L503 2311010-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Walter ENZLBERGER und Mag. Peter SIGHARTNER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Jasmine SENK, gegen den Bescheid des AMS Linz vom 17.03.2025, GZ: XXXX , betreffend Zurückweisung eines Vorlageantrages als verspätet, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.09.2025, zu Recht erkannt:
A.)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B.)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 17.3.2025 wies das AMS den Vorlageantrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: „BF“) vom 21.2.2025 gemäß § 15 VwGVG wegen verspäteter Einbringung zurück.
Begründend führte das AMS im Wesentlichen aus, mit Beschwerdevorentscheidung vom 6.12.2024 habe das AMS über den Ausschluss des Arbeitslosengeldes nach § 10 AlVG abgesprochen. Diese Beschwerdevorentscheidung habe das AMS nachweislich am 10.12.2024 an die Vertretung der BF zugestellt. Somit habe die Frist für den Vorlageantrag am 24.12.2024 geendet. Der Vorlageantrag, datiert mit 19.2.2025, sei am 21.2.2025 beim AMS eingelangt und somit verspätet. Ein Vorlageantrag, eingebracht am 23.12.2024, liege beim AMS nicht auf.
2. Mit Schreiben ihrer Vertretung vom 4.4.2025 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 17.3.2025. Darin führte die BF aus, sie habe den Vorlageantrag vom 20.12.2024 fristgerecht am 23.12.2024 beim AMS Linz per Fahrradbote eingebracht. Beigelegt wurde der Beschwerde unter anderem der Vorlageantrag mit Signatur vom 20.12.2024, eine „Liste Fahrradbote“ und eine Rechnung des Botendienstes T. Weiters wurde eine Stellungnahme der BF an das AMS vom 14.3.2025 vorgelegt, wonach der Vorlageantrag am 23.12.2024 fristgerecht mittels Fahrradboten der Firma T. eingebracht worden sei und dies auch bewiesen werden könne und erneut um Vorlage der Beschwerde an das BVwG ersucht wird; die Ausführungen im bekämpften Bescheid, wonach die BF keine Stellungnahme abgegeben habe, seien somit falsch. Darauf hingewiesen wurde, dass noch ein weiterer Fall bekannt sei, in welchem ein – namentlich bezeichneter – Vorlageantrag angeblich nicht fristgerecht beim AMS eingebracht worden sei; dieser Vorlageantrag wie auch eine weitere Beschwerde seien beim AMS „abgelegt“ und nicht weitergeleitet worden. Als Zeugen wurden der Fahrradbote L. A. und Frau A. B. von der Arbeiterkammer angeboten. Beantragt wurde die Durchführung einer Verhandlung.
3. Am 14.4.2025 legte das AMS den Akt dem BVwG vor.
4. Mit Stellungnahme ihrer nunmehrigen rechtlichen Vertretung vom 10.9.2025 betonte die BF insbesondere, der Vorlageantrag vom 20.12.2024 sei am 23.12.2024 von Frau A. B., einer Sekretariatsmitarbeiterin der Abteilung Rechtschutz der Arbeiterkammer OÖ, an Herrn L. A. von der T. RadbotInnen OG zur Zustellung an das AMS übergeben worden. Dieser habe den Brief mit dem Vorlagenantrag am selben Tag in der Poststelle des AMS abgegeben. Da das Ende der zweiwöchigen Frist zur Einbringung des Vorlageantrags auf den 24.12.2024 gefallen sei, sei gemäß § 33 Abs 2 AVG der 27.12.2025 als letzter Tag der Frist anzusehen. Damit sei die Einbringung am 23.12.2025 jedenfalls rechtzeitig gewesen. Da das AMS die Beschwerde dem BVwG pflichtwidrig bis zum 19.2.2025 nicht vorgelegt habe, habe die BF an diesem Tag einen erneuten Vorlageantrag gestellt. Das AMS irre darin, dass dieser verspätet gestellt wurde, da bereits mit der rechtzeitigen Einbringung des ersten Vorlageantrags die Frist gewahrt worden sei. Das AMS wäre daher zur Vorlage der Beschwerde an das BVwG verpflichtet gewesen.
5. Am 16.9.2025 führte das BVwG in der Sache der BF in Beisein ihrer rechtlichen Vertretung sowie einer Behördenvertreterin eine Beschwerdeverhandlung durch, in der der Fahrradbote L. A. und Frau A. B. von der Arbeiterkammer Oberösterreich zeugenschaftlich befragt wurden.
In der Verhandlung wurde dem AMS aufgetragen, dem BVwG binnen einer Woche allfällige Vereinbarungen bzw. Anordnungen des AMS an die Firma T. hinsichtlich der Durchführung der Zustellungen vorzulegen.
6. Am 22.9.2025 langte eine entsprechende Stellungnahme des AMS ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 6.12.2024 wies das AMS eine von der BF gegen den Bescheid vom 2.10.2024 (betreffend Anspruchsverlust des Arbeitslosengeldes gemäß § 10 AlVG im Ausmaß von 42 Bezugstagen ab 5.9.2024) erhobene Beschwerde ab. Die Beschwerdevorentscheidung wurde von der rechtlichen Vertretung der BF (Arbeiterkammer Oberösterreich) am 10.12.2024 übernommen.
1.2. Am 20.12.2024 hat Frau Mag. S. L. von der Arbeiterkammer Oberösterreich einen Vorlageantrag im Hinblick auf die Beschwerdevorentscheidung vom 6.12.2024 verfasst und hat den Vorlageantrag am 20.12.2024, 13:20:16 Uhr, elektronisch signiert und wurde der Vorlageantrag am 23.12.2024 von Frau A. B., einer Sekretariatsmitarbeiterin der Abteilung Rechtschutz der Arbeiterkammer Oberösterreich, ausgedruckt und in die Poststelle der Arbeiterkammer gebracht. Ebenfalls noch am 23.12.2024 hat eine Mitarbeiterin der Poststelle der Arbeiterkammer den Vorlageantrag Herrn L. A., einem Fahrradboten der Firma T., übergeben.
Herr L. A. verfügte über einen Zutrittschip für den Personaleingang und die Poststelle des AMS Linz. Er öffnete mit diesem Zutrittschip am 23.12.2024 um 15:54 Uhr sowohl den Personaleingang, als auch die Poststelle des AMS und legte dort den Vorlageantrag auf dem für die Eingangspost vorgesehenen Tisch ab. Dabei hat er keine Mitarbeiter des AMS angetroffen. Diese Vorgangsweise von Herrn L. A. entsprach der mit dem AMS akkordierten Vorgangsweise hinsichtlich der Überbringung von Schriftstücken.
1.3. Der Vorlageantrag vom 20.12.2024 ist in weiterer Folge – aus nicht näher feststellbaren Gründen – in Verstoß geraten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des AMS sowie insbesondere durch die (ausführliche) Beschwerdeverhandlung vom 16.9.2025, in der der Fahrradbote L. A. und Frau A. B. von der Arbeiterkammer Oberösterreich zeugenschaftlich befragt wurden; Beweis erhoben wurde zudem durch die Stellungnahme des AMS an das BVwG vom 22.9.2025.
2.2. Die zur Beschwerdevorentscheidung vom 6.12.2024 und deren Zustellung getroffenen Feststellungen sind unstrittig und ergeben sich unmittelbar aus dem Akteninhalt (insb. Zustellnachweis).
2.3. Dass Frau Mag. S. L. von der Arbeiterkammer Oberösterreich am Freitag, dem 20.12.2024 einen Vorlageantrag verfasst hat, ist erwiesen, zumal ein Ausdruck des Vorlageantrags mit elektronischer Signatur von Frau Mag. S. L. vom 20.12.2024, 13:20:16 Uhr, im gegenständlichen Verfahren in Vorlage gebracht wurde.
Dass der Vorlageantrag von Frau A. B., einer Sekretariatsmitarbeiterin der Abteilung Rechtschutz der Arbeiterkammer Oberösterreich, am Montag, dem 23.12.2024 ausgedruckt und in die Poststelle der Arbeiterkammer gebracht wurde, folgt aus den umfangreichen zeugenschaftlichen Angaben von Frau A. B. in der Beschwerdeverhandlung, die angab, sie könne sich noch genau an die Abläufe hinsichtlich des Vorlageantrags erinnern, zumal es einen Tag vor Weihnachten und die Frist knapp gewesen sei, wobei sie von Frau Mag. S. L. die Anordnung bekommen habe, den Brief per Fahrradboten zu versenden, und der Vorlageantrag das einzige von ihr am 23.12.2024 bearbeitetes Schriftstück gewesen sei, das per Fahrradboten zu versenden war (VH S. 7-9).
Dass sodann am 23.12.2024 eine Mitarbeiterin der Poststelle der Arbeiterkammer den Vorlageantrag Herrn L. A., einem Fahrradboten der Firma T., übergeben hat, folgt zunächst aus der von der BF in Vorlage gebrachten Liste „Radboten geordert“ der Arbeiterkammer betreffend den Zeitraum 22.11.2024 bis 20.1.2025, in der sämtliche Aufträge an Radboten (sowohl an die Firma T., als auch die Firma V.) verzeichnet sind, und zwar mit Datum, der jeweiligen Botenfirma, von welchem Mitarbeiter der Arbeiterkammer das Schreiben stammt, wohin es zu transportieren ist und mit Unterschrift der übergebenden Person der Arbeiterkammer. Konkret ist in dieser Liste für den 23.12.2024 – gänzlich im Einklang mit den zeugenschaftlichen Angaben von Frau A. B. stehend, wonach es an jenem Tag nur ein einziges per Fahrradboten zu versendendes Schreiben gegeben habe – nur ein einziges Schreiben verzeichnet, das von der Arbeiterkammer per Fahrradboten versendet wurde (wenngleich hier nicht eingetragen wurde, von wem das Schreiben stammt), und zwar eines, das von der Firma T. mit dem Ziel AMS übernommen wurde. Insofern kann es sich hierbei nur um den gegenständlichen Vorlageantrag gehandelt haben.
Dass konkret Herr L. A. von der Botenfirma T. das Schreiben übernommen hat, ergibt sich zunächst aus dessen – umfangreichen – zeugenschaftlichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, wonach er sich – wenn auch vor dem Hintergrund, dass er bereits im März 2025 wegen der Zustellproblematik von der Arbeiterkammer kontaktiert worden sei - noch genau erinnern könne, dass er am Nachmittag des 23.12.2024 ein (einziges) Schriftstück von der Arbeiterkammer abgeholt und zum AMS gebracht habe. Herr L. A. schilderte weiters detailliert die Umstände, wie er das Schreiben dem AMS überbracht hat: So sei er im Besitz eines eigenen Zutrittschips für das AMS gewesen; mit diesem Chip habe er am Nachmittag des 23.12.2024 sowohl den Seiteneingang des AMS, als auch den Zugang zum Postraum des AMS geöffnet. Er habe beim AMS keinerlei Personen angetroffen und habe den Brief auf dem Tisch im Postraum abgelegt, wobei diese Praxis durchaus üblich sei (VH S. 10) bzw. habe er gerade zu diesem Zwecke – nämlich zum Ablegen der Post in der Poststelle, wenn niemand beim AMS anwesend sei – auch den Zutrittschip erhalten (VH S. 12). Die Vertreterin des AMS wies in der Verhandlung zwar sinngemäß darauf hin, dass Schriftstücke grundsätzlich (nur) persönlich übergeben würden, auch wenn die Türe durch den Botendienst geöffnet werden sollte (VH S. 2/3); mit Stellungnahme vom 22.9.2025 (OZ 9) führte das AMS jedoch – gänzlich mit den Angaben von Herrn L. A. übereinstimmend – im Hinblick auf die vorliegende Konstellation nachträglich wie folgt aus: „Fahrradbote hat einen Zutrittschip (Fa. T.): Der Bote kann den Personaleingang sowie die Poststelle aufsperren und die Post wird in der Poststelle am Platz der ‚Eingangspost‘ (Tischerl) abgelegt (unabhängig davon, ob die Poststelle besetzt ist).“
Hinzu kommt, dass das AMS im Anschluss an die Beschwerdeverhandlung für den hier relevanten 23.12.2024 eine Auslesung der Daten des Schließsystems veranlasst hat und hierzu mit Stellungnahme vom 22.9.2025 wie folgt ausführte: „Im System angelegt sind zwei Zutrittschips für Fahrradboten (T.) (‚Post 1‘ und ‚Post 2‘): Verwendung fand an diesem Tag ausschließlich der Chip „Post 1“. Der Personaleingang (Außentür) wurde um 7.14 Uhr geöffnet. ‚Post 1‘ öffnete die Tür zur Poststelle am Vormittag nicht. Nachmittags wurde um 15.54 Uhr der Personaleingang geöffnet, anschließend um 15.54 Uhr die Poststelle.“
In Anbetracht der ausgelesenen Daten des Zutrittschips in Zusammenschau mit den bisherigen Ausführungen ist somit erwiesen, dass Herr L. A. am 23.12.2024 um 15:54 Uhr – in Übereinstimmung mit seinen zeugenschaftlichen Angaben – sowohl den Nebeneingang des AMS, als auch die Türe zur Poststelle des AMS öffnete, um in der Poststelle ein Schriftstück der Arbeiterkammer, d.h.: den Vorlageantrag vom 20.12.2024, auf dem hierfür vorgesehenen Tisch abzulegen, wobei er niemanden antraf. Diese Vorgangsweise war im Übrigen mit dem AMS akkordiert bzw. akzeptiert und wurden seitens des AMS an die Firma T. ja gerade zu diesem Zwecke zwei Zutrittschips ausgegeben.
2.4. Da jedoch sodann beim AMS kein Vorlageantrag in Bearbeitung genommen wurde, ist davon auszugehen, dass der Vorlageantrag vom 20.12.2024 – aus nicht näher feststellbaren Gründen – beim AMS in Verstoß geraten ist. Nach § 45 Abs 2 AVG ist eine Tatsache nicht erst dann als erwiesen anzunehmen, wenn sie mit „absoluter Sicherheit“ erweislich ist. Es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 22.3.2015, Zl. 2013/02/0005, mit weiteren Judikaturhinweisen). Vor dem Hintergrund der dargestellten, unzweifelhaft erwiesenen Umstände wäre etwas anderes als ein Verlust des Vorlageantrags beim AMS nur dann denkbar, wenn Herr L. A. am Nachmittag des 23.12.2024 statt des Vorlageantrags irrtümlich ein anderes Dokument in der Poststelle des AMS abgelegt hätte, wofür es aber keine Anhaltspunkte gibt. Als überaus wahrscheinlicher erscheint vor dem Hintergrund, dass das Schriftstück schlicht am (hierfür vorgesehenen) Tisch abgelegt worden war, dass es in weiterer Folge – aus welchen Gründen auch immer - in Verstoß geraten ist, wobei dies von den unmittelbar darauffolgenden Weihnachtsfeiertagen begünstigt worden sein könnte und wobei etwa auch Reinigungskräfte Zugang zu dem Raum hatten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 56 Abs 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Das Vorschlagsrecht für die Bestellung der erforderlichen Anzahl fachkundiger Laienrichter und Ersatzrichter steht gemäß § 56 Abs 4 AlVG für den Kreis der Arbeitgeber der Wirtschaftskammer Österreich und für den Kreis der Arbeitnehmer der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu; die vorgeschlagenen Personen müssen über besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung verfügen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Besondere rechtliche Grundlagen
§ 13 AVG lautet auszugsweise:
§ 13. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. […].
§ 15 VwGVG lautet auszugsweise:
§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
[…]
(2) […] Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.
3.3. Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:
3.3.1. Anbringen sind gemäß § 13 Abs 1 AVG „bei der Behörde“ einzubringen. In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung handelt es sich dabei um jenes Organ, das über den Antrag zu entscheiden hat. Anbringen müssen (und können regelmäßig) aber nicht der Behörde selbst (d.h. dem Organwalter, der eine mit Hoheitsgewalt ausgestattete Organstellung innehat), sondern deren – nach den organisationsrechtlichen Vorschriften zu bestimmenden – Hilfsorganen (Dienststelle, Einbringungsstelle) persönlich vorgetragen bzw. übergeben (in den Einlaufkasten eingeworfen) oder an diese gesandt werden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 13, Rz 32, mit zahlreichen Judikaturhinweisen).
Ein Anbringen gilt nur dann als eingebracht, wenn es bei der Behörde (der Einbringungsstelle) auch tatsächlich einlangt. Diesbezüglich ist die Partei, der die Wahl des Mittels der Einbringung offen steht, nicht nur beweispflichtig, sondern sie trägt auch die Gefahr des Verlusts einer (z. B. zur Post gegebenen oder gefaxten) Eingabe (Hengstschläger/Leeb, AVG § 13, Rz 33, mit zahlreichen Judikaturhinweisen).
Ab Einlangen in der Einlaufstelle befindet sich ein Schriftsatz in der Sphäre der Behörde, die sich der Einlaufstelle bedient. Die Unterlassung der (rechtzeitigen) Weiterleitung des Schriftsatzes von der Einlaufstelle an die jeweils zuständige Stelle stellt einen behördlichen Fehler dar (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2018/15/0038, mwN). [VwGH 20.10.2022, Ra 2022/13/0035]
3.3.2. Im konkreten Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das AMS der Firma T. zwei Zutrittschips zur Verfügung gestellt hat, damit deren Boten einerseits das Gebäude betreten und andererseits auch insbesondere die Poststelle des AMS öffnen können, um Schriftstücke auf dem Tisch der Poststelle ablegen zu können, ohne dass hierfür die Anwesenheit von Mitarbeitern des AMS erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund kann von einem „Einlangen in der Einlaufstelle“ im Sinne der dargestellten Rechtsprechung unzweifelhaft dann gesprochen werden, wenn der Bote das Gebäude des AMS wie auch die Türe zur Poststelle selbst öffnet und ein Schriftstück am dortigen Tisch ablegt. Mit der Ablage des Schriftstückes in der Poststelle des AMS gelangt dieses in die Sphäre des AMS.
3.3.3. Freilich gilt, wie dargestellt, ein Anbringen nur dann als eingebracht, wenn es bei der Behörde (der Einbringungsstelle) auch tatsächlich einlangt, wobei die Partei diesbezüglich beweispflichtig ist (vgl. VwGH 26.1.2011, 2010/12/0060). Im konkreten Fall lag es also an der BF, zu beweisen, dass der Vorlageantrag vom 20.12.2024 am 23.12.2024 von Herrn L. A. tatsächlich in der Poststelle des AMS abgelegt wurde.
Dieser Beweis ist der BF den oben im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Ausführungen zufolge gelungen. An dieser Stelle sei auch nochmals darauf verwiesen, dass es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 22.3.2015, Zl. 2013/02/0005, mit weiteren Judikaturhinweisen). Dass der Vorlageantrag nach Einbringung beim AMS in Verstoß geraten ist, ist dem AMS zuzurechnen; die Gefahr des Verlusts lag nach der Einbringung nicht mehr bei der BF.
3.3.4. Die BF hat somit am 23.12.2024 einen fristgerechten Vorlageantrag eingebracht (die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung war am 10.12.2024 erfolgt). Vor diesem Hintergrund hätte die als „Vorlageantrag“ bezeichnete (weitere) Eingabe der BF vom 19.2.2025 nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen, sondern sie wäre als Ergänzung zum (fristgerechten) Vorlageantrag zu werten und dem BVwG vorzulegen gewesen.
Folglich war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und der Zurückweisungsbescheid ersatzlos aufzuheben.
3.3.5. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass hinsichtlich des – im Gefolge dieses Erkenntnisses wieder offenen – inhaltlichen Beschwerdeverfahrens betreffend Verlust des Arbeitslosengeldes nach § 10 AlVG seitens des AMS eine Vorlage an das BVwG vorzunehmen sein wird, zumal eine solche bis dato nicht erfolgte. Über den Verlust des Arbeitslosengeldes nach § 10 AlVG wird nach erfolgter Vorlage durch das AMS vom BVwG in einem eigenen Verfahren abzusprechen sein.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Entscheidungswesentlich ist im gegenständlichen Verfahren, wann eine Eingabe in die Sphäre der Behörde gelangt ist und wer hinsichtlich der Einbringung beweispflichtig ist. Hierzu besteht eine umfangreiche, einheitliche und in der Begründung auszugweise zitierte Rechtsprechung des VwGH, auf die sich die gegenständliche Entscheidung maßgeblich stützt. Zudem liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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