IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid der ZIVILDIENSTSERVICEAGENTUR vom 20.11.2024, Zl. 403030/37/ZD/1124, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 18.02.2025, Zl. 403030/41/ZD/0225, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG iVm mit § 12 Z 2 ZDG stattgegeben und der Zuweisungsbescheid aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) – dessen Tauglichkeit zum Wehrdienst erstmals am 04.04.2013 festgestellt wurde – brachte am 30.10.2013 eine Zivildiensterklärung ein.
2. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur (im Folgenden auch ZISA oder belangte Behörde) vom 20.11.2013 wurde der Eintritt seiner Zivildienstpflicht rechtskräftig festgestellt.
3. Mit Bescheid vom 23.04.2014 wurde der BF erstmals mit Beginn 01.07.2014 der Einrichtung „GENERALSEKRETÄRIAT XXXX “ in XXXX zum Zivildienst zugewiesen. Als Dienstleistungen waren „Hilfsdienste in der Sozialhilfe, Hol- Bringdienste und Bürodienste“ angeführt.
Der BF trat in der Folge seinen Zivildienst aber in der EINSATZSTELLE XXXX (Kinderdorf) an und traten vermehrt Krankenstände auf.
4. Nach rund drei Monaten am 14.11.2014 (letzter Tag) wurde er mit Bescheid vom 10.11.2014 vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen. Begründet war die Entlassung mit schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen in Form von unentschuldigten Abwesenheiten.
Seine Mutter erstattete im damaligen Ermittlungsverfahren eine Stellungnahme, in der sie darauf hinwies, dass der BF im September 2013 die Schule abgebrochen habe, nachdem er bereits 5 Jahre Wirtschaftsschule absolviert hatte. Danach sei er in ein tiefes Loch gefallen bis er die Zuweisung zum Zivildienst – die er sich nicht ausgesucht habe – bekommen habe. Er habe in der Einsatzstelle stundenlang ohne Tätigkeit herumgesessen, deswegen und aufgrund der Tätigkeit mit Menschen mit Beeinträchtigung sei er krank geworden und habe schwere psychische Probleme bekommen. Die Mutter bat um seine Versetzung bzw um eine Neuzuweisung ab Februar 2015 und um Nachsicht bezüglich der zu erwartenden BH-Strafe.
Der BF legte ein ärztliches Attest des Allgemeinmediziners Dr. K XXXX vom 10.11.2014 vor, der ausführte, dass der BF aufgrund der psychischen Belastungen seines Zivildienstes im Kinderdorf, schwer psychisch belastet sei, bereits körperliche Symptome und schwere depressive Symptome zeige. Er sei deshalb in psychotherapeutischer Behandlung bei Fr. P XXXX . Auch der Arzt bat um eine Abversetzung und gab an, dass ihm der BF glaubhaft versichert habe, die verbleibende Zeit in einer anderen Institution zu absolvieren zB Transportdienst im Krankenhaus.
Die ZISA beantragte im Zuge des Ermittlungsverfahrens ein amtsärztliches Gutachten zur Dienstfähigkeit bei der zuständigen BH (Bezirkshauptmannschaft).
5. Mit Bescheid vom 01.12.2014 wurde festgestellt, dass dem BF der Zeitraum von 12.10.2014 bis 14.11.2014 (34 Tage) nicht in den Zivildienst eingerechnet werde, weil er in diesem Zeitraum unentschuldigt vom Dienst abwesend gewesen wäre.
Dagegen erhob der BF am 29.12.2014 (eingelangt bei der ZISA am selben Tag) Beschwerde und wurde nach einem Ermittlungsverfahren der ZISA mit einer Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 03.03.2015 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde nicht mehr weiter bekämpft und rechtskräftig.
6. Am 29.05.2015 informierte die ZISA den BF, dass nach der bei der BH durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung laut Gutachten vom 26.05.2015, seine gesundheitliche Eignung zum Zivildienst bestehe und er zum ehestmöglichen Termin zugewiesen werde.
Dem „Amtsärztlichen Gutachten“ des Amtsarztes Dr. Arno B XXXX , ist die folgende Stellungnahme zu entnehmen:
„GUTACHTEN:
Mit dem Schreiben vom 13.11.2014 ergeht an das Gesundheitsamt der Bezirkshauptmannschaft […] das Ersuchen um Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens über die Eignung für den Zivildienst. Die amtsärztliche Untersuchung fand am 26.05.2015 statt. Die erhobenen Befunde liegen hierorts auf.
Im November 2014 trat eine behandlungspflichtige psychische Erkrankung auf, weshalb [der BF] den Zivildienst abbrechen musste. In weiterer Folge kam es zu einer Stabilisierung und derzeit sind keine Behandlungsmaßnahmen erforderlich. Somit ist [der BF] für die Ableistung des Zivildienstes anhand der Kriterien für die Leistung des Grundwehrdienstes geeignet. Aufgrund der Vorgeschichte ist es aus medizinischer Sicht empfehlenswert, die Dienststelle zu wechseln.“
7. Die Zuweisung erfolgte allerdings nicht zeitnahe, sondern erst mit dem beschwerdegegenständlichen Zuweisungsbescheid vom 20.11.2024 (zugestellt durch Hinterlegung am 25.11.2024). Der BF wurde der Einrichtung SENIORENHEIM XXXX zur Zivildienstleistung beginnend mit 01.01.2025 bis 20.06.2025 zugewiesen.
Als vom BF zu erbringende Dienstleistungen sind im Bescheid angeführt: Hilfsdienste bei der Betreuung, Pflege und Mobilisation alter Menschen, Küchen-, Haus- und Gartenarbeiten, Begleit- und Reinigungsdienste.
8. Mit Schreiben vom 19.12.2024 (eingelangt am 23.12.2024) brachte der BF eine Beschwerde gegen den oa Bescheid ein, die er zusammengefasst damit begründete, dass die ZISA nicht den ärztlichen Befund des Facharztes für Psychiatrie Mag. Dr. Robert W XXXX (W) vom 19.12.2024 berücksichtigt hätte. Dieser sei zur Diagnose „F33.0 – Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode“ gekommen sowie, dass sein seit 2019 stabiler psychischer Zustand sich seit dem Bescheid über die Einberufung verschlechtert habe und aktuell keine Belastbarkeit bestehe. Ein neuerlicher Zivildienst würde aufgrund der Vorgeschichte einer langjährigen depressiven Symptomatik und der bereits eingetretenen Destabilisierung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer fortgesetzten depressiven Episode führen, vermutlich im mittelgradigen bis schwerem Bereich, weshalb aus medizinischen Gründen dringend von einem Zivildienst abzuraten sei.
Der BF ersuchte um Aufhebung des Bescheides und um Feststellung, dass die erneute Heranziehung zum Zivildienst angesichts der vorliegenden gesundheitlichen Befunde unangebracht sei.
Ebenso beantragt wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
9. Die ZISA führte ein Ermittlungsverfahren durch, holte Auskünfte der Gesundheitskasse und ein Gutachten des Facharztes für Neurologie, Allgemeinmedizin, Psychotherapeutische Medizin iAuS, Spezialisierung in fachspezifischer Psychosomatischer Medizin Dr. Klaus H XXXX (H) ein, der den BF am 13.02.2025 untersuchte.
Dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 17.02.2025 ist zu entnehmen, dass die Diagnose „Anpassungsstörung“ vorliege, diese eine leichte psychische Erkrankung in der Umstellung auf eine neue Lebensphase darstelle, der BF aber in der Lage sei, die angeführten Dienste zu erledigen und keine Einschränkung seiner Fähigkeiten zur Ableistung des Zivildienstes bestünden.
In der Folge erließ die ZISA am 18.02.2025 (zugestellt am 25.02.2025) eine BVE in der sie im Wesentlichen unter Hinweis auf das oa Gutachten vom 17.02.2025 die Beschwerde abwies.
10. Dagegen brachte der BF am 03.03.2025 (Postaufgabe 07.03.2025) mit ausführlicher Begründung einen Vorlageantrag ein.
11. Mit Schriftsatz vom 11.03.2025 legte die ZISA die Beschwerde und den dazugehörigen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor.
12. Das BVwG holte aufgrund von Mängeln im Gutachten der Dr. H ein Gutachten der Fachärztin und Gerichtssachverständigen aus dem Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie, Pyschiatrische Kriminaldiagnostik, Neurologie, Anästhesiologie und Intensivmedizin Dr. Margot G XXXX (G) ein, das am 19.09.2025 vorlag (OZ 5) und den Parteien zur Stellungnahme übermittelt wurde.
Der BF wies in seiner Stellungnahme daraufhin, dass das Gutachten seine gesundheitliche Situation zutreffend darstelle und die erheblichen Risiken eines Zivildienstes bestätige (OZ 7). Die Behörde gab keine Stellungnahme ab (OZ 8).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die im Verfahrensgang angeführten Tatsachen werden festgestellt. Der BF hat seinen Zivildienst nicht wie im Zuweisungsbescheid aufgetragen angetreten.
Die höchstqualifizierte gerichtlich beeidete und zertifizierte erfahrene Sachverständige Dr. G führt in ihrem 21-seitigen-Gutachten (Befunderhebung war am 02.09.2025) schlüssig und nachvollziehbar das Folgende zu den Fragen des BVwG aus:
„GUTACHTEN
Nach der internationalen Klassifikation der psychischen Störungen der WHO sind bei[m] [BF] folgende Diagnosen zu stellen:
Psychiatrisch
1. Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung ICD 10 - F60.06
2. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode ICD 10 - F33.1
3.Panikstörung ICD10 – F41.0
Neurologisch
4. Migräne mit Aura ICD 10 – G43.1
Beantwortung der Fragenstellungen des Gerichtes
Ad 1. [Leidet der BF an einer psychischen Erkrankung oder einer gleichwertigen psychischen Störung und wenn ja an welcher?]
[Der BF] leidet an einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, die zum Zeitpunkt der Befunderhebung in mittelgradiger Ausprägung vorlag, sowie an einer episodischen Angststörung im Sinne einer Panikstörung. Neurologisch bestehen migräneartige Kopfschmerzen.
Ad 2. [Wenn ja, ist der BF dennoch in Lage folgende Dienstleistungen zu erbringen: Hilfsdienste bei der Betreuung, Pflege und Mobilisation alter Menschen, Küchen-, Haus- und Gartenarbeiten, Begleit- und Reinigungsdienste, Transportdienste?]
Aufgrund der diagnostizierten Störungen ist [der BF] nicht imstande Betreuungsdienste im Rahmen des Zivildienstes zu übernehmen.
Ad 3. [Hätte die Absolvierung des Zivildienstes aus medizinischer Sicht nachteilige Auswirkungen auf eine allfällige psychische Erkrankung des BF und wenn ja, welche wären das?]
Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Verrichtung des Zivildienstes zu einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik, einer Zunahme der Ausprägung der Persönlichkeitsstörung sowie zu einer Häufung von Panikattacken führen würde.
Ad 4. [Können im Falle einer Dienstunfähigkeit Ausführungen über den Beginn und deren voraussichtlichen Dauer getroffen werden? Wenn ja sind diese zu treffen.]
Bei[m] [BF] liegt eine lebensüberdauernde Persönlichkeitsstörung mit einer ausgeprägten Vulnerabilität vor, die in Belastungssituationen mit einer erhöhten Anfälligkeit für depressive Episoden und Angststörungen verbunden ist.
Persönlichkeitsstörungen stellen dauerhafte, tiefgreifende Störungen der Charakter- und Persönlichkeitsfunktionen dar. Sie gehen nahezu immer mit erheblichen persönlichen Einschränkungen sowie erheblichen Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen einher. Die zentralen Merkmale umfassen Beeinträchtigungen wesentlicher Selbstfunktionen (z. B. Identität, Selbstwert, Fähigkeit zur Selbststeuerung) sowie Probleme im zwischenmenschlichen Bereich (z. B. beim Aufbau und der Aufrechter-haltung stabiler, beidseitig befriedigender Beziehungen oder beim Verständnis der Perspektive anderer). Diese Einschränkungen manifestieren sich in maladaptiven, unflexiblen oder unzureichend regulierten Mustern des Denkens, des emotionalen Erlebens, des Gefühlsausdrucks sowie des Verhaltens.
Das auffällige Verhaltensmuster ist andauernd und gleichförmig und nicht auf Episodenpsychischer Krankheiten beschränkt.
Die Störung beginnt immer in der Kindheit oder Jugend und besteht dauerhaft im Erwachsenenalter.
Eine depressive Störung (ICD-10 F32) ist episodische psychische Erkrankung, die auch wiederkehren kann (dann ist sie als rezidivierende depressive Störung, ICD-10 F33 zu codieren). Sie verläuft in einzelnen Episoden mit klar definiertem Anfang und Ende und ist somit keine lebensüberdauernde Erkrankung.
Wenn eine Depression rezidivierend verläuft - kommt es zu wiederholten depressiven Episoden mit symptomfreien Intervallen dazwischen. Die symptomfreien Intervalle bedeuten eine Wiederherstellung des normalen Funktionsniveaus. Es können aber auch sog. Rest- (Residualsymptome) in verschiedener Ausprägung verbleiben.
Aus der Anamnese ergibt sich bei[m] [BF] ein Erkrankungsbeginn im jungen Erwachsenenalter.
Als Panikstörung (F41.0) bezeichnet man eine Angstreaktion, welche aus heiterem Himmel, ohne Konfrontation mit der gefürchteten Situation oder dem gefürchteten Objekt auftritt, dh. welche sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränkt und daher auch nicht vorhersehbar sind. Pani-kattacken sind durch gezieltes Vermeidungsverhalten nicht zu kontrollieren. Typische Symptome sind Reizüberflutung mit paroxysmaler Angst und vegetativen Symptomen.
Panikattacken sind psychopathologisch (objektiv) schwer nachweisbar, da sie vor einer kurzen Dauer sind und durch Pausen langer Symptomfreiheit durchbrochen werden. Die Diagnose wird daher meistens anhand der anamnestischen Angaben gestellt.
Aus den anamnestischen Angaben des Herrn XXXX ergibt sich, dass die Panikattacken im Februar 2025 erstmalig aufgetreten sind.
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, welche mit oder ohne sog. Aura (prodromale Phase) anfallsweise auftritt.“
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang konnte unmittelbar aufgrund der Aktenlage, festgestellt werden. Dass der BF den Zivildienst nicht angetreten hat, ergibt sich aus der BVE, die erst nach dem im Zuweisungsbescheid aufgetragenen Antrittstermin erfolgt ist und dem Vorlageantrag.
Vor dem Hintergrund des schon einmaligen Abbruches des Zivildienstes, der ärztlichen Befundes des Facharztes für Psychiatrie Dr. W vom 19.12.2024 (vorne I.8.) und des in den Feststellungen angeführten Gutachtens der Sachverständigen Dr. G, hat das Gutachten des Dr. H, dass die ZISA eingeholt hat und, dass dem BF keine Einschränkung seiner Fähigkeit zur Ableistung des Zivildienstes bescheinigt, keinen Bestand.
Ein Sachverständigengutachten das von der Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, muss ausreichend begründet sein (Hinweis E vom 27. Februar 2015, 2012/06/0063, mwN). Der Sachverständige muss in seinem Gutachten darlegen, auf welchem Weg er zu seiner Schlussfolgerung gekommen ist, damit eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens vorgenommen werden kann (Hinweis E vom 14. November 2012, 2012/12/0036; VwGH 28.06.2023, Ra 2022/07/0196).
Dr. H ist zwar eingetragenen Sachverständiger für Neurologie und Allgemeinmedizin, als Psychotherapeut ist er allerdings noch in Ausbildung unter Supervision, wie er dem BVwG gegenüber einräumte (E-Mail vom 03.07.2025/OZ 2). Er war daher – trotz 10-jähriger Erfahrung in einem Wohnheim für psychisch Kranke – von vornherein nicht ausreichend qualifiziert zur Abgabe eines psychiatrischen Gutachtens.
Auch inhaltlich überzeugt sein 5-seitiges Gutachten, dass nicht nach den „Richtlinien für die Erstellung von klinisch-psychologischen und gesundheitspsychologischen Befunden und Gutachten“ (Gutachterrichtlinie des Gesundheitsministeriums) erstellt wurde, nicht. Es fehlt insbesondere die Darstellung der Ergebnisse der psychologisch-diagnostischen Verfahren (z.B. Fragebögen, Tests) und damit die Begründung und Nachvollziehbarkeit seiner Beurteilung. Es war auch nicht Sache des Gutachters die Fähigkeit des BF zum Zivildienst festzustellen, sondern ist das eine Rechtsfrage, deren Beurteilung der Behörde – auf Basis eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens – zu treffen hat.
Demgegenüber ist das Gutachten der Dr. G. lege artis aufgebaut und enthält neben der Anamnese - die auf der Basis eines strukturierten Gesprächs erstellt wurde - auch den Auswertungsbogen nach AMDP (Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie) und den so erhobenen psychopathologischen und neurologischen Status (Seiten 9-13) sowie den des halbstrukturierten klinischen Interviews zur Achse der Persönlichkeitsstörungen nach SCDI 5 PD (Seiten 15-17). Auf dieser Grundlage ist nachvollziehbar wie und warum die Gutachterin zu ihren Diagnosen gekommen ist. Abschließend sind noch die Verläufe und Folgen der diagnostizierten Krankheitsbilder erläutert, wobei für die Beurteilung der Zivildienstfähigkeit insb jene der Persönlichkeitsstörung F60.06 relevant ist und dort ausgeführt wird, dass dies eine „dauerhafte, tiefgreifende Störung“ darstellt, die wiederum in Belastungssituationen mit einer erhöhten Anfälligkeit für depressive Episoden und Angststörungen verbunden ist. Genau jene Folgen, die bereits beim ersten Zivildienstversuch des BF eingetreten sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Gemäß § 2a Abs. 4 ZDG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über Beschwerden gegen Bescheide der Zivildienstserviceagentur. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst kein Anhaltspunkt für eine Unzulässigkeit erkennbar.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem schlüssigen Sachverständigengutachten – dass den Parteien zur Stellungnahme vorgelegt wurde – geklärt ist. Bei einer mündlichen Erörterung ist keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten, da das vom BVwG eingeholte Sachverständigengutachten nachvollziehbar, widerspruchsfrei und eindeutig ist. Auch die Rechtsfrage ist nicht derart komplex, dass es einer mündlichen Erörterung bedürfte. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (keine „civil rights“ betroffen) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 (kein Bezug zu EU-Normen) entgegen.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen
Die relevanten Normen des Zivildienstgesetz (ZDG) lauten (Hervorhebungen und Kürzungen auf das Wesentliche durch BVwG):
§ 8. (1) Der Zivildienstpflichtige ist von der Zivildienstserviceagentur einer gemäß § 4 anerkannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes durch Bescheid zuzuweisen. Hierbei ist die Zivildienstserviceagentur ermächtigt, soweit Erfordernisse im Bereich des Rettungswesens, der Sozial- und Behindertenhilfe und der Katastrophenhilfe dies notwendig machen, an Einrichtungen aus diesen Bereichen bevorzugt zuzuweisen.
(2) Zivildienstpflichtige, die zum ordentlichen Zivildienst zugewiesen werden sollen, haben einen Anspruch darauf, dass der Zuweisungsbescheid von der Zivildienstserviceagentur spätestens sechs Wochen vor dem Tag des vorgesehenen Dienstantrittes genehmigt wird, es sei denn, die Einhaltung dieser Frist wäre nicht mit dem Zweck des Einsatzes vereinbar. Der Bescheid ist unverzüglich mit Zustellnachweis zuzustellen. Die Genehmigung des Zuweisungsbescheides durch die Zivildienstserviceagentur ist bis zu drei Werktage vor dem Tag des vorgesehenen Dienstantritts zulässig, sofern der Zivildienstpflichtige zugestimmt hat und mit der Auszahlung der ihm für den ersten Monat der Dienstleistung gebührenden Pauschalvergütung an dem dem Dienstantritt folgenden Monatsersten einverstanden ist.
[…]
§ 9. (1) Die Verpflichtung ist zu einer Dienstleistung auszusprechen, die den Fähigkeiten des Zivildienstpflichtigen soweit wie möglich entspricht. Im Zweifelsfall hat die Bezirksverwaltungsbehörde über Ersuchen der Zivildienstserviceagentur ein Gutachten des Amtsarztes einzuholen und sich über die gesundheitliche Eignung zur Dienstleistung zu äußern. Zuständig ist jene Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel der Zivildienstpflichtige seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hat; ist auch ein Aufenthalt im Inland nicht gegeben, so ist ein Gutachten eines Amtsarztes der Stadt Wien einzuholen.
[…]
§ 12. Von einer Zuweisung sind ausgeschlossen:
[…]
§ 17. Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen zu einer anderen Dienstleistung in derselben Einrichtung zu verpflichten, wenn
§ 18. Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen einer anderen Einrichtung zuzuweisen, wenn
§ 19. (1) Die Verfügungen nach den §§ 17 und 18 sind von der Zivildienstserviceagentur von Amts wegen, auf Antrag des Zivildienstpflichtigen oder auf Antrag des Rechtsträgers der Einrichtung zu treffen.
(2) In Zweifelsfällen des § 17 Z 1 und § 18 Z 3 hat die für den Aufenthaltsort des Zivildienstleistenden zuständige Bezirksverwaltungsbehörde über Ersuchen der Zivildienstserviceagentur ein amtsärztliches Gutachten einzuholen und sich über die gesundheitliche Eignung zur weiteren Dienstleistung zu äußern. Im Falle einer Dienstunfähigkeit (§ 19a Abs. 1) hat das Gutachten auch deren Beginn und voraussichtliche Dauer anzugeben.
(3) Wenn im Falle des § 18 die Voraussetzungen der Z 1, 2 oder 3 vorliegen, eine geeignete andere Einrichtung aber nicht zu finden ist, hat die Zivildienstserviceagentur den Dienst des Zivildienstleistenden zu unterbrechen. Für die verbleibende Dienstzeit hat sobald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen.
§ 19a. (1) Dienstunfähig ist, wer geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst unfähig ist.
[…]
§ 22. (1) Der Zivildienstpflichtige hat seinen Dienst zu dem im Zuweisungsbescheid angegebenen Zeitpunkt anzutreten.
(1a) Tritt der Zivildienstpflichtige seinen Dienst nach Abs. 1 nicht innerhalb von 30 Tagen an, ohne durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse abgehalten zu sein, so hat die Zivildienstserviceagentur den Zuweisungsbescheid zu beheben. § 15 Abs. 2 Z 2 gilt mit der Maßgabe, dass eine gesonderte Feststellung der nicht einrechenbaren Zeit gemäß § 15 Abs. 3 unterbleibt.
§ 23 c […]
(4) Hat die Zivildienstserviceagentur begründeten Zweifel an der durch einen Arzt oder einer Ärztin bescheinigten Dienstunfähigkeit iSd § 19a Abs. 1, kann sie den Zivildienstleistenden anweisen, sich unverzüglich einer Untersuchung durch eine/n von der Zivildienstserviceagentur beauftragte/n Facharzt oder Fachärztin zu unterziehen. Die Kosten hiefür hat die Zivildienstserviceagentur zu tragen. Stellt der / die von der Zivildienstserviceagentur beauftragte Facharzt oder Fachärztin keine Dienstunfähigkeit iSd § 19a Abs. 1 fest bzw. unterzieht sich der Zivildienstleistende nicht der Untersuchung, ist die Zivildienstleistung zu erbringen.
[…]“
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
Im konkreten Fall geht es um die Rechtsfrage, ob die belangte Behörde rund 10 Jahre nachdem der BF seinen Zivildienst aus psychischen Gründen abbrechen musste, den Bescheid vom 20.11.2024 mit dem der BF der Einrichtung zur Ableistung seiner restlichen Zivildienstzeit, zur Erbringung von Hilfsdiensten bei der Betreuung, Pflege und Mobilisation alter Menschen, Küchen-, Haus- und Gartenarbeiten, Begleit- und Reinigungsdiensten, Transportdiensten, zu Recht erlassen wurde oder ob dieser aufgrund seiner bereits aus 2014 bekannten gesundheitlichen bzw psychischen Situation (vgl I.4) gem § 12 Z 2 ZDG von einer Zuweisung ausgeschlossen war.
Vorab ist festzustellen, dass die belangte Behörde den BF gem. § 9 Abs. 1 ZDG einer zwar einer Begutachtung durch einen Amtsarzt zugeführt hat, der am 26.05.2015 die gesundheitliche Eignung zum Zivildienst festgestellt hat. Da es sich beim Amtsarzt um einen Allgemeinmediziner und Arbeitsmediziner gehandelt hat, sein nur einseitiges Schreiben, nicht den Kriterien eines schlüssigen Sachverständigengutachtens entspricht und aus der sehr kurzen „Amtsärztlichen Stellungnahme“ (vgl I.6.). nicht hervorgeht, dass dieser einen Psychiater oder Psychologen beigezogen hätte, hätte die belangte Behörde darauf gestützt, nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass der BF 2024 bzw 2025 (wieder) zum Zivildienst geeignet ist. Ein Parteiengehör zur aktuellen gesundheitlichen Situation vor der Zuweisung, wäre hier angebracht gewesen.
Für die Überprüfbarkeit der Schlüssigkeit eines Gutachtens ist es notwendig, dass der Befund all jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung nennt, die für das Gutachten verwendet wurden. Fehlt es daran, belastet dies das Sachverständigengutachten mit einem wesentlichen Mangel (VwGH 19.11.2024, Ra2024/11/0152).
So kam es zu einer Beschwerde des BF unter Vorlage von medizinischen Unterlagen (ärztlichen Befund eines Facharztes für Psychiatrie: Diagnose „F33.0 – Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode“, vgl I.8). Erst dann wurde ein fachärztliches Gutachten eingeholt und die verfahrensgegenständliche BVE getroffen. Allerdings wurde ein fachlich nicht ausreichend qualifizierter Gutachter (Facharzt für Neurologie und Psychotherapeut in Ausbildung) eingesetzt. Diesbezüglich ist auf § 23c Abs 4 ZDG hinzuweisen, der von einer Untersuchung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt spricht, und in den Erläuterungen von einem bzw einer Gerichtssachverständigen. Der eingesetzte Gutachter war zum Untersuchungszeitpunkt nur für das Fachgebiet Neurologie und Allgemeinmedizin gerichtlich beeidet und zertifizierter Sachverständiger. Sein Gutachten war auch erkennbar nicht ausreichend begründet und nachvollziehbar, sodass die belangte Behörde ihre BVE nicht darauf hätte stützen dürfen.
Aufgrund des vom BVwG schlüssigen nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachtens einer einschlägig qualifizierten gerichtlichen beeideten und zertifizierten Sachverständigen, die zu den in den Feststellungen angeführten Diagnosen und deren Auswirkungen im Hinblick auf einen abzuleistenden Zivildienst kam, ist davon auszugehen, dass beim BF der Ausschlussgrund von einer Zuweisung gem. § 12 Z 2 ZDG vorliegt. Sie kam zum Schluss, dass aufgrund dessen psychischen Erkrankungen, mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Verrichtung des Zivildienstes zu einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik, einer Zunahme der Ausprägung der Persönlichkeitsstörung sowie zu einer Häufung von Panikattacken führen würde sowie diese dauerhafte Persönlichkeitsstörung mit einer ausgeprägten Vulnerabilität einhergeht, die in Belastungssituationen mit einer erhöhten Anfälligkeit für depressive Episoden und Angststörungen verbunden ist.
Die belangte Behörde ist diesen Ausführungen nicht entgegengetreten.
Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass der BF zum Zuweisungszeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen zum Zivildienst unfähig war und derzeit ist.
Nach den Ausführungen der Gutachterin, wird er wohl auch künftig zu jedem Zivildienst unfähig sein (vgl. dazu auch VwGH 22.09.1992, 92/11/0122).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, die auf den vorliegenden Fall übertragbar und auch nicht widersprüchlich ist.
Ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde oder welchem von mehreren, einander widersprechenden Gutachten das VwG folgt, stellt nach der Rechtsprechung des VwGH im Regelfall keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar ist (vgl. etwa VwGH 29.01.2020, Ro 2019/09/0001, oder auch 21.11.2018, Ra 2018/09/0148, jeweils mwN).
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