IM NAMEN DER REPUBLIK!
Teilerkenntnis:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Mag. Reinhold WIPFEL (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen Spruchpunkt B des Bescheides des Arbeitsmarktservice vom 01.09.2025, Zl. VSNR XXXX AMS 960-Wien-Esteplatz, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ihrer in einer Angelegenheit des § 49 AlVG erhobenen Beschwerde, nach Durchführung einer nicht öffentlichen Beratung vom 08.10.2025 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid, Spruchpunkt A), sprach das Arbeitsmarktservice, (im Folgenden AMS) aus, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden BF) gemäß § 49 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 12.08.2025 bis 25.08.2025 verloren habe. Mit Spruchpunkt B) dieses Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gem. § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen.
Zur Begründung des Spruchpunktes A) dieses Bescheides führte das AMS aus, die BF habe den am 12.08.2025 vorgeschriebenen Kontrolltermin nicht eingehalten und habe sich erst am 26.08.2025 bei seiner zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet.
Zur Begründung des Spruchpunktes B) dieses Bescheides führte das AMS aus, die Einhaltung einer Kontrollmeldung sei ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung und diene der raschen Integration in den Arbeitsmarkt, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen sei. Die im öffentlichen Interesse gelegene Arbeitsmarktintegration gestalte sich umso schwieriger, je länger die arbeitslose Person der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibe, indem sie vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen triftiger Gründe nicht wahrnehme. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrolltermin bis zur Wiedermeldung (bzw. neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich wäre, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft groß belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei daher auszuschließen.
Die BF erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, und führte aus, sie sei am 12.08.2025 sehr wohl beim AMS Schlosshofer Straße vorstellig gewesen, ferner 21.08.2025 und noch einmal am 26.08.2025.
Das AMS legte den Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor und gab gleichzeitig bekannt, dass der Akt zur Entscheidung über das der Beschwerde implizit zu entnehmende Begehren auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung vorgelegt werde, dass bezüglich des Verfahrens nach § 49 AlVG (Spruchpunkt A) jedoch ein Beschwerdevorverfahren beim AMS anhängig bleibe.
Zu Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides brachte das AMS vor, die BF habe in der Beschwerde keine für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Umstände konkret dargelegt. Zudem würden aktuelle gerichtlich bewilligte Fahrnis- und Gehaltsexekutionen die spätere Einbringlichkeit eines vorläufig (im Rahmen der aufschiebenden Wirkung) zur Auszahlung gebrachten Leistungsbezuges erheblich gefährden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gemäß § 56 Abs 2 AlVG Senatszuständigkeit vor (VwGH Ra 2017/08/0065 vom 07.09.2017).
Zu A):
Gegenstand dieser nun getroffenen Entscheidung ist nur die Frage der Rechtsmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid des AMS vom 01.09.2025 erhobenen Beschwerde:
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.
Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu entscheiden (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028, 10.10.2014, Ro 2014/02/0020).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist die Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra2014/03/0028).
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung sind die Interessen des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfällige Interessen anderer Parteien abzuwägen. Es ist als erster Schritt zu prüfen, ob ein Überwiegen der berührten öffentlichen oder der Interessen anderer Parteien gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin vorliegt. Überwiegen die berührten öffentlichen Interessen oder die Interessen anderer Parteien, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Gefahr im Verzug bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als der Beschwerdeführerin) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist (VwGH 24.5.2002, 2002/17/0001; vgl. Eder/Martschin/Schmid Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Verlag NVW, 2. überarbeitete Auflage 2017; K1, K12, K18, K19, E10, zu § 13 VwGVG).
§ 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen (VwGH Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018).
Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).
Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56).
Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035).
Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Im hier vorliegenden Verfahren liegen aktenkundig sieben gegen die BF ausgesprochene Exekutionsbewilligungen des BG XXXX zu GZ XXXX vom 04.10.2022 über € 3.308,46 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten, GZ XXXX vom 08.11.2024 über € 1.397,66 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten, GZ XXXX vom 26.05.2023über € 1.174,46 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten; GZ XXXX vom 21.03.2025 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kostenüber € 3.727,98 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten; GZ XXXX vom 10.04.2025 über € 347,29 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten sowie Zinseszinsen; XXXX vom 13.07.2023über € 3.445,61 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten und XXXX vom 20.09.2022 über € 402,74 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten vor. Daher wurde im vorliegenden Fall zu Recht von einer Gefährdung der Einbringlichkeit ausgegangen werden.
Die Erfolgsaussichten der gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gerichteten Beschwerde können aktuell nicht beurteilt werden.
Aus dem Akt ergeben sich folgende Anhaltspunkte dafür, dass der disziplinierende Zweck des § 49 AlVG im vorliegenden Einzelfall nicht unterlaufen werden sollte: Die BF war nach einer Abmeldung von ihrer letzten Wohnadresse im zentralen Melderegister der Republik Österreich per 01.07.2025 an keiner Adresse angemeldet ohne dies dem AMS bekannt gegeben zu haben. Sie wurde seitens des AMS aktenkundig am 20.08.2025 (OZ20) und nochmals am 21.08.2025 (OZ 21) aufgefordert, eine Meldestelle anzugeben, ist dieser Aufforderung schließlich am 26.08.2025 nachgekommen. Der sich aus dem Akt ergebende Sachverhalt – er ist im Rahmen dieser Teilentscheidung nicht näher zu prüfen, da die nun zu treffende Entscheidung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu erfolgen hat - bietet klare Anhaltspunkte dafür, dass die Weitergewährung der Notstandshilfe im Rahmen eines Nicht-Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung den disziplinierende Zweck des § 49 AlVG unterlaufen und damit gravierende Nachteile für die berührten öffentlichen Interessen bewirken würde. Da im vorliegenden Fall auch rezente Exekutionsbewilligungen vorliegen, sodass von einer Gefährdung der Einbringlichkeit des aufgrund aufschiebender Wirkung gewährten Überbezuges ausgegangen werden muss, besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides und ist von Gefahr im Verzug im Sinne der obigen Gesetzesbestimmung auszugehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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