G314 2315762-1/3Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des polnischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2025, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:
A) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) hält sich seit XXXX im Bundesgebiet auf. Mit dem Bescheid vom XXXX .2025, Zl. XXXX , erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen ihn eine Ausweisung gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG, weil er im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachging, nicht (kranken-)versichert war und keine ausreichenden Existenzmittel nachgewiesen hat; entgegenstehende private oder familiäre Bindungen im Inland wurden verneint. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.
Am XXXX .2025 wurde der BF verhaftet und in der Folge bis XXXX .2024 in der Justizanstalt XXXX angehalten. Das BFA leitete hierauf ein weiteres Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn ein und forderte ihn mit Schreiben vom XXXX .2025 auf, sich dazu zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich sowie zu seinem Privat- und Familienleben zu beantworten. Der BF reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Letzteres wurde zusammengefasst damit begründet, dass aufgrund der Verstöße des BF gegen die Rechtsordnung ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Ausreise bestehe. Er habe in Österreich weder familiäre noch soziale Bindungen, sei unterstandslos und nicht sozial integriert. Er habe im Inland auch keine persönlichen Verhältnisse zu regeln. Er habe keine ausreichenden Existenzmittel und zuletzt Diebstahlsdelikte begangen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.
Vertreten durch die BBU GmbH erhob der BF eine Beschwerde gegen diesen Bescheid, mit der er neben der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung die ersatzlose Behebung des Aufenthaltsverbots, hilfsweise die Reduktion von dessen Dauer, beantragt und eventualiter auch einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag stellt. Die Beschwerde wird im Wesentlichen damit begründet, dass er seine Straftaten bereue und mittlerweile bereit sei, Hilfe in Anspruch zu nehmen und eine Therapie zu machen. Aufgrund dieses Gesinnungswandels sei für ihn eine positive Zukunftsprognose zu erstellen, zumal er keine Tötungs- oder Gewaltdelikte begangen habe. Er stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr dar. Durch die Unterlassung seiner persönlichen Einvernahme liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Er habe zwar keine familiären Bindungen im Bundesgebiet, aber schon erste private Kontakte geknüpft. Die Gefährdungsprognose des BFA und die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbots (die in der Beschwerde fälschlich mit zwei Jahren angegeben wird) seien nicht nachvollziehbar. Da der BF sehr starke private Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet habe, sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zumal anzunehmen sei, dass ansonsten eine Verletzung von Art 8 EMRK drohe.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem BVwG vor, beantragte, sie als unbegründet abzuweisen und wies darauf hin, dass der BF nach seiner Entlassung aus der Justizanstalt Wien-Josefstadt seit 24.06.2025 in Verwaltungsstrafhaft im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände angehalten werde.
Feststellungen:
Der BF ist ein am XXXX im polnischen Ort XXXX geborener Staatsangehöriger Polens. Er beherrscht die polnische Sprache.
Der BF hielt sich ab XXXX in Österreich auf, wo er von XXXX .2023 bis XXXX .2023, von XXXX .2023 bis XXXX .2023 und von XXXX .2024 bis XXXX .2024 jeweils als Arbeiter in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis stand. Am XXXX .2023 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt. Er hat in Österreich keine familiären Bindungen. Ungefähr ab XXXX war er hier ohne Unterstand.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen der Nötigung (§§ 15, 105 StGB) und des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB) rechtskräftig zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein zwölfmonatiger Strafteil für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX mit Gewalt, nämlich durch Festhalten, Wegreißen und den Versuch, einen Träger mit einem Messer durchzuschneiden, versucht hatte, jemanden zur Übergabe eines Rucksacks zu nötigen. Im Zeitraum XXXX bis XXXX hatte er – teils gemeinsam mit einem oder zwei Mittätern – in gewerbsmäßiger Absicht insgesamt sieben Ladendiebstähle begangen. In einem Fall wurde er dabei von einem Mitarbeiter des Geschäfts beobachtet und angehalten, wobei er versuchte, diesen mit Gewalt daran zu hindern, indem er sich der Anhaltung gewaltsam zu entreißen und nach einer in seiner rechten hinteren Tasche befindlichen Schere zu greifen versuchte. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht das teilweise reumütige Geständnis, den teilweisen Versuch und die teilweise Sichterstellung des Diebesguts als mildernd. Erschwerend wirkten sich hingegen neun einschlägige Vorstrafen im Ausland, das Zusammentreffen von Vergehen, die teilweise Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens und während einer offenen Probezeit in Deutschland aus.
Der BF war am XXXX und von XXXX . bis XXXX jeweils kurzfristig verhaftet worden. Er verbüßte den unbedingten Strafteil von XXXX bis XXXX in der Justizanstalt XXXX . Seither wird er im Polizeianhaltezentrum XXXX in Verwaltungsstrafhaft angehalten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den Angaben des BF und seinen Sozialversicherungsdaten, dem Strafurteil sowie aus Informationen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).
Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit des BF gehen aus den entsprechenden Konstatierungen im Strafurteil hervor, die mit den in verschiedenen Registern (ZMR, IZR, Strafregister) ersichtlichen Daten übereinstimmen. Polnischkenntnisse des BF sind angesichts seiner Herkunft plausibel, zumal der Hauptverhandlung im Strafverfahren eine Dolmetscherin für diese Sprache beigezogen wurde. Für allfällige Deutschkenntnisse liegen keine Beweisergebnisse vor.
Die dem BF ausgestellte Anmeldebescheinigung ist im IZR dokumentiert. Aus dem ZMR ergibt sich, dass er von XXXX bis XXXX mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet war; danach sind nur Wohnsitzmeldungen in Polizeianhaltezentren und in der Justizanstalt ersichtlich. Damit übereinstimmend geht aus dem Strafurteil hervor, dass der BF bei seiner Festnahme am XXXX unterstandslos war.
Die Erwerbstätigkeit des BF in Österreich wird anhand der Sozialversicherungsdaten festgestellt.
Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der aktenkundigen Vollzugsinformation, die mit der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt laut ZMR korrespondiert. Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF werden anhand des Strafurteils, der polizeilichen Abschlussberichte und des Strafregisters festgestellt. Demnach weist der BF in Österreich nur eine strafgerichtliche Verurteilung auf, wurde aber im Ausland mehrfach strafgerichtlich verurteilt und zuletzt innerhalb einer Probezeit rückfällig.
Der Vollzug von Verwaltungsstrafen ergibt sich aus der entsprechenden Bekanntgabe des BFA und der Wohnsitzmeldung im Polizeianhaltezentrum laut ZMR.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Aufgrund der einschlägigen Vorstrafen des BF, der Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionen und der gewerbsmäßigen Begehung von Vermögensdelikten in Zusammenschau mit seiner Einkommens- und Unterstandslosigkeit ist seine sofortige Ausreise nach dem Vollzug der Verwaltungsstrafen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten, zumal er (anders als in der Beschwerde vorgebracht) durchaus Gewalt angewendet und dabei sogar versucht hat, ein Messer bzw. eine Schere einzusetzen. Die in der Beschwerde bekundete Reue und Therapiebereitschaft des BF haben noch nicht in einem - einen relevanten Zeitraum umfassenden - Wohlverhalten in Freiheit nach dem Strafvollzug ihre Entsprechung gefunden und reicht daher für den Wegfall der Gefährdungsprognose nicht aus (siehe z.B. VwGH 18.01.2024, Ra 2023/21/0112).
Der BF hält sich erst seit kurzem in Österreich auf und hat hier keine familiären und nur lose privaten Anknüpfungen. Mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist daher keine relevante Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK verbunden.
Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen; Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist rechtskonform, sodass die Beschwerde insoweit abzuweisen ist.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und das BVwG dabei keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.
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