L511 2245296–2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien Außenstelle Wien vom 08.04.2024, Zahl: XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch wie folgt zu lauten hat:
„Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 05.06.2023 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.“
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und stellte am 05.06.2023 den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz [Folgeantrag] (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [AS] 7).
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] wies mit Bescheid vom 08.04.2024, diesen Antrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (AS 41-122).
1.3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den am 12.04.2024 zugestellten Bescheid mit Schreiben vom 08.05.2024 fristgerecht Beschwerde (AZ 131, 135-150).
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 10.05.2024 die Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1 (AS 1-157]).
II. zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist 1981 geboren und Staatsangehöriger von Syrien. Er gehört der arabischen Volksgruppe an, bekennt sich zur sunnitischen Religionsgemeinschaft und stammt aus XXXX im Gouvernement Homs. Er verfügt in Österreich seit 12.07.2021 über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (OZ 2).
1.2. Zum ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 10.03.2021
Der Beschwerdeführer verließ Syrien 2012 und hielt sich ca. acht Jahre im Libanon auf. Im März 2021 reiste er unrechtmäßig in Österreich ein und stellte am 10.03.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen das BFA mit Bescheid vom 12.07.2021 in Spruchpunkt I hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abwies. Mit Spruchpunkten II und III wurden dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.12.2022, W136 2245296-1/19E als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit Zustellung an die Verfahrensparteien am 05.12.2022 in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer begründete diesen Antrag zusammengefasst damit, dass er in Syrien als Reservist von drei verschiedenen Militärbehörden gesucht werde. Er habe seinen Militärdienst bereits 2000 bis 2002 abgeleistet. 15 Tage nach seiner Ausreise in den Libanon im Jahr 2012 seien Militärangehörige zu seiner Familie gekommen und hätten nach ihm gefragt. Sein Bruder XXXX sei mitgenommen, gefoltert und nach 40 Tagen freigelassen worden. Er habe keinen Einberufungsbefehl erhalten, werde jedoch als Reservist gesucht. Dies habe er von einem Bekannten vom Verkehrsamt erfahren, als er sich im Frühjahr 2019 einen Führerschein ausstellen habe lassen wollen und dafür eine Strafregisterbescheinigung benötigt habe. Er wisse, dass er als Reservist eingezogen werde, weil die Regierung solche Leute wie ihn brauche. Er wolle aber nicht in den Krieg ziehen.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im damaligen Rechtsmittelverfahren mit näherer Begründung das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Ausreisegründen und der Rückkehrbefürchtung für nicht glaubhaft (BVwG 05.12.2022 S5, 21-24).
1.3. Zum gegenständlichen Folgeantrag vom 05.06.2023
Der Beschwerdeführer begründete den verfahrensgegenständlichen Antrag zusammengefasst damit, dass er in Syrien gesucht werde, weil er als Reservist zum Militär müsse. Sein Bruder sei wegen ihm in Syrien verhaftet worden, weil Beamte des Regimes bei ihm ein gemeinsames Foto mit dem Beschwerdeführer gefunden hätten. Der Bruder bliebe nun so lange inhaftiert, bis der Beschwerdeführer wiederauftauche. Sobald die Regierung ihn jedoch finde, würde sie ihn töten. Von der Verhaftung seines Bruders wisse er von einem Freund, der mit seinem Bruder unterwegs gewesen sein. Andere Beweismittel gebe es dazu nicht, er habe nur den Einberufungsbefehl, welchen er schon beim ersten Asylverfahren vorgelegt habe. Sein Bruder sei seit Mai 2022 in Haft. Sein Cousin habe den gleichen Namen wie er. Er sei statt ihm verhaftet worden und seine Familie habe USD 11.000 zahlen müssen, damit er freikomme. Bei einer Rückkehr fürchte er die Todesstrafe. Er sei schon einmal im Gefängnis gewesen und dort auch gefoltert worden (AS 5-13, 33-38, 136-137).
1.4. Der Beschwerdeführer bringt die gleichen Fluchtgründe vor, die bereits dem ersten Asylverfahren zu Grunde lagen, und hat somit kein neues Vorbringen erstattet, welches einen glaubhaften Kern in Bezug auf die von ihm behauptete Bedrohung aufweist.
1.5. Eine entscheidungswesentliche Änderung der Lage in Syrien ist – soweit fallbezogen relevant – zwischen Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Erstverfahren am 05.12.2022 und der verfahrensgegenständlichen Entscheidung vom 08.04.2024 nicht eingetreten.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgt durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), beinhaltend insbesondere Erstbefragung (AS 5-13), Einvernahme (AS 33-39), Bescheid (AS 41-122) und Beschwerde (AS 135-150); Einsicht in den Verwaltungsverfahrensakt und hg. Gerichtsverfahrensakt zum ersten Antrag auf internationalen Schutz; Einsicht in Österreichische Datenregister (OZ 2), darunter Zentrales Melderegister [ZMR], Strafregister der Republik Österreich [SA], Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres [IZR], Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich [GVS]; sowie Einsicht insbesondere in folgende länderspezifische Berichte: Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, COI-CMS Version 7, 10.08.2022 [LIB7] und COI-CMS Version 11, 27.03.2024 [LIB11].
2.2. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich – bis auf nachstehendes – unmittelbar aus den zitierten Aktenteilen aus den vorliegenden Verwaltungsverfahrens- und Gerichtsakten, die den Verfahrensparteien bekannt sind, und denen weder der Beschwerdeführender noch das BFA im Verfahren entgegengetreten sind.
2.3.Der Beschwerdeführer bringt wie bereits im Erstverfahren vor, von syrischen Militärbehörden wegen des Reservedienstes gesucht zu werden. Dies wurde bereits vom BVwG mit Erkenntnis vom 05.12.2022, W136 2245296-1/19E mit detaillierter Begründung für unglaubhaft erachtet (BVwG 05.12.2022 S5, 21-24). Die nunmehr neu vorgebrachte Verhaftung des Bruders des Beschwerdeführers gründet auf dem bereits als unglaubhaft erachteten Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorverfahren und bleibt in der Darlegung so vage, dass es keinen glaubhaften Kern in Bezug auf die von ihm behauptete Bedrohung aufzuweisen vermag.
Es liegt somit kein neues Vorbringen in Bezug auf die rechtskräftige Entscheidung des BVwG vom 05.12.2022 vor.
2.4. Dass sich die Situation in Syrien gegenüber der rechtskräftigen Entscheidung vom 05.12.2022 nicht geändert hat, ergibt sich zunächst aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren, der kein dahingehendes Vorbringen erstattet hat, sowie aus dem Vergleich des in der Entscheidung im Erstverfahren herangezogenen Länderinformationsblattes vom 10.08.2022 (LIB7) mit dem in der verfahrensgegenständlichen Entscheidung herangezogenen Länderinformationsblatt vom 27.03.2024 (LIB11).
3. Rechtliche Beurteilung
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 BVwGG iVm § 7 BFA-VG sowie dem AsylG. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das BFA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).
Zu A) Zurückweisung des Folgeantrages auf internationalen Schutz
3.1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der vom Beschwerdeführer Folgeantrag, über den das BFA meritorisch entschieden hat.
Gemäß § 68 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der § 69 und § 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 28.01.2003, 2002/18/0295). „Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt nachträglich geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra2014/09/0029 mwN). Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung (nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen) berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 23.09.2020, Ra2020/14/0175 mwN).
Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Fallbezogen ist dies das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.12.2022, W136 2245296-1/19E.
3.2.Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall im Hinblick auf die Zuerkennung von internationalem Schutz keine entscheidungswesentlichen Änderungen im Sachverhalt gegenüber der Entscheidung vom 05.12.2022 eingetreten sind und mit dem gegenständlichen Folgeantrag im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne nachträgliche Änderungen der Sachlage und Rechtslage bezweckt wird, was durch § 68 Abs. 1 AVG verhindert werden soll (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra2014/09/0029).
3.3.Das BVwG hat dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltet, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis einen Antrag zurückzuweisen, weil § 28 VwGVG dem VwG gebietet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 130 Abs. 4 B-VG die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages zum Inhalt seiner Sachentscheidung zu machen, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hervorkommt, dass es schon bei Bescheiderlassung durch die belangte Behörde an einer Prozessvoraussetzung mangelte (VwGH 04.03.2024, Ro2021/14/0002 mwN und Verweis auf VfGH 18.06.2014, G5/2014).
Gegenständlich ist der Folgeantrag im Hinblick auf die Zuerkennung von internationalem Schutz somit wegen res iudicata zurückzuweisen.
3.4.Das VwG hat dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltet, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis einen Antrag zurückzuweisen, weil § 28 VwGVG dem VwG gebietet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 130 Abs. 4 B-VG die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages zum Inhalt seiner Sachentscheidung zu machen, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hervorkommt, dass es schon bei Bescheiderlassung durch die belangte Behörde an einer Prozessvoraussetzung mangelte (VwGH 04.03.2024, Ro2021/14/0002 mwN und Verweis auf VfGH 18.06.2014, G5/2014).
Gegenständlich ist der Folgeantrag im Hinblick auf die Zuerkennung von internationalem Schutz somit wegen res iudicata zurückzuweisen.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG uHa Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zur Gänze aus den den Verfahrensparteien bekannten vorliegenden Aktenteilen und war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
zu B) Unzulässigkeit der Revision
Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion bedurfte angesichts der einheitlichen im Zuge der rechtlichen Ausführungen ausführlich wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keiner Lösung einer erheblichen Rechtsfrage. Zur Beachtung einer res judicata im Beschwerdeverfahren VwGH 04.03.2024, Ro2021/14/0002.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
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