G304 2317935-1/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ungarn, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2025, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , betreffend Spruchpunkt III. - Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.
II. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 31.07.2025 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde im Wege der Rechtsvertretung innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde erhoben. Der BF führte unter anderem aus, dass sein Privat- und Familienleben nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Der BF habe zwei Töchter in Italien und müsse regelmäßig durch Österreich fahren. Der BF sei überzeugt, dass er bei Drogenfreiheit ein straffreies Leben führen könne. Er sei am 14.08.2025 aus der Haft entlassen worden, um eine stationäre Therapie seiner Drogensucht zu absolvieren.
3. Am 21.08.2025 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angeführte Identität und ist Staatsangehöriger von Ungarn, Serbien und nach seinen Angaben auch von Italien. Er spricht muttersprachlich Serbokroatisch und weiters Ungarisch, Hebräisch, Deutsch, Englisch, Slowakisch und Italienisch.
1.2. Der BF bediente sich in Vergangenheit mehrerer Aliasidentitäten zB: XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX .
1.3. Er ist geschieden und Vater von 2 Töchtern, welche in Italien wohnen. Eine der Töchter ist noch minderjährig. Der BF leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist erwerbsfähig. Der BF ist seit langem Drogenkonsument.
1.4. Im Bundesgebiet wohnt eine Tante des BF. In der Zeit seiner Haft erfolgten von ihr keine Besuche des BF. Ein Familienleben des BF ist in Österreich nicht vorliegend.
1.5. Weitere Angehörige des BF leben in Italien (2 Töchter) und in Serbien (Eltern des BF).
1.6. Der BF reiste erstmalig 2004 in das Bundesgebiet ein und war im Bundesgebiet unter insgesamt 6 Identitäten polizeilich gemeldet. Der BF war unter diesen Identitäten in Österreich zum Teil unselbständig erwerbstätig.
1.7. Gegen den BF wurden in Österreich bereits drei Aufenthaltsverbote erlassen:
- Bescheid einer Bezirksverwaltungsbehörde vom 27.10.2010 Aufenthaltsverbot 5 Jahre
- Bescheid BFA vom 18.11.2014, Aufenthaltsverbot 7 Jahre
- Bescheid BFA vom 23.07.2023, Aufenthaltsverbot 5 Jahre
Der BF verstieß gegen sämtliche gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbote und reiste wiederholt in das Bundesgebiet ein wo er in weiterer Folge erneut straffällig wurde. Aus Österreich wurde der BF am 26.07.2023 zuletzt auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben.
1.8. Der BF wurde in Österreich wiederholt rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:
- Urteil LG für Strafsachen vom 06.09.2013, §§ 127, 15, 105 Abs 1, Freiheitsstrafe 3 Monate bedingt
- Urteil LG für Strafsachen vom 16.10.2014, §§ 15, 127, 130 erster Fall, Freiheitsstrafe 15 Monate, davon 12 Monate bedingt
- Urteil LG für Strafsachen vom 11.01.2016, §§ 127, 130 1. Fall, 15, 223, Freiheitsstrafe 18 Monate unbedingt
- Urteil LG für Strafsachen vom 28.08.2019, §§ 127, 130 Abs 1, 15, 146, Freiheitsstrafe 24 Monate unbedingt
- Urteil LG für Strafsachen vom 21.05.2025, §§ 15, 105 Abs 1, 83 Abs 1, 146, 223 Abs 2, 127, 130 Abs 1 erster Fall, Freiheitsstrafe 2 Jahre unbedingt
1.9. Der BF verbüßte einen Teil seiner Haftstrafe in einer Justizanstalt. Das errechnete Strafende ist der 19.12.2027.
1.10. Der BF wurde am 14.08.2025 aus der Strafhaft entlassen und es wurde ihm offenbar ein Strafaufschub aus den Gründen des § 39 SMG gewährt.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und die unter II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
Herangezogen wurden weiters Registerabfragen aus dem ZMR, AJ-WEB etc.
Gesichert erscheint aus dem Akteninhalt die angeführte Identität des BF und die Doppelstaatsbürgerschaft von Ungarn und Serbien.
Die Feststellungen zu den rechtskräftigen Verurteilungen ergeben sich aus dem Strafregister.
Aus dem ZMR ergeben sich die Wohnsitzmeldungen des BF im Inland.
Die Beschäftigungsverhältnisse des BF in Österreich ergeben sich aus dem AJ-WEB.
Die Aliasdatensätze, welche der BF verwendet hat, ergeben sich aus dem Beschwerdeakt.
In der Beschwerde brachte der BF vor, dass er am 14.08.2025 aus der Strafhaft entlassen wurde, und ihm ein Therapieplatz zugewiesen worden sei. Diese Zuweisung ist durch eine an das Landesgericht gerichtete Therapieplatzreservierung für den BF untermauert. Ein Schriftstück des Gerichtes, welches einen Strafaufschub zum Inhalt hat, ist im Akt nicht evident.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides
Die vollinhaltliche Beschwerde richtet sich (auch) gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.
Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Gemäß § 70 Abs 1 FPG ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
In seinem Erkenntnis 99/18/0419 vom 31.03.2000 erkannte der VWGH wie folgt:
„Gemäß § 39 Abs. 2 zweiter Satz FrG beginnt die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit dem Eintritt seiner Durchsetzbarkeit zu laufen. Nach § 40 Abs. 1 zweiter Satz FrG ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (685 BlgNR 20. GP) wurde mit der letztgenannten - mit dem FrG neu eingeführten - Bestimmung auf den Umstand Bedacht genommen, dass es nicht Angelegenheit der Fremdenpolizeibehörde sein kann, darüber zu entscheiden, ob ein Freiheitsentzug, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde, tatsächlich vollzogen werden soll oder nicht. Mit dem vorgeschlagenen Aufschub des Eintritts der Durchsetzbarkeit stehe dem Betroffenen, der Österreich verlasse - und sich damit dem Strafvollzug zu entziehen versuche -, die Erklärung nicht zur Verfügung, dies getan zu haben, um der Ausreiseverpflichtung des Aufenthaltsverbotes Rechnung zu tragen.
Daraus geht klar hervor, dass der Gesetzgeber mit § 40 Abs. 1 zweiter Satz FrG die Hinausschiebung der Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer eines dort genannten Freiheitsentzuges nicht nur für solche Fälle anordnen wollte, in denen sich der Fremde bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits in Haft bzw. im Maßnahmenvollzug befindet. In derartigen Fällen besteht nämlich die Gefahr nicht mehr, dass sich der Fremde in Befolgung des Aufenthaltsverbotes ins Ausland begibt und sich dadurch dem Straf- oder Maßnahmevollzug zu entziehen versucht. Die Wendung "für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben" muss vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers dahin interpretiert werden, dass die Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes auch in jenen Fällen aufgeschoben wird, in denen über den Fremden aufgrund einer mit Strafe bedrohten Handlung eine Freiheitsstrafe oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme unbedingt verhängt, aber - etwa aufgrund eines Strafaufschubes - noch nicht (zur Gänze) vollzogen worden ist. Anders als bei einer bedingten Strafnachsicht bzw. bedingten Nachsicht einer vorbeugenden Maßnahme steht nämlich in solchen Fällen typischerweise bereits fest, dass die Strafe oder Maßnahme - nach Ablauf der Aufschubsfrist - vollzogen wird. In solchen Fällen würde also durch die vor Strafantritt bzw. Antritt der Maßnahme erfolgte Ausreise des Fremden in Befolgung des Aufenthaltsverbotes (bzw. durch den Vollzug des Aufenthaltsverbotes im Weg einer Abschiebung) der Vollzug der Freiheitsstrafe oder der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme vereitelt oder zumindest erschwert, wodurch es de facto zu der vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht erwünschten Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde über den tatsächlichen Vollzug des Freiheitsentzuges käme.
Der Zeitraum eines Strafaufschubes bzw. Aufschubes der Maßnahme schiebt also die Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes ebenso hinaus wie der Zeitraum des Freiheitsentzuges. Dies gilt auch für die hier vorliegende Gewährung eines Aufschubes des Strafvollzuges gemäß § 39 SMG.“
Unbestritten steht eine Delinquenz des BF in Bezug auf Eigentumskriminalität und die bisherige Wirkungslosigkeit der strafgerichtlichen Sanktionen und der gegen den BF verhängten – zum Teil noch aufrechten – Aufenthaltsverbote fest.
Aus dem Beschwerdeakt ist nicht ersichtlich, ob dem BF vom Gericht ein Strafaufschub gewährt wurde, jedoch ist spricht seine Strafentlassung am 14.08.2025 (bei einem errechneten Strafende am 19.12.2027) dafür. Zudem hat der BF eine Therapieplatzreservierung vorgelegt und in der Beschwerde vorgebracht, dass ihm ein Strafaufschub für Therapiezwecke zuerkannt worden sei.
Aus der zuvor zitierten Judikatur des VwGH geht hervor, dass eine Abschiebung für die Zeit eines Strafaufschubes für eine Suchtgifttherapie nicht erfolgen darf (vgl. auch VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0240).
Der Beschwerde ist daher stattzugeben und gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, um dem BF die Fortsetzung seiner begonnenen Therapie zu ermöglichen.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.
3.3. Zu B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der entsprechenden höchstgerichtlichen Judikatur orientieren konnte.
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