. Lowy Inst 21.9.2023, AJ 16.8.2023).
Im September randalierten in drei Vorfällen kommunaler Gewalt aufgebrachte Menschenmengen in Glaubensstätten von Christen und Ahmadis, ein christlicher Pfarrer wurde im Punjab in Folge angeschossen und verletzt (PIPS 4.10.2023).
Für April (PIPS 6.5.2023), Juni (PIPS 5.7.2023, Juli (PIPS 4.8.2023) und November (PIPS 7.12.2023) zeichnete PIPS keine Vorfälle von religiös motivierter Mob-Gewalt auf; für Jänner 2023 zwar einen Vorfall, allerdings ohne Tote oder Verletzte (PIPS 20.2.2023).
Für Oktober wurde zwar kein derartiger Vorfall aufgezeichnet, allerdings kam es drei Mal im Kurram Tribal District von Khyber Pakhtunkhwa zu Zusammenstößen zwischen schiitischen und sunnitischen Stämmen, die zu 16 Todesopfern führten (PIPS 7.11.2023).
Für 2022 zeichnete PIPS acht Vorfälle kommunaler religiöser Gewalt auf, bei drei davon handelte es sich um Mobs aufgrund von Blasphemievorwürfen. Bei den Vorfällen wurden fünf Menschen getötet - drei Ahmadis und zwei der Blasphemie Beschuldigte - sowie ein Hindu-Tempel beschädigt (PIPS 24.2.2023).
Grenzübergriffe
Im Nordwesten Pakistans wurde 2017 mit dem Bau eines Grenzzaunes entlang der 2.611 Kilometer langen Durand-Linie genannten Grenze zu Afghanistan begonnen. Dies sollte den Bewegungen von Militanten und Schmugglern sowie illegalen Grenzübertritten Einhalt gebieten. Anfang Juli 2021 war laut pakistanischen Angaben der Bau des Zauns auf 91 Prozent der Strecke abgeschlossen (AP 13.7.2021). Der Bau des Grenzzauns wird allerdings vom nunmehrigen Taliban-Regime in Afghanistan zurückgewiesen, insbesondere aufgrund des Verlaufs an der Durand-Linie, auf deren definitive Grenzsetzung Pakistan aus Sicht der Taliban keinen rechtlichen Anspruch hat (PIPS 4.1.2022; vgl. DAWN 14.1.2022). Im Jänner 2022 sicherte Pakistan zu, die verbliebenen 21 Kilometer für einen vollständigen Grenzzaun in diplomatischer Übereinkunft mit Afghanistan errichten zu wollen (DAWN 14.1.2022). Im April 2023 berichteten Medien, dass laut pakistanischen Behördenangaben 98 Prozent des Grenzzaunbaus abgeschlossen sind, während die afghanische De-facto-Regierung den Bau weiterhin ablehnt (KP 27.4.2023; vgl. TN 26.4.2023).
Es zeigt sich, dass die Taliban eine striktere Reaktion in Bezug auf den Bau des pakistanischen Grenzzauns übernommen haben als die Vorgängerregierung, wobei sich ihr Widerstand gegen den Grenzzaun auch in Gewalt äußerte (PIPS 30.5.2023).
So war 2022 der Grenzzaun Hauptgrund für eine Eskalation der Grenzzusammenstöße zwischen pakistanischen Sicherheitskräften und afghanischen Kämpfern. Verschiedenen Schusswechseln fielen auch Zivilisten zum Opfer, außerdem führten sie immer wieder auch zur Schließung des Grenzübergangs Chaman (DAWN 14.12.2022). PIPS zählte im Jahr 2022 13 Grenzübergriffe zwischen Afghanistan und Pakistan in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, bei denen 34 Menschen starben (PIPS 24.2.2023).
Auch im Jahr 2023 führten im Februar (AJ 25.2.2023; vgl. PIPS 8.3.2023) und im September Schusswechsel zur vorübergehenden Grenzschließung bei Torkham (AN 12.9.2023; vgl. RFE/RL 12.9.2023). Insgesamt kam es im Jahr 2023 laut der Datenbank von PIPS zu vier Zusammenstößen pakistanischer Sicherheitskräfte oder Zivilisten mit afghanischen Grenzwächtern, wobei zwei Zivilisten getötet wurden, sowie zu drei grenzüberschreitenden Zusammenstößen pakistanischer Sicherheitskräfte mit militanten Gruppen, die drei Tote innerhalb der pakistanischen Armee sowie sechs unter militanten Gruppen forderten (PIPS 19.1.2024a).
Seit sich Indien und Pakistan im Februar 2021 gegenseitig die Absicht erklärten, das Waffenstillstandsabkommen von 2003 verstärkt zu respektieren, hat sich andererseits die Lage an der Grenze mit diesem Nachbarn signifikant verbessert. Insgesamt ging damit im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Übergriffe an allen Grenzen des Landes um weitere 35 Prozent auf 15 zurück. So fand nur ein Grenzübergriff zwischen Indien und Pakistan 2022 statt - ohne Opfer oder Schaden, und einer zwischen Iran und Pakistan (PIPS 24.2.2023).
Für 2023 registrierte PIPS vier Übergriffe an der Grenze zu Indien, nach pakistanischen Angaben ausgehend von indischen Grenzpatrouillen mit acht toten Zivilisten. An der Grenze zum Iran verzeichnete PIPS 2023 einen territorialen Übergriff, bei dem vier Soldaten starben, allerdings durch eine militant-nationalistische Gruppierung (PIPS 19.1.2024a).
Im Jänner 2024 verursachten territoriale Verletzungen an der Grenze zwischen Iran und Pakistan eine diplomatische Krise. Iran hatte einen Raketenangriff auf pakistanisches Gebiet in Belutschistan durchgeführt, und als Ziel eine in Iran aktive, separatistische Terrorgruppe genannt. Pakistan, das angibt, es seien dabei auch zwei Kinder getötet worden, führte seinerseits daraufhin eine Reihe von Militärschlägen gegen proklamiert terroristische Ziele auf iranischem Gebiet durch (Tagesschau 18.1.2024).
Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle
Zusammen genommen registrierte PIPS für das Jahr 2023 498 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 1.232 Toten. Neben den bereits behandelten, waren dies u.a. jeweils zwei Vorfälle ethno-politischer Gewalt und Auseinandersetzungen unter Stämmen sowie ein Kampf unter verschiedenen militanten Gruppen (PIPS 10.1.2024).
Das Jahr 2022 schlug sich laut PIPS mit 398 Fällen sicherheitsrelevanter Gewalt mit insgesamt 832 Toten zu Buche (PIPS 24.2.2023); 2021 mit 326 sicherheitsrelevanten Vorfällen und 609 darauf resultierenden Todesopfern (PIPS 4.1.2022).
CRSS berichtet in seiner Auswertung von 1524 Toten in 789 Vorfällen sicherheitsrelevanter Gewalt im Jahr 2023. Von den Todesopfern waren demnach 479 Zivilisten, 545 Terroristen und 500 Sicherheitskräfte (CRSS 31.12.2023). Für das Jahr 2022 zeichnete es 512 Vorfälle mit 980 Toten auf (CRSS 19.5.2023).
In der quartalsmäßigen Entwicklung zeigt sich für Gesamt-Pakistan auch eine Steigerung innerhalb des Jahres. Nachdem vom ersten ins zweite Quartal die Zahl der Toten bei Gewaltvorfällen um 21 Prozent zurückging (CRSS 11.7.2023), stieg sie um 57 Prozent für das dritte Quartal. Dabei stieg die Gewalt allerdings in Belutschistan um 131 Prozent, während sie im Punjab um 67 Prozent zurückging (CRSS 30.9.2023).
Aus den Datensätzen des Armed Conflict Location Event Data Project, ACLED, ergeben sich für das Jahr 2022 765 Vorfälle mit 1.783 Toten (ACLED o.D.).
Darstellung der STDOK nach Daten vonACLED o.D.
Anmerkung: ACLED erfasst sicherheitsrelevante Vorfälle unter Verwendung festgelegter Kriterien und Methodologien mittels Medienbeobachtung. Sind die Angaben zu den Todesopfern in den Quellen ungenau (z. B. „zahlreiche Tote“) oder unbekannt, so codiert ACLED automatisch zehn Todesopfer - oder drei Todesopfer, sofern bekannt ist, dass es sich um weniger als zehn Todesopfer handelt (ACLED 2020).
Quellen
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ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2020): Armed Conflict Location Event Data Project (ACLED) Codebook, https://acleddata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2019/01/ACLED_Codebook_2019FINAL.docx.pdf, Zugriff 21.12.2023
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AJ - Al Jazeera (16.8.2023): Mobs burn Christian churches, homes in Pakistan after blasphemy allegations, https://www.aljazeera.com/news/2023/8/16/angry-mobs-burn-christian-churches-in-pakistan-after-blasphemy-allegations, Zugriff 12.10.2023
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WION - World Is One News (7.3.2023): Pakistan: Hindu students attacked for celebrating Holi in a Punjab law college, https://www.wionews.com/south-asia/15-students-from-hindu-community-attacked-for-celebrating-holi-in-pakistan-569352, Zugriff 18.10.2023
Punjab und Islamabad
Letzte Änderung 2024-02-01 11:02
Punjab
Die Provinz Punjab ist mit Stand Dezember 2023 in 40 Distrikte unterteilt (ECPAK 13.12.2023). Sie beherbergt laut dem digitalen Zensus von 2023 eine Einwohnerzahl von knapp 128 Millionen (PAKBS 5.8.2023). Punjab ist damit die am stärksten besiedelte Provinz, flächenmäßig ist sie die zweitgrößte (EASO 10.2021).
Seit vielen Jahren ist sichtbar, dass die terroristische Gewalt hauptsächlich auf Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa konzentriert bleibt, doch auch Sindh und Punjab sporadisch trifft (PIPS 4.1.2022).
2023 verzeichnete Punjab einen Anstieg auf sechs Anschläge mit 16 Toten. Allerdings war mit elf Toten die überwiegende Mehrheit der Todesopfer unter den Terroristen auszumachen. Das geht unter anderem darauf zurück, dass Angriffe auf Militäreinrichtungen abgewehrt werden konnten. Drei Mitglieder der Sicherheitskräfte und eine Zivilistin fielen 2023 Anschlägen zum Opfer sowie ein Sikh einem gegen diese Minderheit gerichteten Schusswaffenattentat (PIPS 10.1.2024).
Im Jahresvergleich verzeichnete PIPS für den Punjab 2022 drei Anschläge, die sechs Menschenleben forderten (PIPS 24.2.2023), 2021 fünf Anschläge mit 14 Toten. Ein Anschlag 2021 war konfessionell motiviert und richtete sich gegen Schiiten während einer Ashura-Prozession (PIPS 4.1.2022).
Das Pakistan Institute for Conflict and Security Studies, PICSS, als Vergleichsquelle, zählte für den Punjab 2023 14 Anschläge mit 20 Toten, davon ebenfalls überwiegend Terroristen mit 14, vier Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten (PICSS 1.1.2024).
Kommunale religiöse Gewalt
Im Zuge kommunaler religiöser Gewalt wurde im Punjab ein Todesopfer für das Jahr 2023 verzeichnet, als eine aufgebrachte Menschenmenge im Februar einen Polizeiposten stürmte und einen dort inhaftierten Blasphemiebeschuldigten tötete (AJ 16.8.2023; vgl. PIPS 8.3.2023). Ebenfalls nach Blasphemieanschuldigungen setzte im August ein aufgebrachter, randalierender Mob in einem christlichen Viertel im Distrikt Faisalabad Kirchen und Häuser in Brand (AJ 16.8.2023; vgl. Lowy Inst 21.9.2023, HRW 22.8.2023). Außerdem wurde ein christlicher Pfarrer im Distrikt Faisalabad in Folge eines Vandalenaktes gegen eine Kirche angeschossen und verletzt (PIPS 4.10.2023). Außerdem wurden 15 Hindus verletzt, als im März Anhänger einer islamistischen Partei Hindu-Studenten an einer Universität im Punjab bei einem religiösen Fest attackierten (WION 7.3.2023; vgl. PIPS 5.4.2023).
2022 verzeichnete PIPS fünf Vorfälle gesellschaftlicher religiöser Gewalt, in Form von Übergriffen gewalttätiger Menschenmengen. Drei der Vorfälle betrafen Blasphemieanschuldigungen, wobei in einem Fall der Beschuldigte vom Mob getötet wurde, in den anderen Fällen von der Polizei geschützt werden konnte. In weiteren zwei Vorfällen wurde jeweils ein Ahmadi getötet (PIPS 24.2.2023). Im Jahr 2021 wurden wie 2022 fünf Vorfälle von Mob-Gewalt aus religiösen Motiven gezählt. Diese kosteten zwei Menschenleben (PIPS 4.1.2022).
Islamabad
Die pakistanische Hauptstadt ist ethnisch divers und hat auch einen vergleichsweise hohen Anteil an religiösen Minderheiten, indem geschätzt 10 Prozent der Bevölkerung der Stadt keine Muslime sind (EASO 10.2021). Laut dem letzten Zensus 2023 weist das Hauptstadtterritorium eine Einwohnerzahl von 2,36 Millionen auf (PAKBS 5.8.2023).
2023 verzeichnete PIPS keinen Anschlag in Islamabad (PIPS 10.1.2024; vgl. PIPS 18.1.2024a). Für 2022 verzeichnete das Institut zwei Anschläge, beide gegen Sicherheitskräfte, in denen zwei von diesen sowie drei Terroristen getötet wurden (PIPS 24.2.2023). Im Jahr 2021 war Islamabad ebenfalls von zwei Terroranschlägen betroffen, drei Menschenleben fielen diesen zum Opfer (PIPS 4.1.2022).
CRSS berichtet in einer ersten Auswertung fünf Sicherheitsvorfälle [Anm.: Sicherheitsoperationen oder Terroranschläge] in Islamabad 2023 ohne Tote (CRSS 31.12.2023). In seiner vertiefenden Auswertung für das Jahr 2022 registrierte es für Islamabad sieben Anschläge mit fünf Toten (CRSS 19.5.2023). PICSS zeichnete für Islamabad einen Anschlag auf (PICSS 1.1.2024).
Quellen
AJ - Al Jazeera (16.8.2023): Mobs burn Christian churches, homes in Pakistan after blasphemy allegations, https://www.aljazeera.com/news/2023/8/16/angry-mobs-burn-christian-churches-in-pakistan-after-blasphemy-allegations, Zugriff 12.10.2023
CRSS - Center for Research and Security Studies (31.12.2023): Pakistan's Violence-Related Fatalities Mark A Record 6-Year High, 56% Surge In Violence Recorded In 2023: CRSS Annual Security Report, https://crss.pk/pakistans-violence-related-fatalities-mark-a-record-6-year-high-56-surge-in-violence-recorded-in-2023-crss-annual-security-report, Zugriff 11.1.2024
CRSS - Center for Research and Security Studies (2.8.2023): Annual Security Report 2022 - Re-Emergence Of Proxy Terrorism - 3, https://crss.pk/annual-security-report-2022-3, Zugriff 18.10.2023
EASO - European Asylum Support Office (10.2021): EASO Pakistan Security situation Country of Origin Information Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2063078/2021_10_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 5.10.2023
ECPAK - Election Commission of Pakistan [Pakistan] (13.12.2023): District Wise Voters' Statistics as on 13 December 2023, https://ecp.gov.pk/storage/files/3/District Wise Voters Statistics as on 13 December 2023.pdf, Zugriff 22.12.2023
HRW - Human Rights Watch (22.8.2023): Pakistan: Mob Attacks Christian Settlement, https://www.hrw.org/news/2023/08/22/pakistan-mob-attacks-christian-settlement, Zugriff 12.10.2023
Lowy Inst - Lowy Institute (21.9.2023): Pakistan at a crossroads on blasphemy, https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/pakistan-crossroads-blasphemy, Zugriff 12.10.2023
PAKBS - Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (5.8.2023): Announcement of Results of 7th Population and Housing Census-2023, The Digital Census, https://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/population/2023/Press Release.pdf, Zugriff 22.12.2023
PICSS - Pakistan Institute for Conflict and Security Studies (1.1.2024): 2023 ends with 70 % Increase in Militant Attacks, 81% Rise in Deaths: PICSS Report - Pakistan Institute for Conflict and Security Studies, https://www.picss.net/featured/2023-ends-with-70-increase-in-militant-attacks-81-rise-in-deaths-picss-report, Zugriff 2.1.2024
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (18.1.2024a): PIPS Database, Islamabad, Overall distribution of attacks/clashes, From January 1, 2023 To December 31, 2023, https://pakpips.com/app/database/submit_reports.php?category=distribution_attacks, Zugriff 18.1.2024 [kostenpflichtig, Login erforderlich]
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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (5.4.2023): Pakistan Monthly Security Report: March 2023, https://pakpips.com/app/reports/1365, Zugriff 12.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich]
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.3.2023): Pakistan Monthly Security Report: February 2023, https://pakpips.com/app/reports/1349, Zugriff 12.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich]
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (24.2.2023): Pakistan Security Report 2022, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2023/02/SecReport_2022.pdf, Zugriff 5.10.2023
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2022): Pakistan Security Report 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2077139.html, Zugriff 16.12.2022 [Login erforderlich]
WION - World Is One News (7.3.2023): Pakistan: Hindu students attacked for celebrating Holi in a Punjab law college, https://www.wionews.com/south-asia/15-students-from-hindu-community-attacked-for-celebrating-holi-in-pakistan-569352, Zugriff 18.10.2023
Rechtsschutz, Justizwesen
Letzte Änderung 2023-04-12 15:29
Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgangs "Council of Islamic Ideology" jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 12.2020; vgl. BS 23.2.2022).
Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt, die folgende Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan - das pakistanische Höchstgericht, ein Oberstes Gericht bzw. High Court in jeder Provinz (sowie im Islamabad Capital Territory) und anderweitige Gerichte, die durch das Gesetz eingerichtet werden. Die fünf Obersten Gerichte fungieren zum einen als originäres Rechtsprechungsorgan für die Durchsetzung der Grundrechte, zum anderen als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von untergeordneten Gerichten und der Spezialgerichte in allen zivilen und strafrechtlichen Angelegenheiten. Außerdem dienen sie als Aufsichts- und Kontrollorgan für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß der Verfassung ein Federal Shariat Court (FSC), das zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen oder diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den sogenannten Hudood-Ordinances von 1979, die eine v.a. für Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act von 2006 in Teilen etwas entschärft wurden (ÖB 12.2020; vgl. FJA 2015). Gilgit-Baltistan sowie Azad Jammu und Kaschmir haben nominell unabhängige Justizsysteme (FH 2022).
Die Systeme der Zivil-, Straf- und Familiengerichte sehen ein faires und ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren vor, die Unschuldsvermutung, das Kreuzverhör und die Berufung. Einzelpersonen können auch gegen Entscheidungen des FSC Berufung bei der "Shariat Appellate Bench" des Supreme Courts einlegen, wobei der Supreme Court noch eine weitere Berufung zulassen kann. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts, von Gerichtswegen muss allerdings nur bei Verbrechen, für deren Verurteilung die Todesstrafe droht, ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. In solchen Fällen wird der Anwalt auch öffentlich finanziert. Im Allgemeinen muss in den unteren Gerichten der Angklagte allerdings selbst für den Anwalt aufkommen, in den Oberen kann ein öffentlich finanzierter zur Verfügung gestellt werden. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den Oberen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. In vielen Fällen, in denen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ging, versäumten es die Behörden allerdings, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 20.3.2023).
Die Justiz (v.a. die oberen Gerichte) versucht ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit zu verteidigen und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken – auch mit bei Regierung und Armee bisweilen unpopulären Urteilen (AA 8.8.2022; vgl. TET 26.7.2022). Gleichzeitig sieht sie sich weiterhin starkem Einfluss der Armee sowie Beeinflussungen durch die pakistanische Regierung ausgesetzt (AA 8.8.2022). Obwohl das Gesetz eine unabhängige Justiz vorsieht, unterliegt diese laut NGOs und Rechtsexperten häufig externen Einflüssen, wie z.B. der Angst vor Repressalien durch extremistische Elemente in Terrorismus- oder Blasphemiefällen und der öffentlichen Politisierung bei hochkarätigen Fällen. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass Richter zögern, der Blasphemie beschuldigte Personen freizusprechen, weil sie Selbstjustiz befürchten. Außerdem unterliegen Gerichte der unteren Instanzen Berichten zufolge nicht nur dem Druck höherrangiger Richter, sondern auch dem prominenter, wohlhabender, politischer und religiöser Persönlichkeiten (USDOS 20.3.2023). Anhänger konservativer und extremer Denkschulen des Islams sind bestrebt, mit Druck auf allen Ebenen die Rechtspflege zu beeinflussen (AA 8.8.2022). Gleichzeitig lassen sich in der Strafverfolgung von Korruptionsfällen Anzeichen erkennen, wonach sich die Justiz von der nationalen Politik instrumentalisieren lässt - etwa wenn Verfahren gegen mehrere wichtige Oppositionsführer verfolgt werden, während bei Mitgliedern der Regierungspartei ein Mangel an ähnlicher Strafverfolgung herrscht (FH 2022). Auch das vage und übermäßig weit gefasste Volksverhetzungsgesetz, welches auf eine britische Bestimmung aus der Kolonialzeit zurückgeht, wird oftmals gegen politische Gegner eingesetzt (HRW 12.1.2023).
Hinzu kommen Berichte über Korruption im Justizsystem, darunter auch solche, dass Gerichtsbedienstete Zahlungen für eine Beschleunigung von Verwaltungsverfahren verlangten. Gerichte der unteren Instanzen werden als korrupt angesehen, während die Oberen Gerichte und der Supreme Court bei der Bevölkerung und den Medien höhere Glaubwürdigkeit genießen. In den Medien wurde jedoch auch hierbei der Vorwurf einer Einflussnahme durch die Sicherheitsbehörden auf Richter dieser Gerichte thematisiert (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 23.2.2022). Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind zudem hochgradig ineffizient - Tausende Verfahren sind teils Jahrzehnte lang anhängig. Mangelhafte Ausbildung, Befähigung und Ausstattung großer Teile der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Justizwesens zeigen ebenfalls nachteilige Auswirkungen (AA 8.8.2022). Der enorme Rückstau an Fällen bei niederen wie höheren Gerichten untergräbt das Recht sowohl auf einen wirksamen Rechtsmittelanspruch als auch auf ein faires und öffentliches Verfahren. Veraltete Prozessregeln, unbesetzte Richterstellen, ein mangelhaftes Fallmanagement und eine unzureichende juristische Ausbildung führen zu Verzögerungen in Zivil- und Strafverfahren. Laut der Law and Justice Commission of Pakistan waren mit Stand 31. Juli 2022 2,1 Millionen Fälle anhängig, während allein im Jahr 2021 4,1 Millionen neue Fälle vor Gericht gekommen sind (USDOS 20.3.2023).
Nach Einschätzung des UK Home Office hat der Staat somit zwar ein funktionierendes Strafjustizsystem aufgebaut, doch ist dessen Funktionsfähigkeit auch durch die genannten Probleme begrenzt (UKHO 9.2021). Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Pakistan bekennt sich in seiner Verfassung und auf der Ebene einfacher Gesetze grundsätzlich zur Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern. Gleichwohl fällt es Pakistan insgesamt angesichts der schwach ausgebildeten rechtsstaatlichen Strukturen und der geringen Verankerung des Rechtsstaatsgedankens in der Gesellschaft schwer, rechtsstaatlichen Entscheidungen und damit auch der Schutzpflicht Geltung zu verschaffen (AA 8.8.2022). Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen in der Folge vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 20.3.2023, BS 23.2.2022). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst (AA 8.8.2022). Das World Justice Project reiht Pakistan 2022 auf Platz 129 von 140 teilnehmenden Staaten (WJP 2022).
Am 24. Jänner 2022 wurde erstmals eine Frau als Richterin am Supreme Court ernannt. Laut dem deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dies ein Meilenstein für die traditionell konservative und von Männern dominierte Justiz im Land. Allerdings wurde die Bestellung wiederholt kritisiert, z.B. durch die pakistanische Anwaltskammer (BAMF 1.7.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 1.2.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.7.2022): Briefing Notes Zusammenfassung. Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration. Pakistan – Januar bis Juni 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2022-pakistan.pdf?__blob=publicationFile v=3, Zugriff 1.2.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069671/country_report_2022_PAK.pdf, Zugriff 1.2.2023
FH - Freedom House (2022): Freedom in the World 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071945.html, Zugriff 1.2.2023
FJA - Federal Judicial Academy [Pakistan] (2015): The Judicial System of Pakistan, 4. Auflage, https://www.supremecourt.gov.pk/downloads_judgements/all_downloads/Judicial_System_of_Pakistan/thejudicialsystemofPakistan.pdf. Zugriff 1.2.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085484.html, Zugriff 1.2.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 1.2.2023
TET - The Express Tribune (26.7.2022): Pakistan’s judicial system. The judiciary’s role in the evolution of Pakistan’s democracy has been invaluable, https://tribune.com.pk/story/2367756/pakistans-judicial-system, Zugriff 1.2.2023
UKHO - UK Home Office [Vereinigtes Königreich] (9.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis https://www.ecoi.net/en/file/local/2059923/PAK_CPIN_Ahmadis.pdf, Zugriff 1.2.2023
USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 22.3.2023
WJP - World Justice Project (2022): WJP Rule of Law Index Pakistan, https://worldjusticeproject.org/rule-of-law-index/country/2022/Pakistan/, Zugriff 1.2.2023
Sicherheitsbehörden, inklusive KP Tribal Districts (ehemalige FATA)
Letzte Änderung 2023-04-12 15:38
Die Polizei ist für den größten Teil des Landes für die innere Sicherheit zuständig (USDOS 20.3.2023). Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency / FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Ihre Zuständigkeit liegt im Bereich der Einwanderung, der Organisierten Kriminalität sowie der Terrorismusbekämpfung. Bei Letzterer sind auch die pakistanischen Nachrichtendienste ISI (Inter-Services Intelligence) und IB (Intelligence Bureau) aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über ihre eigenen Strafverfolgungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 8.8.2022). Die lokale Polizei fällt somit in die Zuständigkeit der Provinzregierungen (USDOS 20.3.2023).
Außerdem sind einige paramilitärische Organisationen, die dem Innenministerium unterstehen, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständig. Dazu zählen das Frontier Corps für Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (inklusive der ehemaligen Federally Administered Tribal Areas / FATA) und die Ranger im Punjab und Sindh. Die Hauptaufgabe des Frontier Corps ist die Sicherheit an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Seine Berichtspflicht besteht in Friedenszeiten gegenüber dem Innenministerium, in Kriegszeiten gegenüber der Armee (USDOS 20.3.2023).
Die militärischen und zivilen Geheimdienste unterstehen offiziell der Berichtspflicht gegenüber zivilen Behörden, doch operieren sie unabhängig und ohne effektive zivile Aufsicht. In Fällen unter dem Anti-Terrorismus Gesetz haben die Strafverfolgungsbehörden zusätzliche Befugnisse, wie Durchsuchungen und Beschlagnahmungen ohne Gerichtsbeschluss (USDOS 20.3.2023).
Die Effizienz der Polizei variiert je nach Provinz. Der Staat hat ein funktionierendes Strafjustizsystem aufgebaut, doch ist die Funktionsfähigkeit begrenzt, was im polizeilichen Bereich auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung sowie unzureichende und veraltete Ausrüstung zurückzuführen ist und zu mangelhaften Ermittlungen führen kann. Darüber hinaus wird die Effektivität der Polizei durch Einflussnahme durch Vorgesetzte, politische Akteure und Justiz beeinträchtigt (UKHO 9.2021). Der Polizei wird seit Langem ein vorurteilsbehafteter und willkürlicher Umgang bei der Aufnahme von Anzeigen vorgeworfen (FH 2022). Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiliche Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen oder Ermittlungen verschleppt. Die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung sind gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 8.8.2022).
Auch die Annahme von Bestechungsgeldern, um wahre oder falsche Anzeigen aufzunehmen oder um Strafen zu vermeiden, ist laut Berichten weit verbreitet (UKHO 9.2021). Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen (AA 8.8.2022).
Dabei stellt Straflosigkeit für Vergehen der Sicherheitskräfte ein erhebliches Problem dar. Es mangelt an effektiven Mechanismen, um Menschenrechtsverletzungen nachzugehen. Die Regierung bietet begrenzt Schulungen an, um die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 20.3.2023).
Zusätzlich binden religiöse Gewalt und Terrorismus die Ressourcen der Polizei zuungunsten allgemeiner polizeilicher Arbeit (UKHO 6.2020). Die Sicherheitskräfte stellen selbst ein Hauptziel von Anschlägen verschiedener Terrorgruppen dar (HRW 13.1.2022; vgl. PIPS 11.1.2023). So zielten von den 262 Anschlägen des Jahres 2022 69 Prozent auf staatliche Sicherheitskräfte bzw. Exekutivorgane (PIPS 11.1.2023). Auch der tödlichste Anschlag seit Langem richtete sich gegen die Polizei. 84 Personen starben bei einem Selbstmordanschlag im Jänner 2023 in Peschawar, Khyber Pakhtunkhwa (TET 7.2.2023). Ziel des Anschlags, für den die pakistanischen Taliban zwischenzeitlich die Verantwortung übernommen hatten, war eine Moschee in einem Hochsicherheitsgelände der Polizei, beinahe alle Opfer waren Polizisten (Al Jazeera 2.2.2023; vgl. Dawn 31.1.2023).
Aufbauprozess der Polizei in den Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts - ehemalige Federal Administered Tribal Areas (FATA)
Im Gebiet der ehemaligen FATA findet ein fortlaufender Übergang zu einer zivilen Rechtsdurchsetzung bzw. Exekutive statt (USDOS 12.4.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Bisher ist das Militär dort das führend für Sicherheitsaufgaben zuständige staatliche Organ gewesen (USDOS 30.3.2021). In einigen Gebieten der Tribal Districts ist es das auch weiterhin (USDOS 20.3.2023). Im Zuge der Eingliederung der ehemaligen FATA in das staatliche Rechtssystem wurden auch die lokalen Sicherheitskräfte - die circa 30.000 Mann starken Levies- und Khasadar-Einheiten - in die Polizei von Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (TET 15.9.2021). Dies stellt eine Herausforderung dar. Den Einheiten fehlte es an den Grundlagen der polizeilichen Arbeit gemäß dem staatlichen Rechtssystem, angefangen vom Ausfüllen der First Information Reports [Anmerkung Anzeigen] bis zur Durchführung von Ermittlungen (USIP 6.5.2021). Insgesamt 25.981 Levies und Khasadars wurden schließlich in die Polizei integriert und begannen mit der Ausbildung (UNDP 5.7.2022). Auch das Militär ist in die Ausbildung involviert und führte unter anderem Schulungen in Waffengebrauch, Such- und Anti-Terrorismus-Operationen sowie Methoden zum Aufspüren von Minen und Sprengsätzen durch (ISPR 11.2.2022). 2022 war die Grundausbildung von 25.000 Personen abgeschlossen und es begannen - in Partnerschaft mit dem UN Development Programme - spezialisierte Ausbildungen in Kernaufgaben der Polizei für 2.000 Personen im Polizeitrainingszentrum im Khyber District, das mit Unterstützung der EU betrieben wird (UNDP 5.12.2022).
Im Juli 2022 wurden die ersten Polizeieinsatzpläne für die Stammesdistrikte ausgegeben - als Fahrplan für den Übergang von der Präsenz lokaler Sicherheitskräfte zum staatlichen Polizei- und Justizsystem. Dabei sollen auch Partnerschaften mit der lokalen Bevölkerung und anderen Behörden aufgebaut werden (EJ 22.7.2022; vgl. Dawn 23.7.2022). Der Prozess der Einrichtung von Polizeistationen und der Ausbildung der Strafverfolgungsbehörden ist zwar im Gange, geht aber lokalen Berichten zufolge nur sehr langsam voran (PIPS 11.1.2023). Er trifft auch auf grundlegende infrastrukturelle Probleme, wie einen Mangel an Polizisten und Unterkünften. Mit einer Anpassung des Rekrutierungsprozesses sollen Vakanzen gefüllt und auch Bewohner der Stammesgebiete für die Polizei angeworben werden. Außerdem wurde für die Gebiete der "Hard area status" für Zuschüsse bewilligt (TET 3.11.2022).
Laut Polizeiführung konzentriert man sich in den Stammesgebieten auf die Ausbildung, Ausrüstung und das Kommunikationssystem für die Polizei und hat ein Programm zur beschleunigten Umsetzung eingesetzt. Eine Beschleunigung ist noch nicht gelungen, was zu Protesten und zur Forderung der Rücknahme der Zusammenlegung von Seiten lokaler Gruppen führt - eine Forderung, die auch von den Taliban aufgegriffen wurde. Auch nahmen die Angriffe von Terrorgruppen auf die Polizei in den Stammesdistrikten zu (PIPS 11.1.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
Al Jazeera (2.2.2023): What is behind the rising violent attacks in Pakistan?, https://www.aljazeera.com/news/2023/2/2/what-is-behind-the-rising-attacks-in-pakistan, Zugriff 9.2.2023
Dawn (23.7.2022): Newly merged KP districts get first-ever policing plans ,https://www.dawn.com/news/1701086, Zugriff 9.2.2023
Dawn (31.1.2023): Death toll from suicide attack on mosque in Peshawar’s Police Lines rises to 100, https://www.dawn.com/news/1734573/death-toll-from-suicide-attack-on-mosque-in-peshawars-police-lines-rises-to-100, Zugriff 9.2.2023
EJ- Embassy of Japan in Pakistan [Japan] (22.7,2022): Khyber Pakhtunkhwa Police launches the first ever Policing Plans for the Seven Newly Merged Districts https://www.pk.emb-japan.go.jp/itpr_ja/11_000001_00350.html, Zugriff 6.2.2023
FH - Freedom House (2022): Freedom in the World 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071945.html, Zugriff 18.8.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Pakistan, https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/pakistan, Zugriff 19.1.2023
ISPR - Inter Services Public Relations Pakistan [Pakistan] (11.2.2022): 4th and last cycle of the training to the former personnel of Khasadar Levies by Pakistan Army FC was recently concluded in the tribal districts of Bajaur, Mohmand and Khyber, https://ispr.gov.pk/press-release-detail.php?id=6362, Zugriff 7.2.2023
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (11.1.2023): Pakistan Security Report 2022, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2022/01/Safdar_ASR-22-reviewed.pdf, Zugriff 20.1.2023
TET - The Express Tribune (7.2.2023): DNA from Peshawar bomber's head, hair matches with body https://tribune.com.pk/story/2399710/dna-from-peshawar-bombers-head-hair-matche s-with-body, Zugriff 6.2.2023
TET - The Express Tribune (3.11.2022): K-P takes more steps to bolster police force, https://tribune.com.pk/story/2384410/k-p-takes-more-steps-to-bolster-police-force, Zugriff 3.2.2023
TET - The Express Tribune (15.9.2021): Funding for K-P’s merged districts reviewed, https://tribune.com.pk/story/2320266/funding-for-k-ps-merged-districts-reviewed, Zugriff 22.1.2023
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (9.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/790304/CPIN-Pakistan-Ahmadis-v4.0_Mar_19.pdf, Zugriff 16.1.2023
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Actors of protection, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032939/Pakistan-Actors_of_protection-CPIN-v1.0_June_2020_.pdf, Zugriff 16.1.2023
UNDP - United Nation Development Programme (5.12.2022): UNDP supports Khyber Pakhtunkhwa Police to deliver specialized trainings to 2000 police personnel of Merged Districts, https://www.undp.org/pakistan/press-releases/undp-supports-khyber-pakhtunkhwa-police-deliver-specialized-trainings-2000-police-personnel-merged-districts, Zugriff 9.2.2023
UNDP - United Nation Development Programme (5.7.2022): UNDP Support Police Training in Pakistan for Citizen Service Oriented Policing, https://www.undp.org/pakistan/news/undp-support-police-training-pakistan-citizen-service-oriented-policing, Zugriff 8.2.2023
USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 22.3.2023
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071127.html, Zugriff 18.8.2022
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 22.1.2023
USIP - United States Institute of Peace [USA]/ U.M. Khan; R.H. Ijaz; S. Saadat (6.4.2021): Extending Constitutional Rights to Pakistan’s Tribal Areas, https://www.usip.org/publications/2021/04/extending-constitutional-rights-pakistans-tribal-areas, Zugriff 12.1.2023
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung 2023-04-12 15:40
Folter
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in den Gefängnissen gilt als weit verbreitet (AA 8.8.2022; vgl. OMCT 3.2021, HRW 28.8.2022). Es kommt sehr selten zu einer Strafverfolgung von Tätern (AA 8.8.2022). Die Regierung unternimmt wenig, um Strafverfolgungsbehörden für Folter zur Verantwortung zu ziehen (HRW 12.1.2023; vgl. USDOS 12.4.2022). Folter wird als unvermeidlicher Teil der Strafverfolgung in Pakistan akzeptiert. Die Straflosigkeit kann auf eine Kombination aus soziokultureller Akzeptanz, fehlenden unabhängigen Aufsichts- und Ermittlungsmechanismen, weitreichenden Befugnissen zur Festnahme und Inhaftierung, Verfahrenslücken und unwirksamen Schutzmaßnahmen zurückgeführt werden (OMCT 3.2021; vgl. Dawn 7.8.2022).
Folter ist gemäß pakistanischer Verfassung zwar grundsätzlich verboten und wird seitens der Regierung offiziell verurteilt (AA 8.8.2022). Allerdings enthielt das Strafgesetzbuch keinen speziellen Abschnitt gegen Folter (USDOS 12.4.2022). Im November 2022 trat jedoch nach Unterzeichnung der Torture and Custodial Death (Prevention and Punishment) Bill 2022 durch den Präsidenten erstmals ein Verbot von Folter in Kraft. Im August war die Gesetzesvorlage bereits von der Nationalversammlung angenommen worden. Sie kriminalisiert Folter, Vergewaltigung und Todesfälle in Haft (Dawn 2.11.2022; vgl. SenPK 1.11.2022). Das Gesetz ermächtigt die FIA Untersuchungen unter Aufsicht der staatlichen National Human Rights Commission durchzuführen (SenPK 4.11.2022).
Die Polizeiverordnung 2002 sieht bereits Strafen gegen jeden Polizeibeamten vor, der einer Person in seinem Gewahrsam "Gewalt oder Folter" zufügt. Die Vorschrift enthält keine Definition von Folter und erstreckt sich nicht auf andere Beamte. Vom System der unabhängigen Überwachung der Arbeit der Polizei, das in der Verordnung vorgesehen ist, wurden nur einige Beschwerdekommissionen eingerichtet. Die Zuständigkeit für die Entgegennahme einer Anklage (First Information Report - FIR) aufgrund von Folter unter dieser Verordnung und deren Untersuchung liegt allerdings - in Ermangelung funktionierender Überwachungsstellen - bei der Polizei selbst (OMCT 3.2021).
Die Regierung bietet begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 12.4.2022).
Haft ohne Anklage, nachgewiesene Fälle von staatlichem Verschwindenlassen
Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig Menschenrechtsverletzungen. Enforced Disappearances - das Verschwindenlassen von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen - zählen dabei zu den eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan - auch weil der Staat (v.a. Militär / Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird (AA 8.8.2022). Die meisten Opfer waren aus Khyber Pakhtunkhwa, der ehemaligen FATA oder Belutschistan und wurden für gewöhnlich durch die Sicherheitskräfte oder Geheimdienste incommunicado in Haft gehalten - unter dem Vorwurf des Terrorismus, staatsfeindlicher Aktivitäten, Rebellion oder Spionage (FH 24.2.2022). Bei Verdacht auf Terrorismus ist es den Sicherheitskräften rechtlich möglich, Personen ein Jahr ohne Anklage in Haft zu nehmen. Darüber hinaus verfügt das Militär in Khyber Pakhtunkhwa per Verordnung über die Befugnis, Zivilisten ohne Anklage und Benachrichtigung der Angehörigen festzuhalten (USDOS 12.4.2022).
Für das Jahr 2021 stieg die Zahl der bei der staatlichen Kommission zur Untersuchung von Verschwindenlassen neu angezeigten Fälle auf 1.460 - der dreifache Wert des Vorjahres. Davon betrafen allein 1.095 Fälle Belutschistan. Die Kommission berichtete, dass sie mit Stand 31.12.2021 seit ihrer Errichtung 2011 6.117 aller ihr vorgetragenen Fälle lösen konnte und 2.264 weiterhin anhängig sind. Bei den gelösten Fällen wurden 1.517 Personen in verschiedenen Formen der Haft aufgefunden, 3.257 waren zurückgekehrt und 228 Personen tot aufgespürt worden (HRCP 2022). Menschenrechtsaktivisten hingegen zweifeln an den offiziellen Zahlen. Eine belutschische Partei sprach von insgesamt 5.128 erzwungen verschwundenen Personen bis zum Jahr 2018 für Belutschistan (HRCP 2021). Auch pakistanische Medien gehen davon aus, dass viele Fälle nicht gemeldet werden und die tatsächlichen Zahlen höher sind (TNI 6.8.2022).
Die Internationale Juristenkommission (ICJ) kritisierte die Untersuchungskommission und wirft ihr vor, dass ihr Zugang Straflosigkeit fördert. Die Untersuchungskommission drängt demnach nicht auf ein disziplinäres Vorgehen gegenüber den Behörden, denen Verschwindenlassen nachgewiesen wurde (FH 2022). Staatlicherseits wurden Täter bislang in keinem einzigen Fall angeklagt. Eine Strafverfolgung findet nach wie vor nicht statt. Die bereits im Mai 2021 ins parlamentarische Verfahren eingebrachte Enforced Disappearances Bill, die Verschwindenlassen erstmalig strafrechtlich sanktionieren soll, wird weiterhin verschleppt (AA 8.8.2022). Im November 2021 wurde er durch die Nationalversammlung angenommen, im Juni 2022 wurde er durch Medien als "verschwunden" bezeichnet (TNI 6.8.2022; vgl. Dawn 29.6.2022). Im Oktober wurde der Gesetzesentwurf nach Änderungen erneut durch die Nationalversammlung angenommen und dem Senat weitergeleitet (Dawn 22.10.2022). Der Gesetzesentwurf sieht einen Abschnitt im Strafgesetz mit einer Definition des Verschwindenlassens, das der internationalen Übereinkunft entspricht, und Haftstrafen bis zu 10 Jahren vor (TNI 6.8.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
Dawn (2.11.2022): President Arif Alvi signs three bills into law, https://www.dawn.com/news/1718385, Zugriff 13.1.2023
Dawn (22.10.2022): NA again passes bill criminalising enforced disappearances, https://www.dawn.com/news/1716295, Zugriff 13.1.2023
Dawn (7.8.2022): Turning A Blind Eye To Torture, https://www.dawn.com/news/1703708, Zugriff 19.8.2022
Dawn (29.6.2022): Missing persons bill still 'missing', Senate committee told, https://www.dawn.com/news/1697327, Zugriff 19.8.2022
FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071945.html, Zugriff 19.8.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2022): State of Human Rights in 2021, https://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/2022-State-of-human-rights-in-2021.pdf, Zugriff 19.8.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2021): State of Human Rights in 2020, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/website-version-HRCP-AR-2020-5-8-21_removed.pdf, Zugriff 26.1.2022
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Pakistan, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/pakistan, Zugriff 13.1.2023
HRW - Human Rights Watch (23.8.2022): Pakistan: Make Torture a Crime, https://www.hrw.org/news/2022/08/23/pakistan-make-torture-crime, Zugriff 11.1.2023
OMCT - World Organisation Against Torture (3.2021): Criminalising Torture in Pakistan:The Need for an Effective Legal Framework, https://www.omct.org/site-resources/images/Pakistan-report.pdf, Zugriff 13.1.2023
SenPK - Senate of Pakistan [Pakistan] / Gazette of Pakistan (4.11.2022): Act XXVIII of 2022, The Torture and Custodial Death (Prevention and Punishment) Act, https://senate.gov.pk/uploads/documents/1668401068_542.pdf, Zugriff 13.1.2023
SenPK - Senate of Pakistan [Pakistan] (1.11.2022): Acts of Parliament, The Torture and Custodial Death (Prevention and Punishment) Act, 2022, https://senate.gov.pk/en/acts.php?id=-1 catid=186 subcatid=285 cattitle=Acts%20of%20Parliament, Zugriff 13.1.2023
TNI - The News International (6.8.2022): The state and the disappeared, https://www.thenews.com.pk/print/980015-the-state-and-the-disappeared, Zugriff 13.1.2023
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071127.html, Zugriff 15.8.2022
Korruption
Letzte Änderung 2023-04-12 15:42
Krruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen weit verbreitet (AA 8.8.2022). Verschiedene Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter sind mit Vorwürfen unterschiedlichster Korruptionsvergehen konfrontiert. Die unteren Instanzen des Justizsystems sind Berichten zufolge korrupt und dem Druck von höherrangigen Richtern sowie einflussreichen Persönlichkeiten ausgesetzt (USDOS 20.3.2023). Die Polizei ist anfällig für Korruption und Bestechung. Die Annahme von Bestechungsgeldern, um wahre oder falsche Anzeigen aufzunehmen oder um Strafen zu vermeiden, ist weit verbreitet (UKHO 9.2021). Pakistan nimmt auf dem Corruption Perceptions Index von Transparency International für das Jahr 2022 Platz 140 von 180 Ländern ein, in der Bewertungsskala verlor es einen Punkt (TI 31.1.2023a). Der Rang ist allerdings derselbe wie im Jahr 2021 (TI 25.1.2022).
Es gibt relativ progressive Gesetze zu öffentlichen Finanzen und Vergabeprozessen und eine eigene Behörde zur Regulierung von öffentlichen Aufträgen, die viele standardmäßige Maßnahmen zur Transparenz einsetzt. Internationale Einrichtungen hinterfragen jedoch den öffentlichen Vergabeprozess. Mitglieder des Parlaments und ausgewählte Amtsträger müssen ihre Einkommen deklarieren. Es sind zahlreiche formale Schutzmaßnahmen in Kraft, doch die Anwendung der Mechanismen zur Rechenschaft ist selektiv und politisch motiviert. Militär und Justiz haben ihre eigenen Systeme zur Bekämpfung von Korruption, doch das Militär agiert weitgehend undurchsichtig in seinen Belangen (FH 2022).
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Amtsträgern vor, die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen aber nicht effektiv um. Das National Accountability Bureau (NAB) dient als höchste Antikorruptionsbehörde mit dem Auftrag, Korruption durch Sensibilisierung, Prävention und Rechtsdurchsetzung zu beseitigen. Das NAB und andere Ermittlungsbehörden, wie das Federal Board of Revenue, die Nationalbank von Pakistan oder die Federal Investigation Agency führen Untersuchungen zu Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche durch, und auch die Wahlkommission besitzt richterliche Zuständigkeit in Bezug auf Parteienfinanzierung und Steuerabgaben der Abgeordneten. Es herrscht allerdings ein Mangel an Rechenschaftspflicht der Regierung, und Korruption bleibt oft ungestraft. Nur selten kommt es zu Ermittlungen gegen Staatsbedienstete (USDOS 20.3.2023). Nach Angaben des NAB hatte es mit Stand September 2020 3.371 Verfahren eröffnet, 1.124 Schuldsprüche erwirkt und 1.257 Verfahren offen (FH 3.3.2021).
2017 wurde der damalige Premierminister Nawaz Sharif vom Supreme Court des Amtes enthoben, nachdem die "Panama Papers", eine internationale Ermittlung von Journalisten in 200 Ländern, die Verstrickung seiner Familie in das aufgedeckte System an Steuerhinterziehung und Geldwäsche öffentlich machten. Ein Jahr später wurde er aufgrund von Korruption verurteilt (ICIJ 3.4.2021). Statt im Allgemeinen die rechtlichen Weichen für eine Rechenschaftspflicht zu stellen, beschränkte sich das Vorgehen der nachfolgenden Regierung und die Arbeit des NAB allerdings noch stärker als zuvor großteils auf die Opposition (Diplomat 9.10.2021). Der Supreme Court, die Anwaltskammer des Supreme Courts und der pakistanische Anwaltsrat verurteilten in verschiedenen Fällen das Vorgehen des NAB gegen Oppositionspolitiker (HRW 13.1.2021).
Im Oktober 2021 wurden die "Pandora Papers", neuerliche internationale journalistische Ermittlungen, veröffentlicht. Sie deckten ihrerseits nun die Verwicklung mehrerer Minister und Geldgeber der Regierung unter Imran Kahn sowie von Militärgenerälen und deren Familien in mutmaßliche Steuerhinziehung und Geldwäsche auf (ICIJ 3.10.2021). Nach dem Regierungswechsel werden allerdings weiterhin verstärkt Korruptionsfälle gegen Mitglieder der nunmehrigen Opposition geführt, seltener gegen Mitglieder der Regierungskoalition. Es wird dabei sichtbar, dass das NAB manchmal Fälle nach Regierungswechseln fallen lässt. Einige bereits laufende Verfahren gegen derzeitige Regierungsmitglieder, z.B. den Premierminister, wurden jedoch weiter geführt (USDOS 20.3.2023).
In der Vergangenheit gab es außerdem Vorwürfe, wonach Journalisten, die über Korruption berichteten, Online-Diskreditierungskampagnen ausgesetzt waren, sodass politische Parteien oder Staatsinstitutionen im Hintergrund vermutet werden (USDOS 30.3.2021). Im Jahr 2020 wurden auch Vergehen nach den neu eingeführten Cybercrime-Gesetzen gegen Journalisten und Aktivisten registriert, die Korruption öffentlich gemacht hatten (HRCP 2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
Diplomat - The Diplomat (9.10.2021): Pandora Papers Unravel Imran Khan’s ‘Anti-Corruption’ Narrative, https://thediplomat.com/2021/10/pandora-papers-unravel-imran-khans-anti-corruption-narrative/, Zugriff 6.12.2022
FH - Freedom House (2022): Freedom in the World 2022 - Pakistan, https://freedomhouse.org/country/pakistan/freedom-world/2022 , Zugriff 22.1.2023
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2052851.html, Zugriff 26.1.2023
HRCP - Human Rights Commission Pakistan (2021): State of Human Rights in 2020, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/website-version-HRCP-AR-2020-5-8-21_removed.pdf, Zugriff 6.12.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043507.html, Zugriff 2.2.2023
ICIJ - International Consortium of Investigative Journalists (3.10.2021): Prime Minister Imran Khan promised ‘new Pakistan’ but members of his inner circle secretly moved millions offshore, https://www.icij.org/investigations/pandora-papers/pakistan-imran-khan-prime-minister-allies-offshore/, Zugriff 7.2.2023
ICIJ - International Consortium of Investigative Journalists (3.4.2021): Five years later, Panama Papers still having a big impact, https://www.icij.org/investigations/panama-papers/five-years-later-panama-papers-still-having-a-big-impact/, Zugriff 7.2.2023
TI - Transparency International (31.1.2023a): Corruption Perceptions Index 2022, https://www.transparency.org/en/cpi/2022/index/pak, Zugriff 2.2.2023
TI - Transparency International (25.1.2022): Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/cpi/2021/index/pak, Zugriff 21.1.2023
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (9.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/790304/CPIN-Pakistan-Ahmadis-v4.0_Mar_19.pdf, Zugriff 10.12.2022
USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 22.3.2023
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 19.1.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2023-04-12 15:51
Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt schwierig und hat sich im Berichtszeitraum, in den auch ein Regierungswechsel fällt, insgesamt nicht verbessert. Zwar garantieren die pakistanische Verfassung und eine Reihe von Gesetzen fundamentale Bürgerrechte, Menschenrechte und politische Rechte, meist mangelt es jedoch an der Implementierung (AA 8.8.2022).
Der Raum für Zivilgesellschaft und öffentlich-kritische Debatte ist weiter eingeschränkt. Militär und Geheimdienste begrenzen den Aktionsradius von Zivilgesellschaft und Medien. Die öffentliche Thematisierung politisch und religiös sensibler Fragen wird ebenfalls eingeschränkt. Das Militär zwingt Journalisten mit Druck erfolgreich zu Selbstzensur (AA 8.8.2022). Behörden setzen Schikanierungen und gelegentlich auch Verhaftungen gegen Journalisten und andere Vertreter der Zivilgesellschaft ein, die Kritik an Regierung oder deren Maßnahmen üben. Das vage und breit auslegbare Gesetz gegen Volksverhetzung wird oft auch eingesetzt, um politische Widersacher oder Journalisten zu unterdrücken. Es gibt gewalttätige Übergriffe gegen Mitarbeiter von Medien (HRW 12.1.2023).
Politische Parteien können weitgehend frei arbeiten, jedoch üben Militär und Geheimdienste Druck auf unliebsame Parteien aus, in der Regel auf die Opposition. Institutionen und Menschen, die Kritik am Militär und am Nachrichtendienst ISI üben, müssen mit Sanktionen rechnen. Zudem nehmen Militär und Nachrichtendienste immer wieder Einfluss auf die mediale Berichterstattung (AA 8.8.2022). So gingen die Strafverfolgungsbehörden 2021 weiterhin hart gegen Demonstrationen der Bewegung zum Schutz der Paschtunen (Pashtun Tahaffuz Movement, PTM) vor, die sich gegen die Diskriminierung und außergerichtliche Hinrichtung von Paschtunen sowie gegen die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen nach ethnischen Kriterien (Racial Profiling) einsetzt (AI 29.3.2022). Es kommt außerdem immer wieder zu Verhaftungen ihrer Führer und exponierter Personen. Allerdings hat das Interesse an der Organisation stark nachgelassen. Gegenüber vormaligen Regierungsmitgliedern (auch dem vormaligen Premierminister) gab es seitens der jetzigen Regierung Drohungen hinsichtlich möglicher Strafanzeigen, u.a. wegen Hochverrats. Die Opposition bzw. in Ungnade gefallene Politiker bleiben damit von politisch motivierten Korruptionsermittlungen bedroht [siehe Unterkapitel Politisch motivierte Korruptionsermittlungen im Kapitel Korruption] (AA 8.8.2022).
Die pakistanischen Strafverfolgungsbehörden werden für Menschenrechtsverletzungen wie Haft ohne Anklage und außergerichtliche Tötungen verantwortlich gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. EASO 10.2021). Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten, oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. 2021 kamen laut der Menschenrechtsorganisation HRCP landesweit 294 Menschen bei "police encounters" ums Leben. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht (AA 8.8.2022; vgl. HRCP 2022, S.31). Die Polizei geht außerdem mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstranten vor (AI 29.3.2022).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen ist - trotz des Folterverbots in der Verfassung - weit verbreitet. Die Todesstrafe wird vollstreckt. Seit Dezember 2019 fand jedoch keine Hinrichtung statt. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile auf rechtsstaatlich zweifelhaften Verfahren. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weitverbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle. Die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auch auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 8.8.2022).
Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte vor allem in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verbrechen. Sogenannte "Enforced Disappearances" - das Verschwindenlassen von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen - zählen in diesem Zusammenhang zu den eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan - auch weil der Staat (v.a. Militär/ Nachrichtendienste) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird (AA 8.8.2022, vgl. HRCP 2022). Die Regierung unternahm zwar Schritte, um das Verschwindenlassen strafbar zu machen, doch war Straflosigkeit für dieses Verbrechen weiterhin die Regel [siehe auch Kapitel Folter] (AI 29.3.2022).
Die Regierung unternimmt nur wenig, um Strafverfolgungsbehörden bei Folter und anderen schwerwiegenden Übergriffen zur Rechenschaft zu ziehen (HRW 12.1.2023; vgl. USDOS 12.4.2022).
Gewalt und Missbrauch sowie soziale und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen und andere nicht-staatliche Akteure tragen ebenfalls zu Problemen im Menschenrechtsbereich bei (USDOS 12.4.2022). Viele Menschenleben fallen den Anschlägen von islamistischen Militanten zum Opfer. Frauen, religiöse Minderheiten und Transgender waren mit Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung konfrontiert, wobei die Behörden es oft verabsäumen, angemessenen Schutz zu bieten (HRW 12.1.2023). Übergriffe bleiben oft ungestraft, was eine Kultur der Straflosigkeit unter den Tätern - ob staatliche oder nicht-staatliche - fördert (USDOS 12.4.2022).
Staatliche Institutionen zum Schutz von Menschenrechten existieren auf Bundes- und Provinzebene. Diese bleiben jedoch schwach, da sie ohne angemessene Ressourcenausstattung operieren und zudem kein Schutz vor staatlicher Einflussnahme gegeben ist. Seit 2015 hat Pakistan eine nicht bei der GANHRI (Vereinigung nationaler Menschenrechtsinstitutionen) akkreditierte National Commission for Human Rights. Sie hat als eine dem pakistanischen Innenministerium zugeordnete Institution nur begrenzte Kapazitäten und verfügt über kein eigenes Budget. Auch die National Commission on the Status of Women, die Frauenrechte in Pakistan stärken soll, sowie die National Commission on the Rights of the Child bleiben in ihren Arbeitsmöglichkeiten stark beschränkt (AA 8.8.2022). Ein eigenständiges Ministerium für Menschenrechte wurde im Jahr 2015 wieder eingerichtet. Die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte führen Anhörungen zu einer Reihe von Menschenrechtsproblemen durch (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Pakistan 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070227.html , Zugriff 2.9.2022
EASO - European Asylum Support Office (10.2021): Pakistan Security Situation, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2021_10_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 11.12.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2022): State of Human Rights in 2021, https://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/2022-State-of-human-rights-in-2021.pdf, Zugriff 2.9.2022
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085484.html , Zugriff 19.1.2023
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071127.html, Zugriff 14.8.2022
Haftbedingungen
Letzte Änderung 2023-04-12 15:54
Die Verhältnisse in Pakistans Gefängnissen sind schlecht. Nach Einschätzung von UNODC und der NGO HRCP werden die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Pakistans Gefängnisse leiden an Überbelegung. Ein Grund für die Überbelegung liegt in den extrem langen Untersuchungshaftzeiten, die sich aus langen Gerichtsverfahren ergeben. Außerdem stehen oft auch auf kleinere Vergehen Gefängnisstrafen (AA 8.8.2022). Die internationale Datenbank World Prison Brief beziffert mit Stand September 2021 die Zahl der Gefängnisinsassen mit 85.670, die offizielle Kapazität wird mit 64.099 Haftplätzen angegeben (WPB 9.2021; vgl. AA 8.8.2022). Nach Angaben der Gefängnisbehörden der Provinzen befinden sich 87.668 Insassen in landesweit 119 Gefängnissen, während die Gesamtkapazität demnach bei 65.334 liegt. Damit beträgt die Belegungsrate auch offiziell 134 Prozent (HRCP 2022). Die Behörden schätzen selbst, dass 70 Prozent der Häftlinge auf ihr Verfahren oder dessen Ausgang warten (USDOS 12.4.2022; vgl. HRCP 2022).
Die meisten Gefangenen werden in Blöcken mit ca. 50 Menschen pro Schlafsaal untergebracht, soweit sie nicht durch Bestechung des extrem korruptionsanfälligen Wachpersonals ihre Haftbedingungen verbessern können. Die medizinische Versorgung der Strafgefangenen ist unzureichend. Dies gilt auch für die Behandlung psychisch kranker Häftlinge (AA 8.8.2022). In vielen Einrichtungen sind Hygiene, sanitäre Anlagen, Belüftung, Beleuchtung und Zugang zu Trinkwasser unzureichend. Unterernährung bleibt ein Problem, insbesondere für Insassen, die nicht in der Lage sind, ihre Ernährung durch Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. Die unzureichende medizinische Versorgung und Ernährung in den Gefängnissen führt zu chronischen Gesundheitsproblemen. In einigen Gefängnissen sind die Bedingungen aufgrund all der genannten Mängel lebensbedrohlich (USDOS 12.4.2022).
Vertreter der christlichen Minderheit und der Ahmadis berichten, dass Mitglieder ihres Glaubens Gewalt durch Mithäftlinge ausgesetzt sind. Außerdem gibt es Berichte, wonach der Blasphemie Verdächtigte über lange Zeiträume in Einzelhaft gehalten werden. Die Regierung argumentiert, dass dies zu deren eigenem Schutz geschieht (USDOS 12.4.2022).
Jugendliche werden in den Gefängnissen in eigenen Gebäuden untergebracht (USDOS 12.4.2022). Insgesamt sollen sich ca. 1.300 Jugendliche in den Gefängnissen befinden. Nach internationalen Standards hat Pakistan immer noch eine der niedrigsten Altersschwellen für Strafmündigkeit. Dies führt dazu, dass vergleichsweise viele Minderjährige Gefängnisstrafen ableisten. Im Hinblick auf die Haftbedingungen und die oft nicht ausreichende Trennung zwischen erwachsenen und minderjährigen Strafgefangenen in Vollzugsanstalten ist dies besonders problematisch. Der Jugendstrafvollzug erfüllt nicht die sowohl nach pakistanischem Recht (Juvenile Justice System Ordinance 2000) als auch vom Übereinkommen über die Rechte des Kindes vorgegebenen Mindestanforderungen (AA 8.8.2022). Es gibt Berichte über Vergewaltigungen und anderen Formen von Gewalt an Minderjährigen in Gefängnissen (USDOS 12.4.2022).
Es gibt gesonderte Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt. Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen in den Gefängnissen Pakistans dürfte ca. 1.500 betragen. Weibliche Gefangene sind mitunter Belästigungen ausgesetzt (AA 8.8.2022).
Es gibt Ombudspersonen für Gefangene mit einer Zentralstelle in Islamabad und Büros in jeder Provinz. Generalinspektoren für Gefängnisse besuchen in unregelmäßigen Abständen die Haftanstalten, um die Bedingungen zu überwachen und Beschwerden zu bearbeiten. Laut Gesetz müssen die Gefängnisbehörden den Inhaftierten erlauben, sich ohne Zensur bei den Justizbehörden zu beschweren und eine Untersuchung glaubwürdiger Vorwürfe über unmenschliche Bedingungen zu verlangen. Es gibt jedoch Berichte, wonach Gefangene davon absehen, Beschwerden einzureichen, um Vergeltungsmaßnahmen der Gefängnisbehörden zu vermeiden. Internationale Organisationen führen Kontrollbesuche in den Gefängnissen durch, berichten aber auch über Schwierigkeiten beim Zugang zu einigen Gefängnissen, insbesondere solchen mit Häftlingen, die aufgrund sicherheitsrelevanter Vergehen angeklagt sind. Der Zugang zu Gefängnissen in den am stärksten von Gewalt betroffenen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan ist den Organisationen untersagt. Einigen Menschenrechtsorganisationen ist es erlaubt, die Bedingungen von Jugendlichen und weiblichen Häftlingen zu überprüfen (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2022): State of Human Rights in 2021, https://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/2022-State-of-human-rights-in-2021.pdf, Zugriff 2.9.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071127.html, Zugriff 3.8.2022
WPB - World Prison Brief, Institute for Crime Justice Policy Research at Birkbeck, University of London (9.2021): World Prison Brief Data Pakistan, https://www.prisonstudies.org/country/pakistan, Zugriff 1.12.2022
Todesstrafe
Letzte Änderung 2023-04-12 15:55
Die Todesstrafe wird in Pakistan im Prinzip vollstreckt. Ein 2008 eingesetztes Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe wurde im Jahr 2015 als Folge des Terrorangriffs auf die Army Public School in Peshawar, bei dem 2014 ca. 150 Schüler ums Leben gekommen sind, aufgehoben. Nach Schätzungen von pakistanischen Menschenrechtsorganisationen - der Staat veröffentlicht keine offizielle Statistik - wurden seit Aufhebung des Moratoriums über 500 Menschen hingerichtet. Die Zahl der Hinrichtungen war allerdings bereits von 2015 bis 2019 stark rückläufig (AA 8.8.2022). Im Jahr 2020 wurden schließlich zum ersten Mal seit der Wiederaufnahme der Vollstreckung der Todesstrafe keine Hinrichtungen gemeldet (AI 4.2021; vgl. HRCP 2022, AA 8.8.2022). Auch im Jahr 2021 fanden keine Hinrichtungen statt (DFAT 25.1.2022; vgl. AI 5.2022, CCDPW o.D., HRCP 2022, AA 8.8.2022).
Weiterhin werden allerdings Todesurteile ausgesprochen (AA 8.8.2022). Für das Jahr 2021 geht die NGO Human Rights Commission of Pakistan aufgrund von Presseberichten von mindestens 125 Todesurteilen aus. Dies stellt einen weiteren Rückgang gegenüber den mindestens 177 vom Jahr 2020 dar (HRCP 2022). Im Jahr 2019 sind es noch 578 Todesurteile gewesen (HRCP 2021). Amnesty International hingegen geht für das Jahr 2021 von 129 neuen Todesurteilen aus, was demnach einen starken Anstieg gegenüber ihren Daten des Vorjahres (49 Todesurteile) darstellt. Nach Einschätzung von Amnesty International könnte dies mit einer Wiederaufnahme von Gerichtsverfahren zusammenhängen, die im Jahr 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie ins Stocken gerieten (AI 5.2022). Die Gesamtzahl der zum Tode Verurteilten in pakistanischen Gefängnissen lag Ende 2021 bei ca. 3.800-4.200 (AA 8.8.2022; vgl. AI 5.2022).
Die Regierung stellt einen staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt sind, welche mit der Todesstrafe sanktioniert werden können (USDOS 12.4.2022). Diese kann bei 27 verschiedenen Straftatbeständen verhängt werden, darunter Blasphemie, Mord, Spionage, Vergewaltigung und terroristischer Anschlag mit Todesfolge. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen der "most serious crimes" hinaus, den auch Pakistan ratifiziert hat. Außerdem passieren auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, immer wieder schwere Justizirrtümer, und grundlegende Verfahrensrechte der Angeklagten werden schwer missachtet. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund von Geständnissen verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass diese immer wieder auch durch Folter oder Misshandlung in Polizeigewahrsam erzwungen werden. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Supreme Court und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen. Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident nach Kenntnis des Deutschen Auswärtigen Amts jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben (AA 8.8.2022). Zahlreiche Todesstrafen werden allerdings in Berufungsverfahren aufgehoben (DFAT 25.1.2022).
Es besteht die Gefahr, dass Personen, die gemäß völkerrechtlich für Pakistan bindender Verträge zwingend von der Verhängung der Todesstrafe ausgenommen sind, dennoch zum Tode verurteilt und auch hingerichtet werden. Dies gilt etwa für Minderjährige oder Menschen mit geistigen Behinderungen (AA 8.8.2022). Das staatliche Recht verbietet ebenfalls die Anwendung der Todesstrafe für Minderjährige, dennoch verurteilen Gerichte Minderjährige nach dem Anti-Terrorismus-Gesetz zum Tode. Dabei erschwert die unzuverlässige Dokumentation die Bestimmung des Alters möglicher Minderjähriger (USDOS 12.4.2022). Im Februar 2021 wandelte der Supreme Court die Todesstrafe für drei Personen um, bei denen schwere geistige (psychosoziale) Behinderungen diagnostiziert worden waren, und verbot die Anwendung der Todesstrafe bei Personen, die nicht über die geistigen Fähigkeiten verfügen, um die Gründe für das verhängte Todesurteil zu verstehen (AI 5.2022). Das Urteil ist wegweisend, inwieweit es Präzedenzcharakter hat, bleibt abzuwarten (AA 8.8.2022). Bereits kurz danach wurden einige Todesurteile psychisch kranker Häftlinge in lebenslange Haftstrafen umgewandelt (DFAT 25.1.2022).
Das pakistanische Strafgesetzbuch sieht in § 295c selbst bei unbeabsichtigter Beleidigung des Propheten Mohammed die Todesstrafe vor. Diese wurde bislang zwar verhängt, jedoch noch nie für Blasphemie vollstreckt, sondern häufig durch ein höherrangiges Gericht aufgehoben. Nach divergierenden Angaben von Menschenrechtsaktivisten sollen mit Stand Juni 2022 zwischen 30 und 80 aufgrund von Blasphemie zum Tode Verurteilte auf die Vollstreckung ihres Urteils warten (AA 8.8.2022). In den letzten Jahren wurden auch einige Todesurteile aufgrund blasphemischer Inhalte in Nachrichten in den sozialen Medien, wie Facebook und WhatsApp ausgesprochen (The Guardian 19.1.2022).
Eine Abschaffung der Todesstrafe ist aufgrund der überwältigenden Unterstützung für die Todesstrafe in der Bevölkerung auch längerfristig unrealistisch (AA 8.8.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
AI - Amnesty International (5.2022): Amnesty International Global Report, Death Sentences and Executions 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073393/ACT5054182022ENGLISH.pdf, Zugriff 25.10.2022
AI - Amnesty International (4.2021): Amnesty International Global Report, Death Sentences and Executions 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2049793/ACT5037602021ENGLISH.PDF, Zugriff 7.11.2022
CCDPW - Cornell Center on the Death Penalty Worldwide (o.D.): Cornell Database Results Pakistan, https://deathpenaltyworldwide.org/database/#/results/country?id=56, Zugriff 7.2.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067350/country-information-report-pakistan.pdf, Zugriff 7.2.2022
The Guardian (19.1.2022): Woman sentenced to death in Pakistan over ‘blasphemous’ WhatsApp activity, https://www.theguardian.com/world/2022/jan/19/pakistan-woman-aneeqa-ateeq-sentenced-to-death-blasphemous-whatsapp-messages, Zugriff 7.11.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2022): State of Human Rights in 2021, https://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/2022-State-of-human-rights-in-2021.pdf, Zugriff 2.11.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2021): State of Human Rights in 2020, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/website-version-HRCP-AR-2020-5-8-21_removed.pdf, Zugriff 5.12.2021
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071127.html, Zugriff 1.8.2022
Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2023-04-12 13:54
Laut der Volkszählung im Jahr 2017 sind 96 Prozent der ca. 210 Millionen Einwohner Pakistans sunnitische oder schiitische Muslime (USDOS 2.6.2022). Dem Zensus zufolge sind weiters Hindus mit 1,73 Prozent der Bevölkerung die größte religiöse Minderheit, gefolgt von Christen mit 1,27 Prozent. Ahmadis stellen offiziell einen Anteil von 0,09 Prozent (PBS o.D.). Gemäß Verfassung sind Angehörige der Religionsgemeinschaft der Ahmadis keine Muslime, obwohl sie sich selbst als solche sehen. Viele Ahmadis boykottierten die Volkszählung, Vertreter der Glaubensgemeinschaft schätzen ihre Anzahl auf 500.000 - 600.000. Vertreter einiger Minderheitenreligionen vermuten, dass ihre jeweilige Anhängerzahl im Zensus unterrepräsentiert ist, da die Festlegung der Anzahl der Minderheitensitze sich an den Bevölkerungszahlen orientiert (USDOS 2.6.2022; vgl. ACCORD 3.2021). Schließlich entfallen 0,3 Prozent auf weitere religiöse Gruppen, wie Zoroastrier, Bahai, Sikhs, Buddhisten, Kalasha, Kihal und Jainisten (USDOS 2.6.2022).
Laut Vertretern religiöser Minderheiten erlaubt die Regierung den meisten organisierten religiösen Gruppen, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Ahmadis jedoch verweigern die lokalen Behörden regelmäßig die notwendigen Baubewilligungen für Gebetshäuser. Offizielle Restriktionen diesbezüglich gibt es nicht, abgesehen davon, dass sie ihre Gebetshäuser nicht Moscheen nennen dürfen (USDOS 2.6.2022).
Die pakistanische Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion und hält fest, dass alle Gesetze in Einklang mit den Prinzipien des Islams zu bringen sind und keine Gesetze verabschiedet werden dürfen, die diesen zuwiderlaufen. Die Verfassung hält allerdings fest, dass diese Vorgaben nicht das Personenstandsrecht sowie die Staatsbürgerschaft von Nicht-Muslimen beeinträchtigen dürfen. Zur Prüfung von Gesetzen und Urteilen in Bezug auf ihre Konformität mit islamischen Prinzipien ist in der Verfassung das Federal Shariat Court und für Empfehlungen an den Gesetzgeber der Council of Islamic Ideology vorgesehen. Per Verfassung sind in der Nationalversammlung, im Senat und den Provinzversammlungen Sitze für nicht-muslimische Abgeordnete reserviert (USDOS 2.6.2022). Außerdem wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 8.8.2022). Das für religiöse Minderheiten zuständige Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interreligiöse Harmonie konzentriert sich hauptsächlich auf muslimische Angelegenheiten und bietet keinen effektiven Schutz für die Minderheitenrechte, unterstützt aber auch religiöse Minderheiten und deren Einrichtungen finanziell (UKHO 2.2021).
Die Regierung hat im Mai 2020 die Schaffung einer National Commission for Minorities beschlossen. Die Kommission umfasst Mitglieder einiger Minderheiten, u.a. Hindus, Christen und Sikhs. Sie ist allerdings nicht unabhängig und hält weder besondere Kompetenzen und Entscheidungsgewalten inne, noch - da sie per Dekret ohne Parlamentsbeteiligung konstituiert wurde - die vom Supreme Court geforderte gesetzliche Grundlage (AA 8.8.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Zivilgesellschaftliche Gruppen und Aktivisten für Religionsfreiheit bemängeln die begrenzten Kompetenzen sowie den Ausschluss der Ahmadis aus der Kommission. Letztere müssten - ihrer eigenen Auffassung nach - zuerst ihren Status als Nicht-Muslime anerkennen, um teilhaben zu können. Die Kommission ist im Ministerium für Religiöse Angelegenheiten verortet (USDOS 2.6.2022).
Grundsätzlich garantiert die Verfassung jedem Bürger das Recht, sich zu seiner Religion zu bekennen, sie auszuüben und diese zu propagieren (USDOS 2.6.2022). Die gesellschaftliche Realität sieht anders aus (AA 8.8.2022). Mitglieder von religiösen Minderheiten werden regelmäßig Opfer religiös motivierter Übergriffe, die vor allem von sunnitisch-extremistischen Gruppierungen verübt oder veranlasst werden (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 2.6.2022). So sind religiöse Minderheiten eines der erklärten Hauptziele von Anschlägen islamistischer militanter Gruppen (HRW 13.1.2022). Aktivisten der schiitischen Gemeinschaft berichten außerdem von gezielten Tötungen an Personen schiitischen Glaubens sowie Fällen von Verschwindenlassen (USDOS 12.4.2022). Für das Jahr 2021 verzeichnete das Sicherheitsanalyseinstitut PIPS zwei terroristische Anschläge auf die schiitische Religionsgemeinde mit insgesamt 13 Toten und einen gezielten Anschlag auf die Sikh-Gemeinde mit einem Toten (PIPS 4.1.2022). USCIRF wertet zusätzlich für 2021 die gezielte Tötung zweier Ahmadis sowie die Tötung eines Hindu-Journalisten als religiös motivierte Morde (USCIRF 4.2022). Im Jahr 2022 forderte im März ein Großanschlag auf eine schiitische Moschee in Peshawar durch den IS mindestens 56 Menschenleben (AP 5.3.2022). Der IS bekannte sich ebenfalls zu einer gezielten Tötung im Mai 2022, der zwei Sikhs zum Opfer fielen (NDTV 15.5.2022). Im Jänner 2022 wurde ein christlicher Priester Opfer einer gezielten Tötung durch unbekannte Täter (USCIRF 8.2022).
Radikal-islamistische Gruppierungen stellen nicht die einzige Gefahr für religiöse Minderheiten dar. Diese sehen sich zusätzlich einer existenziellen Bedrohung durch Anschuldigungen wegen Verstoßes gegen Religionsstraftaten, wie "Prophetenbeleidigung" oder Gotteslästerung bzw. Blasphemie ausgesetzt, die auffallend häufig gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorgebracht werden (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 2.6.2022). Militante Gruppen und die islamistische politische Partei Tehreek-e-Labbaik (TLP) beschuldigen z.B. Ahmadis, sich "als Muslime auszugeben" - ein Straftatbestand nach dem pakistanischen Strafgesetzbuch (HRW 13.1.2022). Das Strafgesetzbuch sieht bei Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. Diese wurde für Blasphemie bislang jedoch noch nie vollstreckt und häufig durch ein höherrangiges Gericht aufgehoben (AA 8.8.2022).
Die zumeist haltlosen Anschuldigungen haben allerdings nicht nur strafrechtliche Verfolgung und teilweise jahrelange schuldlose Inhaftierung zur Konsequenz, sondern werden auch zum Anlass genommen, Menschenmengen gegen die Beschuldigten oder deren religiöse Gemeinschaft zu mobilisieren (BAMF 5.2020; vgl. AA 8.8.2022, USDOS 2.6.2022). Ein gewöhnlicher Disput kann für Mitglieder der Minderheitenreligionen das Risiko einer Anschuldigung der Blasphemie bergen, die zu Strafverfolgung und Mobgewalt führen kann (FH 2022). Religiöse Minderheiten, wie Christen, Hindus und Ahmadis sind somit mit gelegentlichen Ausbrüchen von Mobgewalt konfrontiert (USDOS 12.4.2022).
Die Blasphemiegesetze und ihr Missbrauch durch religiöse Fanatiker beschränken auch die Meinungsfreiheit von Muslimen (FH 24.2.2022). Fälle von Mob-Gewalt nach Blasphemievorwürfen betreffen auch Muslime (Al Jazeera 13.2.2022; vgl. PIPS 4.1.2022). Ebenso akzeptiert die Gesellschaft Abfall (Apostasie) vom Islam in keiner Weise, obwohl das Gesetz selbst nicht die Freiheit einschränkt, seine Religion zu wechseln. Personen, die sich vom Islam abwenden, vertreten dies in aller Regel nicht öffentlich (AA 8.8.2022). Eine Konversion vom Islam kann in einer Strafverfolgung unter den Blasphemiegesetzen oder in familiärer oder gesellschaftlicher Gewalt münden (DFAT 25.1.2022). Gesellschaftliche Gewalt aufgrund religiöser Intoleranz bleibt damit ein ernstes Problem (USDOS 12.4.2022; vgl. HRCP 2021, AI 7.4.2021). Für das Jahr 2021 verzeichnete PIPS sieben Vorfälle religiös-motivierter Mobgewalt in Pakistan. Diese forderten zwei Tote, darunter ein Ahmadi. Vier Vorfälle betrafen Mobgewalt nach Blasphemievorwürfen. Bei zwei Gewaltakten wurden Hindu-Tempel beschädigt (PIPS 4.1.2022).
In Hinblick auf die gesellschaftliche Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichten NGOs, dass Behörden oft darin versagen, bei derartigen Vorfällen einzugreifen - aus Angst vor Vergeltung oder aufgrund eines mangelnden Personalstandes. Für Täter gibt es häufig aufgrund einer mangelhaften Strafverfolgung, Bestechung oder Drucks auf die Opfer keine rechtlichen Konsequenzen. Die Regierung setzt jedoch einige Schritte, um religiöse Minderheiten zu schützen. Verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft und Vertreter der Religionsgemeinden berichten, dass die Regierung die Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten verstärkt hat. Zu bestimmten Zeitpunkten, unter anderem während religiöser Feiertage oder als Antwort auf Bedrohungslagen erhöht die Polizei außerdem die Sicherheitsmaßnahmen in Abstimmung mit den Religionsführern. Im Juli 2021 richtete eine Justizkommission für Minderheitenfragen eine landesweite Spezialeinheit der Polizei zum Schutz der Minderheiten und ihrer Religionsstätten ein. Auch Provinzregierungen ergreifen spezifische Schutzmaßnahmen, wie die Einsetzung einer Spezialeinheit zum Schutz der Minderheiten in jeder Provinz. Die Regierung setzt ihren Nationalen Aktionsplan gegen Terrorismus, der auch konfessionell motivierten Extremismus und Hassreden berücksichtigt, fort. Außerdem werden Militär- und Strafverfolgungsoperationen zur Bekämpfung des Terrorismus durchgeführt (USDOS 2.6.2022).
Im sozialen und staatlichen Bereich sehen sich Minderheiten mit Diskriminierungen in unterschiedlichen Ausmaßen konfrontiert, wobei Ahmadis am stärksten betroffen sind (USDOS 2.6.2022). Die Benachteiligung religiöser Minderheiten im Bildungswesen, in der Wirtschaft und im Berufsleben bleibt weit verbreitet. Geschätzte 80 Prozent der pakistanischen Minderheitenbevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze (AA 8.8.2022).
Gemäß Verfassung dürfen Personen bei der Anstellung im öffentlichen Dienst nicht aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden. Im öffentlichen Dienst gilt außerdem eine Minimumquote von 5 Prozent für Minderheiten. Laut dem Supreme Court und Vertretern der Minderheiten wird diese Quote oft nicht erreicht (USDOS 2.6.2022). Nach Regierungsangaben liegt die tatsächlich erreichte Quote bei 2,8 Prozent (UKHO 2.2021). Die meisten religiösen Minderheiten berichten von Diskriminierungen bei Anstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst sowie bei der Aufnahme an Hochschulen. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hürden für einen Aufstieg und es gibt einige wenige christliche Generäle, Ahmadis steigen nur selten in einen höheren Dienstgrad als Oberst auf und werden nicht mit höheren Positionen betraut (USDOS 2.6.2022). Minderheiten sind besonders in den Streitkräften, der Polizei und der Judikative stark unterrepräsentiert (AA 8.8.2022).
Außerdem gibt es Fälle von Entführungen mit Zwangsverheiratungen und Zwangskonversionen zum Islam sowie Vergewaltigungen von christlichen und hinduistischen Mädchen und Frauen (USCIRF 4.2022; vgl. USDOS 2.6.2022, FH 24.2.2022, HRCP 2022). Die Zahl an Entführungen soll in die Hunderte gehen und besonders Minderheiten betreffen, da sie aufgrund ihrer marginalen ökonomischen Lage ungeschützter sind und ihre Konversion zum Islam als religiös wünschenswert gesehen wird (DFAT 25.1.2022).
Vertreter der Minderheiten berichten, dass die Regierung bei der Anwendung der Gesetze zur Sicherstellung der Minderheitenrechte sowie der Durchsetzung der Schutzregelungen für Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent ist. Folglich ist auch der Schutz vor gesellschaftlicher Diskriminierung inkonsequent. Der volle rechtliche Rahmen für den Minderheitenschutz ist unklar. Während das Ministerium für Recht und Justiz offiziell für die Gewährleistung der gesetzlichen Rechte aller Bürger verantwortlich ist, übernimmt das Ministerium für Menschenrechte in der Praxis weiterhin die Hauptverantwortung für den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten. Die National Commission on Human Rights (NCHR) ist mit der Untersuchung von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen beauftragt, sie hat aber wenig Macht zur Durchsetzung ihrer Forderungen und Empfehlungen (USDOS 2.6.2022). Die Ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Minderheiten und für Menschenrechte halten Anhörungen ab (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin Asylum Research and Documentation (3.2021): Pakistan: Religious Minorities, https://www.ecoi.net/en/file/local/2047750/ACCORD-Pakistan-Religious-Minorities-March-2021.pdf, Zugriff 1.12.2022
AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601.html, 10.2.2022
Al Jazeera (13.2.2022): Pakistan mob lynches man over blasphemy allegation: Police, https://www.aljazeera.com/news/2022/2/13/man-lynched-by-mob-over-blasphemy-allegation-in-pakistan-police, Zugriff 6.3.2022
AP - Associated Press News (5.3.2022): IS claims Pakistan bombing that kills 56 at Shiite mosque, https://apnews.com/article/religion-pakistan-peshawar-109011e6b4ae01ec3e759c549e9e8327, Zugriff 6.11.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2020/laenderreport-24-pakistan.pdf?__blob=publicationFile v=3, Zugriff 10.11.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067350/country-information-report-pakistan.pdf, Zugriff 1.12.2022
FH - Freedom House (2022): Freedom in the World 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071945.html, Zugriff 18.8.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2022): State of Human Rights in 2021, https://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/2022-State-of-human-rights-in-2021.pdf, Zugriff 2.9.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2021): State of Human Rights in 2020, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/website-version-HRCP-AR-2020-5-8-21_removed.pdf, Zugriff 26.1.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066474.html, Zugriff 19.1.2022
NDTV - New Delhi Television (15.5.2022): Two Members Of Sikh Community Shot Dead By Terrorists In Pakistan, https://www.ndtv.com/world-news/two-members-of-the-sikh-community-shot-dead-in-pakistan-2977544, Zugriff 1.12.2022
PBS - Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (o.D.): Population and Housing Census 2017 Report, https://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/population/census_reports/ncr_pakistan.pdf, Zugriff 16.11.2022
PIPS - Pak Institute of Peace Studies (4.1.2022): Pakistan Security Report 2021, http://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2022/01/Sr2021FinalWithTitles.pdf, Zugriff 20.1.2022
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (2.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Christians and Christian converts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2046017/Country_information_and_guidance_Christian_and_Christian_converts__Pakistan__February_2021.pdf, Zugriff 12.2.2022
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (8.2022): Country Update: Pakistan; Religious Freedom in Pakistan in 2022, Brief report on religious freedom (covering first half of 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077153/2022+Pakistan+Country+Update.pdf, Zugriff 24.11.2022
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2022): 2022 Annual report on religious freedom (covering 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2071907/2022+Pakistan.pdf, Zugriff 24.11.2022
USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2073961.html, Zugriff 20.7.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071127.html, Zugriff 22.7.2022
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung 2023-04-12 14:44
Pakistan ist eine pluralistische Gesellschaft mit einer Vielzahl an religiösen und ethno-linguistischen Identitäten. Die pakistanischen Minderheiten lassen sich im Wesentlichen in die Kategorien "ethnisch und sprachlich" sowie "religiös" einteilen. Der Begriff "Minderheit" wird in der Verfassung der Islamischen Republik Pakistan von 1973 an mehreren Stellen verwendet, es gibt jedoch keine Definition dieses Begriffs. Aufeinanderfolgende Bundesregierungen haben die Position vertreten, dass Minderheiten innerhalb Pakistans notwendigerweise religiös sind, und dass es keine ethnischen oder sprachlichen Minderheiten oder indigene Völker gibt (MRGI 6.2019).
Laut dem letzten Zensus von 2017 sprechen 38,8 Prozent der Bevölkerung Punjabi, 18,2 Prozent Paschtu, 14,6 Prozent Sindhi, 12,2 Prozent Saraiki, 7,1 Prozent Urdu, 3 Prozent Belutschisch, 2,44 Prozent Hindko, 1,2 Prozent Brahvi, 0,2 Prozent Kashmiri und auf weitere, kleinere Sprachen entfallen 2,26 Prozent (PBS o.D.).
Durch das Ein-Mandats-Wahlkreis-System bei nationalen Wahlen ist sichergestellt, dass die wichtigsten ethno-linguistischen Gruppen jeder Provinz auch in der Nationalversammlung vertreten sind und an Regierung, Opposition und Parteipolitik teilhaben können (FH 2022).
Quellen:
MRGI - Minority Rights Group International (6.2019): Pakistan, https://minorityrights.org/country/pakistan/, Zugriff 22.11.2022
FH - Freedom House (2022): Freedom in the World 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071945.html, Zugriff 18.8.2022
PBS - Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (o.D.): Population and Housing Census 2017 Report, https://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/population/census_reports/ncr_pakistan.pdf, Zugriff 16.11.2022
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 2023-04-12 15:57
Per Gesetz sind die Bewegungsfreiheit im Land sowie ungehinderte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung gewährleistet. Diese Rechte werden allerdings eingeschränkt (USDOS 12.4.2022). Die Behörden beschränken aus Sicherheitsbedenken regelmäßig interne Bewegungen bzw. Reisen in einigen Teilen des Landes (FH 2022). So ist der Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistans - aufgrund von Sicherheitsbedenken - eingeschränkt. Für Reisen in Gebiete, die als sensibel eingestuft werden, ist ein beglaubigtes "No-Objection-Certificate" notwendig (USDOS 12.4.2022). Innerhalb sensibler Gebiete ist die Bewegungsfreiheit auch durch Checkpoints eingeschränkt (HRCP 2022). In den Wochen vor und während der Gedenkfeierlichkeiten zum schiitischen Trauermonat Muharram werden außerdem die Bewegungs- und Reisefreiheit sowie die Aktivitäten von gelisteten Klerikern unterschiedlicher Sekten eingeschränkt, denen Aufwiegelung von konfessionell motivierten Spannungen vorgeworfen wird. Es wird angegeben, damit Gewalt vermeiden zu wollen (USDOS 2.6.2022).
Das Hauptinstrument zur Einschränkung von Auslandsreisen ist die Exit Control List (ECL), die namentlich genannte Personen von der Nutzung der offiziellen Ausreisepunkte des Landes ausschließt (FH 2022). Personen auf der ECL ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 12.4.2022; vgl. DFAT 25.1.2022). Regelmäßig wird die ECL allerdings als Mittel zur Kontrolle Andersdenkender eingesetzt (FH 2022). Laut Zivilgesellschaft befinden sich auch Menschenrechtsverteidiger und Kritiker der Regierung und des Militärs auf der Liste. Es ist möglich, vor Gericht Einspruch zu erheben und seinen Namen streichen zu lassen (USDOS 12.4.2022). Für Personen, die auf der Liste stehen, ist es schwierig, aber nicht unmöglich, z.B. über illegale Wege das Land zu verlassen (DFAT 25.1.2022).
Regierungsangestellte und Studenten müssen laut Richtlinien vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten tatsächlich verlangt (USDOS 12.4.2022).
Ausweichmöglichkeiten
Interne Migration ist weit verbreitet und üblich. Große Städte, wie Karatschi, Islamabad und Lahore haben eine ethnisch und religiös diverse Bevölkerung und bieten für jene Menschen eine gewisse Anonymität, die vor Gewalt durch nicht-staatliche Akteure fliehen (DFAT 25.1.2022; vgl. AA 8.8.2022). Es gibt zahlreiche große Städte mit einer Bevölkerungsgröße von 1 bis 16 Millionen. Karatschi ist die zwölftgrößte Stadt der Welt und ethnisch besonders divers (UKHO 6.2020).
Schiiten sind über das ganze Land verteilt, und es gibt große schiitische Gemeinschaften in den großen Städten (UKHO 7.2021). Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan, die meisten in Quetta (AA 8.8.2022). Einige weitere Gemeinschaften finden sich insbesondere in den großen Städten, wie Karatschi. Diese können in der Einschätzung des britischen Innenministeriums je nach individuellen Umständen eine Ausweichmöglichkeit ergeben (UKHO 7.2022). Die Minderheit ist allerdings aufgrund ihrer zentralasiatischen Abstammung leicht zu identifizieren. Nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amtes sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, erscheinen aber im Falle der Hazara aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 8.8.2022).
Ahmadis bietet ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen und administrativen Zentrum, nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amtes einen erheblichen Schutz vor Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie für ihre Gegner sichtbar sind (AA 8.8.2022). Rabwah erlaubt damit einen größeren Grad an Freiheit, doch durch die große Anzahl an Ahmadis ist sie auch ein Ziel für ihre Gegner (UKHO 9.2021). Für Ahmadis besteht ebenso die Möglichkeit, in den Schutz größerer Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Menschen handelt, die überregional bekannt geworden sind. Dies sehen auch Vertreter unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als grundsätzliche Ausweichmöglichkeit (AA 8.8.2022). Die staatlichen Gesetze betreffend der Ahmadiyya-Glaubensauslegung allerdings gelten in ganz Pakistan und damit auch in Rabwah (UKHO 9.2021).
Verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit haben generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile - abgesehen von Fällen, die überregional bekannt geworden sind (AA 8.8.2022).
Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen oft das Aufgeben der bisherigen wirtschaftlichen Basis mit sich bringt (AA 8.8.2022). Die Möglichkeit, in einer neuen Umgebung Fuß zu fassen, hängt von finanziellen Mitteln sowie familiären, tribalen und/oder ethnischen Netzwerken ab. Für alleinstehende Frauen ist es schwierig, umzusiedeln (DFAT 25.1.2022).
Alle größeren Städte sind mit Autobahnen verbunden. Die Hauptbahnroute verläuft mehr als 1.600 Kilometer quer durchs Land von Karatschi nach Peschawar, via Lahore und Rawalpindi. Eine weitere Hauptbahnlinie verläuft nordwestlich von Sukkur nach Quetta. Die Hauptflughäfen sind Karatschi, Lahore, Rawalpindi, Quetta und Peschawar (EB 6.1.2023; vgl. UKHO 6.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067350/country-information-report-pakistan.pdf, Zugriff 7.2.2022
EB - Encyclopedia Britannica (6.1.2023): Pakistan, Economy, https://www.britannica.com/place/Pakistan/Labour-and-taxation, Zugriff 12.1.2023
FH - Freedom House (2022): Freedom in the World 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071945.html, Zugriff 11.1.2023
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2022): State of Human Rights in 2021, https://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/2022-State-of-human-rights-in-2021.pdf, Zugriff 2.9.2022
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (7.2022): Country Policy and Information Note Pakistan: Hazaras, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076103/Country_policy_and_information_note_Hazaras__Pakistan__July_2022.pdf, Zugriff 11.1.2023
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (9.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis https://www.ecoi.net/en/file/local/2059923/PAK_CPIN_Ahmadis.pdf, Zugriff 2.1.2023
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (7.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Shia Muslims, https://www.ecoi.net/en/file/local/2055925/Pakistan-Shia_Muslims-CPIN-v3.0_July_2021_.pdf, Zugriff 3.1.2023
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Background information, including internal relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032936/Pakistan-Background_and_IFA-CPIN-v1.0_June_2020_.pdf, Zugriff 2.1.2023
USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2073961.html, Zugriff 3.8.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071127.html, Zugriff 3.8.2022
Registrierungswesen
Letzte Änderung 2023-04-12 15:58
Ein dem deutschen vergleichbares Meldewesen existiert nicht, und es ist kein zentrales Personenstandsregister vorhanden. Es gibt keine zentralen Informations- oder Fahndungsregister, nur regionale in den jeweiligen Provinzen sowie Bundesbehörden - und auch diese werden unvollständig bestückt. Haftbefehle werden nur eingetragen, wenn ausdrücklich erbeten, was oftmals nicht geschieht. Es gibt ein Datensystem der Bundespolizei FIA, worin ebenfalls Personen aufgenommen werden können, die bei der Ausreise überprüft oder festgenommen werden sollen (AA 8.8.2022).
Identitätskarten (NIC) sind verpflichtend vorzuweisen, um Dokumente (z.B. Führerschein, Reisepass) zu erhalten, ein Bankkonto zu eröffnen, sich als Wähler registrieren zu lassen, Wohnungen zu kaufen oder einer legalen Anstellung nachzugehen. Identitätskarten werden allen Bürgern ab dem 18. Lebensjahr auf Antrag ausgestellt. Die für die Ausstellung zuständige Behörde ist die National Database and Registration Authority (NADRA). Beim Registrierungsprozess werden auch Daten wie die Religionszugehörigkeit sowie die permanente und temporäre Adresse erhoben. Die Computerised National Identity Cards (CNIC) sollen allmählich durch die Smart National Identity Card (SNIC) ersetzt werden. Derzeit sind beide gültig (DFAT 25.1.2022). 95 Prozent aller erwachsenen Pakistani sind laut Angaben der NADRA mit den Identitätskarten registriert (BRG 11.2.2022). 2022 berichteten Medien allerdings, dass in mehreren Tausend Fällen ausländische Staatsbürger - überwiegend Afghanen - durch Betrug eine CNIC erlangen konnten (BRG 14.10.2022; vgl. Samaa TV 11.10.2022, Dawn 20.12.2022).
Für im Ausland lebende pakistanische Staatsbürger ist es möglich, bei der NADRA online eine "National Identity Card for Overseas Pakistanis" zu beantragen (DFAT 25.1.2022; vgl. NADRA o.D.a).
Unter-18-Jährige können eine Juvenile Card beantragen (NADRA o.D.b). Geburten können bei der NADRA oder den dafür zuständigen lokalen Behörden der Provinzregierungen, meist sind dies Union Councils in Kooperation mit der NADRA, registriert und dementsprechend Geburtsurkunden ausgestellt werden (CSC 1.2021). Spitäler stellen automatisch Geburtsurkunden für die bei ihnen geborenen Kinder aus. Außerhalb der Spitäler gibt es keinen automatischen Geburtenregistrierungsprozess, und es gibt keine zentrale Datenbank. UNICEF schätzte 2019, dass 60 Millionen Kinder in Pakistan nicht registriert sind (DFAT 25.1.2022). Der Demographic and Health Survey 2017-18 ergab, dass 57,8 Prozent aller Unter-5-Jährigen nicht registriert sind (UniB 16.7.2021).
Die Proof of Registration Card (PoR), der Identitätsnachweis der circa 1,4 Millionen durch Pakistan registrierten afghanischen Flüchtlinge, wird ebenfalls durch die NADRA ausgestellt. Über-5-Jährige erhalten eine eigene Karte, Unter-5-Jährige werden bei den Eltern vermerkt. Im Rahmen des DRIVE-Programms führt die NADRA mit Unterstützung des UNHCR eine aktualisierte Registrierung durch und stellt dabei allen PoR-Karten Besitzern neue, biometrische Smartcards aus (TRAFIG 31.8.2021; vgl. UNHCR 14.1.2022a).
Die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad haben ein System für die Registrierung von Mietern, Hotelgästen bzw. temporären Bewohnern. Die Mieterregistrierung ist verpflichtend und findet auf der lokalen Polizeistation statt (IRB 23.1.2018; vgl. UKHO 6.2020, PKM o.D.). Zweck dieser "Information of Temporary Residents Acts" ist es, die Möglichkeiten für Terroristen, Wohnungen, Hotelzimmer und Unterkünfte zu mieten, zu vermindern. Bei Mietverträgen ist es die Pflicht des Mieters oder Vermieters, der Polizei zusammen mit dem Mietvertrag vollständige Angaben über den Mieter zu machen. Hotels und Hostels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten. Nach Razzien wurden wegen einer Nicht-Einhaltung dieser Vorschriften mitunter Strafen verhängt. Insgesamt wird das Mietermeldesystem allerdings nicht breit umgesetzt, und nur wenige Personen registrieren ihre Mietübereinkünfte bei den Behörden (IRB 23.1.2018). Die Einführung der verpflichtenden Meldung bei der Polizei und die Androhung hoher Strafen hat allerdings z.B. dazu geführt, dass Immobilienbesitzer im Punjab und in Islamabad zögerlich wurden, an Afghanen zu vermieten. Verstärkt wurde dies, nachdem durch den Nationalen Aktionsplan gegen Terrorismus Untersuchungen gegen die pakistanischen Hausbesitzer durchgeführt wurden (TRAFIG 31.8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
BRG - Biometrics Research Group, Inc. / BiometricUpdate.com (14.10.2022): NADRA cracks down on suspect IDs, collects biometrics from relatives https://www.biometricupdate.com/202210/nadra-cracks-down-on-suspect-ids-collects-biometrics-from-relatives, Zugriff 11.1.2023
BRG - Biometrics Research Group, Inc. / BiometricUpdate.com (11.2.2022): NADRA goes all out for handling complaints, https://www.biometricupdate.com/202202/nadra-goes-all-out-for-handling-complaints, Zugriff 22.2.2022
CSC - Consortium for Street Children (1.2021): Pakistan - Legal Identity, https://www.streetchildren.org/legal-atlas/map/pakistan/legal-identity/can-a-child-obtain-retroactive-or-replacement-birth-registration-documents/, Zugriff 11.1.2023
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067350/country-information-report-pakistan.pdf, Zugriff 22.2.2022
Dawn (20.12.2022): CNICs and security, https://www.dawn.com/news/1727332, Zugriff 11.1.2023
IRB - Immigration and Refugee Board [Kanada] (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration systems, including implementation; whether authorities share information on tenant registration (2015-December 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html, Zugriff 22.2.2022
NADRA - National Database and Registration Authority [Pakistan] (o.D.a): National Identity Card for Overseas Pakistanis (NICOP), https://www.nadra.gov.pk/identity/identity-nicop/, Zugriff 11.1.2023
NADRA - National Database and Registration Authority [Pakistan] (o.D.b): Juvenile Card (JV), https://www.nadra.gov.pk/identity/identity-jvc/, Zugriff 11.1.2023
Punjab Police Khidmat Markaz [Pakistan] (o.D.): Our Services - Tenants Registration, https://pkm.punjab.gov.pk/public/app/our_services?id=i, Zugriff 11.1.2023
Samaa TV (11.10.2022): NADRA launches probe after 8,000 foreigners found holding fake Pakistani nationality, https://www.samaaenglish.tv/news/40019063, Zugriff 11.1.2023
TRAFIG - Transnational Figurations of Displacement (31.8.2021): Figurations of Displacement in and beyond Pakistan: Empirical findings and reflections on protracted displacement and translocal connections of Afghans, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/TRAFIG%20Working%20Paper%20No%207%20-%20Pakistan.pdf, Zugriff 11.1.2023
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Background information, including internal relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032936/Pakistan-Background_and_IFA-CPIN-v1.0_June_2020_.pdf, Zugriff 11.1.2023
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (14.1.2022a): Pakistan - Country Factsheet (January 2022), https://data2.unhcr.org/en/documents/details/90451, Zugriff 24.2.2022
UniB - University of Birmingham / Idris Iffat (16.7.2021): Increasing birth registration for children of marginalised groups in Pakistan, https://opendocs.ids.ac.uk/opendocs/bitstream/handle/20.500.12413/16747/988_Increasing_birth_registration_for_children_from_marginalised_groups_in_Pakistan.pdf?sequence=1 isAllowed=y, Zugriff 11.1.2023
Grundversorgung
Wirtschaft und Arbeitsmarkt
Letzte Änderung 2024-02-01 07:48
Allgemeine Wirtschaftsleistung
Pakistan weist eine gemischte Wirtschaft auf, in der Firmen in staatlichem Eigentum für einen großen Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich sind. Früher überwiegend landwirtschaftlich geprägt, hat sich die Wirtschaft deutlich diversifiziert. Der Handels- und Dienstleistungssektor ist stark gewachsen und trägt heute den größten Anteil an der Wirtschaftsleistung. Die Landwirtschaft trägt noch zu einem Fünftel zum BIP bei (EB 30.11.2023). Sie bleibt aber die größte Deviseneinnahmequelle (PBS o.D.). Handwerk und Produktion machen ein Sechstel des BIP aus. Der Anteil der Finanzdienstleistungen am BIP ist relativ gering, doch signifikant steigend. Eine wichtige Einnahmequelle sind die Rücküberweisungen von Auslandspakistanis (EB 30.11.2023). Sie machen einen Hauptteil der Deviseneinnahmen des Landes aus (MoF PAKI 4.6.2023a).
Die Wirtschaftsleistung schneidet im Vergleich mit vielen anderen Entwicklungsländern gut ab, und Pakistan kann die letzten Jahrzehnte eine solide Wachstumsrate vorweisen. Gleichzeitig ist die Bevölkerung stark angewachsen, sodass die Wirtschaftsleistung pro Kopf trotz des realen Wirtschaftswachstums nur langsam gestiegen ist (EB 30.11.2023). Außerdem weist Pakistan einen sehr großen informellen Wirtschaftssektor auf, dessen Wirtschaftsgröße geschätzt nochmals halb so groß ist wie das offizielle BIP. Diese Größe stellt eine Herausforderung für die Planbarkeit von Maßnahmen und für die Steuereinnahmen dar (BS 25.2.2022).
Die enormen Kosten für Wiederaufbau und Hilfsleistungen in Folge der Flutkatastrophe vom Sommer 2022 fügen eine neue Belastung für den Staatshaushalt hinzu. Die Weltbank schätzt, dass zur Bewältigung der Schäden und Verluste mindestens 16 Milliarden US-Dollar benötigt werden (CNN 2.2.2023). Bei einer UN-Konferenz wurden von internationalen Gebern mehr als neun Milliarden US-Dollar zur Unterstützung der Bewältigung der Schäden zugesagt (Tagesschau 9.1.2023). Davon sind allerdings knapp 90 Prozent Kredite. Mit Stand Herbst 2023 war auch davon erst wenig ausbezahlt. Viele Geberstaaten bezweifeln, dass die finanzielle Unterstützung tatsächlich bei jenen ankommt, die sie benötigen, bzw. zum Schutz vor zukünftigen Katastrophen eingesetzt wird (WOZ 31.8.2023).
Der kräftige Aufschwung nach der Pandemie kam 2023 zum Stillstand. Die Wirtschaft ist im Fiskaljahr 2023 geschrumpft, nachdem sie zwei Jahre in Folge ein starkes Wachstum verzeichnet hatte. So ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 insgesamt voraussichtlich um 0,6 Prozent gesunken, nachdem es im Vorjahr um 6,1 Prozent gewachsen war. Dies steht unter anderem im Zusammenhang mit dem längeren Beibehalten der akkommodierenden Geldpolitik [Anmerkung: Erhöhung der Geldmengen, niedrige Zinssätze], dem Anstieg der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt, der Überschwemmungskatastrophe 2022, den innenpolitischen Querelen sowie den damit verbundenen starken Vertrauensverlust und Abstufungen der Kreditwürdigkeit(WB 4.10.2023).
Im Mai 2023 erreichte die Inflation eine noch nie da gewesene Höhe von 37,97 Prozent (TE 1.12.2023). Die Verringerung der Einkommen dürfte Millionen von Arbeitnehmern betreffen, insbesondere diejenigen, die in informelle Arbeitsplätze mit geringerer Produktivität abgerutscht sind. Als Folge des Sinkens der Löhne und der Verringerung der Arbeitsplätze sowie der hohen Inflation wird davon ausgegangen, dass die Armut zugenommen hat, und dies auch die Kaufkraft untergräbt (WB 4.10.2023).
In der ersten Hälfte des Jahres 2023 schien Pakistan sogar auf einen verheerenden wirtschaftlichen Ausfall zuzusteuern. Die Aussetzung der Auszahlungen eines Kreditprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgrund der wiederholten Nicht-Erfüllung der Reformverpflichtungen und die folgende Kreditaussetzung weiterer internationaler Geldgeber führte zu einer unmittelbaren Gefahr der Zahlungsunfähigkeit. Schließlich konnten sich der IWF und Pakistan auf ein neunmonatiges Programm mit einer Bereitschaftskreditvereinbarung in Höhe von 3 Mrd. US-Dollar als Überbrückungsmaßnahme einigen (USIP 6.9.2023). In seiner ersten Überprüfung im November attestierte der IWF eine aufkommende Erholung (IMF 15.11.2023). Das Finanzministerium berichtet ebenfalls von einer schrittweisen Erholung sowie von Zuwächsen in wichtigen Wirtschaftszweigen, wie Landwirtschaft und Produktion (MoF PAKI 2.12.2023). Auch die Inflation sank bis Oktober auf 26,89 Prozent, allerdings stieg sie im November wieder leicht (TE 1.12.2023).
Arbeitsmarkt
Pakistan verfügt laut Schätzung der International Organization for Migration (IOM) über mehr als 63 Millionen Arbeitskräfte (IOM 22.3.2023). Laut pakistanischem Finanzministerium stieg die Zahl der Erwerbsbevölkerung von 68,75 Millionen im Erhebungszeitraum 2018-19 auf 71,76 Millionen für 2020-21, die Zahl der Erwerbstätigen im gleichen Zeitraum von 64,03 Millionen auf 67,25 Millionen. Pakistan hat damit eine der höchsten Zahlen an Arbeitskräften weltweit. Allein die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter von 15-24 Jahren beträgt 41,77 Millionen (MoF PAKI 4.6.2023a). Zusätzlich erreichen fast 2 Millionen Jugendliche jährlich das arbeitsfähige Alter. Die Bevölkerung wächst jedes Jahr um etwa 2 Prozent (BMZ o.D.). Das Land steht damit vor der Herausforderung, seiner Bevölkerung berufliche Möglichkeiten zu bieten (BS 25.2.2022).
Landwirtschaft und Fischerei stellen den größten Anteil am Arbeitsmarkt und tragen zum Einkommen für ein breites Segment der Bevölkerung bei (EB 30.11.2023; vgl. MoF PAKI 4.6.2023b). So stellt die Landwirtschaft laut der offiziellen Arbeitskräfteerhebung 37,4 Prozent der Beschäftigten (MoF PAKI 4.6.2023b; vgl. IOM 12.2022). Die Tendenz ist hier abnehmend. Der Dienstleistungssektor macht etwa 39 Prozent der Gesamtzahl der Arbeitsplätze aus, die Industrie ca. 24 Prozent - Tendenz steigend (IOM 12.2022). Handwerk und Produktion sind insbesondere durch die Textilindustrie ein bedeutendes Segment des Arbeitsmarktes. Der Handel, als einer der wichtigsten Sektoren der pakistanischen Wirtschaft, beschäftigt auch einen erheblichen Teil der Arbeitskräfte. Das Staatswesen ist traditionell ebenfalls ein Hauptarbeitgeber in Pakistan, dort findet sich ungefähr ein Fünftel der Arbeitskräfte (EB 30.11.2023). Regional sind 60 Prozent der Arbeitskräfte des Landes in der Provinz Punjab konzentriert (IOM 22.3.2023).
Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten, die internationalen Sozialstandards entsprechen, sind kaum vorhanden, über 70 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse liegen im informellen Sektor, der breite arbeitsrechtliche Defizite aufweist (BMZ o.D.). Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt zwischen 15.000 und 30.000 PKR [Anm.: ca. 50 bis 100 Euro laut finanzen.at, Stand 26.1.2024] (IOM 12.2022). Die Zahl der arbeitslosen erwerbsfähigen Bevölkerung betrug im Erhebungszeitraum 2021-22 4,71 Millionen. Die offizielle Arbeitslosenquote weist eine Verbesserung von 6,9 Prozent im Jahr 2018-19 auf 6,3 Prozent für das Jahr 2020-21 aus (MoF PAKI 4.6.2023a).
Im Jahr 2022 wanderten 829.549 Pakistaner offiziell registriert im dafür zuständigen Bureau of Emigration Overseas Employment ins Ausland aus, um dort zu arbeiten. Diese Migration konzentriert sich vor allem auf die Länder des Golf-Kooperationsrates (GCC) (96 Prozent), wobei Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Mehrheit stellen (MoF PAKI 4.6.2023a; vgl. BEOE 8.12.2023). Der Großteil der pakistanischen Migranten in den GCC-Staaten sind alleinstehende Männer, die in überfüllten Arbeitslagern leben und Geld in ihre Heimat schicken (BPB 6.7.2022).
Arbeitslosenunterstützung, Berufsförderung
Pakistan verfügt über einige Programme zur Unterstützung Arbeitsloser. Diese beinhalten z.B. eine bezahlte Weiterbildung, die Förderung von Geschäftsgründungen oder auch Programme zur Anstellung im staatlichen Sektor (ILO 1.9.2021). Weiterbildungs- und Berufsausbildungseinrichtungen der pakistanischen Regierung wie die National Vocational Technical Education Commission (NAVTEC) oder die Technical Education and Vocational Training Authorites (TEVTA) der jeweiligen Provinzregierungen des Punjab, des Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistans bieten eine Vielzahl von Kursen an. Abgedeckte Bereiche sind z.B. IT, Autoelektrik, Motorradmechanik oder Stickerei, Schneiderei und Kosmetik (IOM 22.3.2023; vgl. TVET o.D.a).
Die wichtigste Maßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt ist das National Vocational Educational Technical Sector Support Programme (TVET-Reform). Das Programm hat zum Ziel die Lücke zwischen dem Bedarf am Arbeitsmarkt und der Ausbildung zu schließen und den Zugang, die Qualität und die Treffsicherheit der technischen und beruflichen Ausbildung zu verbessern. Eine wichtige Säule des Programms ist die Reintegration von Rückkehrern (IOM 22.3.2023; vgl. TVET o.D.a). Für diese und andere Personengruppen werden Karriereberatung, Unterstützung beim Aufbau eines Kleinunternehmens, Fortbildung, Berufsmessen, Vermittlung von Mikrokrediten zum Aufbau eines Kleinunternehmens und andere Dienste angeboten (TVET o.D.a; vgl. IOM 22.3.2023).
Das Tameer-e-Pakistan-Programm, dessen Zielsetzung die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Schaffung von Arbeitsplätzen ist, wurde in die Drought Emergency Relief Assistance (DERA) integriert. Als weiteres Programm wurde das Khushal Pakistan Program eingeführt. Mit Schwerpunkt auf den ländlichen Bereich zielt es auf die Förderung ökonomischer Aktivität durch die Schaffung von Infrastruktur und öffentlicher Arbeit, u.a. im Bereich, Straßenbau, Wasserversorgung, Schulbau und Bodenkonservierung (IOM 22.3.2023).
Ebenfalls im ländlichen Gebiet leistet das National Rural Support Program bzw. das Punjab Rural Support Program als staatliches Programm durch Ausbildung, Mikrokredite und Beratung für Kleinunternehmen Unterstützung zum eigenständigen Einkommenserwerb. Ein besonderer Fokus liegt auf weibliche Haushaltsvorstände (IOM 22.3.2023). Im Bereich der Berufsförderung für Frauen hat außerdem die staatliche Sozialhilfeeinrichtung Pakistan Bait-ul-Mal (PBM) ein Projekt zur Ausweitung ihres Netzes von Berufsbildungszentren für Frauen (Women Empowerment Centres - WECs) von der Distrikt- auf die Tehsil-Ebene eingesetzt (TET 12.12.2022). Derzeit sind rund 163 WECs im ganzen Land tätig, um Witwen, Waisen und unterprivilegierten Mädchen eine kostenlose Berufsausbildung in Berufen wie Schneiderei, Stickerei, Stoffmalerei oder grundlegende und weiterführende Computerkurse zu bieten (TET 12.12.2022; vgl. TNI 7.12.2023).
Ein staatliches Projekt speziell zur Förderung der Berufstätigkeit junger Menschen ist z.B. das PM Youth Business and Agriculture Loan Scheme 2023 (IOM 30.3.2021; vgl. INCPAK 25.1.2023; MCB o.D.). Im Jänner 2023 startete die pakistanische Regierung außerdem ein Programm für bezahlte Praktika zur Unterstützung von 30.000 arbeitslosen Hochschulabsolventen (TC 6.1.2023).
Staatliche Stellen zur Vermittlung von Arbeitsplätzen sind z.B. Career Pakistan, die Small and Medium Enterprises Development Authority, die Onlineportale der Job Placements Center (IOM 12.2022) oder das staatliche Online Portal NEXT - National Employment Exchange Tool (NAVTTC o.D.).
Quellen:
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Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln und Wohnraum
Letzte Änderung 2023-04-12 16:02
Armut
Das solide Wirtschaftswachstum trägt dazu bei, dass das hohe Bevölkerungswachstum nicht wie in anderen südasiatischen Ländern zu einem hohen Anteil an absoluter Armut geführt hat. Dennoch lebt ein bedeutender Anteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze (EB 30.1.2023). In den vergangen zwei Jahrzehnten konnte Pakistan die Armut deutlich reduzieren und mehr als 47 Millionen Pakistanern ermöglichen, zwischen 2001 und 2018 der Armut zu entkommen (TWB 7.10.2022). Die COVID-19-Pandemie und Maßnahmen zur sozialen Distanzierung hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die Haushaltseinkommen und haben vorübergehend zu mehr Armut geführt (TWB 10.2022). Laut dem Bertelsmann Transformations Index lebten 2020 geschätzt 24,3 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze und 38,4 Prozent waren von multidimensionaler Armut nach den Kriterien des UNDP betroffen (BS 25.2.2022). Im letzten Human Development Index 2021/22 von UNDP, der 191 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, liegt Pakistan auf Rang 161 (UNDP 8.9.2022).
Verschärft wird die Situation durch einen scharfen Kontrast zwischen der relativen Prosperität der industrialisierten Regionen um Karatschi und Lahore und der Armut in den semi-ariden Gebieten in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (EB 30.1.2023). So gibt UNDP die Armutsrate für Belutschistan und in den Newly Merged Districts von Khyber Pakhtunkhwa (ehemalige FATA) mit 70 Prozent an. Im Vergleich dazu weisen die reichsten Bezirke Pakistans im Norden und in der Mitte des Punjabs eine Armutsrate von unter 10 Prozent auf (UNDP 6.4.2021).
Ernährungssicherheit
Pakistan ist eine überwiegend agrarisch geprägte Gesellschaft und aus verschiedenen Gründen von Ernährungsunsicherheit bedroht. Um die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage bei Grundnahrungsmitteln zu überbrücken, muss Pakistan regelmäßig u.a. Weizen und verschiedene Hülsenfrüchte importieren, was eine ernste Ursache für die Nahrungsmittelunsicherheit darstellt (DT 23.1.2023). Die Landwirtschaft wurde im Jahr 2022 vor allem durch die Auswirkungen der verheerenden Überschwemmungen schwer getroffen. Über 1,4 Million Hektar Anbaufläche fielen den Fluten zum Opfer (siehe hierzu Unterkapitel "Flutkatastrophe 2022") (UNHCR 5.10.2022), über 1,1 Million Nutztiere wurden getötet (IOM 12.1.2023).
Die Inlandspreise für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Reis, Speiseöl, Hülsenfrüchte, Milch und Fleisch sind seit Jänner 2022 gestiegen (TET 29.12.2022). Ein durchschnittlicher pakistanischer Haushalt wendet 50,8 Prozent seines monatlichen Einkommens für Nahrungsmittel auf (WFP o.D.). Steigende Lebensmittel- und Energiepreise haben die reale Kaufkraft vieler Haushalte geschmälert und arme und gefährdete Haushalte unverhältnismäßig stark betroffen (TWB 10.2022). Auch die Flutkatastrophe 2022 hatte Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise. Ein Vergleich des World Food Program zwischen den Nahrungsmittelpreisen vor der Flut und nach der Flut zeigen hohe Preissteigerungen. So stieg der Preis für Weizenmehl um 32 Prozent, für Tomaten um 138 Prozent und Kartoffeln um 45 Prozent (IOM 12.1.2023). Die Inflation erreichte mit 31,5 Prozent im März 2023 den höchsten Wert seit 1975 (UNHCR 9.3.2023).
Die Ernährungsunsicherheit wirkt sich auf Frauen, Kinder und ländliche Haushalte aus, was zu sozio-ökonomischen Ungleichheiten führt und einen Anstieg der Zahl der Haushalte, die unter Ernährungsunsicherheit leiden, verursacht (TOI 21.10.2022). 18 Prozent der Kinder unter 5 Jahren leiden an akuter Mangelernährung, 40 Prozent sind unterentwickelt und 29 Prozent untergewichtig. Es gibt auch eine starke Korrelation zwischen dem Bildungsniveau von Mädchen und allen Formen der Unterernährung, wobei generell der Zugang von Mädchen zu Bildung eine Herausforderung bleibt - insbesondere in Gebieten, die an Afghanistan grenzen, und in Belutschistan. Außerdem sind aufgrund sozialer und kultureller Normen und Praktiken Frauen und Mädchen mit Schwierigkeiten beim Zugang zu humanitärer Unterstützung konfrontiert (WFP o.D.).
Von starker Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung betroffen waren laut einer staatlichen Studie während des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie 2020 10 Prozent der Haushalte gegenüber 3 Prozent bei der letzten Erhebung von 2018/2019; von einer moderaten Versorgungsunsicherheit betroffen waren 30 Prozent im Vergleich zu 13 Prozent davor. 60 Prozent der Haushalte konnten ihre Versorgungssicherheit beibehalten (PBS o.D.b). Die damalige Regierung reagierte auf die Krise mit der Einführung des Ehsaas Emergency Cash Programme im April 2020 (WFP 1.2.2022). Etwa 15-16 Prozent der pakistanischen Bevölkerung leben aufgrund der Überschwemmungen und verfehlten politischen Maßnahmen unter akuter Ernährungsunsicherheit (TOI 21.10.2022).
Wohnraum
Pakistan ist mit einer kritischen Wohnraumknappheit konfrontiert. Das Bevölkerungswachstum, die Abwanderung aus ländlichen Gebieten und der Verfall bestehender Wohnhäuser führen zu einer zunehmenden Knappheit in städtischen Gebieten. Ein großes Problem ist die Qualität der vorhandenen Wohnungen. Die Hälfte aller städtischen Haushalte ist überbelegt oder besteht aus informellen Siedlungen mit unzureichendem Zugang zu grundlegender Infrastruktur und Dienstleistungen. Reguläre Wohnungen sind für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich und befinden sich hauptsächlich im Besitz von Männern (WBB 11.3.2022). Die Mehrheit des Wohnraums findet sich in Slums, meist in informellen Siedlungen. 30 bis 50 Prozent der Stadtbewohner leben nach Schätzungen in Slums. Laut UNHABITAT sind andererseits 74 Prozent der Stadtbewohner auch Eigentümer ihrer Unterkunft und Städte mit einem großen Anteil an Staatsdienern, wie Islamabad, verfügen über einen großen Anteil an mietfreiem oder stark subventioniertem Wohnraum (UKHO 6.2020).
Konkret wird der Mangel auf 12 Millionen Wohneinheiten geschätzt, wobei der Bedarf im Vergleich zum Angebot weiterhin hoch bleibt. Die Regierung hat Maßnahmen eingeführt, um die Möglichkeit der Finanzierung speziell für niedrig- bis mittelpreisige Wohneinheiten zu verbessern. Die Förderungen wurden erhöht, Regelungen für die Vergabe von Finanzierungen gelockert und die Dauer für die Rückzahlung verlängert (TET 27.2.2022).
IOM berichtet, dass in Großstädten Wohnungen und Einzelhäuser zwar leicht verfügbar sind, aber die Miet- und Nebenkosten, insbesondere für Strom und Gas, sehr hoch sind. In ländlichen Gebieten und am Stadtrand kleinerer Städte sind allerdings Wohnungsmöglichkeiten nicht nur kostengünstig, sondern auch zahlreich vorhanden (IOM 2021).
Durch die Flut 2022 wurden mehr als 2,2 Millionen Häuser und 13.100 Kilometer an Straßen zerstört (IOM 12.1.2023).
Quellen:
BS - Bertelsmann Stiftung (25.2.2022): Bertelsmann Transformation Index, Pakistan Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/PAK#pos13, Zugriff 3.3.2022
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WBB - World Bank Blog (11.3.2022): Managing supply and demand: The key to getting ´housing' right in Pakistan, https://blogs.worldbank.org/endpovertyinsouthasia/managing-supply-and-demand-key-getting-housing-right-pakistan, Zugriff 6.2.2023
WFP - World Food Programme (1.2.2022): Food security and diets in urban Asia : How resilient are food systems in times of Covid 19?, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000136366/download/, Zugriff 2.2.2023
WFP - World Food Programme (o.D.): Pakistan, https://www.wfp.org/countries/pakistan, Zugriff 2.2.2023
Sozialwesen
Letzte Änderung 2023-04-12 16:03
Soziale Wohlfahrt
Pakistan unterhält einige Programme für soziale Wohlfahrt, die auf das Bereitstellen eines rudimentären sozialen Sicherheitsnetzes für die Bürger ausgerichtet sind. Staatliche Schulen und Krankenhäuser bieten eine hoch subventionierte Bildung und Gesundheitsversorgung und Einrichtungen wie Pakistan Bait-ul-Mal (PBM) [Anm.: eine von der Regierung gegründete Sozialorganisation] verteilen wohltätige Beträge, die über Steuern eingenommen werden. Doch die Versorgung mit effektiven öffentlichen Dienstleistungen ist aufgrund ernster Kapazitätsengpässe schwach (BS 25.2.2022). Die staatlichen Sozialsicherungssysteme sind schwach entwickelt und völlig unterfinanziert (BMZ o.D.), obwohl Pakistan auf eine lange Geschichte von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zurückblicken kann. Das anhaltend hohe Armutsniveau zeigt jedoch die Unzulänglichkeit dieser Maßnahmen, die vor allem auf eine begrenzte Reichweite und mangelhafte Umsetzung zurückzuführen sind. Zwar gibt die pakistanische Regierung etwa 2 Prozent ihres BIP für Programme zur Armutsbekämpfung aus, doch ist dies wesentlich weniger als in Nachbarländern wie Indien oder Sri Lanka (CDDRL 6.6.2022). Die Notwendigkeit von Investitionen u.a. in Bildung, berufliche Entfaltung und soziale Absicherung wird den pakistanischen Eliten allerdings immer mehr bewusst (BMZ o.D.).
Während ernste Herausforderungen weiterhin bestehen, gibt es auch Fortschritte im Bereich der öffentlichen sozialen Wohlfahrt. Das 2008 eingeführte Benazir Income Support Program (BISP) ist ein auflagenfreies Geldtransferprogramm zur Armutsreduktion, das auf Frauen fokussiert ist. Die Regierung hat als Erweiterung des BISP das Ehsaas Programm eingeführt (BS 25.2.2022). Diese Initiative der pakistanischen Regierung wurde 2019 gegründet und zielt als größtes Armutsbekämpfungsprogramm der Regierung (IOM 22.3.2023) darauf ab, die Armut zu lindern und den sozialen Wohlstand im Land zu verbessern (EP 2022). Sie bietet eine Reihe von Dienstleistungen für bedürftige Pakistaner an, darunter bedingungslose Bargeldtransfers, gezielte Subventionen und eine bessere Versorgung mit Gesundheits- und Nahrungsmitteln (CDDRL 6.6.2022). Ehsaas verstärkt das BISP, indem es die Kriterien zur Anspruchsberechtigung erweitert hat und somit mehr Menschen mit einschließt (WFP 1.2.2022). Im Rahmen des Ehsaas Programms stellt das BISP nun nur noch eine von 34 Einheiten dar (TET 11.7.2021; vgl CDDRL 6.6.2022). Als Schirmorganisation führt Ehsaas alle verschiedenen Bereiche der Armutsbekämpfung auf Bundes- und Provinzebene in mehreren Ministerien unter einer Strategie und Institution zusammen. Die Ehsaas-Strategie verfolgt einen gesamtstaatlichen Ansatz zur Armutsbekämpfung. Dabei werden die verschiedenen bestehenden Programme, die ursprünglich nicht unbedingt unter die Armutsbekämpfung fielen (z.B. Zakat) gebündelt, und auch Änderungen zur Armutsbekämpfung eingeleitet. Insgesamt ist die Anzahl der Programme auf mehr als 292 Einzelmaßnahmen angewachsen (CDDRL 6.6.2022).
CDDRL 6.6.2022
Derzeit gibt es drei große Geldtransferprogramme, die vom BISP als Durchführungsorganisation umgesetzt werden (CDDRL 6.6.2022). Weitere Leistungen umfassen Subventionen für Nahrungs- und Haushaltsartikel (Ehsaas Rashan Programm), finanzielle Unterstützung in Form von Darlehen (Ehsaas Amdan Program/Ehsaas Loan Program), Nahrungsmittelhilfen für Mütter und Kinder (Ehsaas Nashonuma Program), Rentenleistungen (Ehsaas Buzurg Program) und Stipendien (Ehsaas Scholarship Program) (ENP 6.2.2023). Das Programm Ehsaas Waseela Taleem zielt darauf ab, Kindern aus benachteiligten Verhältnissen kostenlose Bildung zu ermöglichen. Das Programm soll bis zu 1,5 Millionen Kindern in ganz Pakistan den Zugang zu hochwertiger Bildung ermöglichen, wobei der Schwerpunkt auf Kindern in ländlichen und unterversorgten Gebieten liegt (EP 6.2.2023). Buben erhalten in der Primarstufe 1.500 PKR [Anm.: ca. 17 Euro], in den Sekundarstufen 2.500 PKR [Anm.: ca. 28 Euro], Mädchen jeweils 500 PKR [Anm.: ca. 6 Euro] mehr. Für die höheren Stufen erhöhen sich die Beihilfen. So erhielten 2021 nach offiziellen Angaben eine Million Schüler der Grundschule, 500.000 der Sekundarstufe und 225.000 Schüler der höheren Schulstufen diese Beihilfe (TET 19.7.2021). Ein anderes Programm beinhaltet eine monatliche Zahlung von 2.000 PKR [Anm.: ca. 10 Euro] an ärmere Familien mit einem behinderten Familienmitglied. Es umfasst 2 Millionen Familien. Im Rahmen der Ehsaas-Strategie erhielten während der COVID-19-Pandemie etwa 15 Millionen pakistanische Haushalte (100 Millionen Bürger) jeweils 12.000 PKR [Anm.: ca. 134 Euro] (TET 11.7.2021).
Mit Abschluss der Entwicklung der nationalen sozio-ökonomischen Registrierung können nun Daten zu den sozialen Bedingungen erhoben und auf deren Grundlage die Förderungswürdigkeit bestimmt werden. Das Sozialregister ermöglicht eine dynamische Aufnahme, jeder kann sich jederzeit in ein Sozialregister eintragen lassen (BISP o.D.). Die Erhebung der Bedürftigkeit und Anspruchsberechtigung geschieht über die Bürgerkarte der NADRA (PPI o.D.). Die Geldtransferprogramme sind ein wichtiges Mittel zur Armutsreduktion, auch wenn ihre Nachhaltigkeit Fragen offenlässt. Das Ehsaas-Programm stellt eine bedeutende Ausdehnung des Benazir Bhutto Income Program dar, das auf ganz Pakistan angewendet wird. Es ist damit eine signifikante Erweiterung des Systems der sozialen Wohlfahrt, doch Verbesserungen in anderen Formen der Wohlfahrt bleiben begrenzt (BS 25.2.2022).
Laut IOM sind alle Sozialprogramme (Obdachlosenunterkünfte, Nahrungsmittelverteilung) mit Ausnahme der Krankenversicherung Sehat Insaaf aufgrund der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Lage von einer Unterbrechung bedroht (IOM 22.3.2023).
Leistungen der Sozialversicherung, staatliche Altersversorgung
Pakistan hat nur zwei Rentensysteme, die gerade einmal drei Millionen der 15 Millionen älteren Menschen des Landes erreichen (HA 18.2.2021). Mitarbeiter der Bundes- und Provinzregierungen, der Regierung von Azad Jammu Kaschmir, der Streitkräfte und der halbstaatlichen / autonomen Einrichtungen sind rentenberechtigt (IOM 2021). Alle Staatsbediensteten erhalten damit bei Eintritt in den Ruhestand eine Pension, ebenso Mitarbeiter von Unternehmen, die bei der Employees' Old Age Benefits Institution (EOBI) registriert sind (ILO 2019). Die Pensionen von Zivil- und Militärbeamten werden ausschließlich aus Steuermitteln finanziert, machen allerdings nur etwa 8 bis 9 Prozent der Personen aus, die im Land das Rentenalter erreicht haben (BR 17.10.2022; vgl. IOM 22.3.2023). Alle Unternehmen mit mehr als fünf Beschäftigten müssen sich für die EOBI anmelden. In Wirklichkeit haben sich jedoch nur 84.000 Arbeitgeber für das System angemeldet, das nicht mehr als acht Millionen Menschen erreicht - bei einer Erwerbsbevölkerung von über 70 Millionen (HA 18.2.2021). Innerhalb des EOBI-Systems basiert die Auszahlung auf den Beiträgen der Einzelpersonen. Die Mindestrente für das EOBI-System beträgt derzeit 8.500 PKR (28,08 Euro) pro Monat. Arbeitnehmer, die nicht im Rahmen der Industrie- und Handelskammer arbeiten, profitieren nicht von dem EOBI-Rentensystem (IOM 22.3.2023). Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren (USSSA 3.2019; vgl. HA 18.2.2021).
Das Rentensystem bietet den Versicherten oder ihren Hinterbliebenen folgende vier Arten von Leistungen: Altersrente oder gekürzte Rente, Hinterbliebenenrente, Invaliditätsrente und Altersbeihilfe, wenn ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Rente hat. Da nur Arbeitskräfte des formellen Sektors Anspruch auf Renten haben, kann nur ein kleiner Teil der Bevölkerung im fortgeschrittenen Alter die Vorteile des Rentensystems in Anspruch nehmen. Die ältere Bevölkerung, die im informellen Sektor arbeitet, bekommt diese Sozialversicherungsleistungen nicht (IOM 2021). Einige Altersheime werden in den größeren Städten über das staatliche PBM bzw. die Departments für Soziale Wohlfahrt der Provinzen betrieben (ILO 2019; vgl. PBM o.D). Bedürftige ältere Personen gehören auch zu den Gruppen, die Anspruch auf Leistungen aus dem Zakat-System haben, doch im Allgemeinen ist das Sozialsystem für Ältere begrenzt (ILO 2019).
Pakistan hat auf Ebene der Provinzen Schemen einer Arbeitsunfallversicherung eingeführt. Die Abdeckung ist allerdings ebenfalls begrenzt, zum einen aufgrund der Struktur des Arbeitsmarktes mit einem hohen Anteil an Arbeitskräften in der informellen Wirtschaft, sowie zum anderen durch Anstellungspraktiken, die häufig eine Minderregistrierung oder keine Registrierung der Arbeiter aufweisen (ILO 1.9.2021).
In den Provinzen sind Employees’ Social Security Institutions (ESSIs) eingerichtet, die mit den Arbeitsministerien der einzelnen Provinzen verbunden sind (ADB 2.9.2022; vgl. ILO 2019). Sie bieten Renten für die Familien von Arbeitnehmern, die bei Arbeitsunfällen ums Leben gekommen sind. Finanziert durch eine zusätzliche Abgabe von 6 bis 7 Prozent der Lohnsumme, die vom Arbeitgeber gezahlt wird, bieten die ESSIs Mutterschafts- und Krankheitsleistungen, Leistungen bei Invalidität und Verletzungen. Einige Dienstleistungen für gering bezahlte Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen werden ebenfalls durch die ESSI angeboten (ILO 2019). Der Workers’ Welfare Fund (WWF) finanziert u.a. Projekte zur Errichtung von Wohnsiedlungen oder zum Bau von Häusern für die Industriearbeiter (WWF o.D.)
Die bestehenden Sozialversicherungssysteme schließen die Beschäftigten in der informellen Wirtschaft aus, indem sie nur die Beschäftigten in der formellen Wirtschaft abdecken. Das DWCP (Decent Work Country Programme) (2016-22) soll die bestehenden Sozialschutzsysteme erweitern und nachhaltiger gestalten. In Zusammenarbeit mit der ILO wurde eine Einheit innerhalb des Ehsaas-Programmes eingesetzt (Labour Social Protection Expert Group, Mazdoor ka Ehsaas), die an der Einbeziehung der Arbeitskräfte in der informellen Wirtschaft in das Sozialversicherungssystem arbeitet (ILO o.D.).
Pilotprojekte zur Gesundheitsversicherung der ärmeren Bevölkerung wurden in Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Gilgit-Baltistan (GB) mithilfe der German Development Bank (KfW) umgesetzt und auf ganz Pakistan ausgedehnt. Es ist damit eines der weltweit größten Gesundheitsversicherungsschemen für die ärmere Bevölkerung (OPM o.D.)
Die Krankenversicherungskarte Sehat Insaaf ist für permanente Einwohner im Islamabad Capital Territory (ICT), in den Provinzen Punjab, Khyber Pakhtunkhwa (KP) sowie in AJK und Gilgit Baltistan (GB) erhältlich. In Sindh ist sie derzeit nur im District Tharparker umgesetzt. Sie kann in ausgewiesenen Krankenhäusern eingesetzt werden und ihr Limit pro Familie beträgt 1 Mio. PKR (3.303,57 Euro) im Jahr. Anspruchsberechtigt sind auch Rückkehrer, wenn sie in diesen Regionen bei der NADRA registriert sind. Für permanente Einwohner aller anderen Standorte in Pakistan kann allerdings die Computerized National Identity Card (CNIC) ebenso als Krankenversicherungskarte verwendet werden und bietet die Berechtigung für alle medizinischen Dienstleistungen, die unter das Unterstützungsprogramm der Sehat Insaaf Card fallen (IOM 22.3.2023) [für weiterführende Informationen siehe Kap. Medizinische Versorgung].
Private Wohlfahrtsleistungen
Die Edhi Foundation ist die größte private Wohlfahrtstiftung Pakistans und eine der größten weltweit. Das Leistungsspektrum umfasst u.a. kostenlose technische Ausbildung für Bedürftige, kostenlose Bereitstellung von Lebensmitteln und Kleidung, Heime für Waisen, Behinderte, misshandelte Frauen und Senioren, Rettungswägen, kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe oder Hilfsmaßnahmen bei Naturkatastrophen (Edhi o.D.; vgl. GB 5.12.2022).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 72 Bezirken der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,78 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von 245.637 kommunalen Gemeinschaften bilden. Sie ist damit die größte Entwicklungshilfeorganisation für die ländliche Region in Pakistan (NRSP o.D.).
Quellen:
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BISP - Benazir Income Support Programme [Pakistan] (o.D.): BENAZIR National Socio-Economic Registry (NSER) - NSER Survey (Dynamic Registry), https://www.bisp.gov.pk/Detail/NzI5YTMyYTMtYjE1My00NGUwLTgwYTItZWUwYTZkYWZjYmNj, Zugriff 6.2.2023
BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (o.D.): Soziale Situation Der lange Weg zur Verwirklichung der "Vision 2025", https://www.bmz.de/de/laender/pakistan/soziale-situation-15408, Zugriff 6.2.2023
BR - Business Recorder (17.10.2022): Pakistan’s pension system, https://www.brecorder.com/news/40203435/pakistans-pension-system, Zugriff 6.2.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (25.2.2022): Bertelsmann Transformation Index, Pakistan Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/PAK#pos13, Zugriff 6.2.2023
CDDRL - Center on Democracy, Development and the Rule of Law (6.6.2022): Frameworks for a Developmental Welfare State: Lessons From Pakistan's Ehsaas Programme, https://fsi9-prod.s3.us-west-1.amazonaws.com/s3fs-public/ffdws_ehaas_20220602_0.pdf, Zugriff 6.2.2023
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ENP - Employees News Portal (6.2.2023): Ehsaas Program CNIC Check Online Registration 2023-24 NADRA, https://employeesportal.info/ehsaas-program-cnic-check/#List_of_Ehsaas_Programs_2023-24_Pakistan, Zugriff 6.2.2023
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WFP - World Food Programme (1.2.2022): Food security and diets in urban Asia : How resilient are food systems in times of Covid 19?, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000136366/download/, Zugriff 6.2.2023
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Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2023-04-12 16:06
Isgesamt basiert das System der Gesundheitsversorgung in Pakistan auf zwei Hauptsäulen, dies sind einerseits öffentliche und andererseits private Gesundheitseinrichtungen (IOM 22.3.2023; vgl. WHO o.D.). In öffentlichen Krankenhäusern kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 8.8.2022). In den privaten Einrichtungen fallen hohe Kosten für die Behandlung an. Insgesamt kann der Staat derzeit nicht allen Menschen eine gleiche und ausreichende Versorgung anbieten (IOM 22.3.2023).
Der Gesundheitssektor des Landes ist gleichermaßen durch ein Stadt-Land-Gefälle bei der Bereitstellung medizinischer Versorgung und ein Ungleichgewicht bei den Arbeitskräften im Gesundheitswesen charakterisiert. Insbesondere in ländlichen Gebieten mangelt es an medizinischen Fachkräften, Krankenpflegern, Sanitätern und qualifiziertem Gesundheitspersonal (TSOP 2020; vgl. DFAT 25.1.2022). Trotz einer ausgefeilten und umfangreichen Gesundheitsinfrastruktur leidet die Gesundheitsversorgung unter einigen zentralen Problemen wie einem hohen Bevölkerungswachstum, einem Mangel an Arbeitskräften, der ungleichen Verteilung medizinischer Fachkräfte, einer unzureichenden Finanzierung und einem begrenzten Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdiensten (WHO o.D; vgl. Marham 6.8.2022). So entspricht im Allgemeinen die in weiten Landesteilen unzureichende Gesundheitsversorgung medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standards. In Islamabad und Karachi hingegen ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen im Regelfall auf einem hohen Niveau, aber dadurch auch teuer (AA 2.2.2023). Des Weiteren gehört das pakistanische Gesundheitswesen laut Studien der NGO Transparency International zu den korruptesten Sektoren des Landes. Allgemeine Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Menschen mit den Gesundheitsdiensten, die sie erhalten, unzufrieden ist (Marham 6.8.2022; vgl. TIP 9.12.2022). Derzeit ist nach der Einschätzung von IOM der Zugang in ländlichen Gebieten besser, während die Bevölkerung in Städten vor größeren Herausforderungen, sowohl finanziell als auch logistisch, steht (IOM 22.3.2023).
Die Flutkatastrophe von 2022 hatte überwältigende Auswirkungen auf das Gesundheitssystem in den betroffenen Gebieten. Einrichtungen wurden zerstört oder waren nicht mehr zugänglich und die Flutwasser verursachten Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Die Nothilfeteams haben effizient eingegriffen, doch ist weiterhin Unterstützung notwendig. Darüber hinaus sind auch in den nicht von der Flut betroffenen Regionen die Gesundheitseinrichtungen durch die intern Vertriebenen überlastet (IOM 22.3.2023).
Nach der Verfassung fällt das Gesundheitswesen in erster Linie in die Zuständigkeit der Provinzregierung. Der Staat stellt die Gesundheitsversorgung über ein dreistufiges Gesundheitssystem und eine Reihe von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Verfügung. Medizinische Grundversorgung wird durch Basic Health Units (BHUs) und Rural Health Centers (RHCs) geleistet. Notfall-, ambulante und stationäre Versorgung wird auf der sekundären Versorgungsebene durch Tehsil Headquarter Hospitals (THQs) und District Headquarter Hospitals (DHQs) angeboten. Darauf folgt die tertiäre Versorgungsebene, die auch Lehrkrankenhäuser umfasst (WHO o.D.).
Mit Stand 2020 gibt die WHO eine Ratio von 0,6 Grundversorgungseinrichtungen und 5,8 Spitalsbetten sowie 10,8 Ärzten und 4,9 Krankenpfleger bzw. Krankenpflegerinnen und Hebammen pro 10.000 Einwohner an (WHO 2022). Außerdem waren mit Stand 2019 über 100.000 Lady Health Workers tätig (WHO 2020). Diese versorgen vornehmlich den ländlichen Raum (DFAT 25.1.2022). Angesichts der wachsenden Bevölkerung versucht der private Sektor, die Lücke zwischen der steigenden Nachfrage und den begrenzten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zu schließen. Die Zahl der privaten Krankenhäuser, Kliniken und Diagnoselabors hat erheblich zugenommen. Sogenannte stand-alone clinics - meist von Einzelnen betrieben - sind die wichtigsten Anbieter ambulanter Gesundheitsversorgung (WHO o.D.). Durch die Flut 2022 wurden mehr als 2.000 Gesundheitseinrichtungen zerstört, das sind laut WHO mehr als 13 Prozent der Gesamtzahl des Landes (WHO 2023).
In Übereinstimmung mit den WHO-Empfehlungen zur allgemeinen Gesundheitsversorgung startete die Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa (KP) 2015 das Sehat Sahulat Programm (SSP) (IJERPH 7.6.2022), das in ausgewiesenen Krankenhäusern zu tragen kommt (IOM 22.3.2023). Im Grunde ist das SSP eine Krankenversicherung, in der die Prämienbeiträge vollständig vom Staat übernommen werden. Es deckt die Sekundär- und Tertiärversorgung bei Unfällen und Notfällen, Diabetes, Nierenkrankheiten (einschließlich Dialyse und Transplantation), Hepatitis B und C, Krebserkrankungen sowie Herz- und Gefäßkrankheiten ab (Lancet 18.10.2022; vgl. SSP 2023b). Außerdem deckt es verschiedene Schwangerschaftsuntersuchungen, Geburtshilfe und Nachsorge ab (IOM 22.3.2023; vgl. SSP 2023b). Der Höchstbetrag ist auf 1 Million PKR (ca. 3.520 Euro) pro Jahr und Familie begrenzt (Lancet 18.10.2022; vgl. IOM 22.3.2023). Dieser gilt allerdings nur unter besonderen Umständen. Für die meisten Familien deckt das SSP bis zu 460.000 PKR (ca. 1.620 Euro) pro Jahr ab (Lancet 18.10.2022). Darüber hinaus bietet es unter bestimmten Bedingungen finanzielle Unterstützung für Lohnausfall während der Behandlung sowie für Transportkosten, Mutterschaftsgeld und Beerdigungskosten im Todesfall während des Krankenhausaufenthalts (Lancet 18.10.2022). Das SSP bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invalide mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen (IOM 30.3.2021). Es handelt sich um ein bargeldloses Programm, bei dem die Begünstigten nur diese Karte benötigen, um Leistungen in Anspruch nehmen zu können (Dawn 18.1.2022).
Das SSP wurde in KP in drei Phasen ausgerollt (IJERPH 7.6.2022; vgl. IOM 30.3.2021). Zunächst war eine Sehat Insaf Card nur für jene erhältlich, die unter der Armutsgrenze lebten, d.h. mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag (IOM 30.3.2021; vgl. IJERPH 7.6.2022). Seit 2021 sind jedoch alle Bürger KPs für das SSP vollumfänglich anspruchsberechtigt (SSP 2023c).
Es sind Bemühungen im Gange, die Anwendungsmöglichkeit der Karte auch auf die Bewohner anderer Provinzen auszuweiten (Lancet 18.10.2022; vgl. TNI 12.11.2021). So berichtet IOM im März 2023, dass die Sehat Insaf Card für permanente Einwohner im Islamabad Capital Territory (ICT), in den Provinzen Punjab, Khyber Pakhtunkhwa (KP) sowie in AJK und Gilgit Baltistan (GB), im Sindh jedoch nur im District Tharparker, erhältlich ist (IOM 22.3.2023). Auch staatlich registrierten Menschen mit Behinderungen und Transgender-Personen wurde landesweit der allgemeine Zugang zum SSP angeboten (IJERPH 7.6.2022).
In der Provinz Sindh wurde erst kürzlich mit der Einführung des SSP begonnen, welches zunächst mehr als einer halben Million Familien zugutekam. Die vollständige Einführung in der Provinz steht jedoch noch aus. Auch die Provinz Belutschistan hinkt hinterher. Dort wurde das Programm in sechs Distrikten ausgerollt, in denen zunächst über hunderttausend Familien registriert worden sind (IJERPH 7.6.2022). Mit Stand 6.3.2023 sind laut Angaben der Programmadministration ca. 41 Millionen Familien für das SSP registriert, die auf eine Gesamtzahl von ca. 4,9 Millionen Krankenhausbesuche kommen (SSP 2023a).
Für permanente Einwohner aller noch nicht erfassten Standorte in Pakistan bietet allerdings die Computerized National Identity Card (CNIC) ebenso die Berechtigung für alle medizinischen Dienstleistungen, die unter das Unterstützungsprogramm der Sehat Insaf Card fallen (IOM 22.3.2023).
Die nicht-staatliche Entwicklungshilfeorganisation Aga Khan Development Network (AKDN) betreibt landesweit über 450 Kliniken, fünf weiterführende Krankenhäuser in Karatschi, Hyderabad und Gilgit sowie das Aga Khan University Hospital in Karatschi. Darüber hinaus arbeitet die Aga Khan Foundation (AKF) mit lokalen Regierungen zusammen, um eine Reihe von gesundheitsbezogenen Initiativen zu unterstützen, die den Zugang zur medizinischen Grundversorgung verbessern sollen (AKDN o.D.). Einige staatliche bzw. halbstaatliche Organisationen wie die Streitkräfte, halbstaatliche Unternehmen, die Eisenbahn, und die Employees Social Security Institution, bieten ihren Mitarbeitern und deren Angehörigen Gesundheitsdienste über ihre jeweils eigenen Systeme an, die jedoch insgesamt nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung abdecken (WHO o.D.).
Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, diese sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 8.8.2022).
Psychische Gesundheit gilt in Pakistan als Tabu (Sehat Kajani 25.10.2022). Kulturell bedingt werden psychische Probleme im Allgemeinen als Werk übernatürlicher Kräfte oder als göttliche Strafe gesehen, was zu Stigmatisierung und zu Hürden beim Zugang zur Versorgung führt. Religiöse oder spirituelle Heiler sind meist der erste Ansprechpartner auf der Suche nach Hilfe (PMHC 2022; vgl. Borgen 2022, Sehat Kajani 25.10.2022). Der Zugang zu psychiatrischen Fachkräften ist minimal (Borgen 2022).
Der WHO Mental Health Atlas 2020 gibt für Pakistan die Zahl der psychiatrischen Krankenhäuser mit elf, der psychiatrischen Abteilungen in allgemeinen Krankenhäusern mit 800, der stationären Einrichtungen speziell für Kinder mit drei und der Einrichtungen, die stationär auf Gemeindeebene arbeiten, mit 578 an. Außerdem erfasst die WHO 3.729 ambulante Einrichtungen, die an Krankenhäuser angeschlossen sind und 624, die auf Gemeindeebene arbeiten. Des Weiteren beziffert sie die Zahl der Psychiater mit 300, der Psychologen mit 100, des psychologischen Gesundheitspersonals mit 200 und der Sozialarbeiter mit psychologischer Ausbildung mit 600 (WHO 15.4.2022).
Laut einer Lancet Studie gibt es 96 Drogenrehablitationseinrichtungen, die sich in mehreren Teilen des Landes befinden. Diese sind meist stationär. 30.000 Patienten pro Jahr werden behandelt. Nur ein kleiner Teil des tatsächlichen Bedarfs wird allerdings damit abgedeckt; die Wartelisten sind lang. Es gibt dabei auch kostenfreie Programme (Lancet 24.2.2023). Die Pakistan Mental Health Coalition berichtet, dass in drei Zentren eine kostenfreie Drogenrehabilitation angeboten wird (PMHC 2022).
Die meisten Dienstleistungen der psychischen Gesundheit müssen selbst bezahlt werden (PMHC 2022). Psychische Gesundheitsdienstleistungen werden als Luxus angesehen. Die Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie und der Flut von 2022 haben die Lage der psychischen Gesundheit weiter verschlechtert (Sehat Kajani 25.10.2022). Die COVID-19-Pandemie hat allerdings auch zu einem breiten Angebot an kostenfreien Telefon-Hotlines geführt, die durch verschiedene Geberorganisationen finanziert werden und darauf abzielen, mehr Menschen Zugang zu psychischer Versorgung zu bieten. Eine durchgängige Planung fehlt allerdings. Davon abgesehen wird jegliche Behandlung und Rehabilitation über Spitäler im tertiären Sektor abgewickelt, auf primärer Versorgungsebene müssen diese erst integriert werden (PMHC 2022).
Anm.: Zu weiteren Informationen betreffend die Lage zu COVID-19 und zur Flutkatastrophe 2022 siehe die entsprechend benannten Kapiteln.
Quellen:
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Dawn (18.1.2022): Govt hopes Sehat Sahulat Programme will address health issues, https://www.dawn.com/news/1670009/govt-hopes-sehat-sahulat-programme-will-address-health-issues, Zugriff 13.2.2023
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Rückkehr
Letzte Änderung 2023-04-12 16:06
Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischen Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 8.8.2022). Für pakistanische Staatsangehörige gibt es keine Einreisebeschränkungen, wenn sie freiwillig zurückkehren wollen (IOM 30.3.2021). Freiwillige Rückkehrer mit gültigen Reisedokumenten werden von den Grenzbehörden normalerweise wie alle anderen Pakistani, die aus dem Ausland einreisen, behandelt. Zwangsweise Rückgeführte erregen mehr Aufmerksamkeit und wenn vermutet wird, dass die Ausreise illegal war, werden sie von den Grenzbehörden befragt. Personen, die Pakistan mit gültigen Reisedokumenten verlassen und keine anderen Straftaten begangen haben, werden normalerweise nach einigen Stunden aus der Befragung entlassen (DFAT 25.1.2022).
Zurückgeführte haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die pakistanischen Behörden erfragen lediglich, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben. Im Falle einer illegalen Ausreise ist grundsätzlich eine Geld- oder Haftstrafe, bis zu sechs Monate, möglich (AA 8.8.2022). Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani nämlich mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration IOM werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um Schmiergelder zu zahlen, wurden in einigen Fällen inhaftiert (ÖB 12.2020). Nach einem anderen Bericht werden Personen, die bei der Ausreise gegen diese gesetzlichen Bestimmungen verstoßen haben und in Haft genommen wurden normalerweise nach einigen Tagen bei Bezahlung einer Strafe entlassen. Personen, die aufgrund eines Verbrechens in Pakistan gesucht werden oder im Ausland eine schwere Straftat begangen haben, werden verhaftet oder müssen sich regelmäßig bei der Polizei melden. In den meisten Fällen geschieht die Ausreise aus Pakistan mit gültigen Reisepapieren (DFAT 25.1.2022). Dem deutschen Auswärtigen Amt ist kein Fall bekannt, in dem aus Deutschland abgeschobene pakistanische Staatsangehörige inhaftiert wurden. Aus Ländern wie der Türkei und aus den Staaten der Europäischen Union finden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan statt (AA 8.8.2022).
Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. das European Return and Reintegration Network (ERRIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 8.8.2022). Dieses wird von einer NGO in Pakistan durchgeführt und bietet freiwillig und zwangsweise rückgeführten Personen Wiedereingliederungshilfe an, abhängig von ihrer Berechtigung, die von dem jeweiligen europäischen Land festgelegt wird. Einige Organisationen helfen bei der Gründung von Kleinunternehmen, indem sie finanzielle Unterstützung für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, in Form von Krediten oder Mikrokrediten unterstützen, z.B. die KASHF-Stiftung oder die Jinnah Welfare Society (IOM 30.3.2021).
Das IOM Landesbüro für Österreich implementiert aktuell kein Programm zur unterstützten freiwilligen Rückkehr nach und Reintegration in Pakistan. Menschen, die aus Österreich freiwillige nach Pakistan zurückkehren möchten, können sich für das Reintegrationsprogramm von Frontex (Joint Reintegration Services/JRS) anmelden. Im Falle der Bewilligung stehen folgende Reintegrationsmaßnahmen zur Verfügung: Post-Arrival Paket zur Abdeckung des unmittelbaren Bedarfs nach der Rückkehr (z.B. für Flughafenunterstützung, Weiterreise, Unterkunft für die ersten 3 Tage sowie medizinische Unterstützung nach der Ankunft). Reintegrationspaket im Wert von 2.000 Euro für den Hauptantragsteller sowie im Wert von 1.000 Euro für jedes weitere Familienmitglied (IOM 24.1.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.3.2023
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067350/country-information-report-pakistan.pdf, Zugriff 7.1.2023
IOM - International Organization for Migration (24.1.2023): Re: Anfrage zu Pakistan, E-Mail
IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): Information on the socio-economic situation in Pakistan, per E-Mail
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 10.3.2023
Dokumentensicherheit
Letzte Änderung 2023-04-12 16:07
Für eine Beschreibung der wichtigsten Arten der Identitätsnachweise sowie der Registrierungsprozesse siehe Kapitel Registrierungswesen. Dokumentenfälschungen sind in Pakistan ein weitverbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten. Um gefälschte Dokumente zu erlangen, werden meist Bestechungsgelder bezahlt und/oder politischer Einfluss bzw. Kontakte von Familie und Freunden genutzt. Manche Dokumente sind sogar online oder in Märkten erhältlich. Folgende Dokumente werden regelmäßig gefälscht: Zeugnisse, akademische Titel, Empfehlungsschreiben, Geburts-, Todes-, Heirats- und Scheidungsurkunden, finanzielle Belege/Bestätigungen bzw. Kontoauszüge, Besitzurkunden, polizeiliche Dokumente (u.a. First Information Reports / FIRs), Einreise- und Ausreisestempel in Reisepässen sowie ausländische Visa. Überprüfungen treffen auf Herausforderungen. Vielfach sind Dokumente zwar nicht komplett gefälscht, aber wurden nicht ganz richtig ausgestellt; von verspäteten Eintragungen oder Änderungen sollte z.B. von den Behörden eine Kopie gemacht werden, was nicht immer der Fall ist. In manchen Städten (insbesondere in Gujranwala, Gujrat und Sialkot) kennen die zuständigen Beamten die zu überprüfenden Personen und nehmen Bestechungsgelder an. Darüber hinaus werden mitunter auch vermeintlich echte und in die Register eingetragene Urkunden ausgestellt, die jedoch inhaltlich nicht oder nur zum Teil richtig sind (z.B. Heiratsurkunden) (ÖB 12.2020).
Die Zahl der vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten antragsbegründenden Unterlagen ist sehr hoch. Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, einen fiktiven Standesfall (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf Basis dieser Eintragung eine formal echte Urkunde ausgestellt zu bekommen. Ebenso leicht lassen sich Verfälschungen einzelner Fakten tatsächlicher Personenstandsfälle (z.B. Geburtsdatum) in den Personenstandsregistern erreichen, um damit echte standesamtliche Urkunden zu erhalten, deren Inhalt der tatsächlichen Faktenlage nur teils entspricht. Merkmale auf einigen modernen Personenstandsurkunden zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können so mühelos unterlaufen werden. Die Passbehörden haben mit dem Aufbau eines zentralen Passregisters unter Erfassung einzelner Biometrie-Merkmale und der Einführung fälschungssicherer Reisepässe die Fälschung von Pässen theoretisch deutlich erschwert. Die eingebauten Sicherheitssysteme versagen allerdings, da sie bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte unterlaufen werden können. Im Übrigen zirkulieren aufgrund der Urkundenproblematik zahlreiche echte Identitätsdokumente falschen Inhalts (AA 8.8.2022).
Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. FIR) dann formal echt sind. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder dank Beziehungen veröffentlichen zu lassen. Auch ist es möglich, religiöse Fatwen gegen sich selbst fälschen oder erstellen zu lassen (AA 8.8.2022).
Quellen:
_ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2 077279/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrele vante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2022%29%2C_08.08.2022.pdf, Zugriff 18.8.2022
_ ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 12.1.2023
Individuell
Der nachfolgend zitierten Quelle ist zu entnehmen, dass in Lahore – die zweitgrößte Stadt Pakistans –, in der Provinz Punjab, in der Einrichtung „Doctors Hospital and Medical Center“ folgende Behandlungen verfügbar sind (AVA 18295):
• stationäre und ambulante Behandlung sowie Nachsorge durch einen Facharzt für Innere Medizin (Internist);
• stationäre und ambulante Behandlung sowie Nachsorge durch einen plastischen Chirurgen;
• stationäre und ambulante Behandlung sowie Nachsorge durch einen Chirurgen;
• stationäre und ambulante Behandlung sowie Nachsorge durch einen Orthopäden/orthopädischen Chirurgen;
• ambulante Behandlung und Nachsorge durch den Hausarzt/ Allgemeinmediziner.
Alle angefragten Wirkstoffe sind verfügbar außer Metamizol. Alternativ zum angefragten Wirkstoff Metamizol ist der Wirkstoff Ibuprofen aus derselben Medikationsgruppe verfügbar (AVA 18295).
Die Kosten für die Wirkstoffe bzw. Behandlungen/Untersuchungen/Laborleistungen etc. entnehmen Sie bitte dem PDF ACC 8011. [Anm: der Preis für den Wirkstoff Ibuprofen ist dem PDF ACC 7775 zu entnehmen.]
Für sehr arme Patienten werden die Kosten in öffentlichen Einrichtungen vollständig vom Pakistan Bait-ul-Mal (PBM)-Programm übernommen. Patienten, die Anspruch auf das Punjab Sehat Sahulat-Programm haben, erhalten die verschriebenen Arzneimittel während der stationären Behandlung in öffentlichen Krankenhäusern und fünf Tage lang nach der Entlassung kostenlos. Patienten, die keinen Anspruch auf das Pakistan Bait-ul-Mal- oder das Punjab Sehat Sahulat-Programm haben, zahlen aus eigener Tasche.
Für sehr arme Patienten werden die Kosten in öffentlichen Einrichtungen vollständig vom PBM-Programm übernommen. Für andere Bevölkerungsgruppen werden die ambulanten Gebühren sowohl in öffentlichen als auch in privaten Einrichtungen von den Patienten aus eigener Tasche bezahlt. Für Patienten, die für das Punjab Sehat Sahulat Programm in Frage kommen, werden die stationären Kosten in öffentlichen Krankenhäusern vollständig übernommen. In privaten Krankenhäusern übernimmt das Punjab Sehat Sahulat Programm 50 % der stationären Kosten, während 50 % aus eigener Tasche gezahlt werden müssen. Patienten, die keinen Anspruch auf PBM oder das Punjab Sehat Sahulat Programm haben, zahlen die stationären Behandlungen aus eigener Tasche (ACC 8011).
Quelle: BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Pakistan: Chronische Entzündung des Knochenmarkes, 8. Februar 2024 https://www.ecoi.net/en/file/local/2113227/PAKI_RF_MEV_Chronische Entzündung des Knochenmarkes_2024_08_02_KEM.odt [Zugriff am 2. April 2025]
In Pakistan tritt mit Shehbaz Sharif wieder ein Vertreter einer Polit-Dynastie an die Staatsspitze. Die Entscheidung für den 72-Jährigen ist eine weitere Überraschung nach der umstrittenen Parlamentswahl vor drei Wochen.
Das Parlament in Pakistan hat den ehemaligen Premierminister Shehbaz Sharif zum neuen Regierungschef gewählt. "Shehbaz Sharif ist der erklärte Premierminister Pakistans", sagte der Sprecher der Nationalversammlung im Fernsehen. Sharif setzte sich mit 201 zu 92 Stimmen gegen seinen Rivalen Omar Ayoub Khan durch, der vom inhaftierten Ex-Premier Imran Khan und dessen Oppositionspartei PTI gestützt wurde.
Sharifs Partei, die Muslimliga PML-N, führt eine Koalition mit der Volkspartei PPP um Ex-Außenminister Bilawal Bhutto Zardari und mehreren Kleinparteien an.
Quelle: ARD, Tagesschau, Nach ParlamentswahlShehbaz Sharif ist neuer alter Premier Pakistans,Stand: 03.03.2024 13:18 Uhr, Ex-Premier Shehbaz Sharif tritt erneut an die Spitze Pakistans | tagesschau.de
2. Beweiswürdigung:
2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.
Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
2.2. Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, familiäre und private Verhältnisse des BF in seinem Heimatland) ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen insoweit weitgehend gleichbleibenden, nachvollziehbaren und damit glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde und aus seinen Sprach- und Ortskenntnissen.
Zur Identität des BF ist anzuführen, dass mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments oder sonstigen Bescheinigungsmittels diese nicht feststeht. Soweit dem BF im Asylverfahren ein Name zugeschrieben wird, dient dies daher als Zuordnung einer Verfahrensidentität, nicht jedoch als Identitätsfeststellung für den allgemeinen Rechtsverkehr.
Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass der BF nach der mündlichen Beschwerdeverhandlung eine Kopie seines pakistanischen Reisepasses vorlegte. Jedoch kann anhand einer Kopie eines Identitätsdokumentes deren Echtheit nicht überprüft werden. Der BF wurde ausdrücklich vor dem BVwG darauf hingewiesen, den Reisepass im Original vorzulegen. Der BF war ebenso damit einverstanden, dass sein Reisepass vorläufig zur Echtheitsüberprüfung und Übersetzung einbehalten werde. Die Nichtvorlage seines Reisepasses unterstreicht sein bisheriges Verhalten in Österreich. Der BF setzt bewusst Handlungen, um etwaige aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu vereiteln und kommt seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht nach. Dies erschüttert auch wesentlich seine Glaubwürdigkeit seiner Angaben an sich. Der BF versucht offenbar bestimmte Umstände zu verschleiern. Hätte der BF doch auch mit der Vorlage seines Reisepasses seine behauptete freiwillige Rückkehr nach Pakistan unter Umständen, d.h. sofern ein Ausreisestempel für seine legale Ausreise vorliegt, beweisen können.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus den unwiderlegten Angaben des BF. Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der BF im Wesentlichen vor der belangten Behörde als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er gesund sei. Daraus ergibt sich auch die Arbeitsfähigkeit des BF.
Wann der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ist in einer unbedenklichen Urkunde (Niederschrift des BFA vom 04.02.2024) dokumentiert und unstrittig. Dass der BF zuvor rechtmäßig im österreichische Bundesgebiet aufhältig war bzw. aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt wurden, geht aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt zu Zahl XXXX bzw. XXXX hervor.
Dass der BF Ende 2021 nachdem er Österreich verließ nach XXXX weiterreiste, ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes durchaus nachvollziehbar. Der BF wollte hiermit einer möglichen Abschiebung von Österreich nach Pakistan entgehen. Dass der BF jedoch lediglich 1-2 Wochen in XXXX aufhältig war und dann freiwillig nach Pakistan zurückkehrte, ist nicht irgendwie verständlich. Gegenüber dem Bundesamt setzte der BF vor seiner Ausreise nach XXXX stets ein Verhalten, welches aufzeigte, dass er bei der Erlangung von Reisedokumenten zwecks Rückkehr nach Pakistan nicht mitwirken wolle. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (kurz: BVwG) vom XXXX GZ: XXXX wurde der BF verpflichtet in sein Heimatland zurückzukehren. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde dem BF die Mitwirkung zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes aufgetragen. Der BF kam dieser Aufforderung nicht nach, schlussendlich wurde der BF am 12.05.2021 festgenommen, da er seiner Verpflichtung im Verfahren nicht nachkam. Die angedrohte Haft wurde vollstreckt. Am 16.09.2021 wurde der BF neuerlich einvernommen. Danach nahm der BF keinen Kontakt mit dem BFA auf und erfolgte im Oktober 2021 eine Abmeldung des BF an der Meldeadresse, da sein Aufenthalt unbekannt war. Der BF hat sich folglich dem Verfahren zur Vollziehung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewusst entzogen. Somit versuchte der BF offenbar eine Heimreise in sein Heimatland zu verhindern. Warum der BF schlussendlich in XXXX nach so kurzer Zeit den Entschluss fasste, nach Pakistan zurückzukehren, erschließt sich dem Gericht nicht. Folgt man den Angaben des BF wäre er zudem lediglich 5 Monate in Pakistan aufhältig gewesen und sei erneut illegal von Pakistan ausgereist und sei dann in XXXX und XXXX aufhältig gewesen. Da der BF weder für seine Heimreise noch für seine erneute Ausreise aus Pakistan Beweismittel vorweisen konnte, geht das Gericht davon aus, dass der BF nach seiner Ausreise aus Österreich durchgehend in XXXX und XXXX aufhältig war und nicht in sein Heimatland zurückkehrte.
Die Feststellungen zur Heirat bzw. Scheidung des BF von einer österreichischen Staatsbürgerin sowie die Gewährung eines Aufenthaltstitels lässt sich anhand des Verwaltungs- und Gesichtsaktes Zahl XXXX bzw. XXXX und den darin befindlichen Unterlagen vor allem den Stellungnahmen des BF treffen.
Der Umstand, dass der BF in Österreich strafgerichtlich verurteilt wurde, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , welches sich Verwaltungsakt Zahl: XXXX befindet.
Die Sachverhaltsfeststellungen zum Verlauf des aufenthaltsbeendenden Verfahrens und damit im Zusammenhang stehenden Bemühungen ein Ausreisedokument zu beantragen, stützen sich auf die getroffenen Feststellungen im gegenständlichen Bescheid des BFA sowie dem Verwaltungsverfahrens- sowie Gerichtsakt zu Zahl XXXX bzw. XXXX .
Dass der leibliche Sohn des BF sich in Österreich aufhält und deren Beziehung ergeben sich aus den Angaben des BF, seinen Stellungnahmen, den Feststellungen im Verfahren zu XXXX und der Entscheidung zum Antrag auf begleitende Besuchskontakte Zl. XXXX . So geht zweifelsfrei aus einem im Verfahren zum Antrag auf begleitende Besuchskontakte erstellten psychologischen Gutachten hervor, dass der BF keinerlei Einsicht in sein früheres problematisches Verhalten zeigt und der Mutter die Schuld für allfällige Probleme zuschiebt. Der Sohn des BF leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung. Diese vorhandene, ausgeprägte Entwicklungsstörung verkennt der BF und meint, dass dies nur vorgespielt sei. Es wurde zudem eine deutliche Einschränkung der allgemeinen Erziehungsfähigkeit beim BF festgestellt. Darauf folge, dass der BF in seiner speziellen Erziehungsfähigkeit in Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse seines Sohns (dieser erhält derzeit Pflegegeld der Stufe 4) ebenfalls beeinträchtig ist und nicht ausreichend in der Lage ist, dessen Wohl in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und Handlungen zu stellen. Der BF ist seinem Sohn völlig fremd. Aufgrund der besonderen Betreuungsanforderungen des Sohnes sei es wichtig zusätzliche Stressfaktoren zu vermeiden, wie es etwa Besuchskontakte zum Vater mit sich bringen. Die Ex-Frau des BF könnte dem gemeinsamen Sohn aufgrund ihrer massiven Ängste in dessen Beziehung zum BF nicht unterstützen und wäre vielmehr eine Retraumatisierung der Ex-Frau und des Sohnes des BF zu befürchten.
Dass sich der BF in keiner Lebensgemeinschaft befindet, war aufgrund seiner eigenen glaubhaften Aussagen festzustellen.
Der nicht in Anspruch genommen Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber, die Feststellungen zur nicht bestehenden Arbeitstätigkeit, zum Arbeitsvorvertrag, zur Unterstützung durch einen Freund und Vereinsmitgliedschaft, sind einem aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes, einem aktuellen Sozialversicherungsauszug, einem vorgelegten Arbeitsvorvertrag in Kopie und den unwiderlegten Angaben des BF zu entnehmen.
Die Deutschkenntnisse des BF (Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau A2) wurden bereits im Verfahren zu XXXX festgehalten. Weitergehende Kursbesuche bzw. Zertifizierungen wurden vom BF nicht dargetan oder belegt.
2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges – handelt. Es wurde dazu die Sammlung von verfügbaren Informationen und die Auswertung von vorhandenen oder zu sammelnden Informationen (Länderinformationsblätter (LIB)) seitens der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, herangezogen. Die allgemeinen länderkundlichen Feststellungen resultieren aus verschiedenartigen, objektiven Quellen, die inhaltlich miteinander in Einklang stehen.
Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht herangezogenen länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat können zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben, sind jedoch als so umfassend zu qualifizieren, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Der BF ist den im Verfahren verwendeten Quellen bzw. den Berichten nicht qualifiziert entgegengetreten.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht die schwierige Sicherheitslage in Pakistan und dass das zentrale Problem für die innere Sicherheit Pakistans die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt. Pakistan konnte ab 2014 bedeutenden Erfolg in seiner Terrorbekämpfung aufweisen. Sie führten zu einer verbesserten allgemeinen Sicherheitslage, die allerdings aktuell wieder vor Herausforderungen steht (PIPS 10.1.2024). Konstante Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte und polizeilichen Anti-Terrorabteilungen, darunter die groß angelegten Militäroperationen Zarb-e-Azb, Khyber I-IV und Radd-ul-Fasaad sowie einige Anti-Extremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, NAP, trugen zu einem kontinuierlichen Rückgang terroristischer Anschläge von 2009 bis 2020 - mit Ausnahme des Jahres 2013 - bei (PIPS 15.6.2021). Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vgl. PIPS 24.2.2023). Ab Mitte 2020 kam es zu einem Wiederaufleben jihadistischer militanter Gruppen in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur in Khyber Pakhtunkhwa (FES 12.2020). Der Regimewechsel in Afghanistan hat diese Gruppen bekräftigt. Dies wird besonders in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sichtbar (PIPS 4.1.2022; vgl. CRSS 19.5.2023).Auf den Anstieg der terroristischen Gewalt reagierten die Streitkräfte mit geheimdienstlichen Operationen, der Fortführung der Operation Radd-ul-Fasaad und in den Grenzregionen mit der Stationierung regulärer Armeetruppen (EASO 10.2021).
Auf Grundlage dieser Länderberichte kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in ganz Pakistan gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich in Pakistan aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist.
Seit vielen Jahren ist sichtbar, dass die terroristische Gewalt hauptsächlich auf Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa konzentriert bleibt (PIPS 4.1.2022). Regional aufgeschlüsselt betrafen im Jahr 2023 93 Prozent aller Anschläge in Pakistan diese beiden Provinzen.
Der BF stammt aus der Provinz Punjab. Die Sicherheitslage im Punjab ist als relativ gut einzustufen. 2023 verzeichnete Punjab einen Anstieg auf sechs Anschläge mit 16 Toten. Allerdings war mit elf Toten die überwiegende Mehrheit der Todesopfer unter den Terroristen auszumachen. Das geht unter anderem darauf zurück, dass Angriffe auf Militäreinrichtungen abgewehrt werden konnten. Drei Mitglieder der Sicherheitskräfte und eine Zivilistin fielen 2023 Anschlägen zum Opfer sowie ein Sikh einem gegen diese Minderheit gerichteten Schusswaffenattentat (PIPS 10.1.2024). Im Jahresvergleich verzeichnete PIPS für den Punjab 2022 drei Anschläge, die sechs Menschenleben forderten (PIPS 24.2.2023), 2021 fünf Anschläge mit 14 Toten. Ein Anschlag 2021 war konfessionell motiviert und richtete sich gegen Schiiten während einer Ashura-Prozession (PIPS 4.1.2022). Das Pakistan Institute for Conflict and Security Studies, PICSS, als Vergleichsquelle, zählte für den Punjab 2023 14 Anschläge mit 20 Toten, davon ebenfalls überwiegend Terroristen mit 14, vier Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten (PICSS 1.1.2024).
In einer Gesamtbetrachtung muss festgehalten werden, dass die Bemühungen des Militärs und der Strafverfolgungsbehörden dazu geführt haben, dass die gegenwärtige Lage im Punjab als stabil anzusehen ist. Dass es zu terroristischen Anschlägen kommt, wird nicht verkannt. Das erkennende Gericht hält aber in diesem Zusammenhang fest, dass die allgemeine Sicherheitslage in Punjab nicht dergestalt ist, dass die Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass der BF tatsächlich Opfer willkürlicher Gewalt wird.
Sofern der BF eine Rückkehr aufgrund der von ihm behaupteten Probleme in seiner Heimatregion für unmöglich erachtet, wird festgehalten, dass sich der BF selbst bei Wahrheitsunterstellung seiner Angaben aufgrund der Bewegungsfreiheit in Pakistan durch Verlegung seines Lebensmittelpunktes einer behaupteten Verfolgung entziehen kann.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass anhand der aktuellen bzw. im Verfahren miteinbezogenen Berichtslage feststeht, dass es für Angehörige aller Gruppen die Möglichkeit gibt in Städten, vor allem den Großstädten wie Karatschi, Islamabad oder Lahore aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande zu leben, dies gilt auch für potentiell Verfolgte.
Es steht dem BF bspw. sich in Islamabad niederzulassen. Zur Sicherheitslage in Islamabad ist auszuführen, dass die Sicherheitslage in Islamabad nach der Berichtslage relativ gut ist. 2023 verzeichnete PIPS keinen Anschlag in Islamabad (PIPS 10.1.2024; vgl. PIPS 18.1.2024a). Für 2022 verzeichnete das Institut zwei Anschläge, beide gegen Sicherheitskräfte, in denen zwei von diesen sowie drei Terroristen getötet wurden (PIPS 24.2.2023). Im Jahr 2021 war Islamabad ebenfalls von zwei Terroranschlägen betroffen, drei Menschenleben fielen diesen zum Opfer (PIPS 4.1.2022). CRSS berichtet in einer ersten Auswertung fünf Sicherheitsvorfälle [Anm.: Sicherheitsoperationen oder Terroranschläge] in Islamabad 2023 ohne Tote (CRSS 31.12.2023). In seiner vertiefenden Auswertung für das Jahr 2022 registrierte es für Islamabad sieben Anschläge mit fünf Toten (CRSS 19.5.2023). PICSS zeichnete für Islamabad einen Anschlag auf (PICSS 1.1.2024).
Im Vergleich zu anderen Regionen in Pakistan muss Islamabad als vergleichsweise sicher eingestuft werden. Dass Islamabad im Luftweg erreichbar ist, muss als notorisch angesehen werden (siehe diesbezüglich http://www.islamabadairport.com.pk/).
Dass der BF derart exponiert sei, dass jene Personen, von denen die Gefahren ausgehen, über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass es sich beim BF um eine "high profile" Person (u.a. reiche Geschäftsmänner, Akademiker, westliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angehörige von Militärs) handelt oder er über einen überregionalen Bekanntheitsgrad verfügt.
Werden die Themenbereiche Grundversorgung, wirtschaftliche Lage, medizinische Versorgung in Pakistan betrachtet, so ist zwar anzumerken, dass in diesen Bereichen einzelne Missstände vorliegen, außer Acht darf jedoch nicht gelassen werden, dass kontinuierlich Verbesserungen stattfinden bzw. Maßnahmen ergriffen werden, um mögliche unerträgliche Aspekte hintanzuhalten. Die allgemeine Lage in diesen Bereichen ist zudem nicht dergestalt, dass grundsätzlich eine derart unerträgliche Situation vorherrscht, die dazu führt, dass ein Rückkehrhindernis für den BF zu bejahen ist. So geht aus der Berichtslage hervor, dass die Grundversorgung in Pakistan gewährleistet ist. Pakistan weist eine gemischte Wirtschaft auf, in der Firmen in staatlichem Eigentum für einen großen Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich sind. Früher überwiegend landwirtschaftlich geprägt, hat sich die Wirtschaft deutlich diversifiziert. Der Handels- und Dienstleistungssektor ist stark gewachsen und trägt heute den größten Anteil an der Wirtschaftsleistung. Die Wirtschaftsleistung schneidet im Vergleich mit vielen anderen Entwicklungsländern gut ab, und Pakistan kann die letzten Jahrzehnte eine solide Wachstumsrate vorweisen. Der kräftige Aufschwung nach der Pandemie kam 2023 zum Stillstand. Die Wirtschaft ist im Fiskaljahr 2023 geschrumpft, nachdem sie zwei Jahre in Folge ein starkes Wachstum verzeichnet hatte. Zur Verringerung der Armut wurden zahlreiche Projekte ins Leben gerufen. Eine medizinische Grundversorgung ist grundsätzlich gegeben. Pakistan verfügt über einige Programme zur Unterstützung Arbeitsloser. Diese beinhalten z.B. eine bezahlte Weiterbildung, die Förderung von Geschäftsgründungen oder auch Programme zur Anstellung im staatlichen Sektor (ILO 1.9.2021). Weiterbildungs- und Berufsausbildungseinrichtungen der pakistanischen Regierung wie die National Vocational Technical Education Commission (NAVTEC) oder die Technical Education and Vocational Training Authorites (TEVTA) der jeweiligen Provinzregierungen des Punjab, des Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistans bieten eine Vielzahl von Kursen an. Abgedeckte Bereiche sind z.B. IT, Autoelektrik, Motorradmechanik oder Stickerei, Schneiderei und Kosmetik (IOM 22.3.2023; vgl. TVET o.D.a). Die wichtigste Maßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt ist das National Vocational Educational Technical Sector Support Programme (TVET-Reform). Das Programm hat zum Ziel die Lücke zwischen dem Bedarf am Arbeitsmarkt und der Ausbildung zu schließen und den Zugang, die Qualität und die Treffsicherheit der technischen und beruflichen Ausbildung zu verbessern. Eine wichtige Säule des Programms ist die Reintegration von Rückkehrern (IOM 22.3.2023; vgl. TVET o.D.a).
In öffentlichen Krankenhäusern kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, diese sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 8.8.2022).
Dass der BF durch individuelle Umstände in diesen Bereichen direkt betroffen ist, brachte er nicht vor. Zu bedenken ist ebenso in diesem Zusammenhang, dass der BF ein arbeitsfähiger Mann ist, der bei seiner Rückkehr wenn auch zumindest vorübergehend seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten bestreiten kann. Zudem könnte der BF Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen bzw. mit Unterstützung seiner in Pakistan lebenden Schwester rechnen. Unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation kann seitens des erkennenden Gerichtes nicht erkannt werden, dass der BF seine Existenz nicht sichern könnte.
Es muss auch in Betracht gezogen werden, dass es bei einem Land wie Pakistan mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen, de facto unmöglich ist, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das ho. Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.
2.4. Das Vorbringen des BF – er unterliege in Pakistan einer Verfolgung durch Privatpersonen bzw. Anhänger der Taliban bzw. würde kein staatlicher Schutz gewährt werden – wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens für unglaubwürdig erachtet.
Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden.
Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 3 AsylG bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen.
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Der BF wurde im Rahmen des Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.
Der BF konnte ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert und glaubhaft geltend machen.
2.5. Vorweg darf darauf hingewiesen werden, dass der Annahme im Beschwerdeschriftsatz, die belangte Behörde habe es unterlassen sich mit dem Vorbringen des BF auseinanderzusetzen und ihn hierzu unzureichend befragt zu haben, nicht gefolgt wird. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den BF im gegenständlichen Asylverfahren unter anderem ausführlich dahingehend einvernommen, aufgrund welcher Gründe er seine Heimat verlassen habe. Dem BF wurde die Möglichkeit eingeräumt, seine Angaben zu erklären bzw. sonstige Aussagen zu tätigen. Dazu wurde der BF vom zuständigen Referenten des BF eingehend befragt. Es konnten diesbezüglich jedenfalls keine Versäumnisse der belangten Behörde festgestellt werden. Das Bundesamt für Fremdwesen und Asyl hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und den BF mit wesentlichen und verfahrensrelevanten Fragen konfrontiert.
Soweit in der Beschwerde moniert wird, dass das BFA Recherchen zu seinen Fluchtgründen im Heimatland anstellen hätte müssen, wenn seine Aussagen bezweifelt werden, ist auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen. Eigene hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat stehen grundsätzlich allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegen (vgl. VwGH 5.8.2019, Ra 2019/20/0307; vgl. näher zu Ermittlungen im Herkunftsstaat VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100 und 0101). Zudem sind ergänzende Erhebungen – hier Erhebungen vor Ort - nur dann durchzuführen, wenn der Sachverhalt bezüglich der entscheidungsrelevanten Fragen nicht als geklärt anzusehen ist. Im Falle des BF wurde dem BF seitens der belangten Behörde aufgrund seiner Angaben insgesamt die Glaubwürdigkeit abgesprochen und folgt das Gericht dieser Ansicht (siehe nachstehende Ausführungen), sodass keine derart spezielle Situation gegeben war, welche weitere konkrete Erhebungen erforderlich machen würde. Zudem würden derartige Erhebungen lediglich nur der Verzögerung des Verfahrens dienen, zumal seitens des BF auch nicht konkret dargelegt wurde, welcher Teil seines Vorbringens - seiner Meinung nach - noch einer Überprüfung im Heimatland bedürfte.
Der diesbezügliche Antrag des BF – einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Pakistan und den spezifisch vom BF vorgebrachten Punkten befasst - war daher abzuweisen.
Im Übrigen käme dies auch einem Antrag auf einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis gleich. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht nicht iSd §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).
Der Beschwerdeführer brachte – auf das Wesentliche zusammengefasst und ohne an dieser Stelle auf Ungereimtheiten und Implausibilitäten Bedacht zu nehmen – in der behördlichen Einvernahme und vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass seine nunmehrige Ex-Frau gegen den BF in Österreich eine Falschanzeige erstattet habe. Daraufhin sei er in Haft gewesen. Als er nach Pakistan zurückkehrte, sei der BF vom Bruder seiner Ex-Frau, der Anhänger der Taliban sei, gefangen genommen, gefoltert und bedroht worden. Als es zu einer Eskalation zwischen den Taliban bzw. zu einer Schießerei kam, habe er flüchte können.
Diese Ausführungen folgen zwar in groben Zügen denselben Handlungsabläufen, sie sind jedoch in einigen Punkten widersprüchlich, implausibel, nicht stringent und somit in einer Gesamtschau nicht glaubhaft. Es stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer nicht tatsächlich Erlebtes, sondern ein gedankliches Konstrukt berichtete, und dabei nicht in der Lage war, dieses durchgehend schlüssig und widerspruchsfrei wiederzugeben.
Der BF hat mit seinem Sachvortrag vor der belangten Behörde das Gericht nicht davon überzeugt, dass er in Pakistan aufgrund seiner Verurteilung in Österreich bzw. des dahingehenden strafrechtlichen Verhaltens verfolgt wurde bzw. von einer solchen Verfolgung bedroht war.
Der Sachvortrag des BF vor dem BFA war in der Gesamtheit betrachtet als äußerst vage und detailarm zu bewerten. Der BF verblieb im Zuge seiner freien Fluchtgrundschilderung in wesentlichen Punkten unsubstantiiert. Insbesondere nutze der BF nicht die Gelegenheit, seine Festnahme sowie Entführung, Bedrohung und Folter durch den Bruder seiner Ex-Frau lebensnah zu erzählen. Weder wurden konkrete Zeitpunkte, die beteiligten Personen noch die konkreten Handlungsabläufe nachvollziehbar dargelegt. So erwähnte der BF bspw. nicht, wie es dazu kam, dass er in der Stadt XXXX vom Bruder seiner Ex-Frau ausfindig gemacht werden konnte bzw. wo er sich konkret befand, als er mitgenommen wurde. Der BF sprach davon, dass noch weitere Personen daran beteiligt waren. Wie viele es waren, ob er diese Personen kannte, wie sich diese an der Entführung des BF beteiligten, gab der BF nicht bekannt. Der BF schilderte, dass er vom Bruder seiner Ex-Frau gefoltert und bedroht wurde. Diese Aussage beschränkte sich im Wesentlichen auf eine pauschale, unspezifische Darstellung. Der BF zeigte nicht auf, dass er unmittelbar betroffen war, indem er gegebenfalls Aussagen des Bruders des BF erwähnte, inwiefern er misshandelt wurde, was der Bruder seiner Ex-Frau ihm vorwarf, etc..
Der BF stellte einzelne Vorfälle in den Raum ohne Einzelheiten, wie Angaben zum konkreten Ablauf der Entführung und Flucht, konkrete örtliche Angaben, den beteiligten Personen, seine Gefühle, etc. darzulegen. Der BF gab bspw. vor dem BFA zu seiner Flucht an: „Ich brach das Fenster auf und flüchtete, niemand sah mich. Die mich festgehalten haben, hatten einen Streit untereinander und sahen mich nicht.“ Wo der BF festgehalten wurde, wie es ihm gelang das Fenster aufzubrechen, wie er davon Kenntnis erlangte, dass anwesende Personen einen Streit hatten, wie sich sein weiterer Fluchtweg gestaltete, Derartiges gab der BF nicht an.
Generell gilt, dass ein Asylwerber in der Regel über tatsächlich erlebte Ereignisse lebhaft und spontan berichten kann. Es ist zwar zweifelsohne zu bedenken, dass es gute Gründe dafür geben mag, dass sich ein Antragsteller nicht alle Einzelheiten eines bestimmten Ereignisses ins Gedächtnis zurückrufen kann, jedoch zeichnet sich eine Schilderung von Erlebten im Allgemeinen durch ganz persönliche, individuelle Umstände und die Art und Weise, in der ein Ereignis erfahren und zum Ausdruck gebracht wird, aus.
Im gegenständlichen Fall entstand beim Gericht der Eindruck, dass der BF zur Situation deshalb nicht mehr sagen konnte oder wollte, weil es sich um keine realen Erlebnisse handelte.
So gab der BF beispielweise auf die Aufforderung des Referenten, die vom BF geschilderte Folter mit sämtlichen Details zu schildern an: „Sie schlugen mich mit den Händen und mit einem Holzstück. Ich musste auf Eis liegen. 10 – 15 Minuten auf Eis liegen. Sie holten das Eis von irgendwo. Das ist alles.“
Konkrete Umstände, wie, wo sich die Folterungen/Misshandlungen ereigneten, welche Personen den BF schlugen, welche Verletzungen der BF davontrug, wie die Misshandlungen endeten, etc. wurden vom BF in keinster Weise vorgebracht. Wäre der BF tatsächlich gefoltert worden, wäre es naheliegend gewesen, dass der BF vor der belangten Behörde die Gelegenheit nutzt, um diese Vorfälle detailliert, lebensnah und konkret darzulegen.
Zudem ist auffällig, dass der BF auch nach seiner freien Fluchtgrundschilderung vor dem BFA nicht die Gelegenheit nutze, weitere Details anzuführen. Der BF wurde vom Referenten des BFA ausdrücklich befragt, ob er bezüglich seiner Gründe für das Verlassen seines Herkunftslandes etwas hinzufügen möchte, der BF verneinte.
Auch im Zuge der Beschwerdeverhandlung versuchte der BF mögliche bzw. vermeintliche Detailarmut seines Vorbringens beim BFA nicht zu erklären bzw. durch einen entsprechenden Sachvortrag zu erläutern. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung dahingehend befragt, ob er bezüglich seiner Angaben vor der belangten Behörde etwas angeben, ändern oder hinzufügen möchte. Der BF antwortete, dass alles gleich geblieben sei. Diese Aussage vor dem erkennenden Gericht verdeutlicht erneut, dass der BF nur Eckpunkte einer Bedrohung darlegen konnte, ohne dass er in der Lage war Ergänzungen zu machen, die unter Umständen seine Glaubwürdigkeit bestätigen hätten können.
Wenn im Beschwerdeschreiben erwähnt wird, dass der BF im Zuge der Einvernahme vor dem BFA aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse und seiner Traumatisierung überfordert war, kann diesem Argument nicht gefolgt werden. Der BF gab vor dem BFA an, dass er alle Fragen beantworten könne. Er sei gesund und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, Er nehme keine Medikamente ein und stehe nicht in ärztlicher Behandlung. Dass der BF durch bestimmte Umstände nicht in der Lage war, seine Fluchtgründe zu schildern, ist nicht erkennbar. Werden die Aussagen des BF vor dem BFA betrachtet, sind die Antworten des BF passend zu den gestellten Fragen. Der BF beantwortete die Fragen inhaltlich zutreffend und erfolgten diese situationsadäquat.
Wie bereits oberhalb dargelegt, geht das Gericht davon aus, dass der BF nach seiner Weiterreise nach XXXX nicht nach Pakistan zurückkehrte. Einen Nachweis über eine tatsächliche Rückkehr wurde vom BF nicht erbracht. Dem BF kann somit sein Vortrag einer Verfolgung in Pakistan nicht geglaubt werden.
Auffällig und kaum verständlich ist zudem, dass der BF befragt, warum er in Pakistan nicht Schutz bei staatlichen Behörden suchte, angab: „Dort darf keine Polizei hingehen.“ Anhand der Länderberichte wurde unzweifelhaft deutlich, dass pakistanische staatliche Stellen gegen terroristische Gewalt im gesamten Staatsgebiet Pakistans vorgehen. So reagierten pakistanische Streitkräfte auf den Anstieg der terroristischen Gewalt mit geheimdienstlichen Operationen, der Fortführung der Operation Radd-ul-Fasaad und in den Grenzregionen mit der Stationierung regulärer Armeetruppen. Dass Sicherheitskräfte in einzelne Regionen in Pakistan nicht für die Sicherheit der dortigen Personen sorgen würden bzw. nicht sorgen können, dafür gibt es keine Hinweise.
Die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des BF manifestiert sich zudem in den Ausführungen des BF bezüglich seiner strafrechtlichen Verurteilung in Österreich. Der BF versucht offenbar bewusst eine Falschdarstellung zu präsentieren, um die Verantwortung für das Tatgeschehen nicht übernehmen zu müssen. Er bestritt bei der belangten Behörde sowie vor dem Gericht jegliche Schuld. Er wies die Verantwortung für die Taten zurück und zeigte keine Einsicht in das Unrecht seines Handelns. Folgt man den Angaben seiner Ex-Frau im Verfahren zur Einräumung von begleitenden Besuchskontakten, setzen vielmehr der BF und seine Familie die Familie der Ex-Frau massiv unter Druck und belästigen diese regelmäßig, was sich seit Einbringung eines Antrages auf islamische Scheidung verstärkt habe.
Gegen eine Verfolgung gegen den BF spricht zudem der Umstand, dass der BF im Rahmen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle bzw. einer Personenkontrolle und anschließender Festnahme und Befragung einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der BF suchte somit nicht von sich aus den Schutz österreichischer Behörden, sondern stellte erst einen Asylantrag, nachdem er in Österreich kontrolliert wurde. Von einer Person, die tatsächlich Angst vor einer Rückkehr in ihre Heimat hat und bereits zuvor mit österreichischen Behörden Kontakt hatte, ist grundsätzlich zu erwarten, dass diese die erste Möglichkeit in Anspruch nimmt, um einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.
Vollständigkeitshalber ist darauf hinzuweisen, dass der BF weder vor dem BFA noch vor dem BVwG eine – wie im Beschwerdeschreiben auf Seite 2 angeführt - Verfolgung aus religiösen bzw. politischen Gründen oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vorbrachte. Der BF gab vor dem BFA unmissverständlich an, dass er keiner Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt war. Ebenso wurde weder im Beschwerdeschreiben noch in der Beschwerdeverhandlung ein entsprechendes Vorbringen erstattet.
In Anbetracht der Ungereimtheiten und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers und seiner durchwegs vagen und oberflächlichen Aussagen muss sein Vorbringen, dass er Verfolgungshandlungen in Pakistan ausgesetzt war, als nicht glaubhaft angesehen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:
„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) […]
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
[…]“
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.05.1996, 95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, 95/20/0194).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
3.1.1. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH vom 20.6.1990, 90/01/0041).
3.1.2. Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:
Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, 03/01/002).
Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).
Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen (vgl. VwGH 9.9.2003, 2002/01/0497).
Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, 95/20/0295; VwGH 20.3.1997, 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzlich ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427).
Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage gelegen ist, ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.
Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, 2001/20/0420).
Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, 95/21/0908, 6.11.1998, 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).
Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Art. 8 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtlinie); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 357 ff.
Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:
Der BF könnte - bei Wahrunterstellung seines Vorbringens - durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Pakistans, beispielsweise in Großstädte wie Islamabad einer möglichen Verfolgung entgehen. Dass staatliche Behörde so ein großes Interesse an den BF haben, dass sie ihn überall in Pakistan suchen würden, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass sie den BF überall finden könnten, dies auch angesichts der Bevölkerungsdichte des Herkunftslandes.
Im gegenständlichen Fall ist somit letztlich davon auszugehen, dass auf Grund der fehlenden Exponiertheit des BF, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans und des Fehlens eines zentralen Einwohnermeldesystems nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Gefährdung zu rechnen ist bzw. überhaupt nicht die Möglichkeit oder das Interesse besteht, den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden.
Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den BF auf Grund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der BF noch in Pakistan aufhielt.
Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem BF auf Grund der Feststellungen zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnisse auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der BF somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden, bereits durch seine Reise nach Österreich unter Beweis stellte.
Dem BF ist es zudem möglich Unterstützung durch staatliche Armutsbekämpfungsprogramme wie autonome Einrichtungen wie das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal in Anspruch zu nehmen. Das Benazir Income Support Program (BISP) ist ein auflagenfreies Geldtransferprogramm zur Armutsreduktion. Es bietet eine Reihe von Dienstleistungen für bedürftige Pakistaner an, darunter bedingungslose Bargeldtransfers, gezielte Subventionen und eine bessere Versorgung mit Gesundheits- und Nahrungsmitteln. Es gibt auch keine Hinweise, dass der BF im Notfall keine Unterstützung von seiner Familie erhalten würde.
3.1.3. Selbst wenn der Sachvortrag des BF als glaubwürdig erachtet wird, ist Folgendes in Betracht zu ziehen: Der BF stützt die Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz auf eine Bedrohung durch den Bruder seiner Ex-Frau bzw. weiterer Privatpersonen, weil der BF gegenüber seiner Ex-Frau und den Kindern gewalttätig und in Österreich strafrechtlich verurteilt wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht vermag in den Angaben des BF jedoch keine aktuelle und individuelle GFK relevante Verfolgung zu erkennen. Der BF behauptetet eine Gefährdung oder Bedrohung durch einen privaten Dritten bzw. private Dritte, wobei der Grund für diese Gefährdung oder Bedrohung keine Deckung in der GFK findet, zumal der BF seine Ausreise darauf gründeten, dass er vom Bruder seiner Ex-Frau wegen einer rein privaten Angelegenheit (Gewalt gegen die Ex-Frau und Kinder) bedroht, geschlagen und misshandelt worden sei.
Die grundlegende Voraussetzung der Gewährung von Asyl ist aber die Glaubhaftmachung einer Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, nämlich die (direkte oder indirekte) staatliche Verfolgung aufgrund bestimmter Eigenschaften des Asylwerbers (seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung wegen).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 18.11.2019, Ra 2019/18/0362, mwN).
Aufgrund der Behauptungen des BF kann über die gegenständliche Verfolgung kein Konnex zu einem asylrelevanten Ereignis hergestellt werden, zumal die vom BF geschilderten Verfolgungshandlungen unter keinen der oben genannten Konventionsgründe subsumierbar sind.
Fehlt es hinsichtlich der in Rede stehenden Verfolgungshandlung(en) an einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, so kann grundsätzlich auch dahingestellt bleiben, ob der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in der Lage oder willens wäre, ihm Schutz zu gewähren.
Im Ergebnis ist dem vom BF geschilderten Sachverhalt folglich keine Asylrelevanz beizumessen gewesen.
3.1.4. Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus. (Fakultative Wiedergabe folgender gesetzlicher Bestimmungen)
3.2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:
„§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. […],
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. […]“
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränkt.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während durch das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:
„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gemäß der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der BF vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, 95/20/0380) nicht damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
3.2.1. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, grundsätzlich arbeitsfähigen Mann, welcher über eine Schulausbildung verfügt. Eine generelle Arbeitsunfähigkeit konnte – wie oben näher dargelegt – nicht festgestellt werden.
Zudem stammt der BF einerseits aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass der BF – sofern notwendig Unterstützung seitens seiner in Pakistan lebenden Schwester, mit der im Kontakt steht, erhalten würde. Der BF stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden oder Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
Der BF könnte – immer unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens –Verfolgungshandlungen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans oder in Großstädten wie Islamabad entgehen.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse – etwa eine lebensbedrohende Erkrankung – können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
3.3. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 57 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der gegenständliche, nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte, Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im obigen Sinn. Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
3.4. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 52 Abs. 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs. 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig.
Art. 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.
Der BF heiratete am XXXX in Pakistan die österreichische Staatsangehörige XXXX , die zu diesem Zeitpunkt bereits drei minderjährige Kinder aus einer früheren Ehe hatte, nämlich ihren XXXX . Aufgrund dieser Eheschließung mit XXXX wurde dem BF vom XXXX am XXXX der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ ausgestellt und ab diesem Zeitpunkt lebte er auch im gemeinsamen Haushalt mit XXXX . Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn XXXX geboren. Am XXXX beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seines bis XXXX befristet gewesenen Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Die zuständige XXXX übermittelte diesen Antrag dem BFA zur Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) vom XXXX , GZ: XXXX , wurde dem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF zulässig sei. Es wurde zudem ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG in der Höhe von 5 Jahren erlassen, eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (kurz: BVwG) vom XXXX GZ: XXXX wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides nach dem Wort „nach“ das Wort „Pakistan“ ergänzt wird und die mit Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides verhängte Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt wird.
Am 04.02.2024 wurde der BF niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Niederschrift stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der leibliche Sohn des BF XXXX lebt in Österreich. Der Sohn des BF leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung. Der Sohn des BF lebt mit seiner leiblichen Mutter XXXX in einem Haushalt. Die alleinige Obsorge kommt der Mutter zu. Dem BF wurde am XXXX die Obsorge entzogen. Seit 2019 besteht kein Kontakt zu seinem Sohn oder seiner Ex-Frau. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde die Ehe des BF und seiner Ehefrau aus dem alleinigen Verschulden des BF geschieden. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf Einräumung von begleitenden Besuchskontakten zu seinem Sohn abgewiesen. Der BF hat zu seinem Sohn seit seiner Inhaftierung im Jahr 2019 keinen Kontakt. Nach der Entlassung aus der Strafhaft leistete der BF Unterhalt für seinen Sohn, derzeit nicht.
Der BF lebt in Österreich in keiner Lebensgemeinschaft oder Beziehung.
Der BF wird bei der Bestreitung seines Lebensunterhaltes von einem Freund unterstützt.
Der BF bezog keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.
Der BF ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Der BF verfügt über einen Arbeitsvorvertrag.
Der BF hat einen Deutschsprachkurs auf A2 Niveau besucht. Er verfügt über einfache Deutschkenntnisse.
Der BF ist in Österreich kein Mitglied in einem Verein.
Drei Brüder und eine Schwester des BF leben in Pakistan.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , wurde der BF wegen dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie dem Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn Monaten) verurteilt, wobei 12 Monate unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:
Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, müssen neben der Verwandtschaft noch weitere Umstände hinzutreten. So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). Folglich kann in diesem Zusammenhang nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen und von der konkreten Lebenssituation abhängig.
In Österreich lebt der leibliche Sohn des BF. Der BF lebt mit diesem nicht zusammen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Kinder aus einer Familienbeziehung im Sinne des Art. 8 EMRK allein auf Grund ihrer Geburt und von diesem Zeitpunkt an ipso iure Teil dieser Familie. Mit der Trennung der Eltern endet nicht automatisch das Familienleben eines der Elternteile zu seinem minderjährigen Kind. Zur Beurteilung der Frage, ob ein "Familienleben" im Sinne des Art. 8 EMRK besteht, ist im Einzelfall auf das tatsächliche Vorliegen enger persönlicher Bindungen ("close personal ties") abzustellen, wobei es insbesondere auf das nachweisliche Interesse des betreffenden Elternteiles am Kind und sein diesbezügliches Engagement ankommt (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 3. Dezember 2009, Zaunegger gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 22028/04, Rdnr. 37 und 38, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR).
Der BF stellte in Österreich einen Antrag auf Einräumung von begleitenden Besuchskontakten. Folglich ist davon auszugehen, dass der BF ein Interesse hat eine Beziehung zu seinem Sohn wieder aufzubauen.
Da somit im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben der BF zu bejahen ist, ist zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
Was das diesbezügliche Familienleben angeht, so ist darauf hingewiesen, dass spätestens seit der Inhaftierung des BF kein Familienleben mehr mit der Ex-Ehegattin besteht. Ab der vom BF gegenüber seinem Sohn, seiner Ex-Frau und der Stieftochter begangenen (teilweise versuchten) Körperverletzungen und Drohungen hat der BF seinen Sohn nicht gesehen bzw. bestand kein Kontakt. Das Landesgericht erteilte dem BF mit Beschluss die Weisung, für die Dauer der Probezeit jeglichen Kontakt zu den Opfern XXXX sowohl auf telefonischer als auch in persönlicher Form sowie über Dritte zu unterlassen, sofern dies nicht entweder durch die Opfer gewünscht ist oder durch Behörden, insbesondere durch das Jugendamt geregelt wird. Mit Schriftsatz vom 29.01.2025 beantragte der BF ihm ein persönliches Kontaktrecht einzuräumen.
Aufgrund der in der Vergangenheit festgestellten erheblichen Gewaltvorfälle, die sich auch gegen den Sohn des BF richteten, erscheint eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls bereits als wahrscheinlich gegeben. So weist das Gericht darauf hin, dass eine Gewaltproblematik, auch wenn sie in der Vergangenheit passierte, stets ein Risiko für die emotionale und körperliche Sicherheit eines Kindes darstellt. Der Schutz von Kindern hat stets Priorität. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf Einräumung von begleitenden Besuchskontakten zu seinem Sohn abgewiesen. Hier wurde sehr deutlich festgestellt, dass der Sohn des BF aufgrund seiner Erkrankung (Autismus-Spektrum-Störung) als besonders vulnerable anzusehen ist. Der BF ist hingegen in seiner Erziehungsfähigkeit deutlich eingeschränkt und verkennt die besondere Betreuungssituation seines Sohnes. Der BF zeigt auch keine Problemeinsicht bezüglich seines früheren Verhaltens. Aufgrund der besonderen Betreuungsanforderungen des Sohnes sei es wichtig zusätzliche Stressfaktoren zu vermeiden, wie es etwa Besuchskontakte zum Vater mit sich bringen. Die Ex-Frau des BF könnte dem gemeinsamen Sohn aufgrund ihrer massiven Ängste in dessen Beziehung zum BF nicht unterstützen und wäre vielmehr eine Retraumatisierung der Ex-Frau und des Sohnes des BF zu befürchten. Die Ex-Ehegattin verfügt über die alleinige Obsorge für den Sohn und bezieht für diesen Pflegegeld.
Wesentlich ist auch, dass dem Sohn des BF die Mutter als wesentliche Bezugsperson verbleibt und es dieser auch gelungen ist, während der Abwesenheit des BF die für die Lebenserhaltung erforderlichen Kosten aufzubringen. Eine allfällige materielle Unterstützung durch den BF ist im Übrigen auch aus Pakistan aus möglich. Der Sohn ist außerdem als österreichischer Staatsbürger im Wege des Sozialsystems jedenfalls in seinen Grundbedürfnissen abgesichert. Der Sohn besucht die Schule und erfährt eine adäquate Betreuung durch die Kindesmutter. Das Kindeswohl steht somit einer Rückkehrentscheidung unter dem Gesichtspunkt der Absicherung der Grundbedürfnisse des Sohnes des BF nicht entgegen.
In Anbetracht dieser Umstände erweist sich die Trennung des BF von seinem Sohn durch die gegenständliche Rückkehrentscheidung als vertretbar und im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als notwendig. Die ausgesprochene Rückkehrentscheidung ist demnach nicht dazu geeignet, einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens des BF darzustellen.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Der BF hielt sich von Dezember 2015 bis September/Oktober 2021 im österreichischen Bundesgebiet auf und verließ Österreich in Richtung XXXX . Der BF befindet sich seit zumindest 04.02.2024 erneut in Österreich. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung, die ihm aufgrund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX GZ: XXXX trifft, nicht nachgekommen. Der BF ist seiner Mitwirkung zur Erlangung von Reisedokumenten nicht nachgekommen. Der BF hielt sich seit der Entscheidung vom XXXX illegal im österreichischen Bundesgebiet auf und versuchte durch eine Weiterreise nach XXXX einer Abschiebung zu entgehen.
Der BF spricht Deutsch auf A2 Niveau. Der BF wird bei der Bestreitung seines Lebensunterhaltes von einem Freund unterstützt. Der BF verfügt über einen Arbeitsvorvertrag.
Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbrachte, dort sozialisiert wurde und zur Schule ging und erwerbstätig war, ist hingegen die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Vergleich zu seinem Lebensalter als kurz zu bezeichnen. Es ist auch davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen und er die Sprache des Herkunftsstaates beherrscht. Der BF hat zu seiner Schwester in Pakistan zudem Kontakt.
Der BF wurde in Österreich straffällig. Er zeigt bis heute keine erkennbare Einsicht in sein strafbares Verhalten. Der BF bestreitet weiterhin seine Verantwortung und zeigt keine Reflexion des rechtswidrigen Handelns. Das persönliche Verhalten des BF – er war in der Vergangenheit gegenüber schutzbedürftigen Personen (Kinder und Ex-Frau) gewalttätig- habe offenbar nicht zu einer Besserung seines möglichen zukünftigen Verhaltens geführt. Als besonders gravierend stellt die Absicht, Kinder zu bedrohen und zu verletzen, dar. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass der BF in die körperliche Integrität seines Sohnes bzw. seiner Stieftochter eingriff und diesen einen lange andauernden, insbesondere nicht nur körperlichen auch psychischen Schaden zugefügte habe.
In Anbetracht der sprachlichen, wirtschaftlichen sowie sozialen Integration relativ schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Hintanhaltung von Straftaten sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.
Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005). Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Im gegenständlichen Fall liegen im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.
3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen im Beschwerdeverfahren getroffen.
Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
3.7. Einreiseverbot:
§ 53 FPG lautet auszugsweise:
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. bis 9. […]
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. bis 9. […]
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.
3.7.1. In Spruchpunkt VII. des bekämpften Bescheides verhängte das BFA gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF.
Das BFA erachtete den Tatbestand angesichts seiner rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung als erfüllt und führte dazu weiter aus, dass aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten davon auszugehen sei, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Unter Berücksichtigung seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte hierorts sei die Erlassung des Einreiseverbots gerechtfertigt.
Dem wurde in der Beschwerde bzw. im Beschwerdeverfahren nichts Maßgebliches entgegengehalten, sondern im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der BF keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle.
3.7.2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , wurde der BF wegen dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie dem Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn Monaten) verurteilt, wobei 12 Monate unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden. Aufgrund dieses gezeigten Verhaltens (rk. Verurteilung) wurde bereits gegen den BF schlussendlich mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein befristetes Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z. 1 FPG in der Höhe von 4 Jahren erlassen.
Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Der BF verweigerte zudem die Mitwirkung zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes. Der BF wurde am 12.05.2021 festgenommen, da er der im Bescheid vom XXXX angeführten Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Die angedrohte Haft wurde vollstreckt. Im September /Oktober 2021 verließ der BF Österreich und reiste illegal nach XXXX weiter.
Das BFA konnte zurecht von der Erfüllung des Tatbestandes des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG durch das Fehlverhalten des BF ausgehen.
Zutreffend verwies das BFA auch darauf, dass es bei einer Abwägung der im gegenständlichen Fall betroffenen Interessen einer Gesamtbeurteilung des bisherigen Verhaltens des BF und seiner privaten und familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet bedarf.
Dahingehend war auch aus Sicht des BVwG über die bloße rechtskräftige Verurteilung im genannten Ausmaß hinaus auf die fehlende Übernahme der Verantwortung für das Tatgeschehen zu verweisen. Der BF weist die Verantwortung für die Taten zurück und zeigt keine Einsicht in das Unrecht seines Handelns. Auch die oben bereits erörterten Umstände, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und seiner Mitwirkungspflicht zur Erlangung von Heimreisedokumente nicht nachkam und seine illegale Weiterreise, zeigen, dass eine innewohnende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gegeben ist.
In einer Zusammenschau dieser Erwägungen war dem BFA daher beizupflichten, dass vom BF nach wie vor eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.
Selbst unter Berücksichtigung seiner familiären Anbindungen im Bundesgebiet, sprachlichen Integration, rechtmäßigen Aufenthaltsdauer in der Vergangenheit kam der aus dem eben dargestellten Sachverhalt abzuleitenden Gefährdungsprognose zu Lasten des BF ein höheres Gewicht zu, weshalb sich das von der belangten Behörde verhängte Einreiseverbot dem Grunde nach als rechtskonform erwies.
Im gegenständlichen Fall erweist sich die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbots von 5 Jahren als angemessen.
Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes ist neben dem konkreten Fehlverhalten und dem Unrechtsgehalt der begangenen Straftat sowie dem Nichtnachkommen seiner Ausreiseverpflichtung auch die familiären und privaten Umstände des Betroffenen maßgeblich zu berücksichtigen.
Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des Beschwerdeführers getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbots in angemessener Weise auf 5 Jahre festgelegt worden. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts erweist sich die Bemessung des von der belangten Behörde festgelegten 5-jährigen Einreiseverbotes als verhältnismäßig, da die belangte Behörde vom Höchstmaß eines möglichen Einreiseverbots nicht Gebrauch machte. Nicht verkannt wird, dass das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen nicht regelmäßig schon dann erfolgen darf, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 8 bzw. des Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorliegt. Eine einzelfallbezogene Bemessung ist vielmehr unabdingbar (vgl. VwGH vom 22.05.2013, 2011/18/0259).
Im Fall des BF ist vor dem Hintergrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung und dem Nichtnachkommen seiner Ausreiseverpflichtung, sowie der Nichtmitwirkung bei der Erlangung von Reisedokumenten und illegalen Weiterreise von der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit eines 5-jährigen Einreiseverbots auszugehen.
3.8. Ein Abspruch über den Antrag des BF auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung erübrigt sich, da die belangte Behörde dem Antrag des BF auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt hat. Gemäß § 13 Absatz 1 VwGVG kommt der rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des BF daher gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG die aufschiebende Wirkung zu. Der BF hat beim BFA keinen Antrag auf Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des BF gestellt. Folglich kann das Gericht über diesen Antrag nicht entscheiden bzw. hat das BFA zu klären, ob dieser Antrag aufrecht gehalten wir oder irrtümlich gestellt wurde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und der Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.
Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.
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