W265 2299795-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 15.07.2025, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin war seit 23.10.2019 Inhaberin eines befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.). Dem lag ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 13.04.2023, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin vom selben Tag zugrunde, wonach die Beschwerdeführerin an „Zustand nach Brustkrebs links und Brustaufbau, Zustand nach Knöchelbruch links mit geringer Funktionsbehinderung am Sprunggelenk und Polyarthralgien“ und einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. leide.
2. Die Beschwerdeführerin stellte am 13.02.2024, einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.
3. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 16.04.2024 (vidiert am 17.04.2024) auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag ein. Die medizinische Sachverständige stellte in ihrem Gutachten fest, dass die Beschwerdeführerin an „Brustkrebs links, Zustand nach Nippelsparing-Mastektomie, Einlage einer Expanderprothese, Position 08.03.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung (in der Folge EVO), Grad der Behinderung (in der Folge GdB) 30 %, Degenerative und posttraumatische Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Position 02.02.01 der Anlage der EVO, GdB 20 % und Affektive Störungen, Position 03.06.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) leide.
Leiden 1 werde durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege.
4. Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 19.04.2024 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
5. Mit Eingabe vom 08.05.2024 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab und führte aus, dass nach Rücksprache mit ihrer behandelnden Fachärztin keine nennenswerte Besserung durch den plastischen Aufbau des Leidens 1 eingetreten sei. Im Gegenteil. Der plastische Aufbau verursache weiterhin erhebliche Schmerzen und bedürfe weiterer ärztlicher Behandlung. Aufgrund der Auswirkungen der Folgen des Leiden 1 bestehe jedenfalls auch eine Wechselwirkung mit dem Leiden 2 hinsichtlich des Stütz- und Bewegungsapparates. Die Wechselwirkung bestehe bereits denklogisch aufgrund der postoperativ erlittenen Einschränkung des oberen Bewegungsapparates links (Leiden 1). Ebenso jedenfalls auch die dadurch zumindest verstärkte affektive Störung (Leiden 3). Ein fehlendes Zusammenwirken sei in keinster Weise nachvollziehbar. Die Begründung des Gutachtens sei weder nachvollziehbar noch überprüfbar.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.08.2024 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 v.H. fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie bei.
7. Mit E-Mail vom 24.09.2024 brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein.
8. Die belangte Behörde legte den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Eingabe vom 27.09.2024 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
9. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2024 wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 14.08.2024 gemäß § 8a VwGVG abgewiesen.
10. Mit Eingabe vom 15.11.2024 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 14.08.2024 fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, in der nicht nachvollziehbaren und unüberprüfbaren Begründung führe das ärztliche Gutachten im Ergebnis aus, dass das Leiden 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorläge. Darüber hinaus werde das Leiden 1 ebenso unbegründet wegen vermeintlicher Besserung um zwei Stufen herabgesetzt. Nach Rücksprache mit ihrer behandelnden Fachärztin sei keine Besserung durch den plastischen Aufbau des Leidens 1 eingetreten. Ebenso läge eine Wechselwirkung mit dem Leiden 2 und dem Leiden 3 vor. Die belangte Behörde habe das Sachverständigengutachten ohne jegliche Erläuterung und Auseinandersetzung als Grundlage des Bescheides angesehen. Die Beschwerdeführerin schloss der Beschwerde medizinische Befunde an.
11. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 20.11.2024 vor, wo dieser am 21.11.2024 einlangte.
12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.11.2024 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist, und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
13. Das Bundesverwaltungsgericht behob den angefochtenen Bescheid mit Beschluss vom 09.12.2024, Zl. W265 2299795-2/5E und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Als Begründung hierfür führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin bereits im Antrag psychiatrische Leidenszustände angeführt und diese durch Vorlage fachärztlicher Befunde untermauert habe, wodurch das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten mangels Fachkenntnis nicht zur qualifizierten Beurteilung des Gesamtleidenszustandes der Beschwerdeführerin ausreiche. Im fortgesetzten Verfahren werde ein medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Psychiatrie/Neurologie einzuholen sein.
14. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 27.05.2025 (vidiert am selben Tag), beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 27.05.2025 ein. Der medizinische Sachverständige kam in seinem medizinischen Sachverständigengutachten zum Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin folgende Leiden und Funktionseinschränkungen bestehen würden:
1) Depression/Angst, Zwangsstörung, Position 03.06.01 der Anlage der EVO, GdB 30 %
2) Brustkrebs links, Zustand nach Nippelsparing-Mastektomie, Einlage einer Expanderprothese, Position 08.03.01. der Anlage der EVO, GdB 30 %
3) Degenerative und posttraumatische Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Position 02.01.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %
Der Gesamtgrad der Behinderung würde 40 v.H. betragen.
GdB 1 werde durch GdB 2 und 3 wechselseitig negativ beeinflusst und daher um 1 Stufe erhöht.
15. Die belangte Behörde übermittelte dieses Sachverständigengutachten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13.06.2025 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.
16. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.07.2025 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.02.2024 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. würde die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllen. Die belangte Behörde schloss dem Bescheid das eingeholte medizinische Gutachten in Kopie an.
17. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass wesentliche gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Seit 2018 bestehe ein chronischer Verlauf ihrer psychiatrischen Erkrankungen und sie stehe in regelmäßiger fachärztlicher Betreuung und müsse vier Psychopharmaka in hoher Dosierung einnehmen, dennoch liege nur ein GdB von 30 % vor. Nach Brustkrebs mit Mastektomie und Expanderprothese seien ihr lediglich ein GdB von 30 % zuerkannt worden. Diesbezüglich seien die dauerhaften körperlichen Einschränkungen und psychischen Belastungen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Schmerzen im Sprunggelenk und Knie seien nur mit 20 % bewertet worden, obwohl selbst im Untersuchungsbefund Einschränkungen dokumentiert seien. Die Kombination der einzelnen Leiden sei nicht korrekt vorgenommen worden. Nach den Kriterien der EVO ergebe sich ein Gesamt-GdB von mindestens 50 %.
18. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 01.09.2025 vor, wo dieser am 02.09.2025 einlangte.
19. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.09.2025 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist, und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 11.09.2024 bei der belangten Behörde ein.
Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin:
Anamnese bei der Untersuchung am Untersuchung am 16.04.2024:
Letzte Begutachtung am 13.11.2019
Brustkrebs links, Zustand nach Nippelsparing-Mastektomie, SentinelNode-Biopsie, Einlage einer Expanderprothese 50%
operierter knöchern geheilter Knöchelbruch links 20%
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Nachuntersuchung 12/2023 - da Ablauf der 5-jährigen Heilungsbewährung
Begutachtung am 18.04.2023
Zustand nach Brustkrebs links und Brustaufbau
Zustand nach Knöchelbruch links mit geringer Funktionsbehinderung am Sprunggelenk
Polyarthralgien
Nachuntersuchung 12/2023 - weil da Ablauf der 5-jährigen Heilungsbewährung ÖVM zumutbar
Zwischenanamnese seit:
keine Operation, kein stationärer Aufenthalt
regelmäßige ärztliche Behandlung bei Facharzt für Orthopädie, Injektionen und physikalische Therapie
kein Kuraufenthalt oder Rehabilitationsaufenthalt
Derzeitige Beschwerden:
„Die meisten Beschwerden habe ich im Bereich der Schultergelenke, Ellbogen und linken Brust. Bei Facharzt für Orthopädie bin ich regelmäßig. Rehabilitation hatte ich 2016. Derzeit Physiotherapie. Bei Facharzt für Psychiatrie bin ich regelmäßig. Psychotherapie habe ich derzeit nicht. Hergekommen bin ich mit dem Auto, wurde gebracht."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Durotiv Legalon Voltaren Emulgel-Gel Quetiapin Bupropion Aimovig
Pregatab Escitalopram Schmerzmittel bei Bed
Allergie: Penicillin, Latex
Nikotin: 0
Hilfsmittel: 0
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX
Sozialanamnese:
Verheiratet, 4 Kinder, lebt in Wohnung im 2. Stwk mit Lift Berufsanamnese: Kochhelferin, Rehageld, zuletzt gearbeitet vor vielen Jahren
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Röntgen der Schultern beidseits 02.01.2024 (Jeweils ordnungsgemäße Position des Humeruskopfes in der Pfanne. Leicht bogenförmig deszendierendes Akromion. Keine knöcherne Fraktur oder Destruktion.
Kleine schalige Verkalkung in Projektion auf den Ansatz der Supraspinatussehne rechts. Das AC-Gelenk und das glenohumerale Gelenke erscheinen nicht relevant arthrotisch verändert.
Röntgen der Kniegelenke beidseits:
Beidseits mäßiggradige Verschmälerung der Gelenksspalten in den medialen Kompartimenten Geringe Randanbauten an den Gelenkflächen.
Keine erosiven Veränderungen. Kleine Fabella beidseits.
Röntgen der Vorfüße beidseits:
Ordnungsgemäße Stellung der Skeiettanteile. Keine Fraktur oder Destruktion. Geringe Arthrosen beider Großzehengrundgelenke und der Interphalangialgelenke. Keine Usuren oder Konturunschärfen der Corticalis.
Ergebnis:
Tendinosis calcarea der Supraspinatussehne rechts. Sonst ordnungsgemäße Abbildung beider Schultergelenke.
Zweitgradige mediale Gonarthrose beidseits.
Geringe Großzehengrundgelenksarthrose und Degeneration der Interphalangealgelenke.)
Rheumatologische Ambulanz 10.10.2023 (St.p. Mamma CA li 2018- St.p. OP (0 weitere Therapie erforderlich) Allergien: Penicillin, Latex St.p. SG Fraktur li grenzwertig DM Typ II)
Röntgenschwachbestrahlung m 04.08.2023 (Ellbogen Hüfte re Bursitis trochanterica Epicondylitis)
Magnetresonanztomographie des linken Sprunggelenkes 03.08.2023 (Arthrose mit osteophytären Randanbauten am oberen Sprunggelenk und am talonavikularen Gelenk. Keine höhergradige Chondropathie. Kleinräumig Knochenmarködem am anterioren Gelenksrand der Tibia.)
Ellbogen bds. 21.06.2023 (Bei regulärer Achsenstellung die Gelenksspalten erhalten bei glatten knöchernen Grenzflächen und unauffälliger Struktur. Kein Hinweis auf entzündliche oder degenerative Veränderungen. Weichteile o.B. Die Fettlagen erhalten.
Ergebnis: Unauffälliger Befund.
Hüftvergleich a.p. und axial: Inzipiente Coxarthrosen beidseits.)
Dr.med. XXXX Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin 27.03.2023 (Angst und depressive Störung, gemischt, F41.2 Anpassungsstörungen, F43.2 Mammae CA li Op Dezemb. /2018 CVS 27.03.2023)
Orthopädischer Kurzbefund 13.02.2023 (Gonarthralgie dext., Epicondylitis hum. rad. dext., Metatarsalgie dext., Senkspreizfuss bds., Gonarthralg sin., Cervicalsyndrom, Impingement Schulter bds.)
Nachgereichter Befund:
Orthopädischer Kurzbefund 12.4.2024 (OSG Arthrose Kmö li OSG Coxarthrose bds z.n. Sprunggelenksfraktur links Bursitis Trochanterica re z.n. N. Mammae Gonarthralgie dext. Epicondylitis hum. rad. dext. Metatarsalgie dext, Impingement Schulter bds. Das Heben und Tragen von schweren Gegenständen, sowie das lange Stehen; sind aus orthopädischer Sicht nicht empfehlenswert. Egelmäßige analgetische und antiphlogistische IV-Therapie.)
Dr. XXXX Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin 04.04.2024 (Angst und depressive Störung, gemischt, F41.2 Zwangsstörung (gedanken, hand.) Anpassungsstörungen, Mammae CA li CVS)
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, 49 a
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 163,00 cm Gewicht: 98,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor. Halsvenen nicht gestaut.
Thorax: symmetrisch. Mamma links Zn Aufbauplastik
Atemexkursion seitengleich, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig. Kraft, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballen-, Fersen- und Einbeinstand möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine trophischen Störungen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Kniegelenk bds: ggr Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, rechts medial und lateral Druckschmerzen, endlagig Beugeschmerzen, stabil Sprunggelenk links: diffus Druckschmerzen, sonst unauffällig Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie bds 0/0/130, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse.
Massiv Hartspann. Klopfschmerz über der unteren HWS und LWs.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 20 cm, in allen Ebenen frei beweglich
Lasegue bds. negativ.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, Genutrain rechts, Malleotrain links, das Gangbild ist hinkfrei, behäbig.
Bewegungsabläufe beim Hinlegen auf die Untersuchungsliege und Aufstehen nicht eingeschränkt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage gedrückt.
Anamnese bei der Untersuchung am 27.05.2025:
VGA 4/14 GdB 30 % Beschwerde, dass psychiatrische Beschwerden nicht ausreichend eingestuft wurden, seit 2018 habe sie psychische Beschwerden, sie stehe in FA Betreuung bei XXXX alle 4 Wochen, keine Gesprächstherapie, kein stat. oder teilstat. psychiatrischer Aufenthalt bisher
Derzeitige Beschwerden:
Depression, Schlafstörung
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Escitalopram 20 mg, Aripiprazol 5 mg, Wellbutrin 300 mg, Quetiapin 100 mg
Sozialanamnese:
lebt mit Familie, Reha Geld, kein Pflegegeld, keine Erwachsenvertretung
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
13.3.25 FA Dr. XXXX : Angst Depression, Zwangsstörung, Anpassungsstörung, Schlafapnoe
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt.
An den oberen Extremitäten bestehen rechtsseitig keine Paresen, linksseitig bestehen keine Paresen. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Die Koordination ist intakt.
An den unteren Extremitäten bestehen rechtsseitig keine Paresen, linksseitig bestehen keine Paresen,
Fersen/ Zehenspitzen/ Einbeinstand re möglich,li durch Schmerz eingeschränkt die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Die Koordination ist intakt.
Die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ.
Es werden diffuse Schmerzen pm li Brust und li Sprunggelenk angegeben
Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
Status Psychicus:
Zeitlich, örtlich zur Person ausreichend orientiert, Auffassung regelrecht, Antrieb vermindert, subjektiv kognitive Einschränkungen, Stimmung depressiv, Ein- und Durchschlafstörung, nicht produktiv, nicht suizidal eingeengt.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Depression/Angst, Zwangsstörung
Brustkrebs links, Zustand nach Nippelsparing-Mastektomie, Einlage nach Expanderprothese
Degenerative und posttraumatische Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v. H.
Das Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 wegen weichseitiger negativer Beeinflussung um eine Stufe erhöht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem Akt und einer am 02.09.2025 durchgeführten Abfrage im Zentralen Melderegister.
Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf die beiden seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 16.04.2024 (vidiert am 17.04.2024), beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.04.2024 und eines Facharztes für Neurologie vom 27.05.2025 (vidiert am selben Tag), beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 27.05.2025.
Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinischen Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar aus jeweils fachlicher Sicht mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, dass ihre psychiatrischen Erkrankungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Dass psychiatrische Leiden bestehen, steht unbestritten fest, was nicht zuletzt dadurch belegt ist, dass der medizinische Sachverständige das Leiden 1 mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 % einstufte, wobei dieser den chronischen Verlauf mit rezentem Facharztbefund berücksichtigte, wodurch das Leiden 1 im Vergleich zum Sachverständigengutachten vom 17.04.2024 um eine Stufe angehoben wurde. Bei der Einschätzung dieses Leidens berücksichtigte der medizinische Sachverständige entsprechend der Position 03.06.01 der Anlage der EVO, dass bei der Beschwerdeführerin chronische Beeinträchtigungen, jedoch mit Therapieoptionen bestehen. Insoweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde die Einnahme von vier Psychopharmaka in hoher Dosierung einwendet, ist dem entgegen zu halten, dass der Sachverständige die Einnahme von Psychopharmaka in der von ihm gewählten Positionsnummer sehr wohl berücksichtigte, jedoch darauf hinwies, dass im Fall der Beschwerdeführerin noch Therapieoptionen offen sind, zudem ist bisher kein akutpsychiatrischer Aufenthalt dokumentiert.
Der wesentliche Grund, weswegen es zu einer Herabstufung von Leiden 2 „Brustkrebs links, Zustand nach Nippelsparing-Mastektomie, Einlage nach Expanderprothese“ von 50 % auf nunmehr 30 % kam, ist jener, weil die medizinische Sachverständige jenes Leiden nunmehr unter der Position 08.03.01 nach Ablauf der 5-jährigen Heilungsbewährung neu einstufte, da eine Resektion mit plastischem Aufbau dokumentiert ist. Aktuelle medizinische Befunde, die zu einer höheren Einstufung nach der Einschätzungsverordnung führen würden, legte die Beschwerdeführerin nicht vor.
Die degenerativen und posttraumatischen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates wurden im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.04.2024 nach Position 02.02.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % eingestuft, wobei die Sachverständige die mäßigen radiologischen Veränderungen mit geringgradigen funktionellen Einschränkungen vor allem im Bereich des linken Sprunggelenks und rechten Kniegelenks berücksichtigte, weshalb der obere Rahmensatz dieser Position gewählt wurde. Den dokumentierten Einschränkungen im Untersuchungsbefund wurde folglich mit der gewählten Position nach 02.02.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % entsprochen. Medizinische Befunde, die zu einem gegenteiligen Ergebnis führen würden, legte die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Beschwerde nicht vor. Daher ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht geeignet zu einer anderen Einschätzung des Leidens der Beschwerdeführerin zu gelangen.
Insofern die Beschwerdeführerin moniert, dass die Kombination der einzelnen Leiden nach den Kriterien der EVO mindestens einen Gesamt-GdB von 50 % ergeben hätten, ist festzuhalten, dass die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen hat, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Demzufolge stellte der Sachverständige in dem Gutachten vom 27.05.2025 den Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 40 v.H. fest, da das Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 wechselseitig negativ beeinflusst wird und daher um eine Stufe erhöht wird.
Die Beschwerdeführerin ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der oben genannten Sachverständigengutachten, und werden diese Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
„§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41 (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
…
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beträgt 12 Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
"Behinderung
§ 1 Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2 (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3 (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4 (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
...“
Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Das Leiden 1, die Depression/Angst, Zwangsstörung, stufte der medizinische Sachverständige richtig zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz der Position 03.06.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 30 % ein, da eine chronische Beeinträchtigung mit Therapieoption vorliegt, jedoch kein akutpsychiatrischer Aufenthalt dokumentiert ist.
Das Leiden 2 ist der Brustkrebs links, Zustand nach Nippelsparing-Mastektomie, Einlage einer Expanderprothese, welches die medizinische Sachverständige richtig zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz der Position 08.03.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 30 % einstufte, da eine Resektion mit plastischem Aufbau vorliegt.
Das Leiden 3, die degenerativen und posttraumatischen Veränderungen des Stütz-und Bewegungsapparates, stufte die medizinische Sachverständige richtig im oberen Rahmensatz der Position 02.0101 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % ein, da mäßige radiologische Veränderungen mit geringradigen funktionellen Einschränkungen vor allem im Bereich des linken Sprunggelenks und rechten Kniegelenks vorliegen.
Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).
Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie und einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, jeweils beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin samt den ergänzenden Stellungnahmen zu Grunde gelegt.
Der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie und Psychiatrie stellt in seinem Sachverständigengutachten fest, dass das Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 im GdB wegen wechselseitiger negativer Beeinflussung um eine Stufe angehoben wird, woraus sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. ergibt.
Die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, welche auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin beruhen und auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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