W200 2316885-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und die Richterin Mag. TAURER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 11.07.2025, Zl. 22572227000046, zu Recht erkannt:
A)
Der Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist seit 05.10.1998 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von 100. Unter anderem war für die damalige Entscheidung eine manisch-depressive Erkrankung in Schüben verlaufend mit Betonung der manischen Phasen mit einem GdB von 50 von 100 kausal.
Gegenständliches Verfahren:
Die Beschwerdeführerin stellte am 20.09.2024 einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß 29 StVO sowie um Vornahme der Zusatzeintragung “Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung” in den Behindertenpass. Ursächlich seien Schmerzen im linken Fuß, in der Schulter, sie schlafe und döse sehr viel, sei inkontinent, sehr schwerhörig.
Das eingeholte fachärztliche orthopädische Gutachten basierend auf einer sehr ausführlichen Untersuchung vom 17.01.2025 ergab einen GdB von 20%
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.
Das eingeholte psychiatrische Gutachten vom 09.05.2025 basierend auf einer Untersuchung vom 27.03.2025 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 0 mangels rezenter fachärztlicher Befunde und Behandlungsunterlagen. Eine Zusammenfassung der beiden Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 von 100.
Mit Bescheid vom 11.07.2025 wurde der Grad der Behinderung mit 20 Prozent neu festgesetzt.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist seit 05.10.1998 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von 100.
1.2. Die Beschwerdeführerin stellte am 20.09.2024 ua einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung “Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung” in den Behindertenpass. Über diesen Antrag wurde noch nicht abgesprochen.
1.3. Mit Bescheid vom 11.07.2025 wurde der Grad der Behinderung mit 20 Prozent neu festgesetzt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen basieren auf der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Zu A)
Ersatzlose Behebung des Bescheides
§ 43 Abs. 1 BBG besagt:
Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
In einem ähnlich gelagerten Fall hat der VwGH unter Ra 2018/11/0204 vom 13.12.2018 wie folgt entschieden:
„22 II.3.2.1. Die Ausstellung eines Behindertenpasses auf Antrag setzt gemäß § 40 Abs. 1 BBG - soweit im Revisionsfall von Bedeutung - einen Grad der Behinderung von mindestens 50 % voraus. Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG u.a. den festgestellten Grad der Behinderung zu enthalten. Aus § 41 Abs. 2 BBG ergibt sich, dass - innerhalb zeitlicher Schranken - Anträge auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zulässig sind. Im Falle einer solchen Neufestsetzung des Grades der Behinderung ist, solange der Grad der Behinderung weiterhin wenigstens 50 % beträgt, gemäß § 43 Abs. 1 erster Satz BBG der Behindertenpass zu korrigieren (bzw. erforderlichenfalls ein neuer mit geänderten Eintragungen auszustellen).
23 § 43 Abs. 1 erster Satz BBG regelt, wie vorzugehen ist, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses weggefallen sind. Dies ist der Fall, wenn der Grad der Behinderung nicht mehr wenigstens 50 % beträgt. In einem solchen Fall "ist der Behindertenpass einzuziehen" (vgl. zB. VwGH 29.3.2011, 2008/11/0191). Die Einziehung hat gemäß § 45 Ab. 2 BBG durch Bescheid zu erfolgen.
§ 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG enthält keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr vorliegen (anders als etwa § 14 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG) oder dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 % besteht. Der Wegfall der Voraussetzungen für die Ausstellung ist vielmehr als Vorfrage im Einziehungsverfahren zu klären. Da mithin ein eigenes Verfahren vorgesehen ist, in dem die Frage, ob weiterhin ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 % vorliegt, zu beantworten ist, fehlt es auch an einer Grundlage für die Erlassung eines von Amts wegen erlassenen Feststellungsbescheids über das Nichtbestehen dieser Voraussetzung (vgl. zB. VwGH 25.7.2007, 2005/11/0131).
24 § 43 Abs. 1 BBG ermächtigt die Behörde daher zwar zu einem amtswegigen Vorgehen, allerdings nach den bisherigen Ausführungen nur zu einem Ausspruch der Einziehung des Behindertenpasses. Ein Bescheid, in dem ausgesprochen wird, dass die Betreffende mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 % nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle, oder in dem festgestellt wird, dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 % besteht, findet in § 43 Abs. 1 BBG keine Deckung.
25 II.3.2.2. Für den Revisionsfall ergibt sich daraus Folgendes:
26 II.3.2.2.1. Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid vom 17. April 2018 ausgesprochen, dass die Revisionswerberin mit einem Grad der Behinderung von 30 % nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle. Diesen Spruch hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis bestätigt.
27 Nach den Ausführungen unter Pkt. II.3.2.1. findet ein solcher Ausspruch im BBG keine Deckung.
28 Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 17. April 2018 als ohne Antrag, also von Amts wegen erlassenen Bescheids und auch seine Bestätigung durch das Verwaltungsgericht hängen im Besonderen davon ab, ob der Revisionswerberin in dem der Erlassung vorausgehenden Verfahren ausreichend Parteiengehör eingeräumt wurde.
29 In der Begründung des Bescheids vom 17. April 2018 wird zwar nicht ausgeführt, dass die Erlassung des Bescheids eine Erledigung eines Antrags der Revisionswerberin darstellt, der Antrag der Revisionswerberin vom 12. Dezember 2017 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung wird aber eingangs erwähnt. Da die Zurückziehung des Antrags in der Bescheidbegründung nicht erwähnt wird, sondern nur hervorgehoben wird, dass innerhalb der gesetzten Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum medizinischen Sachverständigengutachten eine Stellungnahme nicht eingelangt sei, und die belangte Behörde den Bescheid auf die §§ 41, 43 und 45 BBG stützte, war für die Revisionswerberin nicht erkennbar, dass ihr gegenüber - nach Zurückziehung ihres Antrags auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung mit Schreiben vom 13. März 2018 - in einem anderen, von Amts wegen eröffneten Verwaltungsverfahren ein Bescheid erlassen wurde. Sollte es zutreffen, dass die belangte Behörde im Rahmen einer E-mail-Nachricht zu erkennen gegeben hat, sie hätte die Antragsrückziehung übersehen, so wäre die Revisionswerberin, die die Bescheiderlassung diesfalls als auf einem Versehen beruhend erachten konnte, nicht gehalten gewesen, schon in ihrer Beschwerde den dem bekämpften Bescheid zugrunde gelegten Ausführungen des medizinischen Sachverständigen entgegenzutreten.
30 Die fehlende Einräumung von Parteiengehör - etwa im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - zur Annahme des Verwaltungsgerichtes, die belangte Behörde habe (nach Antragsrückziehung) ihren Bescheid von Amts wegen in einem daraufhin eingeleiteten weiteren Verwaltungsverfahren erlassen, stellt im Ergebnis eine unzulässige "Überraschung" der Revisionswerberin dar.“
Nichts anderes kann im verfahrensgegenständlichen Fall gelten:
1.) § 43 Abs 1 BBG sieht die Möglichkeit des vom SMS erlassenen Bescheides mit dem Inhalt, dass der GdB mit 20% neu festgesetzt wird, nicht vor. (vgl. Rz 23)
2.) Das SMS hat – bei Vorliegen der Voraussetzungen - im Sinne des § 43 Abs. 1 BBG vorzugehen und den Behindertenpass einzuziehen…(vgl. Rz 23)
3.) Das SMS hat zuvor im Parteiengehör die Antragstellerin in einem von Amts wegen eröffneten Verwaltungsverfahren darauf hinzuweisen, dass ein amtswegiges Verfahren geführt wird. (vgl. Rz 28 und 29)
4.) Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung ist immer noch offen.
Mangels rechtlicher Grundlage für den angefochtenen Bescheid war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn (…) bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben (…) ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die entsprechende Judikatur des VwGH wurde unter II. 3.zitiert.
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