W169 2292096-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch alias Myanmar, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2024, Zl. 1353598910-230991931:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.05.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab er zu Protokoll, ein Staatsangehöriger von Myanmar zu sein. Er gehöre der Volksgruppe der Rohingya an und sei in Cox‘s Bazar in Bangladesch geboren worden. Er trage ein Rohingya-Familienbuch mit sich. Zu seinen Ausreisegründen gab er an, dass sie immer wieder geschlagen worden seien. Die Polizei habe sie geschlagen. Sie hätten dort keine Freiheit. Sie würden keine Arbeitsstellen und keine Dokumente bekommen, da sie Rohingya seien.
Vermerkt wurde, dass der beigezogene Dolmetscher für Bengali angegeben habe, dass der Beschwerdeführer nur einzelne Wörter in Chittagon-Bengali/Rohingya wiedergeben könne, sobald er jedoch ganze Sätze spreche, spreche er in der Hochsprache Bengali.
2. Am 31.05.2023 fand durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zur Abklärung seiner Identität statt.
Er brachte in dieser vor, in Cox‘s Bazar in Bangladesch geboren zu sein, seine Eltern würden jedoch aus Myanmar stammen. Er habe keine Geburtsurkunde. Er habe keine Staatsangehörigkeit, er fühle sich aber als Angehöriger von Myanmar. Er besitze ein Familienbuch. Seine Muttersprache sei Rohingya, aber er spreche Bengali, da er dort geboren sei. Er gehöre der Volksgruppe der Rohingya an. Er sei ledig, sein Vater sei verstorben, zur Mutter und zur Schwester habe er keinen Kontakt. Er sei mit 14 Jahren von seiner Mutter weg. Er sei noch nie in Myanmar gewesen. Er habe im Camp vier Jahre lang die Grundschule besucht, habe aber kein Zeugnis. Er habe in Cox‘s Bazar als Fahrer gearbeitet, wo er auch zuletzt in einer gemieteten Wohngemeinschaft gelebt habe. Er könne die Flagge von Myanmar nicht beschreiben und kenne weder den Namen des derzeitigen Staatsoberhauptes noch die Währung von Myanmar.
3. Seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde am selben Tag ein Aktenvermerk angelegt, wonach der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Staatsangehöriger von Myanmar sei. Der in der Einvernahme anwesende Dolmetscher kenne die Gegend, sei mit der Minderheit der Rohingya vertraut und bestätige die Angaben des Beschwerdeführers.
4. Am 07.12.2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt in Anwesenheit einer Vertrauensperson inhaltlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Der Dolmetscher wurde per Video zugeschalten.
Der Beschwerdeführer gab an, Rohingya, Bengali sowie ein wenig Englisch zu sprechen. Er besitze ein Familienbuch, ansonsten habe er nichts. Er besitze keinen Reisepass von Myanmar, da er kein Recht auf Dokumente habe. Er sei in Cox’s Bazar in Bangladesch geboren und gehöre der Volksgruppe der Rohingya an. Er habe keine Staatsangehörigkeit und verfüge über keinen Aufenthaltstitel in Bangladesch. Sie würden nur im Rohingya-Camp bleiben dürfen.
Er sei ledig und kinderlos. Sein Vater sei an einer Krankheit verstorben, als der Beschwerdeführer sechs Monate alt gewesen sei. Seine Mutter arbeite in Unterkünften von Leuten. Er habe zuletzt im Alter von 16 oder 17 Jahren Kontakt mit seinen Angehörigen gehabt. Seine Eltern würden aus Myanmar, von „ XXXX “ stammen. Seine Eltern hätten Myanmar noch vor seiner Geburt verlassen. Er wisse nicht, seit wann sie in Bangladesch seien, da er da noch nicht geboren gewesen sei. Seine Eltern hätten Probleme in Myanmar gehabt und seien zum Schutz nach Bangladesch gekommen. Es sei in Myanmar bei Muslimen zu Misshandlungen gekommen, seine Eltern seien misshandelt worden. Sie hätten in Bangladesch zuerst im Camp gelebt, dann seien sie von dort hinausgeworfen worden, dann seien sie nach XXXX ins Camp gekommen. Dort sei es zur Trennung des Beschwerdeführers von seiner Mutter gekommen. Er sei nach Cox’s Bazar gekommen. In XXXX sei er fast sieben oder acht Jahre gewesen. Mit 15 Jahren sei er nach Cox’s Bazar gekommen. Von dort sei er hierhergekommen. Man hätte sie nach Myanmar zurückschicken wollen, deswegen seien sie vom Camp nach XXXX geflohen. Der Beschwerdeführer sei nie in Myanmar gewesen.
Er habe vier Jahre auf der Straße gelernt und habe verschiedene Arbeitstätigkeiten gehabt, durch die er seinen Lebensunterhalt finanzieren habe können.
Er sei illegal aus Bangladesch ausgereist, da er keine Dokumente gehabt habe.
Er habe in Bangladesch mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager gelebt und sie seien dort registriert worden. Deshalb gebe es das Familienbuch.
Weil sie Rohingya gewesen seien, habe man sie wegen jeder Sache geschlagen. Er sei in Cox’s Bazar von der Polizei geschlagen worden. Er sei in Bangladesch wegen seiner Volksgruppe verfolgt worden. Er sei zweimal im Gefängnis gewesen, als er das Camp verlassen habe.
Gebeten, seine Fluchtgründe zu schildern, gab der Beschwerdeführer an, dass sie in Bangladesch keine Staatsangehörigkeit hätten. Laut Protokoll der Einvernahme sei der Beschwerdeführer daraufhin emotional geworden und habe geweint. Der Dolmetscher gab an, dass er den Beschwerdeführer akustisch nicht verstehe. Danach habe der Beschwerdeführer weiter ausgeführt, dass die Polizei auch sehr viel geschlagen habe. Egal wegen was, sei man sofort gleich geschlagen worden, weil sie illegal (gemeint wohl: gewesen seien). Sie seien sehr viel geschlagen worden, wenn etwas illegal gewesen sei, den ganzen Tag geschlagen worden. Einmal habe man ihn mit einem Auto irgendwohin mitgenommen und es sei so gewesen, dass, wenn irgendwo ein Verbrechen passiert sei und die Polizei die Täter nicht finden habe können, man ihn als Rohingya mitgenommen und als Täter einfach bestraft habe. Er sei viel geschlagen worden. Er habe keine Eltern und sie hätten das ausgenutzt, weil er alleine gewesen sei, und hätten ihn geschlagen. Weil er keine Dokumente habe, habe er sich auch nicht für eine Arbeit bewerben können.
Nachgefragt nach den polizeilichen Übergriffen schilderte der Beschwerdeführer, dass er keine Dokumente gehabt habe und deshalb keine Mietunterkunft oder Unterkunft beziehen habe können. Er sei bei einem Freund aufhältig gewesen. Die Polizei habe ihn mitgenommen und geschlagen. Es habe keinen bestimmten Ort gegeben, an dem er aufhältig sein hätte können. Das sei ein Jahr gewesen, bevor er gekommen sei. Er sei 2021 im Juni oder Juli herum gewesen, als er das letzte Mal geschlagen worden sei.
Nachgefragt nach den Haftbedingungen habe es im Gefängnis für Rohingya eine eigene Seite gegeben. Es sei ihm vorgeworfen worden, warum er vom Camp hinausgekommen sei nach Cox’s Bazar. Und wegen dieses Vorwurfs sei er gefoltert worden. Sie hätten keine Erlaubnis gehabt, außerhalb des Camps zu gelangen. Er sei durch eine Geldzahlung aus der Haft entlassen worden.
Befragt, was der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch zu befürchten hätte, habe er laut Protokoll der Einvernahme wieder weinen müssen. Daraufhin gab er an, dass es nicht erlaubt sei, dass er außerhalb des Camps sei. Falls er wieder zurückkehren würde, würde ihn die Polizei festnehmen und wieder schlagen und ihm sagen „Warum bist du hinausgegangen?“ und er werde dann lebenslang ins Gefängnis kommen.
Zum Schluss der Einvernahme verzichtete der Beschwerdeführer auf die Aushändigung der Länderberichte zum Herkunftsstaat Myanmar.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Einvernahme ein Familienbuch und einen „rosafarbenen Zettel“ vor.
5. Laut Aktenvermerk der Landespolizeidirektion vom 11.12.2023 habe die Überprüfung des Familienbuchs ergeben, dass dieses unbedenklich sei. Es gebe jedoch kein Vergleichsmaterial und es handle sich um kein Sicherheitsdokument.
6. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2024 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ihm in der Einvernahme irrtümlicherweise das Länderinformationsblatt zu Myanmar statt zu seinem „richtigen“ Herkunftsstaat Bangladesch angeboten worden sei. Er könne sich nun binnen zwei Wochen schriftlich zum Länderinformationsblatt zu Bangladesch äußern.
Der Beschwerdeführer lies dieses Schreiben unbeantwortet.
7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger von Bangladesch sei. Er gehöre der Volksgruppe der Bengalen an und stamme aus Cox’s Bazar. Sein Vater sei verstorben, als der Beschwerdeführer sechs Monate alt gewesen sei, zum Aufenthaltsort seiner Mutter und seiner Schwester könnten keine Feststellungen getroffen werden. Der Beschwerdeführer könne nach Bangladesch zurückkehren.
Beweiswürdigend argumentierte die Behörde, dass seine Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit sich aus seinem Geburtsort und der Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens ergebe.
Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, Einzelheiten zu den Gründen zu erzählen, aus denen seine Eltern aus Myanmar geflohen seien. Es wäre ihm zumutbar gewesen, die fluchtauslösenden Umstände seiner Eltern näher wiederzugeben.
Zudem habe sich die Einvernahme „rückblickend“ als sehr mühsam dargestellt, da der Beschwerdeführer und seine Vertrauensperson versucht hätten, eine Sprachbarriere zwischen ihm und dem Dolmetscher vorzutäuschen, indem er stellenwese nicht in vollständigen Sätzen geantwortet habe. Das sei nicht plausibel, da laut Länderberichten Rohingya einen im Südosten von Bangladesch gebräuchlichen bengalischen Dialekt sprechen würden. Laut beigezogenem Dolmetscher weise die Sprache Rohingya eine „Sprachsozietät“ zum Chittagong-Bengali auf und gleiche sich die phonetische Ausdrucksweise in diesen beiden Sprachen, wobei insbesondere dieselben Begriffe verwendet werden würden. Angesichts des Geburtsortes des Beschwerdeführers sei naheliegend, dass er eine Variante des Chittagong-Bengali spreche.
Der Beschwerdeführer habe nur vage Angaben zu seinem eigenen Fluchtgrund, nämlich gewaltsamen Übergriffen durch die Polizei in Bangladesch, gemacht und sei auch auf Nachfragen nicht imstande gewesen, Einzelheiten zu nennen.
Bezüglich seines vorgelegten Familienbuches sei kein Vergleichsmaterial vorhanden und handle es sich um kein Sicherheitsdokument. Befragt, wie, wann und durch wen er das Familienbuch beschafft habe und ob er das Dokument bei der Einreise dabeigehabt habe, habe er nur auf die letzte Teilfrage geantwortet. Der Beschwerdeführer habe verneint, einen Reisepass von Myanmar zu haben, da er kein Recht auf ein Dokument habe, was jedoch nicht plausibel sei, wenn er gleichzeitig angegeben habe, als Flüchtling registriert worden zu sein, und dafür das Familienbuch vorlegen habe können. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keine näheren Angaben hierzu gemacht habe.
Es sei folglich nicht glaubhaft gewesen, dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Rohingya angehöre und ein Staatsangehöriger von Myanmar sei.
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher er unter anderem monierte, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kein hinreichendes Ermittlungsverfahren zu seiner Staatsangehörigkeit geführt habe. Er stellte sich gegen die Feststellung, ein Staatsangehöriger von Bangladesch zu sein und der Volksgruppe der Bengalen anzugehören.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers sind nicht geklärt.
2. Beweiswürdigung:
Der Beschwerdeführer gab über das gesamte Verfahren hinweg durchgehend an, dass seine Eltern als Angehörige der Volksgruppe der Rohingya vor seiner Geburt aus Myanmar vertrieben worden seien und er in einem Flüchtlingslager in Bangladesch zur Welt gekommen sei. Er bezeichnete sich dementsprechend durchgehend als Angehöriger der Volksgruppe der Rohingya sowie als Staatsangehöriger von Myanmar bzw. allenfalls als staatenlos. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte am 31.05.2023 eine Einvernahme zur Klärung der Identität des Beschwerdeführers durch, in welcher er ein Familienbuch vorlegte, und schloss diese mit dem Aktenvermerk ab, dass der Beschwerdeführer „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ ein Staatsangehöriger von Myanmar sei. Am 07.12.2023 wurde der Beschwerdeführer neuerlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen, wobei ihm zum Schluss der Einvernahme das Länderinformationsblatt zum Herkunftsstaat Myanmar zur Stellungnahme angeboten wurde. Monate später, am 08.03.2024, übermittelte das Bundesamt aber dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt zu seinem „richtigen“ Herkunftsstaat Bangladesch, da ihm in der Einvernahme „irrtümlicherweise“ jenes zu Myanmar überreicht worden sei. Selbst in diesem Schreiben wird der Beschwerdeführer noch mit „StA. Myanmar“ geführt. Mit dem auf dieses Schreiben folgenden, gegenständlich angefochtenen Bescheid änderte das Bundesamt schließlich die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers auf jene von Bangladesch und die Volksgruppenzugehörigkeit auf jene der Bengalen ab, was sich begründend aus seinem angegebenen Geburtsort (Cox’s Bazar) und der Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens ergebe.
Den beweiswürdigenden Erwägungen der Behörde mangelt es aber an einer nachvollziehbaren Logik. Sie bemängelt zunächst, dass der Beschwerdeführer keine näheren Ausführungen zu den Gründen, aus denen seine Eltern aus Myanmar geflohen seien, machen habe können. Da der Beschwerdeführer aber unbestritten erst in Bangladesch geboren wurde und die Behörde zumal ebenso wenig in Abrede stellt, dass sein Vater bereits kurz danach verstorben sei und der Beschwerdeführer seit seiner Jugend keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter habe, ist nicht nachzuvollziehen, welche näheren Erklärungen die Behörde erwartet hätte, hat der Beschwerdeführer diese Flucht demnach doch nicht selbst erlebt und wird in der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zu erwarten sein, dass Eltern ihre Kinder mit den Details traumatischer Ereignisse belasten wollen oder diese auch selbst im Detail nochmals abrufen wollen. Weiters führte die Behörde aus, dass sich die Einvernahme mühsam gestaltet habe, da der Beschwerdeführer eine Sprachbarriere zum Dolmetscher vortäuschen habe wollen, obwohl Rohingya einen im Südosten Bangladeschs gebräuchlichen Dialekt des Bengali sprechen würden und angesichts des Geburtsortes des Beschwerdeführers naheliege, dass er eine Variante dieses Dialekts spreche. Es ergibt sich jedoch aus dem Protokoll nicht, dass der Beschwerdeführer eine Barriere vortäuschen habe wollen, sondern gab dieser mehrmals an, den Dolmetscher zu verstehen. Wiederum ist zudem nicht verständlich, woraus die Behörde hier nun schließt, dass der Beschwerdeführer kein Rohingya und kein Staatsangehöriger von Myanmar bzw. umgekehrt ein Staatsangehöriger von Bangladesch und ethnischer Bengale sei, wenn sie doch der Herkunft des Beschwerdeführers aus dieser Bangladesch und Myanmar umfassenden sprachlichen Region, in welcher nach ihren Ausführungen dieser Dialekt bzw. dieses Dialektkontinuum gesprochen werde, Glauben schenkt. Sodann geht die Behörde darauf ein, dass der Beschwerdeführer die ihm zu seinem Familienbuch gestellten Fragen nur zum Teil beantwortet habe (Auszug aus dem Protokoll: „LA: Auf welchem Weg wurden das von Ihnen vorgelegten Familienbuch ausgestellt? Wann, wo und durch wen wurden die Dokumente beschafft? Hatten Sie es bei Ihrer Einreise in Österreich dabei? VP: Jaja, das war bei mir.“). Es wäre nun aber gerade zu einem derart wichtigen Sachverhaltselement Aufgabe der Behörde gewesen, auf die Beantwortung aller Fragen hinzuwirken (vgl. § 18 AsylG 2005), zumal auch der Behörde bewusst sein muss, dass die Konfrontation des Beschwerdeführers mit gleich mehreren Fragen auf einmal – statt von vornherein jede dieser Fragen einzeln zu stellen – wenig zielführend ist. Woraus die Behörde im Weiteren schließt, dass der Beschwerdeführer, wenn er ein Familienbuch, welches ihm in einem Flüchtlingslager in Bangladesch als Flüchtling ausgestellt worden sei, vorlegen könne, auch einen Reisepass von Myanmar – jenem Staat, der Angehörige der Rohingya verfolgt bzw. der Rohingya grundsätzlich nicht als Staatsbürger ansieht – beantragen hätte können, ist schon im Ansatz nicht verständlich. Schlussendlich stützt sich das Bundesamt noch darauf, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Gründen, aus denen er Bangladesch verlassen habe, vage gewesen sei. Unabhängig davon, dass die Behörde aber auch dies nicht durch entsprechende Fragen im Detail nachprüfte, zumal der Beschwerdeführer offenkundig von einem Jahre umfassenden Zeitraum sprach und dem Protokoll der Einvernahme eine hohe Emotionalität des Beschwerdeführers zu entnehmen ist, kann alleine daraus keine Feststellung über die Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen werden.
Auf der anderen Seite unternahm die belangte Behörde keine länderkundlichen Ermittlungsschritte zum vom Beschwerdeführer vorgelegten Familienbuch und nicht näher ausgeführten „rosafarbenen Zettel“, obwohl dies für die Feststellung der Herkunft des Beschwerdeführers von zentraler Bedeutung wäre. Dem Akt sind diese – abgesehen von einer Kopie des Umschlages und einer Halbseite des Familienbuchs – auch nicht beigelegt worden. Im Aktenvermerk vom 31.05.2023, wonach der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Staatsangehöriger von Myanmar sei, stützte sie sich insbesondere auf – nicht protokollierte – Äußerungen des Dolmetschers der vorgehenden Einvernahme; im angefochtenen Bescheid wieder geht sie in Bezug auf die Sprachverwendung des Beschwerdeführers auf – ebenso wenig protokollierte – Äußerungen des Dolmetschers in der Einvernahme vom 07.12.2023 ein. Angaben von Dolmetschern – erst Recht dem Anschein nach widersprüchliche – sind jedoch kein geeignetes Beweismittel, eine Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit oder einen bestimmten Sprachgebrauch zu beweisen, sondern hätte die Behörde, wenn ihr insbesondere aus Letzterem Zweifel an der behaupteten Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers gekommen sein sollten, stattdessen einen spezialisierten Sachverständigen beizuziehen gehabt.
Insgesamt kann damit aus den von der Behörde getroffenen Ermittlungen die Staats- und Volksgruppenangehörigkeit des Beschwerdeführers nicht erschlossen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zum Spruchteil A)
3.1. Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß Abs. 3 leg.cit. über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind gemäß Abs. 5 leg.cit. die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Leitentscheidung vom 26.06.2014 zum System des § 28 VwGVG ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte – auch zur Vermeidung von „Kassationskaskaden“ – grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Der Zweck des Ermittlungsverfahrens ist laut § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Gemäß § 18 AsylG 2005 hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates handelt es sich zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren (vgl. etwa VwGH 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens sowie eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, da eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.
Der Beschwerdeführer gab im Verfahren stets an, der Volksgruppe der Rohingya zuzugehören und Staatsangehöriger von Myanmar bzw. allenfalls staatenlos zu sein. Er legte insoweit ein Familienbuch sowie einen „rosafarbenen Zettel“ für Flüchtlinge im Original vor, mit deren Inhalt sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Verfahrensverlauf nicht näher beschäftigte. Dem Akt ist dabei nur eine Kopie des Umschlages und einer Halbseite des Familienbuchs zu entnehmen. Es stellte dem Beschwerdeführer zwar wohl in der Einvernahme vom 07.12.2023 in einem – und damit in einer unzweckmäßigen Weise – Fragen zum vorgelegten Familienbuch, gab sich jedoch damit zufrieden, dass der Beschwerdeführer nur die letzte Teilfrage beantwortete, ohne entsprechend der Regelung des § 18 AsylG 2005 auf die Beantwortung sämtlicher Fragen hinzuwirken. Das Bundesamt unterließ es ebenso, länderkundliche Berichte zu den vorgelegten Unterlagen einzuholen, ohne die eine weitere Bewertung der Authentizität dieser kaum möglich ist. Das Bundesamt setzte sich somit ohne Weiteres über ein gewichtiges Beweismittel des Beschwerdeführers hinweg. Stattdessen stützte sich die Behörde mehrfach auf Äußerungen der beigezogenen Dolmetscher, die aber kein geeignetes Beweismittel zur Ergründung der Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers darstellen. Bestanden Zweifel am Sprachgebrauch des Beschwerdeführers, der laut Protokoll die Einvernahme vom 07.12.2023 in „Rohinga-Bengali“ absolvierte, wäre ein Sachverständiger beizuziehen gewesen. Ohne geeignete Ermittlungsschritte getroffen zu haben, verneinte die Behörde somit im angefochtenen Bescheid durch eine gänzlich untaugliche Beweiswürdigung die vom Beschwerdeführer angegebene Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, obwohl sie diese selbst zuvor noch mit hoher Wahrscheinlichkeit als wahr erachtet hatte (s. oben im Detail).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterließ somit geeignete Ermittlungsschritte zum zentralen Sachverhaltselement der Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers. Dass eine unmittelbare Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, ist nicht ersichtlich, zumal, sollte das Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergeben, dass es sich beim Beschwerdeführer um keinen Staatsangehörigen von Bangladesch handelt, die gültige Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts die Abtretung der Beschwerdesache an eine andere (dann zuständige) Gerichtsabteilung und somit eine erhebliche Verzögerung und zusätzliche Kosten zur Folge hätte.
Der angefochtene Bescheid ist somit aus diesen Erwägungsgründen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Sache zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren zur Beurteilung der Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit länderkundliche Berichte zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Flüchtlingsdokumenten einzuholen haben und den Beschwerdeführer geeignete Fragen hierzu zu stellen haben. Soweit weitere Zweifel gerade zum Sprachgebrauch des Beschwerdeführers bestehen, wird sie ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen haben.
3.2. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in der rechtlichen Beurteilung wiedergegeben.
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