IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD NÖ Außenstelle Wr. Neustadt (BFA-N-ASt Wr. Neustadt) vom 19.08.2025, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 09.01.2025 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19.08.2025 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Gegen Spruchpunkt I. wurde fristgerecht am 15.09.2025 Beschwerde erhoben und diese dem Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2025 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die unbescholtene Beschwerdeführerin ist 19 Jahre alt und Staatsangehörige des Sudan. Sie wurde in der Stadt Jeddah in Saudi-Arabien geboren. Ihr Vater verblieb in Saudi-Arabien, als die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern etwa acht Jahre später nach Khartum zurückkehrte. Sie wurden finanziell durch den in Saudi-Arabien arbeitenden Vater unterstützt. Aufgrund des Kriegsausbruchs verließ die Beschwerdeführerin im April 2023 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern den Sudan. Sie reisten nach Ägypten und wurden in der Folge finanziell von einer in Österreich lebenden Tante der Beschwerdeführerin, die österreichische Staatsbürgerin ist, unterstützt. Die Mutter und die Geschwister der Beschwerdeführerin halten sich nach wie vor in Kairo auf, der Vater lebt noch immer in Saudi-Arabien, ist aber derzeit arbeitslos. Den letzten persönlichen Kontakt hatte die Beschwerdeführerin zu ihrem Vater vor der Corona-Pandemie.
Die Beschwerdeführerin gab im Verfahren an, Ägypten verlassen zu haben, da ihre Verwandten väterlicherseits eine weibliche Genitalverstümmelung und eine Eheschließung für die Beschwerdeführerin planten. Im September 2024 verließ die Beschwerdeführerin Ägypten und reiste schlepperunterstützt, organisiert von ihrer Mutter, über Libyen nach Österreich, wo sie am 05.01.2025 einlangte und einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Im Sudan leben nur entfernte Verwandte mütterlicherseits; die beiden Schwestern ihrer Mutter sind in Österreich, die zwei Brüder des Vaters in Ägypten bzw. Saudi-Arabien. Das Haus der Familie in Khartum wurde im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört.
Gegen die Beschwerdeführerin wird aufgrund der Angabe eines falschen Geburtsdatums von der Staatsanwaltschaft ermittelt.
1.2. Zu den Fluchtgründen:
1.2.1. Die Lage für Frauen im Sudan hat sich seit Ausbruch des Konfliktes im April 2023, vor allem im Raum Khartum, stark verschlechtert. Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist im Sudan endemisch geworden. Sexuelle Gewalt wird von Sicherheitskräften auch willkürlich gegen Frauen im ganzen Land eingesetzt, angeblich um sie von der Teilnahme an Protesten abzuhalten. Zudem sind Vertriebene und sich auf der Flucht befindende Frauen besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden.
Frauen werden von den RSF (Rapid Support Forces) entführt, um Lösegeld zu erpressen. Während sie als Geiseln gehalten werden, werden sie oft vergewaltigt. Viele werden in den Tschad verschleppt oder als Sexsklavinnen missbraucht, und Hunderte Frauen werden von den Milizionären unter unmenschlichen, erniedrigenden Bedingungen gefangen gehalten. Die RSF setzen „Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt“ gegen Frauen wie Mädchen „als Mittel zur Bestrafung und Terrorisierung von Gemeinschaften“ ein.
Für viele Überlebende ist es aufgrund von Scham, Stigmatisierung oder Angst vor Repressalien schwer, sexuelle Gewalt anzuzeigen. Die Meldung von Übergriffen und die Inanspruchnahme von Hilfe wird auch durch den Mangel an Elektrizität und Internetanschlüssen sowie durch den fehlenden Zugang zu humanitärer Hilfe aufgrund der instabilen Sicherheitslage erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Angriffe auf und die Besetzung von Gesundheitseinrichtungen hindern Opfer auch daran, medizinische Notversorgung zu suchen und in Anspruch zu nehmen.
Außerdem gibt es erhebliche Hindernissen bei Anzeigen von geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter kulturelle Normen, eine zurückhaltende Ermittlungsbereitschaft der Polizei und Straffreiheit für Täter. Letztere bleiben vor allem in Zeiten bewaffneter Konflikte straffrei.
Die Beschwerdeführerin ist als Frau im Sudan im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch körperliche, sexuelle und psychische Gewalt ausgesetzt und läuft Gefahr, Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Vergewaltigung zu werden.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Sudan trifft das Bundesverwaltungsgericht auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (vom 02.02.2024) folgende entscheidungsrelevanten Feststellungen zur aktuellen Lage:
Politische Lage
Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär-islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 – Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärische Übergangsrat (Transitional Military Council – TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change – FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vgl. BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).
Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council – SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).
Unter al-Baschir waren Präsidentschaftswahlen wie auch die zur Nationalversammlung alle fünf Jahre vorgesehen. Im Rahmen der 2019 unterzeichneten Abkommen waren Wahlen für 2022 vorgesehen, aber durch die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Juba (Dschuba) im Oktober 2020 und eine Änderung des Verfassungsrahmens wurden sie um 39 Monate ab Unterzeichnung verschoben, wodurch sich die geplanten Wahlen auf Anfang 2024 verschoben (USDOS 20.3.2023). Das Friedensabkommen von Juba wurde von der sudanesischen Übergangsregierung mit drei bewaffneten Darfur-Gruppen, vertreten durch die sog. Revolutionäre Front (Revolutionary Front – RF), geschlossen, um den seit Jahren schwelenden Konflikt in Darfur zu beenden. Das Abkommen garantiert den Anführern der Gruppen einen Sitz im SC und den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile Autonomie. Überdies soll die RF in die nationale Armee integriert werden. Zwei größere bewaffnete Gruppierungen – das Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A) sowie die Sudan People’s Liberation Army (SPLA-North) sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten (BS 23.2.2022).
Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich, befeuert durch u. a. die Blockade des Seehafens in Port Sudan durch Angehörige der Beja. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung (AA 1.6.2022). Nicht nur Premierminister Hamdok wurde seines Amtes enthoben und unter Arrest gestellt, sondern auch mehrere hochrangige Beamte verhaftet, das Kabinett entlassen und der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 20.3.2023). Kurz darauf wurde der SC aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces – SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta (HBS 17.7.2023).
Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vgl. EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vgl. FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De-facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).
Die interne Spaltung, in Verbindung mit erheblichem internationalem Druck, führte schließlich dazu, dass sich die beiden Führer auf einen Übergang zu einer zivil-geführten Regierung Anfang April 2023 einigten. Aufgrund erneuter Spannungen zwischen den zwei militärischen Fraktionen verzögerte sich die Umsetzung ebenjener Vereinbarung. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich aus dem Vorstoß der SAF-Führung, die RSF in die nationale Armee zu integrieren, was die Kontrolle der RSF über profitable Aktivitäten wie den Goldabbau bedrohen würde. Mitte April eskalierte die Situation und weitete sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (HBS 17.7.2023).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
-BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report - Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069719/country_report_2022_SDN.pdf, Zugriff 2.11.2023
-EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023
-FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
-HBS - Heinrich Böll Stiftung (17.7.2023), Der Krieg im Sudan: Schon vergessen?, https://www.boell.de/de/2023/07/17/der-krieg-im-sudan-schon-vergessen, Zugriff 23.10.2023
-UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093601/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 2.11.2023
-USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Sicherheitslage
Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.04.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vgl. AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).
Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Port Sudan operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023).
Strom sowie Internet- und Telefonverbindungen können zeitweise ausfallen (BMEIA 3.5.2023). Es kommt verbreitet zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Hausbesetzungen. Auch Minen werden eingesetzt (EDA 19.12.2023).
Es wird von schwerem Beschuss und Luftangriffen berichtet. Mehrere von beiden Seiten vereinbarte Waffenstillstände wurden gebrochen. Die Armee schloss Verhandlungen mit der RSF aus und gab an, nur deren Kapitulation zu akzeptieren. Vorherige Vermittlungsversuche durch die Präsidenten Kenias, Dschibutis und Südsudans sind gescheitert (BAMF 24.4.2023). Um eine Einigung für eine Waffenruhe zu erreichen, wurden am 14.5.2023 die Gespräche in Jeddah aufgenommen. Nichtsdestotrotz intensivierten sich die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien. Da die Polizei aufgrund der anhaltenden Kämpfe ihren Aufgaben nicht mehr nachkomme, sei vielerorts ein Vakuum in der Sicherheitslage entstanden (BAMF 15.5.2023).
Medienberichten zufolge wurde am Abend des 20.5.2023 eine siebentägige Waffenruhe vereinbart, die ab dem 22.5.2023 um 21:45 Uhr Ortszeit beginnen sollte. Anders als bei vorherigen Waffenruhen haben beide Parteien, die sudanesische Armee (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), das Abkommen unterzeichnet (BAMF 22.5.2023).
Die BBC berichtete, dass die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfanden und Khartum zu einem Kriegsgebiet wurde. Die Kämpfe breiteten sich schnell auf angrenzende Städte und Provinzen aus. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2023 steuert der Sudan auf ein Staatsversagen hin und die Kämpfe erstrecken sich auf verschiedene Teile des Landes. Im Juli 2023 setzten sich die Kämpfe in Khartum sowie in den Bundesstaaten Darfur, Kordofan und Blue Nile fort. Zu diesem Zeitpunkt war Khartum weitgehend unter Kontrolle der RSF (EUAA 11.8.2023).
Im Juli 2023 kontrolliert die Sudanesische Armee die Außenbezirke der Hauptstadt sowie den größten Teil von Omdurman und den östlichen und nördlichen Teil des Landes. Laut dem UNHCR gibt es neben den bewaffneten Kämpfen auch eine Zunahme der Kriminalität und einen allgemeinen Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Land. Insbesondere Khartum ist stark von Gewalt betroffen. Die Kämpfe zwischen der Armee und der Sudan People's Liberation Movement North (SPLM-N) haben sich auch auf die Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile ausgeweitet. In Khartum kommt es weiterhin zu Plünderungen, Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und der Besetzung von Privathäusern. Die heftigsten Kämpfe fanden in Omdurman statt, wo die Sudanesische Armee massive Luftangriffe und Beschuss einsetzte, um die Rapid Support Forces (RSF) aus Teilen der Stadt zu vertreiben (EUAA 11.8.2023). Laut Amnesty International sind in den letzten 6 Monaten mindestens 5.000 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 verletzt und über 5,7 Millionen Menschen vertrieben worden (AI 15.10.2023).
Am 7.12.2023 teilte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) mit, dass seit Ausbruch der Kämpfe Mitte April 2023 mehr als 12.190 Menschen getötet und mehr als 6,6 Mio. Menschen vertrieben wurden (BAMF 11.12.2023).
Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vgl. RW 13.12.2023).
Ferner kam es in Kosti (Kusti), Hauptstadt des Bundesstaat White Nile zu tagelangen Kämpfen der Volksgruppen Hausa uns Nuba. Demnach seien am 6.5.2023 die Kämpfe ausgebrochen und bis zu 25 Menschen getötet und ca. 50 verletzt worden. Am 10.5.2023 hätten sich die Führer der jeweiligen Volksgruppen auf einen Waffenstillstand geeinigt (BAMF 15.5.2023).
Zudem ist ein Wiederaufflammen von Spannungen und Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu verzeichnen. Im Juni 2023 waren die Auswirkungen der interkommunalen Gewalt in West-Darfur deutlich zu spüren. Mehrere Berichte wiesen auf eine Kampagne gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit hin, welche u. a. von einigen bewaffneten Männern in RSF-Uniformen durchgeführt wurden. Am 12.9.2023 kam es in der Nähe des Dorfes Anjemei südöstlich der Stadt El Geneina zu einem tödlichen Angriff mit 5 getöteten Männern (darunter drei Kinder) und einen Verletzten. Da die Täter in den Tschad flohen, kam die Befürchtung auf, dass der Vorfall eine Eskalation der Spannungen zwischen den Stämmen auslösen, bzw. zu einem Übergreifen des Konflikts führen könnte (UNHCR 10.10.2023a).
Seit Beginn der Regenzeit im Juli 2023 sind laut dem Sudan Floods Dashboard 2023 rund 89.000 Menschen in 22 Orten in neun Bundesstaaten von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Berichten zufolge sind mindestens 8.227 Häuser zerstört und 7.540 beschädigt worden. Im Jahr 2022 waren in 16 der 18 Bundesstaaten des Sudan 349.000 Menschen von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Mindestens 24.860 Häuser wurden zerstört und 48.250 weitere beschädigt (RW 9.2023a).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/203266#content_5, Zugriff 2.2.2024
-AI - Amnesty International (15.10.2023): Sudan: Civilians still being killed and displaced after six months of conflict, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/10/sudan-civilians-still-being-killed-and-displaced-after-six-months-of-conflict/, Zugriff 23.10.2023
-BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (3.5.2023): Reiseinformation Sudan (Republik Sudan), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/sudan, Zugriff 2.2.2024
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw21-2023.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 2.2.2024
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw20-2023.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 2.2.2024
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.4.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw17-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 2.2.2024
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.12.2023) [Deutschland]: Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023
-EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (19.12.2023): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/sudan/reisehinweise-fuerdensudan.html#eda0326b6, Zugriff 2.2.2024
-EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023
-RW - ReliefWeb (13.12.2023): Regionale Sudan-Reaktion Lagebericht, 12. Dezember 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/regional-sudan-response-situation-update-12-december-2023, Zugriff 13.12.2023
-RW - ReliefWeb (9.2023a): Sudan: Überschwemmungen - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/fl-2023-000199-sdn, Zugriff 13.12.2023
-UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.10.2023a): Protection Brief Dafur Region, October 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098689/Protection+Brief+-+Darfur+-+October+2023.pdf, Zugriff 13.12.2023
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassungserklärung von 2019 verbietet zwar Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung (USDOS 20.3.2023), Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste können jedoch Folter, auch mit Todesfolge, einschließen. Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle (AA 1.6.2022). Auch gibt es zahlreiche Berichte über gewaltsame Übergriffe auf friedliche Demonstranten unter der Militärjunta (USDOS 20.3.2023). Die Sicherheitskräfte haben auch Kinder misshandelt, bzw. menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt (HRW 12.1.2023).
Die Übergangsregierung hatte Schritte zur Stärkung einiger Rechte unternommen. Durch Änderungen des Strafgesetzes sind Auspeitschen und andere Formen der Körperstrafe seit 13. Juli 2020 verboten (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Verfehlungen der Sicherheitskräfte können nach dem Gesetz zwar grundsätzlich mit Disziplinarverfahren, Entlassung aus dem Dienst und Haft geahndet werden. Angehörige der Sicherheitskräfte, die foltern, wurden bislang jedoch kaum zur Verantwortung gezogen (AA 1.6.2022). Außerdem wird häufig mit Gewalt gegen Aktivisten, politische Gefangene und Journalisten vorgegangen. Diese werden ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt in Isolationshaft gehalten und waren häufig Opfer von Folter und unmenschlicher Behandlung (FH 2023). Auch in Gefängnissen sind außergerichtliche Tötung und tödliche Folter verbreitete Praktiken (BS 2022; vgl. OMCT 30.8.2021, USDOS 20.3.2023).
UN-Experten äußerten sich im August 2023 alarmiert über Berichte über brutale und weitverbreitete Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt durch die Streitkräfte RSF. Dazu gehören Berichte über das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen und Mädchen und Handlungen wie Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung. Berichten zufolge wurden Hunderte von Frauen durch die RSF inhaftiert und unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen festgehalten, sexuellen Übergriffen ausgesetzt und sind von sexueller Sklaverei bedroht (OHCHR 17.8.2023). Am 6.12.2023 erklärten die USA offiziell, dass man bestätigen könne, dass die Rapid Support Forces (RSF) und verbündete Milizen Kriegsverbrechen begangen haben. Dazu zählten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, insbesondere in West-Darfur. Zudem wird die Misshandlung von Inhaftierten in Haftanstalten der sudanesischen Armee (SAF) und der RSF angemahnt. Unmittelbare Konsequenzen für die Kriegsparteien haben diese Feststellungen allerdings nicht (BAMF 11.12.2023).
Von den in der Scharia, die im Sudan als Rechtsquelle Gültigkeit besitzt, festgelegten Köperstrafen ist vor allem die Prügelstrafe weit verbreitet. Es kommt außerdem vor, dass Frauen wegen „unschicklicher Kleidung“ mit Stockhieben bestraft werden. Das einschlägige Gesetz (Public Order Law) wurde Ende November 2019 abgeschafft. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden. In bestimmten Fällen können Körperstrafen durch Zahlung von „Blutgeld“ abgewendet werden. Insgesamt ist eine Lockerung der strengen Regeln zu beobachten (AA 1.6.2022).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023
-BS 2022 - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 Country Report – Sudan, https://bti-project.org/en/reports/country-report/SDN#pos0, Zugriff 2.11.2023
-FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
-HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023
-OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (17.08.2023): UN experts alarmed by reported widespread use of rape and sexual violence against women and girls by RSF in Sudan, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/08/un-experts-alarmed-reported-widespread-use-rape-and-sexual-violence-against, Zugriff 3.11.2023
-OMCT - OMCT World Organisation Against Torture (30.8.2021), Sudan: Will the Convention against Torture prompt a better detention system?, https://www.omct.org/en/resources/statements/sudan-will-the-convention-against-torture-prompt-a-better-detention-system, Zugriff 2.11.2023
-USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Übergangsverfassung von 2019 verpflichtet die Übergangsregierung die Menschenrechte aller Bürger ohne Diskriminierung zu wahren und ihre Gleichbehandlung vor dem Gesetz zu gewährleisten. In der Verfassung wird ferner die Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen eingefordert (FH 2023 vgl. AA 1.6.2022). Der Ausnahmezustand, der kurz nach dem Militärputsch verhängt wurde, schränkt jedoch einige bürgerliche Freiheiten ein (AA 1.6.2022).
Im Jahr 2022 gehörten zu den großen Menschenrechtsproblemen rechtswidrige Tötungen, unmenschliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit sowie Korruption in der Regierung. Weitere Probleme sind geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung sexueller Minderheiten und Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023).
Sicherheitskräfte gehen weiterhin mit exzessiver Gewalt gegen Proteste vor, töten Demonstrierende und verletzen Tausende. Protestteilnehmer, darunter auch Minderjährige, werden rechtswidrig inhaftiert und misshandelt (AI 28.3.2023). Zwar hat die Militärregierung Sonderausschüsse zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen eingerichtet, bislang aber noch keine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Paramilitärische Kräfte und Rebellengruppen verüben nach wie vor Gewalttaten gegen Zivilisten, vor allem in Darfur, Südkordofan und Blue Nile, während lokale Milizen aufgrund von fehlender Militärpräsenz und Straffreiheit weiterhin erheblichen Einfluss ausüben. Interkommunale Gewalt, die auf Landbesitzstreitigkeiten und Ressourcenknappheit beruht, führt zu Todesfällen (USDOS 20.3.2023).
Die Menschenrechts- und Schutzsituation im Sudan hat sich 2023 weiter dramatisch verschlechtert, insbesondere in Khartum und Darfur. Die Gewalteskalation in dicht besiedelten Gebieten der umkämpften Städte führt zu einer großen Zahl ziviler Opfern und zur weitgehenden Zerstörungen der Infrastruktur. Zwischen 7.5.2023 und 20.8.2023 dokumentierte die UN-Mission im Sudan 655 mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und -Misshandlungen in Zusammenhang mit interkommunaler Gewalt und bewaffneten Zusammenstößen. Davon waren insgesamt 12.629 Menschen direkt betroffen. Auch in Darfur hat sich die Menschenrechtslage deutlich verschlechtert, dank gezielter Angriffe und massiver Gewalt. In al-Dschunaina flammte im Kontext des Konflikts zwischen den SAF und den RSF ethnisch motivierte Gewalt ebenfalls wieder auf, ebenso außerhalb der größeren Städte Darfurs. Besorgniserregend, so der UN-Sicherheitsrat, sind die gezielten Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten sowie die Morde an prominenten Persönlichkeiten der Masalit. Die anhaltende Unterbrechung der Telekommunikation erschwert in Darfur die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht (UNSC 31.8.2023).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
-AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023
-FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 7.11.2023
-UNSC - UN Security Council (31.8.2023): Situation in the Sudan and the activities of the United Nations Integrated Transition Assistance Mission in the Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097534/N2324851.pdf, Zugriff 7.11.2023
-USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Sudan, Zugriff 7.11.2023
Frauen
Trotz der in der Übergangsverfassung verankerten Gleichbehandlungsgarantien und einiger Verbesserungen in jüngster Zeit sind Frauen in vielen Rechtsbereichen weiterhin benachteiligt. Die Übergangsregierung ratifizierte im April 2021 das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, versäumte es jedoch, die Bestimmungen zur Anerkennung der Gleichstellung in den Bereichen Ehe, Scheidung und Elternschaft zu billigen. Zudem werden Frauen durch die geltenden Ehegesetze diskriminiert (FH 2023).
Gegenwärtig sind mehr als vier Millionen sudanesische Frauen und Mädchen von sexueller bzw. geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht (WHO 24.7.2023), wobei schon vor Ausbruch der Kämpfe nach UN-Schätzungen mehr als drei Millionen gefährdet waren, auch durch häusliche Gewalt (WHO 5.7.2023). Vergewaltigung, sexuelle Belästigung sowie häusliche Gewalt sind im Sudan Straftaten, und eine Überlebende einer Vergewaltigung kann nicht wegen Ehebruchs belangt werden. Die Vergewaltigung in der Ehe ist hingegen nicht als Straftat anerkannt. Es gibt keine verlässlichen Statistiken zur Häufigkeit von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt im Land. Menschenrechtsorganisationen berichten von erheblichen Hindernissen bei Anzeigen von geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter kulturelle Normen, eine zurückhaltende Ermittlungsbereitschaft der Polizei und Straffreiheit für Täter (USDOS 20.3.2023). Letztere bleiben vor allem in Zeiten bewaffneter Konflikte straffrei (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023).
Demonstrantinnen sind im Sudan oft sexuellen Übergriffen ausgesetzt (AI 27.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Nach Angaben des UN-Experten für die Menschenrechtssituation im Sudan wandten Angehörige der Sicherheitskräfte sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, darunter auch Vergewaltigungen, gegen Frauen, die sich an vorderster Front an den Protesten gegen den Militärputsch beteiligt hatten, an (AI 27.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Ferner gibt es mehrere Berichte über sexuelle Gewalt von Sicherheitskräften gegen Frauen im ganzen Land, angeblich um sie von der Teilnahme an Protesten abzuhalten (USDOS 20.3.2023).
Seit dem Ausbruch des Konflikts im April 2023 ist sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Sudan endemisch geworden. Mit Stand Ende August 2023 hat das Referat zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Combating Violence Against Women - CVAW), eine staatliche Stelle, 124 Vergewaltigungsfälle seit Konfliktbeginn dokumentiert, wobei fast alle Fälle von den RSF begangen wurden (TG 29.8.2023).
Angesichts der hohen Dunkelziffer bei geschlechtsspezifischer Gewalt ist die tatsächliche Zahl der Fälle höchstwahrscheinlich weitaus höher (WHO 5.7.2023): Die CVAW geht z. B. davon aus, dass sie nur ungefähr 2 % der Gesamtfälle dokumentiert (SC 7.7.2023). Für viele Überlebende ist es aufgrund von Scham, Stigmatisierung oder Angst vor Repressalien schwer, sexuelle Gewalt anzuzeigen. Die Meldung von Übergriffen und die Inanspruchnahme von Hilfe wird auch durch den Mangel an Elektrizität und Internetanschlüssen sowie durch den fehlenden Zugang für humanitäre Hilfe aufgrund der instabilen Sicherheitslage erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Angriffe auf und die Besetzung von Gesundheitseinrichtungen hindern Opfer auch daran, medizinische Notversorgung zu suchen und in Anspruch zu nehmen (WHO 5.7.2023). Aktivisten und Mediziner nutzen die sozialen Medien, um ein Unterstützungsnetz für Überlebende und von sexueller Gewalt bedrohte Frauen zu schaffen (AJ 16.5.2023).
Vertriebene und sich auf der Flucht befindende Frauen sind überdies besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden (WHO 24.7.2023; vgl. UNHCR 15.6.2023, WHO 5.7.2023).
Mehrere NGOs berichten, dass Frauen von den RSF entführt werden, um Lösegeld zu erpressen. Während sie als Geiseln gehalten werden, werden sie oft vergewaltigt. Viele werden in den Tschad verschleppt oder als Sexsklaven missbraucht (TG 29.8.2023), und Hunderte Frauen werden von den Milizionären unter unmenschlichen, erniedrigenden Bedingungen gefangen gehalten (UN News 17.8.2023). Gemäß einer Gruppe unabhängiger UN-Menschenrechtsexperten setzen die RSF „Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt“ gegen Frauen wie Mädchen „als Mittel zur Bestrafung und Terrorisierung von Gemeinschaften“ ein (UN News 17.8.2023; vgl. TG 29.8.2023). Die überwiegende Mehrheit jener Taten wird in den beiden Bundesstaaten al-Khartum und Darfur begangen (SC 7.7.2023; vgl. ST 1.7.2023, WHO 5.7.2023). In Khartum und in al-Dschunaina, West-Darfur, soll es die meisten Fälle von sexueller Gewalt geben (AJ 16.5.2023).
In West-Darfur kommt es weiterhin zu geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter konfliktbedingte sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen. In Darfur wurden nach Angaben des UN-Experten bei interethnischen Auseinandersetzungen und Angriffen auf vertriebene Frauen und Mädchen acht Vergewaltigungen verübt, die 15 Frauen und fünf Mädchen betrafen. Bei den Tätern handelte es sich um bewaffnete Männer, von denen die meisten Militäruniformen trugen. Obwohl alle acht Fälle bei der Polizei angezeigt wurden, erfolgte nur in einem einzigen Fall - der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens in Nord-Darfur - eine Festnahme (AI 27.3.2023).
Die Einheit zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen des sudanesischen Ministeriums für soziale Entwicklung berichtet von einer deutlichen Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt in Khartum, Süd-Darfur und West-Darfur, die angeblich von den RSF und verbündeten Einheiten verübt wurde (UNSC 31.8.2023).
2019 hob die Übergangsregierung das Gesetz über die öffentliche Ordnung auf, das u. a. Frauen für als unanständig empfundene Kleidung oder Verhalten bestrafen konnte. Nichtsdestotrotz berichten feministische Gruppen, dass Frauen weiterhin für „Verstöße gegen die Moral“ bestraft werden (FH 2023).
Weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung (FGM/C) ist nach wie vor verbreitet und wird im ganzen Land angewendet. 2020 wurde FGM/C kriminalisiert und unter Strafe gestellt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht eine Strafe von drei Jahren Haft vor. Ob es seit dem Militärputsch durchgesetzt wird, ist allerdings unklar. Nach UN-Angaben liegt die Prävalenzrate von FGM/C bei Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren bei 87 %, wobei es geografische wie ethnische Unterschiede gibt (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
-AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Sudan 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089612.html, Zugriff 20.11.2023
-AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023
-AJ - Al Jazeera (16.5.2023): Women speak out about sexual violence in Sudan fighting, https://www.aljazeera.com/news/2023/5/16/women-speak-out-online-about-reports-of-sexual-violence-in-sudan, Zugriff 20.11.2023
-FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
-HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Sudan, https://www.ecoi.net/en/document/2085500.html, Zugriff 20.11.2023
-SC - Save the Children (7.7.2023): Sudan: Children as young as 12 raped and assaulted, as sexual violence rips through the country, https://www.savethechildren.net/news/sudan-children-young-12-raped-and-assaulted-sexual-violence-rips-through-country, Zugriff 20.11.2023
-ST - Sudan Tribune (1.7.2023): Sudan’s women unit reports surge in sexual violence cases linked to RSF elements, https://sudantribune.com/article274786/, Zugriff 20.11.2023
-TG - The Guardian (29.8.2023): Women in Sudan facing a “tragedy” of sexual violence as rape cases rise, https://www.theguardian.com/global-development/2023/aug/29/women-in-sudan-facing-a-tragedy-of-sexual-violence-as-cases-rise, Zugriff 20.11.2023
-UNFPA - United Nations Population Fund (15.10.2023): Sudan’s women and girls endure six months of conflict with no end in sight, https://www.unfpa.org/news/sudan%E2%80%99s-women-and-girls-endure-six-months-conflict-no-end-sight, Zugriff 20.11.2023
-UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (15.6.2023): UNHCR: Heightened risks, violations and sexual violence reported by civilians fleeing Sudan, https://www.unhcr.org/news/press-releases/unhcr-heightened-risks-violations-and-sexual-violence-reported-civilians, Zugriff 20.11.2023
-UN News - United Nations News (17.8.2023): Rape by Sudan’s RSF militia used to “punish and terrorise” warn rights experts, https://news.un.org/en/story/2023/08/1139847?s=03, Zugriff 20.11.2023
-UNSC - United Nations Security Council (31.8.2023): Situation in the Sudan and the activities of the United Nations Integrated Transition Assistance Mission in the Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097534/N2324851.pdf, Zugriff 7.11.2023
-WHO - World Health Organization (24.7.2023): Three months of violence in Sudan: Health hanging in the balance, https://reliefweb.int/report/sudan/three-months-violence-sudan-health-hanging-balance, Zugriff 20.11.2023
-WHO - World Health Organization (5.7.2023): Sudan: top UN officals sound alarm at spike in violence against women and girls, https://www.who.int/news/item/05-07-2023-sudan-top-un-officials-sound-alarm-at-spike-in-violence-against-women-and-girls, Zugriff 20.11.2023
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zur Familie der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben in der Erstbefragung vom 10.01.2025 und in der niederschriftlichen Einvernahme am 08.07.2025. Die österreichische Staatsbürgerschaft ihrer Tante ergibt sich durch eine im Akt einliegende Reisepasskopie.
Die Beschwerdeführerin hatte im Verfahren ursprünglich angegeben, erst 2009 geboren (und damit minderjährig) zu sein, doch wurde dies von einem vom BFA beauftragten Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung widerlegt. Das BFA stellte mit Verfahrensanordnung vom 11.03.2005 fest, dass die Beschwerdeführerin spätestens am XXXX geboren ist.
Die Feststellungen zum Grund für die Ausreise aus Ägypten ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme am 08.07.2025; die belangte Behörde zweifelte an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin, ohne dies aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes schlüssig darzulegen. Letztlich kann es aber dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich von den in Ägypten lebenden Verwandten unter Druck gesetzt wurde oder nicht, da gegenständlich zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin im Sudan verfolgt wird und eine etwaige Verfolgung in Ägypten von keiner Relevanz für das Verfahren ist. Dass die Familie den Sudan aufgrund des Kriegsausbruchs verlassen hatte, wurde auch vom BFA angenommen und blieb im Verfahren unbestritten.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben sich aus einem Abschlussbericht der LPD NÖ vom 19.05.2025 zu GZ.: XXXX . Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 23.09.2025.
2.2. Zum Fluchtgrund der Beschwerdeführerin:
Dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Sudan aktuell aufgrund ihres Geschlechts die Gefahr droht, tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein und Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt zu werden, ergibt sich aus den zitierten Länderfeststellungen. Dass sich die Situation im Sudan für Frauen seit Veröffentlichung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation am 02.02.2024 nicht gebessert hat, ergibt sich aus verschiedenen aktuellen Medienberichten (vgl. etwa Kurier, Krieg im Sudan: "Nirgendwo ist es mehr sicher" für Frauen vom 20.09.2025, abrufbar unter https://kurier.at/politik/ausland/sudan-krieg-rsf-frauen-sexuelle-gewalt-missbrauch/403084774).
Dass im Verfahren keine bereits erfolgten Eingriffe in die körperliche oder sexuelle Integrität der Beschwerdeführerin hervorgekommen sind, lässt nicht zwangsläufig darauf schließen, dass sie derartigen Eingriffen in Zukunft nicht ausgesetzt sein würde, zumal sie den Sudan nach Ausbruch des Konfliktes im April 2023 unverzüglich und folglich noch vor der rapiden Verschlechterung der Lage für Frauen verlassen hat. Im Falle einer Rückkehr nach Khartum wäre die Beschwerdeführerin mit einer ganz anderen Lebensrealität konfrontiert. Sexuelle Gewalt wird von Sicherheitskräften willkürlich gegen Frauen im ganzen Land eingesetzt. Frauen werden von den RSF entführt, um Lösegeld zu erpressen, unter unmenschlichen, erniedrigenden Bedingungen gefangen gehalten, vergewaltigt oder als Sexsklaven missbraucht. Die RSF setzen „Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt“ gegen Frauen wie Mädchen „als Mittel zur Bestrafung und Terrorisierung von Gemeinschaften“ ein.
Im Übrigen hatte die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem BFA auch selbst darauf hingewiesen, als sie erklärte: „Es ist sehr gefährlich dort. Menschen werden willkürlich getötet. Mädchen werden auch vergewaltigt. Sie werden vor den Familienmitgliedern vergewaltigt, vor den Eltern.“ Diese von ihr im Zusammenhang mit ihrem Geschlecht stehenden vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen sind wohlbegründet. Auch seitens der Sicherheitskräfte ist keine besondere Hilfestellung oder sogar Schutz zu erwarten, im Gegenteil gehen die Übergriffe und Gewalthandlungen oft sogar von genau diesen aus. Darüber hinaus darf nicht verkannt werden, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr besonders vulnerabel wäre, da sie völlig auf sich alleine gestellt wäre. Es ist auch kein Beistand durch einen männlichen Familienangehörigen ersichtlich. Sowohl räumlich, örtlich als auch familiär ist nicht sichergestellt, dass die Beschwerdeführerin, die erst vor kurzem die Volljährigkeit erreicht hat, nicht als alleinstehend und als besonders leichtes Opfer wahrgenommen wird.
Die Beschwerdeführerin ist als Frau im Sudan im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch körperliche, sexuelle und psychische Gewalt ausgesetzt und läuft Gefahr, Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Vergewaltigung zu werden.
2.3. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Sudan samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, EASO, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wobei dies ebenso auf die im Rahmen der Beschwerdeverhandlungen ergänzend eingebrachten Berichte zutrifft.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Die Beschwerdeführerin vermochte glaubhaft darzulegen und ergibt sich auch aus den aktuellen Länderfeststellungen, dass ihr aktuell im Falle einer Rückkehr in den Sudan aufgrund ihres weiblichen Geschlechts und dem Umstand, dass sie dort über keine nahen Verwandten mehr verfügt, die Gefahr droht, tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein und Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt zu werden. Sexuelle Gewalt wird von Sicherheitskräften willkürlich gegen Frauen im ganzen Land eingesetzt. Frauen werden von den RSF entführt, um Lösegeld zu erpressen, unter unmenschlichen, erniedrigenden Bedingungen gefangen gehalten, vergewaltigt oder als Sexsklaven missbraucht. Die RSF setzen „Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt“ gegen Frauen wie Mädchen „als Mittel zur Bestrafung und Terrorisierung von Gemeinschaften“ ein. Vor allem in Khartum, woher die Beschwerdeführerin stammt, soll es mitunter die meisten Fälle von sexueller Gewalt geben.
Als Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention können gemäß Art. 9 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. a der Statusrichtlinie unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gelten.
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Nach der Definition des Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie gilt eine Gruppe insbesondere als eine "bestimmte soziale Gruppe", wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen müssen die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. das Urteil des EuGH vom 07.11.2013 in den verbundenen Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12).
In seinem Urteil vom 16.01.2024, C-621/21 betreffend Frauen als bestimmte soziale Gruppe im Asylverfahren, wiederholte der EuGH in seiner Begründung diese zwei Vorrausetzungen für die Identifizierung einer sozialen Gruppe. Dabei bejaht er, dass „die Tatsache, weiblichen Geschlechts zu sein, ein angeborenes Merkmal darstellt und daher ausreicht, um [die erste] Voraussetzung zu erfüllen“.
Bezüglich der Frage, ob im Fall von Frauen auch das Kriterium der sozialen Wahrnehmung erfüllt ist, führt der EuGH aus, dass „Frauen von der sie umgebenden Gesellschaft anders wahrgenommen werden können und in dieser Gesellschaft eine deutlich abgegrenzte Identität insbesondere aufgrund in ihrem Herkunftsland geltender sozialer, moralischer oder rechtlicher Normen zuerkannt bekommen können.“. Was als „umgebende Gesellschaft“ gelten könne, sei variabel, relevant könne die Gesamtgesellschaft des Herkunftslandes oder auch nur ein bestimmter Bevölkerungsteil sein. Wenn eine Personengruppe in einer Gesellschaft diskriminiert wird, dann könne dies für die Beurteilung, ob es sich um eine im Herkunftsland „gesonderte Gruppe“ handelt, relevant sein. Vor diesem Hintergrund bejaht der EuGH, dass Frauen als soziale Gruppe im Sinne der Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie angesehen werden können, „wenn feststeht, dass sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt oder häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind.“ (Rössl, Frauen als bestimmte soziale Gruppe in Asylverfahren, juridikum 2024, 201).
Zwar verlässt der EuGH nicht den Ansatz, dass die in Frage stehende Gruppe entsprechend dem Wortlaut in Art. 10 Abs. 1 lit. d StatusRL von der umgebenden Gesellschaft „als andersartig betrachtet“ werden muss. Aber indem er den Blick auf die gesellschaftliche Positionierung der Gruppe richtet, eröffnet er die Möglichkeit einer stärker strukturbezogenen Auseinandersetzung damit, inwiefern eine Gruppe als „andersartig wahrgenommen“ wird. Sowohl „soziale, moralische oder rechtliche Normen“ als auch das Vorliegen von Diskriminierung und vor allem von Gewalt sind relevante Aspekte, um eine soziale Gruppe zu identifizieren (Rössl, Frauen als bestimmte soziale Gruppe in Asylverfahren, juridikum 2024, 201).
Es ist folglich zulässig und möglich, dass die Frauen eines Herkunftsstaates als Ganzes als soziale Gruppe gelten. In Bezug auf die Frage, wann dies der Fall ist, nennt der EuGH zum einen Stigmatisierung (bspw von Frauen, die sich gegen soziale Normen wenden), aber auch – und dies ausdrücklich in Bezug auf Frauen ohne nähere Bestimmung durch weitere Charakteristika – wenn Frauen in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts Gewalt erfahren (EuGH (GK) 16.1.2024, C-621-21, WS, Rz 57). Eine sonstige Diskriminierung von Frauen kann zumindest ein Hinweis darauf sein, dass sie in der Gesellschaft als gesonderte Gruppe gelten (Rössl, Frauen als bestimmte soziale Gruppe in Asylverfahren, juridikum 2024, 201).
Bezogen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass das Geschlecht ein bestimmender Faktor für die Gefahr Opfer von sexueller Gewalt im Sudan zu werden, ist. Der Nexus zwischen Frausein und Verfolgungsgefahr ist somit gegeben. Dass Frauen als solche als soziale Gruppe gelten können, hat nun auch der EuGH eindeutig klargestellt. Insbesondere wenn Frauen im Herkunftsland „aufgrund ihres Geschlechtes physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt oder häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind“ (EuGH (GK) 16.1.2024, C-621-21, WS, Rz 57), können sie wohl als soziale Gruppe iSd StatusRL angesehen werden. Dass Frauen „aufgrund ihres Geschlechtes“ Gewalt ausgesetzt sind, ist wohl für jedes Herkunftsland zu bejahen, wobei laut EuGH für die Definition geschlechtsspezifischer Gewalt sowohl die CEDAW als auch die Istanbul-Konvention als einschlägige Auslegungsinstrumente heranzuziehen sind (EuGH (GK) 16.1.2024, C-621-21, WS, Rz 44-48).
Nach Art. 60 Abs. 1 des Übereinkommens von Istanbul steht fest, dass Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts als eine Form der Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden muss. Zum anderen verlangt Art. 60 Abs. 2 dieses Übereinkommens von den Vertragsparteien, sicherzustellen, dass alle in der Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehenen Verfolgungsgründe geschlechtersensibel ausgelegt werden und dass in Fällen, in denen festgestellt wird, dass die Verfolgung aus einem oder mehreren dieser Gründe befürchtet wird, den Antragstellerinnen und Antragstellern der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird.
Um den asylrelevanten Nexus zwischen Konventionsgrund und Verfolgung zu bejahen, reicht es, wenn der Konventionsgrund einer von allenfalls mehreren Kausalfaktoren für die befürchtete Verfolgung ist (Vgl. etwa VwGH 23.2.2016, Ra 2015/20/0113). Es kann daher die Gruppe der Frauen auch dann als soziale Gruppe angenommen werden, wenn die Verfolgungsgefahr im konkreten Fall aus einem Zusammenspiel aus sozio-ökonomischer Positionierung und Geschlecht resultiert. Weiters schadet es nicht, dass die Gruppe der Frauen etwa die Hälfte der Bevölkerung umfasst, weil die Größe der sozialen Gruppe nicht von Relevanz ist. Auch ist es nicht notwendig, dass alle Mitglieder einer sozialen Gruppe verfolgt werden; es müssen also keineswegs sämtliche Frauen von sexueller Gewalt betroffen sein, um die Zugehörigkeit zur Gruppe der „Frauen“ als kausal für eine Verfolgungsgefahr im Einzelfall zu identifizieren (Rössl, Frauen als bestimmte soziale Gruppe in Asylverfahren, juridikum 2024, 201).
Im Ergebnis kommt der EuGH zu dem Schluss, dass grundsätzlich „je nach den im Herkunftsland herrschenden Verhältnissen sowohl die Frauen dieses Landes insgesamt als auch enger eingegrenzte Gruppen von Frauen, die ein zusätzliches gemeinsames Merkmal teilen, als ‚einer bestimmten sozialen Gruppe‘ zugehörig angesehen werden können“.
Dass die Beschwerdeführerin als Frau ein angeborenes Merkmal im Sinne des Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie erfüllt, steht zweifelsfrei fest. Unter Berücksichtigung der Erwägungen des EuGH im Urteil vom 16.01.2024 zur Rechtssache C-621/21 geht das Bundesverwaltungsgericht überdies davon aus, dass im konkreten Fall die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer "bestimmten sozialen Gruppe" ebenfalls gegeben ist. Der Beschwerdeführerin droht im Sudan sexuelle Gewalt durch verschiedene (staatliche und private) Akteure wie Sicherheitskräfte, Soldaten bzw. auch Angehörige der paramilitärischen RSF und handelt es sich bei ihr zudem um eine alleinstehende Frau, deren sonstige Kernfamilie den Sudan bereits verlassen hat, was ihr Risiko, im Falle ihrer Rückkehr sexueller Gewalt ausgesetzt sein, vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte sogleich in mehrfacher Hinsicht maßgeblich erhöht. Die Übergriffe finden willkürlich statt und sobald eine Frau, vor allem in der Gegend von Khartum, das Haus verlässt, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen bzw. alltägliche Vorkehrungen zu treffen, läuft sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr vergewaltigt, entführt oder misshandelt zu werden. Schutz seitens der Sicherheitskräfte wird ihnen dabei kaum zu Teil, die Polizei ermittelt äußerst zurückhaltend und gehen die Übergriffe und Gewalthandlungen oft sogar von den staatlichen Sicherheitskräften aus, die Gewalt gegen Frauen etwa im ganzen Land einsetzen, um sie von Demonstrationen abzuhalten. Aus den Länderberichten geht hervor, dass angesichts der Vielfalt an Sicherheitskräften oft nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, ob Täter zur Polizei gehören.
Zur Gefahr, die von der (als private Gruppierung anzusehenden) paramilitärischen RSF ausgeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zukommt, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren.
Die Verfolgung beruht auf einem Konventionsgrund, nämlich der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von sexueller Gewalt bedrohten Frauen. Den Länderinformationen ist zudem zu entnehmen, dass die Meldung von Übergriffen auf Frauen und die Inanspruchnahme von Hilfe auch durch den Mangel an Elektrizität und Internetanschlüssen sowie durch den fehlenden Zugang für humanitäre Hilfe aufgrund der instabilen Sicherheitslage erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird und ist damit zweifellos nicht von einer Schutzfähigkeit und –willigkeit des Staates auszugehen.
Es ist aufgrund des erhobenen Sachverhaltes somit glaubhaft, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatort bzw. in der Herkunftsregion aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "Frauen, die von sexueller Gewalt bedroht sind", Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht; die Annahme einer solchen würde im Widerspruch zum dem der Beschwerdeführerin aufgrund der derzeitigen Situation im Sudan bereits gewährten subsidiären Schutz stehen (vgl. etwa VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054, mwN).
Da auch keine Hinweise auf das Vorliegen von in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründen vorliegen, war der Beschwerde stattzugeben, und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. In diesem Zusammenhang verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass wegen der Angabe des falschen Geburtsdatums und des Vortäuschens der Minderjährigkeit durch die Beschwerdeführerin ein Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden war. Selbst im Falle einer Verurteilung würde dies aber keine besonders schwere Straftat im Sinne des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 darstellen, so dass dies bei der Frage der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes keiner weiteren Berücksichtigung dieses Punktes bedarf.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
4. Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Der Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt; das BFA stützte sich auf die gleichen Länderfeststellungen wie die im vorliegenden Erkenntnis verwendeten. Die erkennende Richterin kam auf Basis des vom BFA bereits ermittelten Sachverhalts aber zu einem anderen rechtlichen Schluss, der sich insbesondere aus den Erwägungen des EuGH im Urteil vom 16.01.2024 zur Rechtssache C-621/21 ergibt, das im Bescheid des BFA keine Berücksichtigung fand. Es konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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