W261 2305442-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, vom 27.09.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 12.12.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am selben Tag fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus XXXX stamme, der Volksgruppe der Araber angehöre und Muslim sei. Er habe fünf Jahre die Grundschule besucht und danach als Bäcker gearbeitet. Neben seinen Eltern würden noch drei seiner Schwestern in Syrien leben. Seine Ehefrau und seine Kinder wurden in der Türkei leben. Seine restlichen Geschwister würden in der Türkei, im Libanon, in Saudi-Arabien und in Deutschland leben. Einer seiner Neffen wohne in Österreich.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er sein Land verlassen habe, weil Bürgerkrieg herrsche. Zwischen 2016 und 2017 sei sein Vater 10 Tage und der Beschwerdeführer 40 Tage inhaftiert gewesen. Sein Onkel sei vom Islamischen Staat entführt und getötet worden. Bei der Rückkehr befürchte er die fehlende Sicherheit in Syrien und dass er als Reservist zum Militär einrücken müsse.
3. Am 30.07.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Er gehöre der Volksgruppe der Araber und dem Stamm der XXXX an und sei sunnitischer Muslim. Er sei im Dorf XXXX (auch XXXX ) geboren. Er habe sechs Jahre die Grundschule besucht und danach als Bäcker gearbeitet. Er sei traditionell verheiratet und habe mit seiner Ehefrau vier Kinder. Der Beschwerdeführer habe regelmäßigen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer syrische Dokumente vor.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er Syrien verlassen habe, weil er aufgrund des Reservedienstes vom syrischen Regime gesucht werde. Er habe keine Ausbildung an der Waffe erhalten, sondern sei als Bäcker in der Kantine eingesetzt gewesen. Es gebe keine Sicherheit in Syrien. Es hätten mehrere Razzien bei ihm zu Hause stattgefunden. In der Türkei könne er aufgrund des Rassismus und des Drucks gegenüber Syrern nicht leben. Er sei nach Österreich gekommen, weil er in Frieden und Sicherheit leben möchte. Im Fall einer Rückkehr befürchte er die Todesstrafe.
4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 27.09.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass eine Einberufung in den Reservedienst nicht maßgeblich wahrscheinlich sei. Zudem würden ihm die Möglichkeit frei stehen sich vom Reservedienst freizukaufen. Das syrische Regime unterstelle auch nicht jedem Wehrdienstverweigerer eine politisch oppositionelle Gesinnung. Er sei im Herkunftsstaat keiner Verfolgung bzw. Verfolgungsgefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine Verfolgung aus konventionsrelevanten Gründen festgestellt werden können. Es sei ihm nicht gelungen, den vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen.
Es würden jedoch Gründe für die Annahme bestehen, dass im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung aufgrund der derzeitigen Lage in Syrien für den Beschwerdeführer eine nicht ausreichende Lebenssicherheit bestehe. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.
5. Mit E-Mail vom 05.11.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen erneut vorgebracht, dass er aufgrund des Reservedienstes gesucht werde. Zudem habe er ab Beginn des Krieges jeden Freitag an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen, aus diesem Grund sei es auch öfters zu Razzien bei ihm zu Hause gekommen. Auch in Österreich habe er an Demonstrationen teilgenommen. Das Vorbringen stehe dem Neuerungsverbot nicht entgegen, da der Beschwerdeführer bereits bei seiner niederschriftlichen Einvernahme Razzien vorgebracht habe. Ihm drohe aufgrund seiner oppositionellen Einstellung und aufgrund der Reservedienstverweigerung eine Inhaftierung und/oder der Tod. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, indem sie mangelhafte Länderfeststellungen getroffen, die beigezogenen Länderberichte nicht ausreichend gewürdigt und den Beschwerdeführer nur sehr oberflächlich befragt habe. Auch die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides sei aus näher dargestellten Gründen mangelhaft.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer daher internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen.
6. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 02.01.2025 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 09.01.2025 einlangte.
7. Mit Eingabe vom 27.03.2025 brachte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme ein. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass es aufgrund der notorischen Entwicklungen der letzten Wochen keine wesentliche Entscheidungsgrundlage gebe. Der Beschwerdeführer führte aus, dass er im bisherigen Verfahren die Furcht vor einer Zwangsrekrutierung zum Reservedienst, als auch seine Furcht vor Vergeltung vom IS, der ihn und seinen Vater inhaftiert habe, vorgebracht habe. Der Beschwerdeführer sei vom IS inhaftiert und gefoltert worden. Die HTS und der IS würden die gleiche Ideologie vertreten. Zudem habe er Angst vor den kurdischen Kräften, da er zum Stamm der XXXX , der gegen die Kurden kämpfe, gehöre. Sein Heimatort stehe derzeit unter geteilter Kontrolle der HTS und der SDF. Zudem gebe es weitere Unsicherheitsfaktoren, da der IS am Wiedererstarken sei und auch die von der Türkei unterstützten SNA-Milizen weiter gegen die kurdisch-dominierte SDF vorgehe und in die Gebiete der AANES vordringe. Weiters gebe es bereits Versuche eine neue syrische „Nationalarmee“ aufzubauen. Durch die quasioffizielle Übergabe der Regierungsgeschäfte sei grundsätzlich von Rechtskontinuität auszugehen, d.h. die nunmehrigen Machthaber unter Führung der HTS würden auf das weiterhin geltende und anwendbare Rechte zum syrischen Wehrdienst zurückgreifen und Männer (zwangs-) rekrutieren können. Der Beschwerdeführer lehne jede islamistische bzw. extremistische Staatsmacht und deren Wehrdienst ab. Er lehne die HTS als islamistische Terrororganisation ab, deswegen drohe ihm bei einer Verweigerung des staatlichen Wehrdienstes aus politischen Gründen weiterhin asylrelevante Verfolgung. Weiters bestehe die Gefahr, dass er als „Europa-Rückkehrer“ wahrgenommen werden würde und ihm aufgrund seiner westlichen Werteeinstellung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werde.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.03.2025 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung zu seinen persönlichen Umständen, seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt. Der Beschwerdeführer legte keine weiteren Bescheinigungsmittel vor und verwies auf die bereits im bisherigen Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Das Bundesverwaltungsgericht legte die aktuellen Länderinformationen vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.
9. Mit Schreiben vom 09.05.2025 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehöres gemäß § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den neu veröffentlichten Länderinformationen (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien vom 21.03.2025; Länderinformation der Staatendokumentation, COI-CMS, Version 12, veröffentlicht am 08.05.2025) ein.
Die Parteien des Verfahrens brachten in der ihr gewährten Frist keine Stellungnahmen ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX im Dorf XXXX (auch XXXX auch XXXX auch XXXX ) im Gouvernement Deir ez-Zor in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber sowie sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist seit dem XXXX mit XXXX (geb. XXXX ) verheiratet. Der Ehe entstammen vier Kinder, zwei Töchter, XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ), sowie zwei Söhne, XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ). Seine Ehefrau und seine Kinder leben seit 2017 in der Türkei.
Seine Eltern heißen XXXX (ca. XXXX Jahre) und XXXX (ca. XXXX Jahre). Der Beschwerdeführer hat acht Schwestern, XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in der Türkei), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in der Türkei), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in der Türkei), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in der Türkei), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in Syrien), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in Syrien), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in Syrien) und XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in der Türkei), sowie vier Brüder, XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt im Libanon), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in Saudi-Arabien), XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in Deutschland) und XXXX (ca. XXXX Jahre, lebt in der Türkei). Seine in Syrien lebenden Eltern und Schwestern wohnen in seinem Geburtsort. Sein Neffe lebt mit dem Beschwerdeführer in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie.
Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre lang die Grundschule in seinem Geburtsort und schloss eine Berufsausbildung als Bäcker ab. Danach pendelte er bis 2009 halbjährlich zwischen dem Libanon und seinem Geburtsort. Von 2009 bis 2011 leistete er seinen Militärdienst in Aleppo ab. Anschließend reiste er 2011 für vier Monate in den Libanon. Danach lebte er bis zu seiner Ausreise 2017 in seinem Geburtsort.
Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX (auch XXXX auch XXXX auch XXXX ), im Gouvernement Deir ez-Zor, befindet sich unter Kontrolle der neuen syrischen Regierung.
Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Jahr 2017 in Richtung Türkei, wo er sechs Jahre lang lebte. Anschließend reiste er weiter und hielt sich unter anderem in Bulgarien, Serbien, Kroatien und Slowenien auf und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 12.12.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Nach monatelanger Vorbereitung starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der dschihadistischen Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), welche vormals als Al-Nusra-Front bekannt war, die Operation „Abschreckung der Aggression“ und brachten am 08.12.2024 die syrische Hauptstadt Damaskus unter ihre Kontrolle und beendeten damit die Herrschaft des syrischen Assad-Regimes. Der ehemalige syrische Machthaber Bashar al-Assad verließ daraufhin das Land und flüchtete nach Russland.
Der Beschwerdeführer läuft daher nicht Gefahr von physischer und/oder psychischer Gewalt vonseiten der ehemaligen syrischen Regierung unter dem ehemaligen Machthaber Bashar al-Assad bedroht oder zwangsrekrutiert zu werden. Der Beschwerdeführer leistete seinen Wehrdienst bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) – die mit Befehl al-Assads noch im Dezember 2024 offiziell aufgelöst wurde – von 2009 bis 2011 als Bäcker in der Kantine ab. Er läuft daher ebenso nicht Gefahr von der neuen syrischen Regierung und/oder anderen (bewaffneten) Gruppierungen als Assad-Regimeanhänger angesehen zu werden, da sich der Beschwerdeführer niemals politisch äußerte oder sonst in irgendeiner Art politisch agierte und die Ableistung seines Wehrdienstes bereits ca. 14 Jahre zurückliegt. Zudem nahm er niemals an Kampfhandlungen oder Menschenrechtsverletzungen in Syrien teil.
1.2.2. Die neue syrische Regierung – angeführt von der ehemaligen islamistischen Gruppe HTS, wobei fast die Hälfte der Ernannten in keiner Verbindung zur HTS steht, besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten Ahmad ash-Shara’s – wendet keine institutionalisierten Rekrutierungsverfahren an. Der neue syrische Präsident Ahmad ash-Shara’ – früher als HTS-Anführer unter dem Namen Mohammed al-Joulani bekannt –versprach, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Die Aufnahmebedingungen für Männer umfassen ein Alter zwischen 18 und 22 Jahre, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen.
Dem XXXX -jährigen-Beschwerdeführer droht daher auch keine Zwangsrekrutierung vonseiten der neuen syrischen Regierung. Ebenso droht ihm auch keine Zwangsrekrutierung vonseiten der ehemaligen HTS, da die Gruppierung am 29.01.2025 offiziell ihre Auflösung bekannt gab. Zudem hat sich der Beschwerdeführer weder in Syrien noch in Österreich jemals politisch betätigt. Er äußerte sich niemals politisch und geriet aufgrund dessen auch niemals in das Visier der nunmehr aufgelösten HTS oder der neuen syrischen Regierung.
1.2.3. Der Beschwerdeführer läuft ebenso nicht Gefahr aufgrund seines „europäischen Aussehens“ vonseiten der neuen syrischen Regierung bedroht zu werden.
1.2.4. Der Beschwerdeführer ist kein „sunnitischer Sufi“ und wird daher auch nicht von der neuen syrischen Regierung oder der offiziell aufgelösten HTS oder vom IS bedroht.
1.2.5. Insbesondere wird der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit durch den Islamischen Staat (im Folgenden: IS) bedroht. Weder sein Vater noch der Beschwerdeführer wurden vonseiten des IS inhaftiert oder gefoltert. Auch der Onkel des Beschwerdeführers wurde vonseiten des IS weder entführt noch getötet.
1.2.6. In der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES), in der das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers liegt, ist eine Selbstverteidigungspflicht für Männer ab dem vollendeten 18. Lebensjahr festgelegt. Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der DAANES hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, demnach ist jeder, der zwischen dem 01.01.1998 und dem 31.12.2006 geboren ist, für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig.
Der XXXX -jährige-Beschwerdeführer (geb. XXXX ) läuft, insbesondere aufgrund seines Alters und aufgrund der mangelnden Kontrolle der SDF/PYD in seinem Herkunftsgebiet, nicht Gefahr vonseiten der SDF zwangsrekrutiert zu werden, zumal sich das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers nicht im DAANES-Gebiet befindet und er daher auch nicht verpflichtet ist den „Selbstverteidigungsdienst“ abzuleisten.
1.2.7. Der Beschwerdeführer wird nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Stamm der XXXX (auch XXXX ) vonseiten der SDF/PYD bzw. kurdischen Milizen bedroht. Er nahm niemals an Demonstrationen gegen die SDF/PYD teil und betätigte sich auch sonst nicht politisch. Zudem wird das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers von der neuen syrischen Regierung kontrolliert, die kurdisch dominierte SDF/PYD hat keine Zugriffsmöglichkeiten auf den Beschwerdeführer.
1.2.8. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien wegen seiner illegalen Ausreise oder der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich keine Lebensgefahr und auch kein Eingriff in seine körperliche Integrität.
1.2.9. Auch sonst ist der Beschwerdeführer persönlich und konkret nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 12, veröffentlicht am 08.05.2025 (LIB);
- EUAA, Country Focus Syria, März 2025 (EUAA 1);
- UNHCR, Position on returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024 (UNHCR);
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen, vom 21.03.2025 (ACCORD 1);
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES): Informationen zu Clans und Stämmen (Präsenz, Strukturen, Mitgliedschaften, bewaffnete Konflikte/Konkurrenzkämpfe in Raqqa und Deir ez-Zor, Militärische Kontrolle der Stämme und Möglichkeit machthabende Kräfte herauszufordern, mögliche Verwaltung über die Bevölkerung) [a‑12264], vom 16.11.2023, (ACCORD 2);
- BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Syrien: Stammeskonflikte in al-Hasakah, vom 19.01.2024 (BFA);
- EUAA, Interim Country Guidance Syria, Juni 2025 (EUAA 2).
1.3.1. Politische Lage - Regierungsführung unter der neuen syrischen Regierung
1.3.1.1. Politischer Übergang
Nach dem Sturz der Regierung von Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 wurde eine Übergangsregierung eingesetzt. Der ehemalige Premierminister Mohammed al-Jalali übergab die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung der staatlichen Funktionen, wie Al-Jalali erklärte, einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst, sicherzustellen. Al-Sharaa erklärte, die Organisation nationaler Wahlen könne aufgrund des notwendigen Wiederaufbaus der Wahlinfrastruktur bis zu fünf Jahre dauern. Er bekräftigte ferner, dass Syrien als „Republik mit einem Parlament und einer Exekutive“ strukturiert sein werde. Am 29. Dezember skizzierte Ahmad al-Sharaa einen mehrjährigen Fahrplan, der die Ausarbeitung einer neuen Verfassung innerhalb von drei Jahren und anschließende Wahlen sowie Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz zur Förderung von Versöhnung und Inklusivität vorsieht. Als Teil des Übergangsprozesses betonte Al-Sharaa die Bedeutung der Wahrung der nationalen Einheit und lehnte den Föderalismus ab. Erste Verhandlungen fanden mit den SDF und dem Kurdischen Nationalrat (KNC) statt, um kurdische Fraktionen in den politischen Prozess einzubeziehen. Die ursprünglich für Anfang Januar geplante Nationale Dialogkonferenz wurde jedoch später verschoben, um ein breiter angelegtes Vorbereitungskomitee einzurichten, das alle Teile der syrischen Gesellschaft repräsentierte. Sie fand schließlich am 25. Februar 2025 statt, nachdem vorbereitende Workshops auf lokaler Ebene eingeleitet worden waren. Sie tagte mit rund 600 Teilnehmern in Damaskus. In ihrer Abschlusserklärung betonte sie die territoriale Integrität Syriens, verurteilte die israelischen Einfälle und forderte einen Rückzug. Sie sah außerdem die Verabschiedung einer vorläufigen Verfassungserklärung, die Bildung eines vorläufigen Legislativrates und die Ausarbeitung eines Entwurfs für eine dauerhafte Verfassung mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Freiheit vor. In der Abschlusserklärung wurde ferner die Bedeutung der Teilhabe von Frauen, der friedlichen Koexistenz und der Einrichtung kontinuierlicher nationaler Dialogmechanismen erwähnt. Die Konferenz wurde jedoch wegen ihrer übereilten Organisation und mangelnden Repräsentativität kritisiert. Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die syrische Verfassung von 2012 für ungültig und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsbehörden der ehemaligen Regierung auf. Al-Sharaa erklärte, er werde einen Übergangsgesetzgebungsrat einrichten, der die Regierung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll (EUAA 1).
1.3.1.2. Regierungsbildung
Nach der Machtübernahme in Damaskus setzte die HTS eine Übergangsregierung ein, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen syrischen Heilsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte. Al-Sharaa bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zur Wahrung der Stabilität und Wiederherstellung der Grundversorgung. Zunächst übernahmen Minister der SSG nationale Ministerposten, während einige Beamte und Staatsbedienstete der ehemaligen Regierung in ihren Positionen blieben, um die Kontinuität zu gewährleisten. Am 10. Dezember 2024 wurde Mohammed Al-Bashir, ein Ingenieur aus dem Gouvernement Idlib und ehemaliger Vorsitzender der SSG im Nordwesten Syriens, die zusammen mit der HTS gebildet wurde, zum Interimspremierminister ernannt. Seine Amtszeit und die der Übergangsregierung sollten am 1. März 2025 enden, doch Ende Januar 2025 gab es noch keinen Termin für Wahlen in Syrien. Inzwischen etablierte sich Ahmad Al-Sharaa, Vorsitzender der HTS, als De-facto-Führer Syriens. Am 29. Januar 2025 wurde Al-Sharaa für die Übergangszeit zum Präsidenten ernannt. Am 21. Dezember ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Shibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide waren bekannte Verbündete Al-Sharaas. Weitere Ernennungen umfassten Mohamed Abdel Rahman zum Innenminister, Mohammed Yaqoub Al-Omar zum Informationsminister, Mohamed Taha Al-Ahmad zum Minister für Landwirtschaft und Bewässerung, Nazir Mohammed Al-Qadri zum Bildungsminister und Shadi Mohammed Al-Waisi zum Justizminister. Alle drei hatten zuvor Positionen in der Heilsregierung innegehabt. Darüber hinaus übernahmen Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein und Basil Abdul Aziz ihre jeweiligen Ämter als Entwicklungsminister, Minister für lokale Verwaltung und Dienstleistungen, Minister für Stiftungen und Wirtschaftsminister. Anas Khattab (auch bekannt unter seinem Kampfnamen Abu Ahmad Hudood), ein ehemaliger Anführer der Nusra-Front, wurde zum Chef des Allgemeinen Geheimdienstes ernannt. Die Ernennung von Maher Al-Sharaa zum Gesundheitsminister löste Kontroversen aus, da er der Bruder von Al-Sharaa ist. Zur neuen Regierung gehörte auch eine Frau, Aisha Al-Debs, als Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten. Im Januar nahm die Übergangsregierung ihre erste größere Kabinettsumbildung vor und ersetzte Mohammad Abdul Rahman durch Ali Kidda als Innenminister. Kidda war Berichten zufolge ein enger Vertrauter von Al-Sharaa. Laut BBC News gab es keinen transparenten Mechanismus für die Auswahl von Ministern, und es blieb unklar, ob diese Ernennungen im Rahmen einer Konsultation oder allein durch Al-Sharaa erfolgten. Diese Ungewissheit schürte Diskussionen über eine mögliche Erweiterung der Regierung um ausländische Oppositionsmitglieder und inländische Experten (EUAA 1).
Am 29.1.2025 wurde die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien bekannt gegeben, darunter auch die HTS (LIB).
1.3.1.3. Militärreformen
Vor ihrem Einmarsch in Damaskus am 8. Dezember versprach die HTS, den institutionellen Rahmen Syriens aufrechtzuerhalten, und verkündete später eine Generalamnestie für syrische Armeesoldaten. Die Übergangsregierung leitete daraufhin einen Siedlungsprozess ein, der die Wiedereingliederung zahlreicher ehemaliger Regierungs- und Militärangehöriger, darunter hochrangiger Beamter, erleichterte. Einige von ihnen waren in schwere Kriegsverbrechen verwickelt, wie beispielsweise Fadi Saqr. Neben den freiwilligen Siedlungsverfahren spürte die Militäroperationsverwaltung (MOA), die Kommandozentrale der neuen, von der HTS geführten Übergangsregierung, Personen auf, die sich der Siedlung entzogen. Im Rahmen dieser Kampagnen wurden ehemalige Offiziere verhaftet, während andere freigelassen wurden, nachdem festgestellt wurde, dass sie nicht an Übergriffen beteiligt waren. Laut Etana gab es Bedenken hinsichtlich des fehlenden Prozesses, da Berichte auf Hinrichtungen von Milizionären niedriger Ebene hindeuten, die die Behörden als isolierte Akte gemeinschaftlicher Rache darstellen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR), eine in Großbritannien ansässige Überwachungsorganisation, berichtete Mitte Januar, dass innerhalb weniger Tage 8.000 Personen in den MOA-Zentren in Sallamiyah, Hama, Versöhnungsabkommen schlossen. Die Zahl der Offiziere und Angehörigen der Streitkräfte der vorherigen Regierung in Gefängnissen wie Adra, Hama und Harim stieg auf über 9.000, darunter 2.000, die aus dem Irak zurückgekehrt waren. Die meisten wurden festgenommen, nachdem sie bei Razzien oder Kontrollpunkten gefasst worden waren. Die Übergangsregierung schaffte außerdem die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie nationalen Notständen. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Armee von Freiwilligen sein, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Landesgrenzen zu sichern. Ehemalige Überläufer, wie Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), erhalten je nach ihrer Expertise einen Sonderstatus innerhalb der Struktur des Verteidigungsministeriums. Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 neuen Militärkommandeuren veröffentlicht, darunter HTS-Mitglieder, desertierte Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer; die sieben höchsten Positionen sollen mit HTS-Mitgliedern besetzt sein. Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellenfraktionen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Januar und Februar 2025 bemühten sich die Übergangsministerien für Verteidigung und Inneres, alle bewaffneten Fraktionen zu einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, über 70 Fraktionen in sechs Regionen hätten sich zur Integration bereit erklärt, und es wurde ein Oberster Ausschuss eingerichtet, der die militärischen Mittel wie Personal, Stützpunkte und Waffen regeln soll. Am 29. Januar verkündete die Übergangsregierung offiziell die Auflösung aller Oppositionsparteien und Militärgruppen, wobei unklar blieb, inwieweit dies auch für die SDF galt. Die SDF widersetzten sich zunächst der Integration, insbesondere nachdem ihr Vorschlag, als halbautonome Einheit beizutreten, vom Verteidigungsministerium abgelehnt worden war, das ihnen Verzögerungstaktiken vorwarf. Anfang März wurde jedoch bekannt gegeben, dass die SDF eine Vereinbarung zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung unterzeichnet hatten. Bis Mitte Februar hatte die Übergangsregierung rund 100 bewaffnete Fraktionen, darunter die von den USA unterstützte Syrische Freie Armee, erfolgreich in ein neues syrisches Militär und Verteidigungsministerium integriert. Einige Fraktionen, wie die von Ahmad al-Awda in Südsyrien und verschiedene drusische Militärgruppen, leisteten jedoch weiterhin Widerstand. Die bewaffneten Fraktionen des Gouvernements Sweida blieben vollständig intakt; im Januar entstanden zwei neue Militärverbände (EUAA 1).
1.3.1.4. Reformen im öffentlichen Sektor
In der Anfangsphase des Übergangs beabsichtigte die neue Regierung, wichtige staatliche Institutionen zu erhalten und zu reaktivieren, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Infolgedessen blieben viele wichtige staatliche Institutionen funktionsfähig. Im Berichtszeitraum leitete die neue Regierung einige institutionelle Reformen ein. Nach der Machtübernahme stellte die Übergangsregierung zuvor wegen ihrer Beteiligung an der syrischen Revolution entlassene öffentliche Angestellte wieder ein und entließ gleichzeitig im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme Hunderte von Angestellten einer einzigen Direktion mit dem erklärten Ziel, Institutionen zu verkleinern und ineffizientes Personal abzubauen. Während die Übergangsregierung wirtschaftliche Gründe für die Entlassungen angibt, werfen einige ehemalige Angestellte der neuen Regierung konfessionelle und politische Gründe vor. Katar kündigte an, die von der Übergangsregierung zugesagte 400-prozentige Lohnerhöhung im öffentlichen Sektor mitzufinanzieren. Die ausländische Finanzierung war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch nicht bestätigt. Um die von der Baath-Partei ernannten Mitglieder der Anwaltskammer zu entfernen, ersetzte die Übergangsregierung den Rat der Zentralen Anwaltskammer Syriens durch Mitglieder der Freien Anwaltskammer aus Idlib. Khitam Haddad, seit 2023 stellvertretende Justizministerin, behielt ihr Amt und kündigte Anfang Januar an, dass Straf- und Zivilverfahren unter der Übergangsregierung wiederaufgenommen würden, während des vorherigen Regimes begangene Verbrechen jedoch noch nicht behandelt würden. Einige Anwälte kritisierten den nicht gewählten Anwaltsrat der Übergangsregierung als autoritär, während die Rechtsstrukturen aus der Assad-Ära, einschließlich des Terrorismusgesetzes, intakt blieben. Weitere Schritte der neuen Regierung umfassten die Übertragung der Kontrolle über Grenzübergänge zur Türkei – wie Bab Al-Salama, Al-Rai und Jarablus – an die Übergangsregierung sowie die Integration von Bildungseinrichtungen wie der Universität Aleppo in das Ministerium für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung in Damaskus. Schließlich wurden die NGOs vom Ministerium für Soziales und Arbeit dazu verpflichtet, sich erneut registrieren zu lassen. Dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNPF) zufolge hat dies die Wiederherstellung zahlreicher Gesundheits- und Schutzeinrichtungen behindert und ihre Fähigkeit, weiterhin medizinische und soziale Dienste bereitzustellen, eingeschränkt (EUAA 1).
1.3.1.5. Wirtschaftliche Reformen und Sanktionen
Die Übergangsverwaltung begann mit der Einleitung wirtschaftlicher Reformen, wobei HTS seine Absicht ankündigte, ein System der freien Marktwirtschaft umzusetzen. Institutionelle Reformen umfassten die Entlassungen von Staatsangestellten zur Verkleinerung staatlicher Institutionen, mit Plänen, ein Drittel aller Mitarbeiter im öffentlichen Sektor - einschließlich sogenannter "Gespenstermitarbeiter" - zu entlassen und zu einer Marktwirtschaft überzugehen. Maysaa Sabrine wurde zur Gouverneurin der Zentralbank ernannt, und der Übergangsfinanzminister Mohammed Abazeed stellte Pläne zur Umstrukturierung der Regierungsministerien für verbesserte Effizienz und Verantwortlichkeit vor, obwohl spezifische Modernisierungsmaßnahmen unklar blieben. Abazeed schlug auch eine Überarbeitung des Steuersystems vor. Um potenziellen Engpässen bei Gütern entgegenzuwirken, öffnete die Regierung den Grenzübergang Nasib zu Jordanien, eine wichtige Handelsroute, und wies die staatliche Syrische Petroleumgesellschaft an, den Betrieb wiederaufzunehmen. In der Zwischenzeit signalisierte die Türkei ihre Bereitschaft, in Syriens Wirtschaft zu investieren. Anfang Januar erließ die Vereinigten Staaten eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, die bis zum 7. Juli wirksam ist, um humanitäre Hilfe nach dem Abgang Assads zu erleichtern. Die Ausnahme erlaubte spezifische Transaktionen mit Regierungsinstitutionen auf allen Ebenen, einschließlich Krankenhäusern, Schulen und Versorgungsunternehmen sowie Einrichtungen, die mit HTS in ganz Syrien verbunden sind. Während die Sanktionen selbst in Kraft blieben, erlaubte die Ausnahme Aktivitäten in Bezug auf den Verkauf, die Lieferung und die Lagerung von Energie, einschließlich Erdöl und Elektrizität, und ermöglichte persönliche Überweisungen sowie bestimmte energienahe Transaktionen zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung. Am 24. Februar beschloss der Rat der EU, verschiedene restriktive Maßnahmen, einschließlich solcher, die die Energie- und Transportsektoren betreffen, aufzuheben. Außerdem wurden vier Banken und die Syrische Arabische Fluggesellschaft von der Liste der vom Vermögenseinfrieren betroffenen Unternehmen ausgeschlossen und der Syrischen Zentralbank der Zugang zu finanziellen Ressourcen erlaubt. Darüber hinaus wurden Ausnahmen gemacht, um Bankbeziehungen zwischen syrischen Banken und Finanzinstitutionen innerhalb der Mitgliedstaaten zuzulassen. Die bestehende humanitäre Ausnahme wurde unbegrenzt verlängert, und eine neue Ausnahme wurde für den persönlichen Gebrauch hinsichtlich des Exportverbots für Luxusgüter nach Syrien eingeführt (EUAA 1).
1.3.1.6. Politischer Übergang gemäß UN-Resolution 2254
Ahmad Al-Sharaa kritisierte internationale Organisationen, insbesondere die Vereinten Nationen, für ihre vermeintliche Ineffektivität bei der Bewältigung der humanitären Krisen in Syrien. Er betonte das Versagen der UN, in den letzten 14 Jahren die Freilassung von Gefangenen zu erreichen und die Rückkehr von Flüchtlingen zu erleichtern. Al-Sharaa betonte die Notwendigkeit nationaler Lösungen und forderte eine Aktualisierung der UN-Resolution 2254, die ursprünglich im Dezember 2015 verabschiedet wurde, um den politischen Übergang in Syrien zu lenken. Ihr Rahmen sei seit dem Sturz Bashar Al-Assads nicht mehr vollständig auf die Situation anwendbar. In einem Interview mit Al Arabiya bekräftigte Al-Sharaa seine Kritik an den UN und plädierte für einen alternativen Übergangsprozess. Er schlug vor, die Wahlen um bis zu vier Jahre zu verschieben, um die Entwicklung eines überarbeiteten politischen Rahmens zu ermöglichen. Bei einem Treffen mit UN-Sondergesandtem Geir Pedersen lehnte er das starre Festhalten an seiner Ansicht nach überholten Resolutionen ab und skizzierte seine Vision eines Übergangsprozesses, der die aktuellen Realitäten Syriens widerspiegelt. Trotz seiner Kritik bekräftigte Al-Sharaa, dass Syrien bereit sei, die Stationierung von UN-Truppen innerhalb der von den Vereinten Nationen eingerichteten Pufferzone entlang der israelischen Grenze zu akzeptieren. Am 6. Februar verlängerte die Übergangsregierung die UN-Ermächtigung, humanitäre Hilfe über den Grenzübergang Bab al-Hawa zu liefern, um weitere sechs Monate bis zum 7. August (EUAA 1).
1.3.1.7. Mögliche Rückkehr nach Syrien:
Die UNHCR appelliert weiterhin an alle Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam nach Syrien zurückzuführen (UNHCR).
1.3.2. Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes seit 08.12.2024 (Letzte Änderung 08.05.2025)
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei. Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln. Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren. Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen. Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden. Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt. Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (LIB).
In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen. Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha (Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen) befindet (LIB).
Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor. Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern (LIB).
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein "collapse of law and order" praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen (LIB).
Der Islamische Staat (IS)
Die Instabilität wirkt sich auf Lager, Haftanstalten und andere Einrichtungen im Nordosten des Landes aus. 42.500 Personen, von denen einige mutmaßliche Verbindungen zu IS haben, sind weiterhin in Haft. Darunter sind 17.700 irakische Staatsangehörige und 16.200 syrische Staatsangehörige sowie 8.600 Staatsangehörige aus anderen Ländern. Der IS ist in Syrien in zwei getrennten Gebieten verbreitet. Zum Ersten in der syrischen Jazira (Nordostsyrien), die von den von der Internationalen Koalition unterstützten SDF kontrolliert wird. Dort bewegt sich der IS in der südlichen Wüste der Provinz al-Hasaka, die auch mit der nordöstlichen Seite der Grenzstadt al-Bu Kamal verbunden ist, genauer gesagt mit der Stadt al-Baghouz, der letzten städtischen Hochburg des IS. Dieses Gebiet ist geografisch mit der Hatra-Wüste in der irakischen Provinz Ninive verbunden, trotz der Betonblöcke, die die beiden Länder trennen, bewegt sich der IS immer noch über die Grenze, wie ein Bewohner der ländlichen Provinz al-Hasaka gegenüber Al Jazeera bestätigt. Das zweite Gebiet, bekannt als al-Badiya ash-Shamiya (zu Deutsch: Syrische Wüste), befindet sich in der Nähe der Stadt Palmyra, östlich der Provinz Homs. Es zeichnet sich durch seine Weite aus und endet am Rande der meisten syrischen Provinzen und ist auch mit der irakischen Wüste al-Anbar verbunden, die eine wichtige Hochburg für den IS ist. Der IS profitierte früher von der Aufteilung des Einflusses entlang des Grenzstreifens zwischen den US-amerikanischen Streitkräften, die in der Militärbasis at-Tanf stationiert waren, und den iranischen Milizen, die al-Bu Kamal kontrollierten. Zusätzlich zu seiner relativ langen Erfahrung im Kampf und in der Anpassung an die Wüste konnte der IS seine Bewegung in diesem Gebiet zwischen den beiden Ländern aufrechterhalten. Eine Reportage des Spiegels, bei der ein Journalist in die al-Badiya reiste und mit verschiedenen Personen vor Ort sprach, deutet an, dass der IS dort nicht mehr so stark präsent ist, sondern viele Überfälle und Angriffe von der gestürzten syrischen Regierung dem Islamischen Staat zugeschoben wurden. Die Vielzahl der gegen den IS kämpfenden Parteien und der Zustand der Feindseligkeit oder Rivalität zwischen ihnen schuf einen Zustand der Verwirrung, der in der jüngsten Zeit (zwischen 2024 und 2023) offensichtlich wurde. Dies trug dazu bei, dass die Informationen über die Zahlen und Bewegungen der Organisation ungenau und sehr variabel sind, da es bis heute keine genaue Zahl für die Anzahl der IS-Kämpfer in Syrien gibt. Einige Quellen vor Ort deuten darauf hin, dass die Zahl der aktiven IS-Kämpfer in Syrien zwischen 900 und 1100 liegt, wobei sich der größte Teil von ihnen in der levantinischen al-Badiya befindet, während der kleinere Teil auf der syrischen Jazira (Nordostsyrien) verteilt ist. Der IS hat die Sicherheitslücke ausgenutzt, die durch den Zusammenbruch des Regimes des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad im vergangenen Dezember entstanden ist, so der SDF-Anführer 'Abdi. Seither wurde der IS sichtbarer und aktiver. Die Terrorgruppe nutzt Waffenlager, die sie beschlagnahmt hat, nachdem sie von Assad-treuen Kräften aufgegeben wurden. Der IS werde auch immer mutiger und schicke Terroristen aus ihren Verstecken in der Badiya in die umliegenden Städte. Am 10.2.2025 stellte ein UN-Beamter fest, dass die unbeständige Lage in Syrien sehr besorgniserregend ist. Es besteht die Gefahr, dass Bestände moderner Waffen in die Hände von Terroristen fallen. Die syrische Badiya-Region wird weiterhin als Zentrum für die externe Operationsplanung des IS genutzt und ist ein wichtiges Gebiet für dessen Aktivitäten. Der Abzug der USA würde eine Stärkung des IS bewirken, weil die Gruppierung die Schwäche der neuen syrischen Übergangsregierung ausnutzen wird, die nicht in der Lage ist, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren. Beamte warnen, dass der Abzug der US-Streitkräfte die SDF alleine lassen und die Sicherheit von mehr als 20 Gefängnissen und Flüchtlingslagern bedrohen wird, in denen mehr als 50.000 Menschen, darunter etwa 9.000 IS-Kämpfer, untergebracht sind. Ohne die US-amerikanischen Streitkräfte könnten die SDF die Gefängnisse und Lager aufgeben und Tausenden von IS-Kämpfern die Flucht ermöglichen. Der türkische Außenminister Fidan sagte Anfang Januar, dass die Türkei bereit sei, die Kontrolle über die Gefängnisse zu übernehmen, in denen IS-Gefangene untergebracht sind. In den letzten Jahren, nachdem der IS seine letzten städtischen Hochburgen verloren hatte, führten IS-Gruppierungen Hunderte von militärischen und sicherheitspolitischen Operationen in Syrien durch, meist in Form von Schnellangriffen auf Stellungen iranischer Milizen und Angehörige der ehemaligen syrischen Regime-Armee, zusätzlich zu aufeinanderfolgenden Angriffen auf Öltankwagen, die Öllieferungen von den syrischen Jazira-Feldern zu den Raffinerien in Homs und Baniyas transportierten. Seit der Ankündigung des Sturzes des Assad-Regimes sind die Angriffe des IS zurückgegangen, abgesehen von den üblichen Angriffen in der syrischen Region Jazira und zwei Angriffen in der levantinischen Badiya, von denen einer auf das Gasfeld von Sha'er abzielte und ein Todesopfer forderte. Dieses relative Verschwinden ist nicht unbedingt von Dauer, sondern wahrscheinlich eher vorübergehend und auf mehrere Gründe zurückzuführen, von denen die wichtigsten sind: 1. fehlende militärische Ziele durch den Abzug der Iranischen Milizen und das Auflösen der Syrischen Arabischen Armee (SAA), 2. der Einsatz militärischer Gruppierungen, die der Syrischen Freien Armee (SFA) angehörten und mittlerweile dem syrischen Verteidigungsministerium unterstellt sind, um das Machtvakuum in der Region zu schließen und wichtige strategische Positionen insbesondere an der einzigen Verbindungsstraße zwischen Deir ez-Zour und Damaskus zu übernehmen (LIB).
Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert:
Zentralsyrien
Nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Sicherheitslage auch in den Küsten- und Zentralregionen Syriens fragil und stark fragmentiert. Während einige Gebiete weitgehend unter der Kontrolle der neuen islamistischen Machthaber stehen, gibt es weiterhin Widerstand durch lokale Milizen, ehemalige Assad-treue Gruppen und ausländische Akteure. Das syrische Innenministerium hat seine Sicherheitsoperationen in verschiedenen Provinzen intensiviert und dabei Elemente des gestürzten Assad-Regimes ins Visier genommen, die ihre Bewegungen in einigen Gebieten verstärkt haben. In mehreren Gebieten, insbesondere in den ländlichen Gebieten von Damaskus, Homs und Tartus, fanden groß angelegte Sicherheitsoperationen statt, bei denen eine Reihe von bewaffneten Kämpfern festgenommen und andere bei direkten Zusammenstößen neutralisiert wurden. Sicherheitsberichte bestätigen, dass diese Gruppierungen die syrische Armee und die Sicherheitskräfte ins Visier genommen hatten, um die Sicherheit zu schwächen und Chaos zu stiften. Dabei nutzen sie die schwierige geografische Lage einiger Gebiete, um sich zu verstecken und ihre Reihen neu zu formieren. Damaskus ist unter der Kontrolle islamistischer Gruppierungen. Während in einigen Vierteln eine gewisse Stabilität herrscht, sind Anschläge, Attentate und gezielte Angriffe rivalisierender Gruppen weiterhin an der Tagesordnung. Israelische Luftangriffe auf mutmaßliche Waffenlager oder Stellungen von pro-iranischen Milizen haben zugenommen, während in den Außenbezirken einzelne Widerstandszellen gegen die neuen Machthaber operieren. IS-Zellen und lokale Widerstandsgruppen greifen regelmäßig Kontrollpunkte an, was zu einer angespannten Lage führt. Bei Zusammenstößen zwischen den Streitkräften der neuen Machthaber Syriens und bewaffneten Männern der Minderheit der Drusen in der Nähe von Damaskus am 1.3.2025 wurde eine Person getötet und neun weitere verletzt, wie ein syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtet. Interne Sicherheitskräfte haben in Begleitung lokaler bewaffneter Gruppen eine Sicherheitskampagne gegen die Wohnhäuser von Offizieren in der Stadt Qatana im Hinterland von Damaskus durchgeführt, bei der Dutzende von Bewohnern der Gegend verhaftet und eine Ausgangssperre verhängt wurden. Es kam wiederholt zu Hausdurchsuchungen, begleitet von Vandalismus, Plünderungen und Verhaftungen einer Reihe von Bewohnern, darunter Männer und Frauen. Im Umland von Damaskus kam es am 27.2.2025 zu Zusammenstößen zwischen syrischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, bei denen es Verletzte gab. Die Zunahme von Gewalt und Kriminalität in den Minderheitengebieten Syriens bleibt die größte Herausforderung für die neuen Behörden seit dem Sturz des alten Regimes im Dezember 2024. Das Land hat einen Anstieg der Angriffe erlebt, sowohl von Überbleibseln des Regimes, deren Interessen nach dem Sturz al-Assads leiden und die versuchen, das Land zu destabilisieren, als auch von allgemeinen Straftätern. Die ehemals von der Assad-Regierung gehaltenen Küstenregionen Latakia und Tartus, die als Hochburgen der alawitischen Gemeinschaft galten, sind mittlerweile unter der Kontrolle islamistischer Gruppen gefallen. Der Übergang verlief jedoch nicht ohne Widerstand, da lokale alawitische Milizen, Überreste regierungstreuer Einheiten und vereinzelt russische Kräfte um ihre Einflusszonen kämpften. Während die Küste früher als sicher galt, könnten neue Konflikte zwischen islamistischen Gruppen, Assad-treuen Einheiten und möglicherweise verbleibenden russischen Kräften in den kommenden Monaten entstehen. In der Küstenregion ist die Sicherheitslage instabil und durch wiederholte Angriffe an Kontrollpunkten und kriminelle Aktivitäten wie Plünderungen, Raubüberfälle und Entführungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, gekennzeichnet. Die Region Latakia ist strategisch wichtig und beherbergt wichtige militärische Einrichtungen, die von der Assad-Regierung genutzt wurden. Russland hat hier noch Interessen, insbesondere im Hinblick auf den ehemaligen Militärflughafen Hmeimim. Vereinzelt wurden Kämpfe zwischen islamistischen Gruppen und zurückgebliebenen pro-Assad-Milizen gemeldet. In den vergangenen zwei Monaten haben ehemalige Regimegruppierungen vier Operationen im Nordwesten des Landes durchgeführt, bei denen Angehörige der Abteilung für Militäreinsätze getötet und verletzt wurden. In Tartus wurde die frühere russische Marinebasis Berichten zufolge von russischen Truppen teilweise geräumt, wobei unklar ist, ob sie vollständig aufgegeben wurde. Islamistische Gruppen haben die Kontrolle über die Stadt übernommen, aber die Präsenz von Untergrundzellen ehemaliger Assad-Anhänger könnte zu weiteren Spannungen führen. Aufrufe zur Gewalt unter ehemaligen Assad-Anhängern haben viele Alawiten dazu veranlasst, in den syrischen Küstengouvernements Tartus und Latakia sowie in Homs zu den Waffen gegen die von HTS geführten Truppen zu greifen. Bewaffnete Männer auf zwei Motorrädern haben eine Polizeistation in der Stadt Savita in der Provinz Tartus angegriffen und Handgranaten geworfen, was zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen den Angreifern und dem Personal der Station führte, bei dem einer der Mitarbeiter der Station verletzt wurde. Unterdessen wurde ein junger Zivilist aus dem Hinterland von Tartus durch verirrte Kugeln getötet, als er in einem Auto unterwegs war, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. In Homs, Hama und Nordwestsyrien herrscht unterdessen relative Stabilität, abgesehen von einigen Unruhen im ländlichen Homs. Die zentrale Region Syriens, bestehend aus Homs und Hama, bleibt nach dem Sturz des Regimes eine Zone mit unklaren Machtverhältnissen. Die Stadt Homs, die einst ein zentrales Schlachtfeld im syrischen Bürgerkrieg war, ist nun ein Gebiet mit sporadischen Kämpfen zwischen islamistischen Gruppen und Widerstandsbewegungen, darunter ehemalige regierungstreue Milizen und lokale Stämme. Während die islamistischen Machthaber Kontrolle über die Stadt beanspruchen, gibt es Berichte über vereinzelte Scharmützel und Anschläge. Kämpfer der Gruppierung Islamischer Staat (IS) haben am 10.12.2024 in der syrischen Region Homs mindestens 54 Menschen getötet, die alle ehemalige Mitglieder der Regierung von Bashar al-Assad gewesen sein sollen und nach deren Zusammenbruch versucht haben sollen zu fliehen. Ähnlich wie Homs ist auch Hama von sozialen Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt. Einige ländliche Gebiete außerhalb der Stadt stehen noch unter Einfluss lokaler Gruppierungen oder einzelner Widerstandszellen, die sich der neuen Ordnung widersetzen. Die humanitäre Lage in beiden Städten bleibt kritisch, da die Infrastruktur stark beschädigt ist und viele der ehemaligen staatlichen Versorgungsstrukturen nicht mehr funktionieren. Ar-Raqqa, die ehemalige Hauptstadt des IS, bleibt ein Brennpunkt der Unsicherheit. Teile der Region sind nach wie vor von lokalen kurdischen Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kontrolliert, was die Spannungen zusätzlich erhöht. Nach der Übernahme islamistischer Gruppierungen in anderen Teilen des Landes ist die Lage in ar-Raqqa weiterhin angespannt, da sich verschiedene Gruppen um die Kontrolle streiten. IS-Schläferzellen sind weiterhin aktiv und haben in den letzten Monaten gezielte Anschläge auf islamistische Sicherheitskräfte und Verwaltungsstrukturen verübt. Letztlich bleibt auch die Sicherheitslage in Deir ez-Zour hochgradig instabil. Die Region war bereits zuvor ein zentrales Schlachtfeld gegen den IS, und obwohl sich die Machtdynamik geändert hat, sind Guerilla-Taktiken, Anschläge und bewaffnete Konflikte weiterhin an der Tagesordnung. Die Kontrolle über Deir ez-Zour ist stark fragmentiert, da verschiedene islamistische Gruppierungen, die SDF sowie lokale Stammesmilizen um Einfluss kämpfen. Die neuen islamistischen Machthaber Syriens haben keine einheitliche Kontrolle über die Region, da verschiedene Gruppen um Territorium ringen. HTS und andere Fraktionen versuchen, ihre Positionen zu stärken, was zu Zusammenstößen mit lokalen Stämmen und ehemaligen regierungstreuen Milizen führt. Die SDF hält weiterhin einige Gebiete, insbesondere im nördlichen und östlichen Teil der Provinz, was die Spannungen mit islamistischen Gruppen und türkisch unterstützten Milizen weiter verschärft. Der IS ist weiterhin aktiv und nutzt das Machtvakuum, um Schläferzellen zu reaktivieren. In ländlichen Gebieten verübt der IS regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, Checkpoints und lokale Stammesführer, die mit den neuen Machthabern kooperieren. Die sich verschlechternde Sicherheitslage ermöglicht es dem IS, erneut Rekruten anzuwerben, insbesondere unter den wirtschaftlich benachteiligten Stämmen. Deir ez-Zour war schon vor dem Sturz al-Assads ein Zentrum für Schmuggel und illegalen Ölhandel, eine Situation, die sich nun weiter verschärft hat. Kriminelle Netzwerke, bewaffnete Stämme und ehemalige regierungstreue Gruppen kontrollieren Teile der Ölfelder und Routen für Schmuggelware, was zu bewaffneten Auseinandersetzungen um wirtschaftliche Ressourcen führt. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal, da Versorgungslinien unterbrochen wurden und viele Menschen ohne Einkommen oder humanitäre Hilfe auskommen müssen (LIB).
1.3.2.1. Sicherheitslage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) (Letzte Änderung 07.05.2025)
Die von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) werden von der Türkei als „Terroristen“ betrachtet und als eine existenzielle Bedrohung für ihre nationale Sicherheit. Die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), die sich aus ehemaligen Rebellengruppierungen zusammensetzt, liefert sich entlang des Euphrat einen erbitterten Kampf mit den SDF. Trotz türkischer Luft- und Artillerieunterstützung scheint die SNA die größten Verluste zu erleiden. Es ist erwähnenswert, dass viele der kurdischen Kämpfer der SDF von den USA ausgebildet und bewaffnet wurden. Nach dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt auch der Nordosten Syriens eine umkämpfte und hochgradig instabile Region. Im Nordosten (al-Hasaka, ar-Raqqa, Deir ez-Zour) ist das Risiko aktiver Konflikte größer als anderswo. Während islamistische Gruppierungen in anderen Teilen Syriens ihre Kontrolle gefestigt haben, ist al-Hasaka weiterhin eine umstrittene Zone, in der die SDF, türkische Streitkräfte und islamistische Milizen um Einfluss kämpfen. Die SDF, dominiert von den kurdischen Volkverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), hält weiterhin große Teile der Region, insbesondere Städte wie al-Hasaka und Qamishli. Islamistische Gruppierungen, die nach dem Sturz al-Assads in anderen Teilen des Landes an die Macht gelangt sind, versuchen, ihren Einfluss im Nordosten auszudehnen und liefern sich Gefechte mit den kurdischen Einheiten der SDF. Die türkischen Streitkräfte und ihre Verbündeten syrischen Milizen nutzen den Zusammenbruch der Assad-Regierung, um ihre Angriffe auf SDF-kontrollierte Gebiete zu intensivieren. Es kommt regelmäßig zu türkischen Luftschlägen, Artilleriebeschuss und Bodengefechten entlang der Grenze. Zellen des Islamischen Staats (IS) sind weiterhin aktiv und nutzen die chaotische Lage, um ihre Angriffe zu intensivieren. Die Gebiete al-Hasaka, ar-Raqqa und Deir ez-Zour sind Angriffen des IS ausgesetzt. Immer wieder kommt es zu Anschlägen auf kurdische Sicherheitskräfte, Gefängnisaufständen und Sabotageakten. Die Schwäche der neuen islamistischen Machthaber gegenüber dem IS in der Region führt dazu, dass sich lokale Stämme teils eigenständig bewaffnen, was zu einem weiteren Fragmentierungsprozess beiträgt. Die anhaltenden Kämpfe und türkischen Offensiven haben Tausende Binnenvertriebene zur Flucht gezwungen. Viele Flüchtlingslager, die ehemals unter al-Assad verwaltet wurden, sind in eine ungewisse Lage geraten, da humanitäre Organisationen nur noch eingeschränkt Zugang haben. Die Wasserversorgung ist durch türkische Angriffe auf Infrastruktur beeinträchtigt, und Nahrungsmittelknappheit sowie medizinische Engpässe verschärfen die humanitäre Krise. In den von den SDF kontrollierten Gebieten kam es im Februar zu Angriffen von IS-Zellen, die SDF-Elemente und Sicherheitspositionen aus dem Hinterhalt und mit Maschinengewehren angriffen. Dabei wurden bei zehn Operationen, die sich auf Deir ez-Zour, ar-Raqqa und al-Hasaka verteilten, mehrere Personen getötet und verwundet, darunter zwei IS-Kämpfer (LIB).
Die von der Türkei unterstützten syrischen Gruppierungen starteten im November eine Offensive gegen die SDF und vertrieben sie trotz der Bemühungen der USA, einen Waffenstillstand zu vermitteln, aus mehreren Gebieten im Norden. Sie eroberten strategische Orte in der Umgebung von Manbij und Tall Rif'at. Die Kämpfe intensivierten sich in der Nähe des Tishrin-Staudamms am Euphrat in der Region Manbij im Osten Aleppos, der für die von den SDF kontrollierten Gebiete nach wie vor eine wichtige Wasser- und Stromquelle darstellt. Die Türkei hat Berichten zufolge Luftangriffe in der Region durchgeführt, was Bedenken hinsichtlich möglicher Schäden am Damm aufkommen lässt. Darüber hinaus wurden auch mehrere Orte in der Region Kobane und im Osten Aleppos angegriffen. Washington vermittelte Anfang Dezember, nachdem die Kämpfe ausgebrochen waren, einen ersten Waffenstillstand. Dennoch kam es weiterhin zu Kampfhandlungen zwischen den beiden Parteien. Auf mehreren Achsen im östlichen Aleppo und im Nordosten Syriens kam es zu einer Reihe von gegenseitigen Angriffen zwischen den SDF einerseits und den türkischen Streitkräften und pro-türkischen Gruppierungen andererseits. In der Nähe des Tishrin-Damms beschossen die türkischen Streitkräfte Stellungen der SDF intensiv mit Artillerie, während gleichzeitig ein Drohnenangriff auf Stellungen der SDF stattfindet, was zu Zusammenstößen zwischen beiden Seiten führte. Der Tishrin-Staudamm am Euphrat in Syrien ist zu einem zentralen Konfliktpunkt in der Zeit nach Assad geworden. Seit dem Sturz des Regimes von Diktator Bashar al-Assad am 8.12.2024 wird der Damm von den SDF und der SNA umkämpft. Trotz heftiger Kämpfe über mehrere Wochen hinweg hatte sich die lokale Konfliktkarte rund um den Tishrin-Staudamm nicht verändert. An den Frontlinien zwischen der von der Türkei unterstützten SNA und den SDF kam es auf beiden Seiten des Euphrat in der Nähe des Tishrin-Staudamms und der Qara-Qozak-Brücke zu anhaltenden, heftigen Gefechten. Diese sollen dem Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge Mitte April 2025 eingestellt worden sein, nachdem die SDF sich aus dem Gebiet zurückgezogen haben. Die Kontrolle über den Staudamm soll die syrische Regierung übernehmen. Anfang Februar kam es mehrmals zu tödlichen Anschlägen mit Autobomben in Gebieten, die von Türkei-nahen Milizen kontrolliert werden. Die türkischen Streitkräfte setzen ihre Operationen in Syrien unter dem Vorwand fort, die türkische Grenze zu Syrien zu sichern, der Kurdischen Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistanê - PKK) entgegenzuwirken und Vereinbarungen zu garantieren. Am 27.2.2025 rief Abdullah Öcalan, der in der Türkei inhaftierte Anführer der PKK, dazu auf, die Waffen niederzulegen und die PKK aufzulösen. In einer mit Spannung erwarteten Erklärung, von der sich viele erhoffen, dass sie den Weg für ein Ende des seit mehr als vier Jahrzehnten andauernden Konflikts zwischen der Türkei und den Kurden ebnet, forderte der inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan seine Anhänger auf, die Waffen niederzulegen und die Rebellenorganisation aufzulösen. Mazloum 'Abdi, Anführer der SDF, stellte klar, dass dieser Aufruf nur für die PKK gelte und nichts mit Syrien zu tun habe. Er sagte, dass seine Kämpfer die Waffen nicht niederlegen werden. Die Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Syrien waren ein wesentliches Hindernis bei den Friedensgesprächen zwischen Ankara und Öcalan, weil die Türkei darauf bestand, dass sie den Nordosten Syriens einschließen, wo türkische Streitkräfte und verbündete sunnitische Fraktionen seit neun Jahren einen erbitterten Feldzug führen, um die selbsternannte Demokratische Autonome Administration Nord- und Ostsyriens (DAANES) wegen ihrer Verbindungen zur PKK zu zerstören. Doch Ankara scheint ihre Haltung etwas abgemildert zu haben, da mehrere arabische Nationen dem wachsenden Einfluss der Türkei in Syrien entgegenwirken. In Washington besteht die Hoffnung, dass die Entscheidung Öcalans die Spannungen mit Ankara abbauen und die Bemühungen zur Bekämpfung der Überreste der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) erleichtern könnte. Die SDF schloss sich dem Optimismus Washingtons an. 'Abdi stellte fest, dass es mit dem Frieden zwischen der PKK und der Türkei, keinen Grund und keine Entschuldigung mehr für die Türkei gäbe, Nordsyrien mehr unter dem Vorwand der PKK anzugreifen. Der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge sind die Entwicklungen im Jahr 2024 ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass die türkische Intervention in Syrien eine Hauptursache für Blutvergießen ist. Seit Anfang 2024 hat SOHR den Tod von 88 syrischen Zivilisten dokumentiert: 17 Kinder, sechs Frauen und 65 junge und erwachsene Männer, die durch Schüsse türkischer Grenzsoldaten (Jandarma) und Luft- und Bodenangriffe türkischer Streitkräfte, darunter Luftangriffe von Kampfflugzeugen und Drohnen, getötet wurden. Zusammenstöße zwischen der SNA und der SDF sind nichts Neues, ebenso wenig wie Kämpfe zwischen der Türkei und der SDF. Ankara hat in den letzten zehn Jahren mehrere Operationen in Syrien gestartet, darunter die Operationen Euphrates Shield (2016), Olive Branch (2018) und Peace Spring (2019), die alle darauf abzielten, die SDF oder die Volksverteidigungseinheiten (YPG), die größte Fraktion innerhalb der SDF, zu bekämpfen. Vor dem Sturz des Assad-Regimes, der Ende November mit einer Offensive der HTS in der Nähe von Aleppo begann, waren die Fronten in Syrien zwischen den SDF und SNA mehrere Jahre lang unverändert geblieben. Der Zusammenbruch des Regimes führte jedoch zu raschen Veränderungen (LIB).
In den Gebieten in Nord- und Ostsyrien kam es im Februar aufgrund von alten Streitigkeiten und Racheakten zu einer Eskalation von Familien- und Stammeszusammenstößen, bei denen fünf Menschen getötet und sieben weitere verletzt wurden, darunter eine Frau. Diese Zusammenstöße konzentrierten sich auf die Gouvernements ar-Raqqa, Dei ez-Zour und al-Hasaka, wo leichte und mittelschwere Waffen zum Einsatz kamen. Inmitten dieser Unsicherheit haben Berichte über willkürliche Verhaftungen im Nordosten Syriens die Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen verschärft (LIB).
1.3.3. Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, etc. - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes seit 08.12.2024 (Letzte Änderung 08.05.2025)
Vor dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 berichteten die UN über Folter und Hinrichtungen von Gefangenen, die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten festgehalten werden. Sie und einige Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) im Norden wenden in ihren Haftanstalten dieselben brutalen Foltermethoden an wie die Regierung (LIB).
Im Jänner 2025 führte die Übergangsregierung Sicherheitskampagnen durch, wie Razzien und Festnahmen. Im Fokus standen dabei die Gouvernements Latakia, Homs und Damaskus. Gerichtet waren diese Kampagnen gegen Personen, denen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen unter dem Assad-Regime vorgeworfen werden, insbesondere gegen ehemalige Militärangehörige und Regierungsangestellte. Ob diese Kampagnen auf gerichtlichen Anordnungen basierten, ist unklar. Das Syrian Network for Human Rights dokumentierte im Jänner 2025 229 Fälle von willkürlichen Verhaftungen, darunter drei Kinder und acht Frauen. Die Übergangsregierung war für 129 Verhaftungen verantwortlich, wobei 36 wieder entlassen wurden. Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen Alawiten, denen Soldaten begegnen. Die HTS weigert sich, einem transparenten Rechtsverfahren zu folgen, bei dem diese Opfer eindeutig identifiziert und vor Gericht gestellt werden. Hawar News, einer kurdischen Zeitung zufolge, haben vier Personen in einer Haftanstalt in Damaskus durch Folter ihr Leben verloren, nachdem sie bei Razzien in Homs festgenommen worden waren. Ende Jänner verstarb ein Mann, der wegen Unterstützung des Assad-Regimes verhaftet worden war, in Haft. Die syrischen Behörden kündigten an, eine Untersuchung wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einzuleiten. Die Verantwortlichen wurden verhaftet und der Militärjustiz übergeben (LIB).
Alle bewaffneten oppositionellen Gruppierungen und Gruppierungen der SNA führten willkürliche Festnahmen durch. Zu den Opfern gehörten Personen, die aus den von den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) kontrollierten Gebieten kommen, darunter auch Frauen. Die Festnahmen fanden ohne gerichtliche Anordnung oder Beteiligung der Polizei statt. Den Festgenommenen wurden keine klaren Angaben zu den gegen sie vorgebrachten Vorwürfen gemacht. Die SNA bzw. andere bewaffnete Gruppierungen waren für 41 willkürliche Verhaftungen verantwortlich, darunter sechs Frauen. Zwölf Personen wurden wieder freigelassen (LIB).
1.3.4. Aktuelle Rekrutierungspraxis
1.3.4.1. Rekrutierungspraxis der neuen syrischen Regierung, Zwangsrekrutierungen
Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze. Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden. Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svtnyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die Hayat Tahrir Al-Scham (HTS) aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen. In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikel würden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken (ACCORD 1).
In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet Enab Baladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungen hätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen. Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgend beschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12. Februar 2025 auf der Facebook-Seite „Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihen der Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein. Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“ („Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Sie dürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie des akademischen Nachweises, wenn vorhanden (ACCORD 1).
Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Istanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, Rif Dimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Laut EUAA würden vor allem in Provinzen, die früher unter der Kontrolle Assads standen, neue Rekrutierungszentren eröffnet werden. Bewerberhätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschluss vorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein (ACCORD 1, EUAA).
Einem für den Artikel interviewten 27-jährigen Mann zufolge stelle der freiwillige Beitritt zum Polizei- oder Geheimdienstapparat für ihn eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Das Gehalt betrage mindestens 200 US-Dollar, während ein Arbeiter in Idlib täglich nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar verdiene. Der Mann aus Süd-Idlib habe auf Facebook eine Rekrutierungsanzeige gesehen und sich daraufhin beeilt, sich zu bewerben. Er habe erklärt, dass für die Bewerbung ein Formular mit persönlichen Daten auszufüllen sei. Das Formular gebe an, dass Bewerber nicht älter als 30 Jahre sein dürften. Man dürfe im Formular angeben, ob man in die Reihen des Geheimdienstes oder der Polizei, darunter die Kriminalpolizei, die Verkehrspolizei und die Moralpolizei, aufgenommen werden wolle. Die Moralpolizei sei eine Abteilung, die in Idlib vor dem Sturz der Assad-Regierung hätte gegründet werden sollen, aber trotz der Verabschiedung eines Gesetzes mit dem Titel „Öffentliche Moral“, auf Eis gelegt worden sei (ACCORD 1).
In einem Artikel vom 19. Februar 2025 berichtet The National von einem Funktionär der HTS, der im Damaszener Außenbezirk Ost-Ghuta junge Männer rekrutieren solle. Die HTS benötige dem Artikel zufolge so viele Männer wie möglich, insbesondere für entlegenere Gegenden. An einemöffentlichen Platz im Vorort Ain Tarma habe der Funktionär ein kommunales Gebäude betreten und einen Zuständigen dort gefragt, ob er Personen kenne, die geeignet seien, der HTS beizutreten. Er habe eine Telefonnummer hinterlegt und sei zu einer ehemaligen Regierungskaserne weitergegangen, die sich auf dem Gebiet befinde, wo neue HTS-Rekruten ein dreiwöchiges Training absolvieren sollen. Dem Funktionär zufolge hätten sich seit dem Fall der Assad-Regierung tausende der HTS angeschlossen. Hunderte weitere würden bald in den Kasernen in Ost-Ghuta erwartet (ACCORD 1).
Laut einem Artikel der Foundation for Defense of Democracies (FDD) von Jänner 2025 behaupte die syrische Übergangsregierung zwar, sich für religiöse Toleranz einzusetzen. Gleichzeitig werde die von der Regierung bevorzugte sunnitisch-islamische Glaubensströmung der Rekrutierung und der Ausbildung neuer Sicherheitskräfte zugrunde gelegt. Berichten zufolge würden neue Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung durchlaufen. In einem Artikel von Jänner 2025 berichtet Reuters von der Rekrutierung von Polizisten durch die Übergangsregierung. Polizisten, die aus der ehemals HTS-regierten Enklave in Idlib nach Damaskus gebracht worden seien, würden Bewerber nach ihrem Glauben befragen. Die Ausbildung von Polizisten dauere zehn Tage und der Fokus liege Ausbildnern und Absolventen zufolge auf dem Umgang mit Waffen und der Vermittlung von islamischem Recht. Dem Leiter der Polizei in Aleppo zufolge sei geplant, die Ausbildung auf neun Monate auszuweiten, wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe. Ihm zufolge würden den Polizeirekruten die Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, die Biographie des Propheten Mohammed und Verhaltensregeln gelehrt. Die Bewerbungsformulare würden Reuters zufolge einen Abschnitt „Glaube, Orientierung und Standpunkte“ enthalten, in welchem Bewerber nach ihrer „Bezugsautorität“ („referential authority“) befragt würden. Drei anonymen HTS-Beamten zufolge diene die Frage dazu, Bewerber zu identifizieren, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden müssen, insbesondere Alawiten, die derselben Glaubensströmung wie die Assad-Familie angehören würden und möglicherweise Verbindungen zur Assad-Regierung gehabt hätten (ACCORD 1).
Dem von Reuters befragten Wissenschaftler Aron Lund zufolge fänden viele Syrer die religiöse Komponente bei der Rekrutierung von Polizisten bedenklich. Das betreffe nicht nur Minderheiten wie Christen, Alawiten und Druzen, sondern auch urbane, säkulare sunnitische Muslime. Das Innenministerium der Übergangsregierung, welches für Polizeiangelegenheiten zuständig sei, habe Reuters Fragen zum religiösen Fokus bei der Rekrutierung und Ausbildung von Polizisten nicht beantwortet. Mehreren von Reuters interviewten führenden Polizeioffizieren zufolge diene dieser nicht dazu, der Allgemeinbevölkerung religiöse Inhalte aufzuzwingen, sondern dazu, Rekruten ethisches Verhalten zu vermitteln. Sieben Polizeioffiziere, die Polizeistationen verwalten oder im Rekrutierungsprozess involviert seien, hätten ausgesagt, dass die Polizei mehr Mitarbeiter benötige und Bewerbungen von Personen jeder Glaubensrichtung willkommen seien (ACCORD 1).
Einem Polizei-Ausbildner an einer Polizeiakademie in Damaskus zufolge hätten sich über 200.000 Personen gemeldet, die Teil des neuen Polizeidienstes werden wollen. Alle fünf von Reuters interviewten hochrangingen Offiziere seien davon ausgegangen, dass sich die Personalausstattung vor dem Hintergrund der Ausweitung von Rekrutierung und Training im Jahr 2025 verbessern werde. Die Anmeldung von Polizisten, die vor dem Sturz der Assad-Regierung zu den Rebellen übergelaufen seien, werde laut von Reuters befragten führenden Polizeioffizieren begrüßt. Diejenigen, die nicht übergelaufen seien, hätten einen „Aussöhnungsprozess“ zu durchlaufen. Im Zuge dessen hätten sie ein Dokument zu unterzeichnen, worin sie den Regierungswechsel anerkennen würden, und sie hätten ihre Waffe abzugeben. Es sei noch unklar, ob sie dem neuen Polizeidienst beitreten dürften (ACCORD 1).
In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleuten betrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas und Qardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit Statusregelungsausweisen („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchte vehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren (ACCORD 1).
Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte „Versöhnungszentren“ eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben. Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein „Versöhnungszentrum“, wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren. In diesen „Versöhnungszentren“ erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk „desertiert“. Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (LIB).
1.3.4.2. Rekrutierungen durch die SDF und SDF-nahe Kräfte; Zwangsrekrutierungen
Der Gesellschaftsvertrag von 2023 regelt in der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) in Abschnitt 5 die Selbstverteidigungspflicht. Artikel 111 besagt, dass Selbstverteidigung eine Garantie und Fortsetzung des Lebens, und basierend auf dem Recht und der Pflicht ist, die Existenz zu verteidigen. Sie erfordert die Einrichtung eines Selbstschutzsystems, das auf dem Bewusstsein der legitimen Selbstverteidigung und der organisierten demokratischen Gesellschaft in Nord- und Ostsyrien beruht. Einerseits gibt es die Community Protection Forces, die für den Schutz Nord- und Ostsyriens und die Gewährleistung des Schutzes von Leben und Eigentum der Bürger vor allen Angriffen und Besatzungen verantwortlich sind. Die Community Protection Forces werden unter Beteiligung aller Bürger organisiert. Selbstverteidigung ist ein Recht und eine Pflicht für jeden Bürger. Es ist die Pflicht organisierter ethnischer und religiöser Gruppen, sich wirksam am Selbstverteidigungssystem zu beteiligen, angefangen bei Stadtvierteln, Dörfern, Städten und allen Wohneinheiten. Anderseits erwähnt Artikel 111 auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF). Sie sind die legitimen Verteidigungskräfte in der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens. Sie nehmen den freiwilligen Beitritt der Söhne und Töchter des Volkes und die Pflicht zur Selbstverteidigung an. Ihre Aktivitäten werden vom Demokratischen Volksrat und der Verteidigungskommission überwacht. Sie organisieren sich autonom innerhalb des Demokratischen Konföderalen Systems Nord- und Ostsyrien und haben die Aufgabe, die DAANES und alle syrischen Gebiete zu verteidigen und sie vor jeglichen potenziellen Angriffen oder Gefahren von außen zu schützen. Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben (Artikel 13). Wehrpflichtig ist jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 1). Zwei Quellen, die vom Danish Immigration Service (DIS) befragt wurden, äußerten jedoch Zweifel an der konsequenten Einberufung von Personen von außerhalb der DAANES in allen Regionen. Frauen in den von der Autonomen Verwaltung kontrollierten Gebieten können freiwillig Wehrdienst leisten. Wladimir van Wilgenburg, Journalist und Autor, und ein Experte für syrische Kurden haben noch von keinem Fall gehört, in dem Frauen zwangsweise zur Selbstverteidigung eingezogen wurden (LIB).
Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der „Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien“ hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, während die Verhaftungskampagnen gegen junge Menschen für die Einberufung in die Reihen der SDF weitergehen. Die Erklärung wurde vom Verteidigungsbüro der Autonomen Verwaltung an alle Verteidigungsbüros in der Region verteilt. Darin steht, dass wer zwischen dem 1.1.1998 und dem 31.12.2005 für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig ist. Bereits vier Tage nach dem Erlass der Richtlinien, in der die Geburtsjahrgänge für die Selbstverteidigungspflicht bekannt gemacht wurden, nahmen die SDF eine Rekrutierungskampagne in al-Hasaka im Juni 2024 wieder auf, nachdem sie im Monat zuvor, am 8.5.2024 die Rekrutierungsprozesse eingestellt hatten. Anfang Juli 2024 wurden beispielsweise 240 Personen in den Provinzen Deir ez-Zour, al-Hasaka und ar-Raqqa gefangen genommen, um sie für den Militärdienst zu rekrutieren. Die Dienstzeit im Selbstverteidigungsdienst beträgt laut Artikel 2 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht zwölf volle Monate beginnend mit dem Datum der Einschreibung des Wehrpflichtigen (LIB).
2014 wurde die Zwangsrekrutierung von den Volksschutzeinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), einer militärischen Säule der SDF, im Anschluss an das Dohuk-Abkommen, bei dem sich die kurdischen Parteien in der irakischen Stadt Dohuk getroffen hatten, um eine Einigung über die Verwaltung der Region zu erzielen, eingeführt (LIB).
Araber und Kurden werden laut von ACCORD befragten Experten vor dem Gesetz gleichbehandelt. Fabrice Balanche erklärt jedoch, dass mehr Flexibilität gegenüber Arabern gezeigt werden würde, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken. Einem Syrienexperten zufolge seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich. Nicht alle von den SDF kontrollierten Gebiete stünden unter derselben Art von Kontrolle. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir ez-Zour hätten die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz al-Hasaka durchzusetzen. Anders als Balanche meint Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, dass arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme anders behandelt werden und Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sein könnten. Quellen des Danish Immigration Service (DIS) zufolge ist DAANES bei der Umsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung in Gebieten mit überwiegend arabischer Bevölkerung vorsichtig. Ebenso werden Christen in der Praxis nicht der gleichen Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung unterworfen wie Kurden, so eine weitere Quelle. Daher nehmen christliche Jugendliche in der Regel nicht an der Selbstverteidigungspflicht teil, sondern treten stattdessen für drei Jahre der christlichen Polizeitruppe Sutoro bei. Dieser Dienst befreit sie von der Selbstverteidigungspflicht (LIB).
Mitte März 2025 berichten Quellen von einer zwischen Ahmad Scharaa und Mazloum Abdi, dem Leiter der SDF, getroffenen Einigung, die Ende2025 umgesetzt werden solle. Die Vereinbarung sehe vor, alle „zivilen und militärischen Einrichtungen“ in Nordost-Syrien der Verwaltung des syrischen Staates zu unterstellen. Der von CNN dazu interviewten Wissenschaftlerin am Center for Strategic and International Studies Natasha Hall zufolge sei zu dem Zeitpunkt unklar, wie die Integrierung der SDF in die Institutionen des syrischen Staates aussehen werde. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei es der SDF erlaubt, ihre Struktur und ihre Waffen zu behalten (ACCORD 1).
In einem arabischsprachigen Artikel von März 2025 von Al Jazeera wird ein Mann zitiert, der an den zu der Zeit bestehenden Protesten in Deir ez-Zor teilgenommen habe. Er habe unter anderem darauf hingewiesen, dass SDF-Kräfte Verhaftungskampagnen in den von der SDF kontrollierten Gebieten durchgeführt hätten, in deren Rahmen Dutzende junge Männer unter dem Vorwurf der Gruppe Islamischer Staat (IS) beitreten zu wollen, verhaftet und zwangsrekrutiert worden seien. In einem arabischsprachigen Artikel von Jänner 2025 zitiert Al Jazeera den Wissenschaftler Amir Al-Mithqal, dem zufolge die Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces, SDF) aufgrund eines Mangels an kurdischen Kräften ethnische Araber zwangsrekrutiert hätten. Ende Jänner 2025 berichtet Syria TV, dass seit dem Sturz der Assad-Regierung über 5.000 Männer die SDF verlassen hätten, indem sie übergelaufen oder geflohen seien. Einer der SDF nahestehenden Quelle zufolge bestehe ein Mangel an Kräften in den Reihen der SDF und diese sei nicht imstande neue Rekrutierungskampagnen in der Region zu starten. Es würden nur begrenzt Rekrutierungsoperationen durchgeführt, und zwar hauptsächlich im Gouvernement Hasaka. Der Quelle zufolge prüfe die SDF sämtliche Optionen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, unter anderem durch den Aufbau neuer Kräfte. Mitte Jänner habe die SDF die Demobilisierung von Wehrpflichtigen, die ihre Wehrpflicht bereits abgeleistet hätten, aufgrund des bedeutenden Anstiegs an Desertionen und Überläufen in ihren Kreisen gestoppt. Die SDF sehe für jeden Mann, der das Alter von 18 Jahren erreicht habe und zwischen 1998 und 2006 geboren sei, eine einjährige Wehrpflicht vor. Ein von der SDF zwangsrekrutierter Mann habe Syria TV erzählt, dass er seinen Wehrdienst vor zwei Monaten erfüllt habe und die SDF sich ohne Angabe von Gründen weigern würde, ihn aus der Pflicht zu entlassen. Davon seien hunderte andere Personen betroffen (ACCORD 1).
Wehrpflichtverweigerer und Deserteure
Gemäß Artikel 15 des Gesetzes Nr. 1. über die Selbstverteidigungspflicht wird jeder säumige Soldat, der eingezogen wird, bestraft, indem er einen Monat auf das Ende seiner Dienstzeit angerechnet bekommt. Dass die Bestrafung mit einem zusätzlichen Monat auch in der Praxis so gehandhabt wird, bestätigten die von der Danish Immigration Service befragten Quellen. Die Namen der Wehrdienstverweigerer werden veröffentlicht und an Checkpoints weitergegeben. Dort wird nach ihnen gesucht, nicht aber in ihren Wohnhäusern. Diejenigen, die auf frischer Tat beim illegalen Überschreiten der Grenze ertappt werden, werden direkt in das Ausbildungszentrum gebracht, um ihre Pflicht zur Selbstverteidigung zu erfüllen, besagt Artikel 28 im Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigungspflicht. Gemäß Quellen des Danish Immigration Service (DIS) werden Wehrdienstverweigerer, wenn sie an Checkpoints aufgegriffen werden, vorübergehend festgenommen und zur Ableistung ihres Dienstes geschickt. Die Familie des Betroffenen wird über seine Festnahme und Einberufung informiert. Den Quellen des DIS waren keine Fälle von Gewalt oder Misshandlung von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren bekannt, die an Kontrollpunkten gefasst wurden. Das Leben ist für diejenigen, die sich der Selbstverteidigungspflicht in den Nationalen Sicherheitskräften entziehen, eine Herausforderung, da viele junge Männer Kontrollpunkte meiden und auf Fluchtmöglichkeiten warten. Quellen berichteten von Entflohenen, die sich jahrelang versteckt hielten. In arabisch dominierten Gebieten kann die Flucht länger andauern, da die Behörden vorsichtig vorgehen, um keine Spannungen zu provozieren, indem sie diejenigen suchen und verhaften, die ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind. Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, schreibt in einer E-Mail an ACCORD vom September 2023, dass alle Wehrdienstverweigerer unter die Bestimmungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht fallen würden und dem Gesetz entsprechend behandelt würden. Die Assayish würden den Wohnort von zum Dienst gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleiben, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft. Ein von ACCORD kontaktierter Syrienexperte gibt in einer E-Mail-Auskunft vom August 2023 an, dass die Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften vom Profil des Wehrpflichtigen und der Region, aus der er stamme, abhingen. Je strenger die kurdische Kontrolle, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Rekruten nicht das Risiko eingehen würden, offen Einwände gegen den Selbstverteidigungsdienst zu zeigen. In al-Hasaka beispielsweise könnten Personen im dienstfähigen Alter verhaftet und zum Dienst gezwungen werden (LIB).
Die SDF definieren einen Deserteur im Selbstverteidigungsgesetz als einen Kämpfer, der nach seinem Eintritt 15 aufeinanderfolgende Tage des Dienstes versäumt hat, während die volle Dienstzeit zwölf Monate beträgt. Laut zwei vom DIS befragten Quellen werden Deserteure zwar nicht zusätzlich bestraft, aber es werden Ermittlungen zu ihren Motiven für die Desertion durchgeführt. Deserteure entscheiden sich oft dafür, die Region aus Angst vor möglichen Konsequenzen zu verlassen, obwohl die Einzelheiten dieser Konsequenzen unklar bleiben. Sowohl für Wehrdienstverweigerer als auch für Deserteure werden regelmäßig Amnestien angekündigt, vorausgesetzt, sie melden sich zum Wehrdienst und leisten ihn ab. Die jüngste Amnestie wurde Anfang Mai 2024 erlassen. Junge Menschen kommen ihren Verpflichtungen zur Selbstverteidigung in der Regel umgehend nach, wenn in der DAANES eine stabile Sicherheitslage herrscht, während sie sich bei anhaltenden externen Sicherheitsbedrohungen aktiv um eine Dienstverweigerung bemühen können (LIB).
Familienangehörige von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren werden nicht bestraft. Den Quellen des DIS waren keine Fälle bekannt, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aufgrund der Wehrdienstverweigerung oder Desertion ihrer Verwandten Schikanen oder anderen Verstößen ausgesetzt waren, selbst in Fällen, in denen der Wehrdienstverweigerer an einem Checkpoint festgenommen wurden (LIB).
1.3.5. Ethnische und religiöse Minderheiten – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes seit 8.12.2024 (Letzte Änderung 08.05.2025)
Die sunnitischen Muslime machen die Mehrheit der Bevölkerung des Landes aus. Obwohl die offiziellen Bevölkerungsstatistiken keine Angaben zu Religion oder ethnischer Zugehörigkeit enthalten, sind laut dem Bericht des US-Außenministeriums über Religionsfreiheit aus dem Jahr 2022 74 % der Bevölkerung Sunniten, mit einer vielfältigen ethnischen Mischung aus mehrheitlich Arabern, Kurden, Tscherkessen, Tschetschenen und einigen Turkmenen. Sunniten sind in den meisten syrischen Städten und Dörfern vertreten, mit bemerkenswerten Konzentrationen in Damaskus, Aleppo und Homs. Die Übergangsregierung in Syrien will sich nach Aussagen ihres Außenministers ash-Shaybani für die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen im Land einsetzen. Niemand sollte aufgrund seiner Herkunft, seines sozialen oder religiösen Hintergrunds oder einer Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen bestraft werden, sagte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos (LIB).
Tatsächlich kam es bei dem rasanten Vormarsch auf Damaskus Berichten zufolge nicht zu Racheakten oder Gewalttaten. In seiner ersten Rede in Damaskus trat ash-Shara' ebenfalls mäßigend auf und mahnte den Übergang vom Kampf zum Aufbau der Institutionen an. Insbesondere Alawiten und Christen sind besorgt, dass die Zukunft des neuen Syriens für ihre Gemeinschaften, von denen viele die Revolution im Jahr 2011 und den anschließenden 13-jährigen Bürgerkrieg ablehnten, nicht tolerant sein könnte. Von Anfang an zeigten die neuen Behörden bewusst die Absicht, eine Abkehr von den spaltenden Praktiken ihrer Vorgänger zu signalisieren. In Aleppo nahm Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) Kontakt zu prominenten christlichen Führern und Geistlichen verschiedener Konfessionen auf, um die angespannten Beziehungen zu verbessern und ein Gefühl der Sicherheit zu fördern. Diese Treffen waren nicht oberflächlich, sondern beinhalteten Diskussionen über konkrete Missstände, wie die Ungerechtigkeiten, mit denen Christen in Jisr ash-Shughur ein Jahr zuvor konfrontiert waren. Einige dieser Missstände wurden inzwischen angegangen, hauptsächlich durch Rechenschaftspflicht und die Rückgabe von Eigentum an die rechtmäßigen Eigentümer. Dies ist ein beispielloser Schritt, der das Verständnis der Führung für die Notwendigkeit von Inklusion unterstreicht, wenn auch sorgfältig gesteuert. Anderen Berichten zufolge gab es durchaus gewaltsame Übergriffe, Morde und andere Racheakte von HTS-Kämpfern gegen Andersgläubige. Einem libanesischen Zeitungsbericht zufolge, der Betroffene zitiert, sollen vor allem Nachbarn und Bekannte Racheakte an Andersgläubigen verübt haben. Viele Angehörige verschiedener religiöser Minderheiten sind in den Libanon geflohen (LIB).
Ash-Shara' hat Befehle erlassen, Kreuze an Kirchen zu lassen und Weihnachtsdekoration zu schützen und die schiitischen Schreine zu respektieren sowie Bars und Lokale in Ruhe zu lassen, in denen Frauen und Männer miteinander tanzten. Das ist anders als in Idlib, wo solcher vermeintlicher Verderbtheit Schuldige, getötet, bekehrt oder vertrieben und ihre Räumlichkeiten, einschließlich Kirchen, geschlossen würden. HTS-Beamte haben umfangreiche Kontaktkampagnen mit Vertretern aller religiösen Glaubensgemeinschaften gestartet, und die christlichen und drusischen Gemeinschaften in ganz Westsyrien scheinen überwiegend in Frieden zu leben. Nur in den alawitischen Gemeinden hat die Jagd nach Kriminellen zu wiederholten Verstößen gegen Zivilisten geführt. Diese werden als Einzelfälle deklariert. Als christliche Führer von Problemen berichteten - wie dem Auftauchen einiger islamistischer Prediger, die versuchten, Christen in der Altstadt von Damaskus zu bekehren - habe die neue Regierung schnell gehandelt, um die Ruhe wiederherzustellen (LIB).
Laut Beobachtern hat Iran nach dem Sturz des Regimes eine groß angelegte Desinformationskampagne gestartet, die primär darauf abzielt, religiöse Konflikte in Syrien zu schüren und damit die fragile Lage in dem Land zu destabilisieren. Dabei werden in den sozialen Netzwerken massenhaft falsche oder irreführende Berichte von Gewalttaten gegen Schiiten, Alawiten und Christen verbreitet, die angeblich von Kämpfern der islamistischen Miliz Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) verübt wurden. Dass es tatsächlich iranische Akteure sind, die diese Berichte streuen, lässt sich in den wenigsten Fällen nachweisen. Doch die schiere Anzahl von Postings lässt darauf schließen, dass es sich um eine organisierte Kampagne handelt. Auch Enab Baladi berichtet von irreführenden Videos, die in sozialen Medien verbreitet werden, um Zwietracht zu säen und die Sicherheitslage zu gefährden (LIB).
Ash-Shara' selbst, sagte, dass die Übergangsregierung gute Kontakte zu Christen und Drusen unterhalten würde, die mit ihnen gemeinsam gegen die Syrische Arabische Armee (Syrian Arab Army - SAA) gekämpft hatten. Christliche Autoritäten sagten am 16.12.2024 in einem Interview, dass sie bisher, abgesehen von den medialen Versprechungen der HTS, wenig in der Umsetzung beobachten konnten. Bisher hatten sie nur mit einem Militärkommandanten gesprochen, sonst mit keinem offiziellen Vertreter der Interimsregierung bzw. der führenden Gruppierungen. Am 31.12.2024 traf sich ash-Shara' schließlich mit hochrangigen christlichen katholischen, orthodoxen und anglikanischen Geistlichen in Damaskus. Dabei sicherte er den Christen zu, dass sie unbehelligt im Land bleiben und ihre Religion frei ausüben können. Christen, die bereits unter der HTS-Regierung gelebt haben, geben an, dass sie zu Beginn der Herrschaft der Gruppierung diskriminiert wurden, beispielsweise durch Beschlagnahmung ihres Eigentums und durch Verbote ihre religiösen Rituale zu praktizieren. Erst in den letzten zwei Jahren vor al-Assads Sturz hat die HTS sich geändert und der christlichen Gemeinschaft mehr Freiheiten gegeben (LIB).
Die Zusicherung der neuen Regierung, die Religionsfreiheit zu respektieren, betrachten viele Christen mit Skepsis, wobei regional große Unterschiede bestehen. Aus manchen syrischen Regionen werden vereinzelte Einschränkungen der Religionsfreiheit für Christen durch Islamisten gemeldet. In einigen Orten hätten radikale Gruppen zum Beispiel getrennte Sitzplätze für Frauen und Männer in öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Pflicht zur Verschleierung für Frauen durchsetzen können. Den Erfolg dieser Maßnahmen führen die Beobachter bisher noch auf das Fehlen einer einheitlichen Verwaltung nach dem Machtwechsel zurück. Nach dem Sturz von al-Assad schossen unbekannte Bewaffnete auf die griechisch-orthodoxe Erzdiözese in Hama und versuchten Kultstätten zu zerstören. Kurz vor Weihnachten wurde ein Christbaum in einer mehrheitlich von Christen bewohnten Stadt in Zentralsyrien von maskierten Männern angezündet. Es kam zu Protesten in mehreren Landesteilen. Die HTS gab bekannt, dass ausländische Kämpfer wegen des Vorfalls festgenommen worden seien und versicherte, dass der Baum wiederhergestellt werden würde. Die HTS hat versucht in den von ihr kontrollierten Gebieten ein gewisses Maß an Toleranz gegenüber bestimmten Minderheiten, insbesondere Christen, zu zeigen, im Vergleich zu der mit al-Qaida verbundenen Gruppierung, aus der sie hervorgegangen ist. Seit der Machtübernahme in Damaskus und weiten Teilen Syriens im Dezember 2024 hat die Gruppe im Allgemeinen Zurückhaltung bei der Behandlung christlicher und schiitischer bzw. alawitischer Denkmäler und Gemeinden gezeigt. In Damaskus haben sich lokale christliche Freiwillige zum Schutz christlicher Viertel bewaffnet und an Straßenecken aufgestellt (LIB).
1.3.5.1. Stämme und Clans
Clan- bzw. Stammespräsenz und -strukturen in der AANES (Raqqa und Deir ez-Zor)
Chatham House schreibt im Jänner 2018, dass laut Schätzungen aus der Zeit vor 2011 zwischen 60 und 70 Prozent der syrischen Bevölkerung einem Clan oder Stamm angehören würden. Syria Direct beschreibt Clans als eine tragende Säule der Gesellschaft („fundamental pillar of society“) in den meisten Provinzen Syriens. Laut Chatham House seien Stämme Nordostsyrien sehr präsent. Der größte Stamm der Region sei der Stamm der Jubur, gefolgt von den Stämmen der Tayy, Bakara, Anazzah und Shammar. Die bekanntesten arabischen Stämmeskräfte, die sich den Kurden angeschlossen hätten, seien die Al-Sanadid-Streitkräfte, angeführt von einem Scheich des Shammar-Stammes. Im Gebiet des Euphrats (Deir ez-Zor, Raqqa und Südosten der Provinz Aleppo) seien die berühmtesten Stämme Akidat, Qays und Bakara und die wichtigsten Clans seien die Clans der Dulaim, Shaitat, Albu Saraya, Albu Chabur, Al-Boleel, Al-Namis, Al-Butush und Al-Asasna. Chatham House beschreibt auch die Existenz von kurdischen, turkmenischen, alawitischen, drusischen und christlichen Stämmen in Syrien. Laut Enab Baladi seien die meisten der von den SDF (Syrian Democratic Forces) kontrollierten Gebiete von arabischen und kurdischen Stämmen und Clans bewohnt, wobei arabische Clans und Stämme die Mehrheit der Bevölkerung im Osten und Nordosten Syriens ausmachen würden (ACCORD 2).
Die Staatendokumentation schreibt, dass es in Ostsyrien diese Stämme In Ostsyrien vor allem in Deir ez-Zor, al-Hasakah, al-Raqqah an den Ufern des Euphrats, des al-Khabour, des Tigris und in den Regengebieten gibt. In al-Hasakah sind diesem Institut zufolge viele Stämme ansässig, wie Tay, Shammer, Clans von al-Bakkara und al-Akidat [für diese Stämme bestehen unterschiedliche Schreibweisen, wie al-Ekedat oder al-Bakkarh. Diese sind verschiedenen Transkriptionen geschuldet]. Die kurdischen Stämme sind vor allem im Grenzgebiet zur Türkei angesiedelt (vgl. BFA).
Die Assistance Coordination Unit (ACU) beschreibt in einem Bericht über die Provinz Raqqa vom Dezember 2019 die arabischen Stämme, neben der Existenz syrischer Kurd·innen und Turkmen·innen, als wesentlichen Bestandteil der Bevölkerung in der Provinz. Der Bericht listet die Namen von 36 in der Provinz Raqqa ansässigen Stämmen auf, zusammen mit deren Wohnorten und einigen grundlegenden Informationen über den jeweiligen Stamm (ACCORD 2).
Das Middle East Institute (MEI) erklärt in einem Bericht über Stämme in Raqqa vom Mai 2021, dass Stämme in Syrien, wie im Rest der arabischen Welt, in kleinere Parallelgruppen unterteilt seien, die als Asha’ir („Clans“) und Afkhad („Abstammungslinien“) bekannt seien. Stämme könnten auch Zweige von größeren konföderalen Systemen sein, sogenannten Stammeskonföderationen, die „politisch unter einer zentralen Autorität vereint seien“, wie zum Beispiel die Anizah- und Shammar-Konföderationen. Jeder Stamm habe einen traditionellen Anführer (auf Arabisch „Scheich“ genannt), der einer bestimmten Scheichfamilie innerhalb des Stammes angehöre. Es könne zu Meinungsverschiedenheiten darüber kommen, wer innerhalb einer Scheichfamilie die Führung innehabe (ACCORD 2).
Laut COAR müssten Stammesführer Mitglieder des Stammes sein. Im Idealfall würden die Anführer aus den prominenteren Familien des Stammes kommen, die traditionell und historisch Führungspositionen innehatten. Da der Stamm grundsätzlich auf der Idee einer gemeinsamen Verwandtschaft basiere, sei die Möglichkeit sich auf die Erbgeschichte zu berufen, um Führungsansprüche zu rechtfertigen, ein wichtiger Bestandteil der Legitimität eines Stammesführers. Es gebe vier wesentliche Komponenten, die die Stammesführung im heutigen Nordostsyrien definieren würden: Familie, Finanzierung, Freundschaften und Kämpfer. Bei den Stammesführern handle es sich in der Praxis um populäre oder einflussreiche Personen, die in der Lage seien innerhalb eines verwandtschaftlichen Solidaritätsnetzwerks erhebliche Unterstützung zu mobilisieren (ACCORD 2).
Mitgliedschaft
Laut COAR seien Stämme von einem gemeinsamen Verwandtschaftsnetzwerk geprägt, das auf einer gemeinsamen väterlichen Abstammung basiere. Grundsätzlich sei die Stammeszugehörigkeit ein unveränderliches Merkmal, was bedeutet, dass man den Stamm nicht wechseln könne (ACCORD 2).
MEI erklärt weiters, dass die meisten Mitglieder eines Stammes aus Gruppen stammen würden, die tatsächlich oder potenziell fiktiv verwandtschaftlich verbunden seien. Neben der klassischen Definition von Stämmen, die sich auf Gruppen von Menschen mit gemeinsamer Abstammung beziehe, habe MEI in seiner Studie auch kleine Gruppen von Menschen inkludiert, die aus bestimmten Orten in Syrien stammen würden, diese verlassen hätten, sich jedoch über diese Orte identifizieren würden. Ein Beispiel seien die Al-Sakhani, die Mitte des letzten Jahrhunderts aus der syrischen Stadt Al-Sukhnah weggezogen seien (ACCORD 2).
Bewaffnete Konflikte/Konkurrenzkampf zwischen Clans und Stämmen in der AANES (Raqqa und Deir ez-Zor)
Enab Baladi veröffentlicht im Jänner 2021 einen Artikel über Stammeskonflikte in Ostsyrien. Streitigkeiten, Blutfehden und andere Konflikte würden zu Kämpfen zwischen Clans, insbesondere arabischen Clans in Ostsyrien, führen. Im Mai 2020 sei es zu Kämpfen in Deir ez-Zor zwischen den Clans Albufrio und Al-Bakir gekommen. Die Kämpfe hätten zu Toten und Verletzten auf beiden Seiten geführt. Die Ursache sei unklar. Möglicherweise habe es sich um einen Racheakt gehandelt. Anfang Dezember 2020 sei es östlich von Deir ez-Zor zu einem Konflikt zwischen Mitgliedern des Shaitat-Stammes gekommen. Auch in diesem Fall seien die Ursachen des Konflikts unklar, da die Stammesmitglieder nicht bereit seien öffentlich darüber zu sprechen. Die Kämpfe hätten 72 Stunden angedauert und die SDF hätten eine Ausgangssperre verhängt, Razzien durchgeführt und Checkpoints errichtet. Laut Enab Baladi würden sich die SDF von den meisten Stammeskonflikten distanzieren (ACCORD 2).
Al-Monitor berichtet im Mai 2022, dass die Stammeskonflikte im Nordosten Syriens seit Anfang 2022 zunehmen würden. Laut Daten, die von SyriaTV, einem oppositionsfreundlichen syrischen Fernsehsender mit Sitz in Istanbul, gesammelt und am 28. April veröffentlicht worden seien, seien im ersten Quartal 2022 zwölf Menschen in Folge von bewaffneten Stammeskonflikten und Racheakten in der Provinz Hasakah getötet worden, sechs in Deir ez-Zor und zwei in Raqqa. Das Eye of Euphrates Network, das über die Entwicklungen in der östlichen Region Syriens berichte, habe am 30. April den Tod von vier Menschen und sieben Verletzte in der Provinz Deir ez-Zor, als Folge eines Disputs zwischen zwei Familien in der Stadt Abu Hamam, dokumentiert. Laut Ibrahim Al-Hussein, einem Journalisten, der dem Al-Shaitat-Clan aus Abu Hamam angehöre, sei die hohe Zahl der Tötungen entweder auf einfache Streitigkeiten zurückzuführen, die durch den Einsatz von Waffen ausarten würden, oder auf Racheakte innerhalb der Clangemeinschaft. Laut Al-Hussein sei der blutige Streit Ende April 2022 ein Racheakt für die Ermordung der Söhne einer der beiden verfeindeten Familien durch unbekannte bewaffnete Männer im Jahr 2020 gewesen. Stammeskonflikte könnten über mehrere Tage andauern und würden zu einer völligen Ausgangssperre in dem Gebiet führen, in dem die Gewalt auftrete. Außenstehende würden nicht schlichtend eingreifen. Von diesen Zusammenstößen seien auch Mitglieder der Stämme betroffen, die mit dem ursprünglichen Konflikt nichts zu tun hätten. Anas Shawakh, Politikwissenschaftler und Experte für Angelegenheiten des östlichen Euphrat am Jusoor Center for Studies, sei der Ansicht, dass das Clan-System zu ständigen Konflikten führe (ACCORD 2).
Syria Direct erklärt im Dezember 2022, dass der jahrelange Konflikt in Syrien und Machtverschiebungen zur Zunahme von Stammeskonflikten geführt hätten. Zwischen Anfang 2022 und Ende Oktober 2022 habe Syria Direct 46 Vorfälle von Clanstreitigkeiten und Versöhnungen dokumentiert. Bei 29 dieser Vorfälle, die sich im Norden und Osten Syriens ereigneten, seien die einzelnen Konfliktparteien dokumentiert worden. Als Beispiel nennt Syria Direct die Versöhnung von zwei Familien desselben Clans in der Provinz Deir ez-Zor im November 2022 nach einer 25 Jahre dauernden Vendetta. Der Artikel zitiert weiters Scheich Hassan Al-Khamri des Stammes Al-Walda aus der Gegend der Stadt Tabqa, im nördlichen Raqqa. Der Scheich habe gegenüber Syria Direct von einem Streit berichtet, der mit einem Mord geendet habe, nachdem eine Person als vogelfrei (ihdar al-dam) erklärt worden sei, weil sie die Regierung unterstützt habe. Der Scheich habe außerdem geholfen tödliche Streitigkeiten beizulegen, wie beispielsweise nach einem Mord als Folge einer Meinungsverschiedenheit über Land und Eigentum, sowie nach einem weiteren Mord, nachdem die Gruppe Islamischer Staat (IS) in das Gebiet eingedrungen war und es unter dem Vorwand vom Glauben abgefallen zu sein zu Morden gekommen sei. Laut dem Scheich hätten Clanstreitigkeiten nach der Vertreibung des IS „erheblich zugenommen“. Laut Scheich Al-Rahhal (ebenfalls dem Stamm der Al-Walda zugehörig, jedoch von einem anderen Clan) hätten Vorfälle mit Clancharakter in Raqqa seit 2011 um bis zu 75 Prozent zugenommen. Al-Khamri habe gegenüber Syria Direct erklärt, dass es eine Zunahme an Rachemorden, Waffengewalt und eine große Anzahl individueller Auseinandersetzungen, die sich zu Clankonflikten ausweiten würden, gebe (ACCORD 2).
Al-Monitor erklärt in seinem Artikel über Stammesgewalt im Nordosten Syriens vom Mai 2022, dass die SDF bei Zusammenstößen zwischen den Stämmen im Allgemeinen neutral bleibe und nicht eingreife. In den Gebieten, in denen arabische Stämme weit verbreitet seien, würden die SDF die Stämme als Konkurrenten betrachten, so Anas Al-Shawakh. Die anhaltenden Spannungen zwischen den Clans würden begünstigen, dass die SDF ihre Kontrolle in der Region festigen könne. Muhammad al-Sukari, ein in Gaziantep ansässiger Forscher für syrische Angelegenheiten, führe die Stammeskonflikte auf die Korruption innerhalb der syrischen Behörden zurück und sagte, dass diese die Stammeskonflikte ausnutzen würden, um ihre Kontrolle über die syrische Gesellschaft zu stärken (ACCORD 2).
Militärische Kontrolle der Stämme und die Möglichkeit machthabende Kräfte herauszufordern
Enab Baladi erklärt in seinem Artikel über soziale und politische Auswirkungen von Stammeskonflikten auf Ostsyrien, dass Stämme trotz ihrer weitreichenden Präsenz in ganz Syrien keiner einheitlichen und militärischen Organisation oder Führung unterliegen würden. Während der Jahre des Konflikts in Syrien seien sich die arabischen Clans und Stämme in mehreren politischen Fragen uneins gewesen (ACCORD 2).
COAR erklärt in einem Bericht über Stämme im Nordosten Syriens vom Mai 2019, dass Stämme, insbesondere sunnitisch-arabische Stämme, eine zunehmend prominente und einflussreiche politische Kraft im Nordosten Syriens seien. Arabische Stammesangehörige würden in den meisten größeren Gemeinden im von der AANES kontrollierten Nordosten Syriens die Mehrheit der Bevölkerung stellen und in vielen kurdischen Gemeinden eine wichtige Minderheit („potent minority“) darstellen. Laut COAR würden die arabischen Stämme zwar eine wichtige gesellschaftspolitische Einheit darstellen, sie seien jedoch nicht monolithisch. Die am Syrienkonflikt beteiligten Staaten würden als politisches Instrument die Stämme umwerben. Aufgrund diffuser Strukturen und Entscheidungsprozesse sei es in den meisten Fällen jedoch schwierig die „Zugehörigkeit“ eines einzelnen Stammes zu einem bestimmten politischen oder staatlichen Akteur festzustellen. Die unterschiedlichen Staaten würden Beziehungen mit einzelnen Stammesführern knüpfen, um sich lokalen Einfluss zu sichern. Stämme würden nicht nur dazu genutzt werden lokale Unterstützung zu sichern, sondern auch dazu politischen Gegnern zu schaden. Beispielsweise könnten Stammesführer, die lokalen Einfluss genießen würden, ihre Stammesmitglieder dazu aufrufen Protestbewegungen zu starten, lokale bewaffnete Gruppen zu bilden oder neue politische Parteien und Blöcke zu gründen. Durch die Pflege von Beziehungen zu Stammesführern würden regionale Kräfte, die im Syrienkonflikt beteiligt sind, lokale Wählerschaft und Vermittler aufbauen, die bereit seien ihre jeweilige strategische Politik zu unterstützen. Laut Enab Baladi sei das Besondere an Clankämpfen, dass die Entscheidung, die auf der politischen Loyalität der Clans basiere, gemeinschaftlich und nicht individuell falle. Im heutigen Ostsyrien würden die herrschenden Kräfte die Clans in Kämpfe verwickeln, was zu Kluften in der sozialen Struktur der Clans und Stämme führe (ACCORD 2).
Laut Al-Monitor sei die Loyalität der Clans und Stämme im Nordosten Syriens gespalten. Sie seien entweder den SDF-Kräften, der Regierung oder der syrischen Opposition gegenüber loyal. Laut dem oben genannten Politikwissenschaftler Shawakh würden die SDF es loyalen Clans ermöglichen eine wichtige Rolle in der Region zu spielen und sie sowohl sozial wie auch finanziell unterstützen. Chatham House erklärt in einem Beitrag vom Jänner 2018, dass die Loyalität der Clans seit Beginn des Krieges in Syrien zwischen den unterschiedlichen Seiten gewechselt habe. Auch variiere die Loyalität zwischen den einzelnen Clanmitgliedern und es sei zu Kämpfen zwischen Mitgliedern desselben Clans, die unterschiedliche politische Seiten unterstützt hätten, gekommen (ACCORD 2).
Etana Syria berichtet im August 2023 über gewalttätige Konfrontationen zwischen den SDF und Stammeskräften in Deir ez-Zor. Der Auslöser für die Kämpfe sei die Festnahme des Kommandeurs des Militärrats von Deir ez-Zor, Abu Khawla, und mehrerer seiner hochrangigen Mitarbeiter durch die SDF gewesen. Fraktionen des Militärrats hätten sich zusammen mit verschiedenen Stammesangehörigen gerächt, indem sie Straßen gesperrt, Checkpoints unter ihre Kontrolle gebracht und SDF-Militärstandorte im Osten von Deir ez-Zor belagert hätten. Das Middle East Institute (MEI) erklärte in einem Artikel vom September 2023, dass es sich bei genanntem Abu Khawla (oder Ahmed Al-Khubayl) um den Emir des Bakir-Stammes handle. Es hätten sich immer mehr Städte und Clans an den Angriffen gegen die SDF beteiligt. Am 30. August habe sich der Scheich der Akidat-Stammeskonföderation, die die Provinz Deir ez-Zor dominiere, zu Wort gemeldet. Der Scheich, der ein langjähriger Verbündeter der SDF gewesen sei, habe alle Stämme und Clans in Deir ez-Zor dazu aufgerufen sich gegen die SDF zu vereinen. Laut MEI sei dies das erste Mal seit 2011, dass es einen derartigen Aufruf zur Einheit der Stämme gebe. MEI analysiert, dass nach diesem Aufruf das Schicksal von Deir ez-Zor von den Entscheidungen der Stämme Shaytat und Baggara abhänge. Der Stamm Shaytat sei neben dem Stamm Bakir einer der zwei mächtigsten Bestandteile der Akidat-Konföderation. Der Shaytat-Stamm scheine sich hinter die Stammeskräfte zu stellen. In den zwei Tagen nach dem Aufruf seien die SDF aus allen Akidat- und Shaytat-Gemeinden zwischen dem Fluss Khabour bis hin zur irakischen Grenze vertrieben worden. Der Baggara-Stamm, der nicht Teil der Akidat-Konföderation sei, sei gespalten. Während einige Mitglieder Ende August begonnen hätten SDF-Positionen anzugreifen, hätten sich manche Stammesführer ausdrücklich für die SDF ausgesprochen. Die meisten seien neutral geblieben. Der oberste Stammesführer der Baggara habe einen Waffenstillstand und Verhandlungen gefordert (MEI, 1. September 2023). Jusoor for Studies berichtet im Oktober 2023, dass die SDF am 8. September 2023 ihre Militäroperation in Deir ez-Zor für beendet erklärt hätten. Die Angriffe der Stammeskämpfer gegen die SDF würden jedoch weitergehen. Es gebe Phasen der Eskalation und Deeskalation. Laut Jusoor for Studies sei es zu zwei größeren Gewaltausbrüchen gekommen. Am 25. September hätten Stammeskämpfer mehrere SDF-Checkpoints und Stellungen in unterschiedlichen Gebieten im Norden und Osten von Deir ez-Zor angegriffen. Am 11. und 12. Oktober seien SDF-Ziele, von Fahrzeugen bis zu Checkpoints und Barrieren, im Norden und Osten der Provinz zeitgleich angegriffen worden. Laut Jusoor for Studies weise die Synchronisierung der Angriffe auf eine weiterentwickelte Organisationsfähigkeit der Kämpfer hin, die überwiegend in dezentralen Einheiten operieren würden. Die Bewaffnung der Kämpfer bleibe jedoch einfach und beschränke sich hauptsächlich auf Maschinengewehre und RPG-Raketen (eine sowjetische/russische Serie von reaktiven Panzerbüchsen, Anmerkung ACCORD). Der Kern der Aktivitäten konzentriere sich auf Gebiete, in denen der Akidat-Stamm lebe. Dhiban, wo die Führung des Akidat-Stammes ansässig sei, diene als Knotenpunkt der Stammeskämpfer. Aufgrund der Aktivitäten der Stammeskämpfer hätten die SDF nur einen schwachen Einfluss in den Außenbezirken von Deir ez-Zor. Laut Jusoor for Studies sei die Kontinuität der Kämpfe durch die Stämme von menschlicher, finanzieller und militärischer Unterstützung abhängig. Ohne die Unterstützung einer regionalen oder internationalen Einheit würden diese Ressourcen des Stammes zur Neige gehen. Al-Mayadeen schreibt Ende Oktober 2023, dass laut lokalen Medien Stammeskämpfer am 29. Oktober an einer groß angelegten Offensive im Umland von Deir ez-Zor teilgenommen hätten, um die Kontrolle über die von den Kurden kontrollierten Gebieten in der Region zu erlangen. Es sei ihnen gelungen den Großteil der Stadt Abu Hardoub einzunehmen und in die Stadt Dhiban einzudringen und dort mehrere Stadtteile einzunehmen. Stammesmitglieder hätten Anfang September die Kontrolle über das gesamte östliche Umland von Deir ez-Zor übernommen, bevor die SDF die Kontrolle zurückerlangt hätten (ACCORD 2).
Stammesstrukturen, die Verwaltung und militärische Kontrolle über die Bevölkerung ermöglichen
COAR erklärt im Mai 2019, dass ein Stamm in Syrien keine zusammenhängende soziopolitische Einheit darstelle. Heutzutage sei die gesellschaftspolitische Bedeutung der Stammesidentität sehr unterschiedlich, unterscheide sich je nach Individuum und Gemeinschaft und sei in vielen Fällen von sozioökonomischen und geografischen Hintergründen geprägt. Für viele sei die Stammeszugehörigkeit nur eine mehrerer sozialer Identitäten, wie ihre Religion, Nationalität oder Ethnizität. Laut Chatham House hätten die weittragenden Veränderungen, die die syrische Gesellschaft in den letzten sieben Jahren erlebt habe, den Einfluss der Clans und der Clankultur auf das private und öffentliche Leben verringert. Trotz allem seien die Stämme, laut COAR, im gesamten Nordosten Syriens weiterhin ein wichtiger Bestandteil der sozialen Identität. Die Stammeszugehörigkeit präge die Zusammensetzung vieler Gemeinschaften und Stammesführer würden oft wichtige Funktionen in Bezug auf Streitschlichtung, wirtschaftliches Wohlergehen, Schirmherrschaft, sowie der Gewährleistung grundlegender Sicherheit einnehmen. Obwohl der Stamm in den meisten Fällen keine „einheitliche“ gesellschaftspolitische Einheit mehr sei, bleibe er dennoch eine starke soziale Identität, die politisiert werden könne und werde, wenn formelle Regierungsstrukturen in den Hintergrund treten. Im Kontext des Syrienkonflikts sei die gemeinsame Stammesidentität häufig ein entscheidender Faktor für die Mitgliedschaft in bewaffneten Gruppen, der Bildung politischer Blöcke und die Grundlage für die Mobilisierung der Bevölkerung. Folglich würden Stammesführer oft als mächtige politische Vermittler gesehen (ACCORD 2).
Das Middle East Institute (MEI) veröffentlicht im März 2021 einen Artikel über die Situation der Stämme in der Provinz Raqqa. Das erste Jahr nach Beginn des Krieges in Syrien hätten Stammesscheichs junge Menschen daran gehindert sich in Raqqa zu versammeln. Diese hätten schlussendlich die Regeln der Stammesscheichs gebrochen und im März 2012 eine Protestaktion organisiert. Es habe große Spaltungen zwischen jungen Stammesmitgliedern und Stammesscheichs gegeben, sowie zwischen Mitgliedern, die die Regierung unterstützten, und jenen, die sie ablehnten. Einige junge Stammesmitglieder hätten sich bewaffnet gegen die Regierungskräfte gestellt. Gleichzeitig habe die Regierung seine loyalen Scheichs dazu aufgefordert Milizen aufzubauen und junge Stammesmitglieder zu mobilisieren. Nachdem die Regierung die Kontrolle über Raqqa verloren hatte, hätten sich Stämme sowohl den islamistischen Gruppen wie auch der Freien Syrischen Armee angeschlossen. Laut MEI habe auch der Islamische Staat (IS) erkannt, dass sich die Stammesstruktur verändert habe und die jüngere Generation die traditionelle Stammesführung nicht akzeptiere. Der IS habe daher mit jungen Stammesführern zusammengearbeitet, die beispielsweise wiederum junge Menschen aus den Stämmen in Raqqa für den IS rekrutiert hätten. Nach dreijähriger Herrschaft des IS hätten sich viele junge Stammesmitglieder gegen den IS gewandt und stattdessen die SDF unterstützt. Die SDF hätten sich laut MEI mit vielen lokalen Stämmen in Raqqa verbündet, um den IS aus der Provinz zu vertreiben. Die SDF hätten das Raqqa Civilian Council unter der gemeinsamen Leitung mit dem lokalen Stammesführer Scheich Mahmoud Shawakh Al-Bursan, gegründet, dem zwanzig Vertreter lokaler Stämme angehören würden. Gleichzeitig hätten externe politische Autoritäten verschiedene Personen, die in ihrem Kontrollbereich leben, als legitime Vertreter eines bestimmten Stammes gefördert. Dies habe zur Bildung mehrerer konkurrierender Führungsgruppen innerhalb eines einzigen Stammes geführt. Sowohl die Türkei als auch die syrische Regierung würden versuchen Stammesbeziehungen zu nutzen, um die SDF-Kontrolle in Raqqa zu destabilisieren. Die Stammesführer würden die Parteien unterstützen, die ihnen selbst und ihren Stammesangehörigen Vorteile garantieren könnten. MEI fasst zusammen, dass Stämme keine homogenen, statischen Akteure seien. Nicht alle Stammesmitglieder würden zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrem Anführer oder ihren Stammestraditionen folgen und traditionelle Stammesführer seien nicht unbedingt repräsentativ für ihren gesamten Stamm. Die Schwächung der staatlichen Autorität stärke die Stammeszusammenhörigkeit. Stämme hätten nicht die Möglichkeit sich außerhalb ihres unmittelbaren Gebiets militärisch zu koordinieren (ACCORD 2).
Al-Monitor beschreibt in seinem Artikel vom Mai 2022, dass zunehmende Konflikte und das Fehlen einer legitimen lokalen Behörde dazu führen würden, dass Menschen sich zur Lösung ihre Streitigkeiten an Clans wenden würden, um Schutz zu suchen und ihre Rechte gewahrt zu sehen. Stammesscheichtümer würden unter Spaltungen und einem geringen Einfluss auf ihre Mitglieder, die in unterschiedlichen Teilen Syriens verteilt seien, leiden. Mudar Hammad Al-Assaad, Sprecher des Rates der syrischen Stämme und Clans, würde trotz allem auf Stammesälteste, Würdenträger und Clanmitglieder im Nordosten Syriens setzen, um die Situation zu beruhigen, Konflikte zu lösen und den zivilen Frieden zu fördern. Laut Al-Assaad stehe sein Rat in ständigem Kontakt mit den Ältesten in Gebieten, wo es zu Stammeskonflikten komme. Al-Assaad habe gegenüber Al-Monitor erklärt, dass es innerhalb der Bevölkerung einen Mangel an Vertrauen in die offiziellen Gerichte und Justiz gebe. Dies veranlasse Einzelpersonen ihre Rechte auf jede erdenkliche Weise wiederherzustellen. Gleichzeitig sei aber auch die Rolle der Clans zurückgegangen und es gebe eine Spaltung der Ältesten, nachdem Regierungstruppen und SDF-Truppen Älteste ernannt hätten, die ihren Interessen entsprechen würden und durch die Bereitstellung von Waffen und finanziellen Ressourcen Spaltungen innerhalb der Stammesgemeinschaft herbeiführen würden. Der bereits genannte Forscher Al-Sukari erklärt, dass mindestens drei Stammesräte den unterschiedlichen Kräften im Nordosten Syriens angeschlossen seien und dass jeder Clan in diesen Räten vertreten sei, wobei jede Partei behaupte die legitime Vertretung des Clans zu sein (ACCORD 2).
Syria Direct zitiert im Dezember 2022 Scheich Hawas Al-Jassim (Abu Kassar), der die Stadt Baghouz in Deir ez-Zor und ihre Umgebung vertrete und als Sekretär der Bukamal Jazira-Clan-Versammlung fungiere. Laut Al-Jassim mangle es den Clans östlich und westlich des Euphrats seit 2011 an Führung. Vor dem Krieg habe es Clan-Autoritäten gegeben und auf jeden Konflikt sei mit etablierten Clanmethoden reagiert worden. Diese Autoritäten würden heutzutage nicht mehr existieren. Es herrsche Chaos in der Clanführung, was zur Zunahme von Clankonflikten beitrage. Die Jugend respektiere die Clan-Autorität nicht. Gleichzeitig habe Scheich Hassan Al-Khamri, vom Clan der Al-Nasser in Tabqa, erklärt, dass Syrien während des Krieges eine deutliche Rückkehr zum Stammesdenken und eine Zunahme des Gefühls der Clanzugehörigkeit erlebt habe. Syria Direct erklärt, dass es die Rolle der Stämme sei Konflikte zu lösen und eine Versöhnung der Parteien auszuverhandeln. Suleiman Al-Qurfan, ehemaliger Leiter der Syrischen Vereinigung Freier Anwält·innen, habe erklärt, dass die syrischen Gerichte rechtlich gesehen nicht an die Versöhnungsurkunden der Clans gebunden seien. Es sei bei den Gerichten jedoch üblich, die Urkunde in ihre Entscheidung einzubeziehen, wenn diese nichts enthalte, was gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Die AANES habe Versöhnungskomitees und -räte sowie einen Ältestenrat, der sich aus Scheichs und angesehene Persönlichkeiten aus der Region zusammensetze, gebildet. Es gebe weiters ein Allgemeines Versöhnungskomitee, dessen Aufgabe darin bestehe, Clanprobleme zu lösen, wenn die lokalen Versöhnungsprozesse der Clans keine Lösung erbringen. Laut Scheich Al-Jassim aus Deir ez-Zor gebe es in der Provinz keine formelle richterliche Autorität. Die Clans würden in Deir ez-Zor diese Aufgaben übernehmen. Laut Sakhr Faisal Al-Ali, einem Forscher zu Clans in Syrien, bedeute dies jedoch nicht, dass die SDF nicht bis zu einem gewissen Grad Kontrolle über die Clan-Komponente ausübe (ACCORD 2).
Situation nach dem Umsturz des Assad-Regimes
Anfang März 2025 kam es zeitgleich mit den Massakern an der Küste im Westen Syriens, insbesondere in Deir ez-Zour zu Demonstrationen gegen die SDF. Es wurde einerseits dazu aufgerufen, die Verantwortlichen für die Angriffe in den Küstengebieten zur Rechenschaft zu ziehen, andererseits aber auch gegen die SDF skandiert. Mindestens 25 arabische Stämme haben seit dem 14.4.2025 die SDF verurteilt, wahrscheinlich als Reaktion auf die anhaltenden Forderungen der SDF nach einer Dezentralisierung der Kontrolle Damaskus’ im Nordosten Syriens. Die Stämme lehnten das, was sie als „separatistisches Projekt“ bezeichneten, das den mehrheitlich arabischen Gebieten aufgezwungen werde, ab. „Separatistisches Projekt“ ist eine häufig verwendete Bezeichnung für die Bemühungen der SDF, unter der Übergangsregierung die Dezentralisierung und Föderalisierung im Nordosten Syriens zu erreichen. Unbekannte arabische Stammesführer trafen sich kürzlich in der Provinz ar-Raqqa mit den SDF, um deren Aufruf zur Unterstützung nachzukommen. Andere arabische Stammesführer verurteilten diese Treffen und stellten klar, dass die beteiligten Personen nicht die offizielle Position ihrer Stämme vertreten. Stattdessen bekundeten die Stammesführer ihre Unterstützung für die Übergangsregierung in Damaskus. Einige arabische politische Gruppierungen kündigten am 15.4.2025 die Bildung eines neuen Rates an, um sich der Kontrolle der SDF im Nordosten Syriens zu widersetzen und eine einheitliche Front für Verhandlungen mit Damaskus zu bilden (LIB).
Die SDF führten Großrazzien und Verhaftungskampagnen durch, die auf Zivilisten abzielten, denen eine Verbindung zum IS, zu den mit den SDF in Konflikt stehenden arabischen Stämmen oder der Syrian National Army (SNA) vorgeworfen wird. Daneben wurden auch Zivilisten verhaftet, die an Feierlichkeiten zum Sturz des Präsidenten al-Assad teilgenommen haben, und Personen, die das Vorgehen der SDF in den von ihr kontrollierten Gebieten kritisiert hatten. Von den SDF wurden 59 willkürliche Verhaftungen dokumentiert, darunter drei Kinder und zwei Frauen. 12 Personen wurden wieder freigelassen. Da es keine Garantien für faire Gerichtsverfahren gibt, wie z.B. die Bereitstellung von Strafverteidigern und die systematische Anwendung von Folter, um Geständnisse zu erzwingen, kann die bloße Anschuldigung, mit dem IS in Verbindung zu stehen, zu jahrelanger willkürlicher Inhaftierung führen (LIB).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend (abgesehen von transkriptionsbedingt unterschiedlichen Schreibweisen) übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinen Familienangehörigen, seinem Familienstand, seinem Aufwachsen in Syrien, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf die diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben vor der Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen bzw. nachvollziehbar aktualisierten Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellung, dass das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX (auch XXXX auch XXXX auch XXXX ), im Gouvernement Deir ez-Zor, von der neuen syrischen Regierung kontrolliert wird, ergibt sich übereinstimmend aus den tagesaktuellen Online Länderkarten (vgl. ISW und CT Map, https://storymaps.arcgis.com/stories/1933cb1d315f4db3a4f4dcc5ef40753a; Syria LiveuaMap, https://syria.liveuamap.com/, jeweils abgerufen am 04.07.2025) und den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 6). Das aktuelle Länderinformationsblatt führt diesbezüglich aus, dass die Kontrolle über das Gouvernement Deir ez-Zor stark fragmentiert ist, da verschiedene islamistische Gruppierungen, die SDF, sowie lokale Stammesmilizen um Einfluss kämpfen. Die neuen islamistischen Machthaber Syriens hätten keine einheitliche Kontrolle über die Region, da verschiedene Gruppen um Territorium ringen. Mehrere Fraktionen würden versuchen, ihre Positionen zu stärken, was zu Zusammenstößen mit lokalen Stämmen und ehemaligen regierungstreuen Milizen führt. In Anbetracht der Online Länderkarten wird jedoch zumindest der Herkunftsort und das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers von der neuen syrischen Regierung kontrolliert, weswegen (mangels anderslautender detaillierter Informationen) die Kontrolle durch die neue syrische Regierung festzustellen war.
Der Zeitpunkt der Ausreise und die Aufenthalte in durchreisten Staaten ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 3). Seine Arbeitsfähigkeit folgt aus seinem Alter, seinem Gesundheitszustand und seiner bisherigen Erwerbstätigkeit in Syrien und im Libanon.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Das Asylverfahren bietet, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8, wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (vgl. VwGH 29.05.2006, Zl. 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Das Vorbringen des Asylwerbers muss – unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten –genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
2.2.2. Zur behaupteten Zwangsrekrutierung und (zumindest) unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung vonseiten des ehemaligen Assad-Regimes und einer allfälligen Unterstellung als Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes:
Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers in der polizeilichen Erstbefragung (vgl. AS 13), in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (vgl. AS 48), als auch in seiner schriftlichen Beschwerde (vgl. AS 207 ff.), es bestehe die Gefahr, dass er vom syrischen Regime zum Reservedienst zwangsrekrutiert werde – welche von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vom 27.09.2024 negiert wurde – ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass es die zum Zeitpunkt der Beschwerde noch bestandene syrische Regierung unter der Herrschaft Bashar al-Assads seit Anfang Dezember 2024 in dieser Form nicht mehr gibt (vgl. 1.3.1. ff.). Die ehemalige Syrische Arabische Armee wurde mit Befehl al-Assads noch im Dezember 2024 aufgelöst. Dem Beschwerdeführer droht daher auch keine Zwangsrekrutierung vonseiten des ehemaligen syrischen Assad-Regimes, mangels Gebiets- und Herrschaftsgewalt geht von diesem keine Bedrohung mehr aus.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr läuft von der neuen syrischen Regierung bzw. anderen bewaffneten Gruppierungen als Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes eingestuft zu werden:
Der Beschwerdeführer nahm niemals an Demonstrationen teil und betätigte sich auch niemals in sonst irgendeiner Art politisch (vgl. 2.2.8.). Lediglich die Ableistung seines verpflichtenden Wehrdienstes bei der nunmehr aufgelösten Syrischen Arabischen Armee als Bäcker in der Kantine von 2009 bis 2011 könnte als möglicher Konnex zwischen dem Beschwerdeführer und dem ehemaligen Assad-Regime gewertet werden (vgl. AS 47, 48). Gegen eine mögliche Unterstellung der Unterstützung des ehemaligen Assad-Regimes spricht jedoch, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bereits vor Ausbruch des Krieges – vor ca. 14 Jahren – ableistete, niemals an Kampfhandlungen und/oder Kriegsverbrechen/Menschenrechtsverletzungen teilnahm (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 8), sich dem Reservedienst entzog und – wie bereits ausgeführt – niemals in irgendeiner Art und Weise politisch in Erscheinung trat.
Zudem ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) eine Generalamnestie gewährt wurde. Die neue syrische Regierung hat sogenannte „Versöhnungszentren“ eingerichtet. Auch hochrangige Personen erhielten vorübergehende Niederlassungskarten und eine hohe Anzahl hat bereits ihre Waffen abgegeben. Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein „Versöhnungszentrum“, wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Danach erhalten sie Zettel, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben und einen Ausweis mit dem Vermerk „desertiert“ (vgl. 1.3.4.1.).
Die sogenannten „Versöhnungszentren“ zielen somit auf eine Waffenniederlegung der zur Zeit des Umsturzes des Assad-Regimes aktiven wehrdienstpflichtigen Männern und Soldaten, insbesondere von hochrangigen Personen, ab, dies wird insbesondere durch die in den „Versöhnungszentren“ erhaltenen Ausweisen mit den Vermerken „desertiert“ bestätigt. Da der Beschwerdeführer jedoch seinen Wehrdienst bereits vor ca. 14 Jahren beendete, ist somit eine Assoziierung des Beschwerdeführers mit dem ehemaligen Assad-Regime nicht maßgeblich wahrscheinlich, insbesondere da die Einberufung in die ehemalige Syrische Arabische Armee für volljährige Männer unter Bashar al-Assad obligatorisch war.
Im Ergebnis besteht daher kein Risiko, dass der Beschwerdeführer von der neuen syrischen Regierung als militärischer oder politischer Gegner qualifiziert wird.
2.2.3. Zu einer allfälligen Zwangsrekrutierung und Bedrohung vonseiten der neuen syrischen Regierung bzw. der nunmehr aufgelösten HTS:
Den aktuellen Länderinformationen ist zu entnehmen, dass der neue syrische Präsident Ahmed ash-Shara’ die Vision einer neuen „Nationalen Armee“, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht, äußerte. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung. Die neue Armee soll in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umgewandelt werden, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben. Die Aufnahmebedingungen für junge Männer im Verteidigungsministerium besagen, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen. Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung. Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die neue syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (vgl. 1.3.4.1.).
Den vorliegenden Länderberichten sind somit, insbesondere unter Berücksichtigung der proklamierten Freiwilligkeit, keine Zwangsrekrutierungen zu entnehmen, zumal der Beschwerdeführer bereits XXXX Jahre alt ist und das veröffentliche Rekrutierungsalter um XXXX Jahre übersteigt. Der Beschwerdeführer wäre damit laut dem derzeitigen Informationsstand für einen freiwilligen Eintritt in die neue syrische Armee bereits zu alt. Wenn der vertretene Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 27.03.2025 vorbringt, dass durch die „offizielle Übergabe der Regierungsgeschäfte […] grundsätzlich von Rechtskontinuität“ auszugehen sei und sich der nunmehrige Machthaber „jederzeit auf das weiterhin geltende und anwendbare bisherige Recht zum syrischen Wehrdienst berufen [könne]“ (vgl. OZ 5, S. 7), verkennt der Beschwerdeführer jedoch, dass die neue syrische Regierung auf Freiwilligen-Rekrutierungen setzt und der neue syrische Präsident mehrmals öffentlich betonte, dass er sich gegen eine Wehrpflicht entschieden hat (vgl. 1.3.4.1.). Unter Berücksichtigung der zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Länderinformationen kann daher keineswegs davon ausgegangen werden, dass die neue syrische Regierung (in naher Zukunft) wieder eine Wehrpflicht implementiert.
Selbst unter der – rein hypothetischen – Annahme, dass die neue syrische Regierung von ihrer bisherigen Linie abweichen und tatsächlich beginnen sollte, Männer ab 18 Jahren einzuziehen (wofür aktuell keinerlei Anhaltspunkte vorliegen), ist zu bedenken, dass zum Entscheidungszeitpunkt keine Anhaltspunkte vorliegen, die darauf hindeuten würden, dass die neue syrische Regierung rekrutierungsunwilligen Männern eine politische Gesinnung unterstellen würde. Abgesehen von der überschrittenen Altersgrenze im Fall des Beschwerdeführers kann generell nicht angenommen werden, dass jeder volljährige männliche syrische Staatsbürger mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, von der neuen syrischen Regierung zwangsrekrutiert zu werden. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die (nunmehr offiziell aufgelöste) HTS, die ca. die Hälfte der neuen syrischen Regierungsmitglieder stellt, auch ohne Wehrpflicht/Zwangsrekrutierung(en) über ausreichende Kräfte für die Machtübernahme in weiten Teilen Syriens verfügte.
Hinsichtlich einer möglichen Rekrutierung durch die HTS ist darauf hinzuweisen, dass am 29.01.2025 die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien, darunter auch die HTS, bekannt gegeben wurde und daher dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auch keine Rekrutierung vonseiten der – offiziell nicht mehr existierenden – HTS droht (vgl. 1.3.1.2.).
Der Beschwerdefrüher läuft daher nicht Gefahr, dass er im Fall einer Rückkehr vonseiten der neuen syrischen Regierung oder der offiziell aufgelösten HTS zwangsrekrutiert werden würde.
2.2.4. Zu einer allfälligen Bedrohung aufgrund seines vorgebrachten „europäischen Aussehens“ vonseiten der neuen syrischen Regierung bzw. der HTS:
In der schriftlichen Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer erstmals vor, dass die HTS und der IS für ihn die gleiche Ideologie vertreten würden. Die HTS sei international als Terrororganisation eingestuft, sie habe schwere Menschenrechtsverletzungen begangen (vgl. OZ 5, S. 2, 3). Der Beschwerdeführer lehne jegliches islamistisches bzw. extremistisches Gedankengut ab. Ihm mache die strenge Auslegung des Islams große Angst. Im Fall einer Rückkehr bestünde die Gefahr, dass er von der HTS als „Europa-Rückkehrer“ wahrgenommen werden würde und dass ihm aufgrund seiner „westlichen Werteeinstellung“ eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden würde (vgl. OZ 5, S. 8).
Auch in der mündlichen Verhandlung führte er diesbezüglich aus, dass derzeit radikale Islamisten, HTS-Leute, an der Macht seien, diese seien wie Daesh (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 7). Er habe als syrischer Flüchtling in Europa „einige Sachen verändert in Bezug auf [s]ein Aussehen“, er sehe aus wie ein Europäer und man würde ihm vorwerfen, dass er wie ein Europäer denke, weil er „lange Haare und einen rasierten Bart habe“ (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 10). Es werde ihm vorgeworfen „anders zu denken als Islam“ (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 11). Auf Nachfrage der erkennenden Richterin, wieso die HTS Interesse an seiner Person haben sollte, da ihn selbst im Fall einer Rückkehr niemand kennen würde, gab er an, dass sich ein großer Teil der Leute in seinem Herkunftsort der HTS, teils freiwillig, angeschlossen habe. Wenn er zurückkehren würde, würde das der HTS durch diese Leute erfahren. Seine Unterlagen von seiner Inhaftierung würden sich bei der HTS befinden. Offiziell seien die HTS und Daesh eigenständig, jedoch seien sie „früher gemeinsam“ gewesen (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 12). Die Frage der erkennenden Richterin, ob er in Österreich Asyl bekommen wolle, da er lange Haare tragen und sich wie ein Europäer kleiden wolle, verneinte der Beschwerdeführer und führte aus, dass er „einfach zum Frisör gehen und sich die Haare schneiden lassen“ könne. Er sei „seit langer Zeit außerhalb von Syrien, [er sei] in der Türkei und in Österreich“ gewesen, er „werde in Syrien gesucht“ und könne sich nicht vorstellen zurückzukehren (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 13).
Für die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bedrohung durch die HTS (bzw. der neuen syrischen Regierung) als Europa-Rückkehrer und der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung aufgrund einer seitens der (offiziell aufgelösten) HTS angenommenen Verwestlichung des Lebensstils finden sich in den aktuellen Länderberichten keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil ruft der nunmehrige Machthaber und Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa geflüchtete Menschen zur Rückkehr auf. Insbesondere ist der notorischen Berichtslage nicht zu entnehmen, dass die neue syrische Regierung – im Vergleich etwa zu den Machthabern in Afghanistan – nun alles daransetzt, den Alltag in Syrien nach einer bestimmten, streng islamischen Ausrichtung tiefgreifend umzugestalten. Aus den bisherigen Medienberichten sowie den oben wiedergegebenen Länderfeststellungen ergibt sich klar, dass sich die neue Regierung bis dato bewusst gemäßigt und konziliant gibt. Zudem brachte der Beschwerdeführer selbst vor, dass er „einfach zum Friseur gehen“ könne, eine besondere Gesinnung ist diesem lapidaren Vorbringen daher ebenso nicht zu entnehmen.
Hinsichtlich einer möglichen Bedrohung vonseiten des IS ist dem vorhergehenden Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Version 11 vom 27.03.2024, welches die Lage in Syrien vor dem Sturz des Assad-Regimes umfassend darstellt, zu entnehmen ist, wurde Ende März 2019 mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert und konnte die Terrororganisation in Syrien, selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien, keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern blieb der IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur. Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate. Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich zehn bis 15 Angriffe auf die Regierungsstreitkräfte pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort. In der ersten Jahreshälfte 2023 wurde von 552 Todesopfer durch Angriffe des IS berichtet.
Ausgehend von den aktuellen, oben zitierten und unbestritten gebliebenen Länderinformationen ist der IS in Syrien derzeit in zwei getrennten Gebieten verbreitet, nämlich in der von der SDF kontrollierten syrischen Jazira in Nordostsyrien sowie in dem als al-Badiya ash-Shamiya (zu Deutsch: Syrische Wüste) bekannten Gebiet östlich der Provinz Homs, wobei eine Reportage des Spiegels andeutete, dass der IS in dem Gebiet al-Badiya nicht mehr so stark präsent sei, sondern viele Überfälle und Angriffe von der gestürzten syrischen Regierung dem IS zugeschoben worden seien. Die Informationen über die Zahlen und Bewegungen der Organisation sind ungenau und sehr variabel. Einige Quellen vor Ort deuten aber darauf hin, dass die Zahl der aktiven IS-Kämpfer in Syrien zwischen 900 und 1.100 liegt, wobei sich der größte Teil von ihnen in der levantinischen al-Badiya befindet. In den letzten Jahren, nachdem der IS seine letzten städtischen Hochburgen verloren hatte, führten IS-Gruppierungen Hunderte von militärischen und sicherheitspolitischen Operationen in Syrien durch, meist in Form von Schnellangriffen auf Stellungen iranischer Milizen und Angehörige der ehemaligen syrischen Regime-Armee, zusätzlich zu aufeinanderfolgenden Angriffen auf Öltankwagen. Zuletzt hat der IS die Sicherheitslücke ausgenutzt, die durch den Zusammenbruch des ehemaligen Assad-Regimes im vergangenen Dezember entstanden ist. Seither wurde der IS sichtbarer, aktiver und mutiger, wobei er auch Terroristen aus ihren Verstecken in der Badiya in die umliegenden Städte schickte. So sind etwa Zellen des IS im Nordosten Syriens in den Gebieten al-Hasaka, Ar-Raqqa und Deir ez-Zor weiterhin aktiv und nutzen die chaotische Lage, um ihre Angriffe zu intensivieren. Insbesondere die SDF sind gezielten Angriffen von Zellen des IS ausgesetzt. In Ar-Raqqa haben IS-Schläferzellen in den letzten Monaten gezielte Anschläge auf islamistische Sicherheitskräfte und Verwaltungsstrukturen verübt. In Deir ez-Zor nutzt der IS das Machtvakuum, um Schläferzellen zu reaktivieren, und in den ländlichen Gebieten verübt der IS regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, Checkpoints und lokale Stammesführer, die mit den neuen Machthabern kooperieren. Auch in Zentralsyrien greifen IS-Zellen regelmäßig Kontrollpunkte an und am 10.12.2024 haben Kämpfer des IS in der Region Homs mindestens 54 Menschen getötet, die alle ehemalige Mitglieder der Regierung von Bashar al-Assad gewesen sein sollen und nach deren Zusammenbruch versucht haben sollen, zu fliehen (vgl. 1.3.2.).
In Gesamtschau dieser Länderinformationen ist der IS damit nach dessen Zurückdrängung im Jahr 2019 zwar weiterhin in Syrien präsent und dazu in der Lage, Anschläge zu verüben. Bislang ist es jedoch zu keinem großflächigen Wiedererstarken des IS gekommen und ist dieser derzeit nicht dazu in der Lage, staatliche Strukturen aufzubauen bzw. über einen bestimmten Teil des Staatsgebietes kontrolliert und effektiv die Macht auszuüben und somit die Staatsgewalt zu repräsentieren. Es wird nicht verkannt, dass – den Länderberichten zufolge – der Abzug der USA eine Stärkung des IS bewirken würde, weil die Gruppierung die Schwäche der neuen syrischen Übergangsregierung ausnutzen würde, die nicht in der Lage sei, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren. Bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt ist jedoch festzuhalten, dass es bislang zu keinem großflächigen Wiedererstarken des IS gekommen ist.
Der IS verfügt daher aktuell nicht über eine solche Kapazität und Präsenz in Syrien, die eine aktuell bestehende, konkret und individuell die Person des Beschwerdeführers betreffende Verfolgungsgefahr nahelegen würde. Zwar verübt der IS weiterhin gezielte Anschläge, doch richten sich diese vorrangig gegen die SDF, islamische Sicherheitskräfte und Verwaltungsstrukturen sowie ehemalige Mitglieder des Assad-Regimes. Dass der Beschwerdeführer eine dermaßen zentrale Persönlichkeit wäre, die aktuell im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet Ziel eines konkret gegen seine Person gerichteten Angriffes des IS werden würde, ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen (vgl. 2.2.5., 2.2.6.). Insgesamt ist damit ein konkretes, auf die Person des Beschwerdeführers bezogenes aktuelles Interesse des IS nicht als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen.
2.2.5. Zur vorgebrachten Bedrohung aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zum Sufismus vonseiten der neuen syrischen Regierung bzw. der HTS und/oder dem IS:
Erstmals in der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er „sunnitischer Sufi“ sei (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 10). Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers, erwähnte er seine angebliche konfessionelle Ausrichtung, weder bei der polizeilichen Erstbefragung, der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, der schriftlichen Beschwerde noch bei der schriftlichen Stellungnahme vor der mündlichen Verhandlung. Auf die explizite Frage der belangten Behörde, welche Religionszugehörigkeit er habe, gab er lediglich an, dass er „Muslim, Sunnit“ sei (vgl. AS 45). Eine zu ungenaue Befragung diesbezüglich kann der belangten Behörde jedoch nicht vorgeworfen werden, da sie den Beschwerdeführer insbesondere auch hinsichtlich einer möglichen Stammeszugehörigkeit befragte (vgl. AS 45).
Dass das Protokoll insofern unrichtig wäre, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, es sind dafür auch keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen. Lediglich am Anfang der mündlichen Verhandlung brachte er vor, dass ihm das Protokoll zwar rückübersetzt worden sei, er dem Dolmetscher aber mitgeteilt habe, dass „einige Sachen nicht aufgenommen bzw. beim Dolmetscher nicht richtig angekommen“ seien (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 5). Dem Einvernahmeprotokoll ist jedoch zu entnehmen, dass ihm dieses wortwörtlich rückübersetzt wurde und dass der Beschwerdeführer keine Einwände gegen ebenjene Übersetzung vorbrachte (vgl. AS 50). Da der Beschwerdeführer insbesondere weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme etwaige Übersetzungsfehler bemängelte, kann von der Richtigkeit des Einvernahmeprotokolls, welches der Beschwerdeführer auch unterschrieben hat (vgl. AS 51), ausgegangen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen im Allgemeinen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr muss grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). In einer Gesamtschau der beweiswürdigenden Erwägungen und unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung konnte der Beschwerdeführer daher nicht glaubhaft machen, ein sunnitischer Sufi zu sein und deswegen von der neuen syrischen Regierung oder der offiziell aufgelösten HTS oder vom IS gesucht zu werden, weshalb diesbezüglich eine Negativfeststellung zu treffen war.
Zudem sind den aktuellen Länderberichten auch keine diesbezüglichen weiterführenden Informationen bezugnehmend allfälliger Bedrohungen gegenüber Angehörigen des Sufismus zu entnehmen. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass es im Laufe des Bürgerkrieges zu Übergriffen auf Angehörige des Sufismus bzw. Mitgliedern von Sufi-Orden vonseiten des IS kam (vgl. https://www.aljazeera.com/opinions/2014/10/6/fanaticisms-antidote-the-sufis; https://www.thearabweekly.com/syrias-sufis-persecuted-isis-al-nusra-front, jeweils abgerufen am 04.07.2025), aufgrund der Unglaubhaftigkeit des massiv gesteigerten Vorbringens des Beschwerdeführers konnte jedoch von einer näheren Auseinandersetzung abgesehen werden. Der Beschwerdeführer konnte daher nicht glaubhaft vorbringen, dass er ein sunnitischer Sufi ist und aufgrund dessen eine Gefahr vonseiten der neuen syrischen Regierung oder der offiziell aufgelösten HTS oder des IS zu vergegenwärtigen hätte.
2.2.6. Zur vorgebrachten Bedrohung vonseiten des IS aufgrund einer angeblichen Inhaftierung des Beschwerdeführers, seines Vaters und der angeblichen Ermordung seines Onkels:
Bereits in der polizeilichen Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater zwischen 2016 und 2017 für 10 Tage inhaftiert worden sei. Der Beschwerdeführer selbst habe sich für 40 Tage in Haft befunden. Sein Onkel sei vom Islamischen Staat entführt und getötet worden (vgl. AS 13).
In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde erwähnte der Beschwerdeführer weder Inhaftierungen noch sonstige Bedrohungen durch den IS.
Auch in seiner schriftlichen Beschwerde führte er diesbezüglich nichts Näheres aus und verwies lediglich auf seine Angaben in der polizeilichen Erstbefragung (vgl. AS 206).
Ebenso verwies er in seiner schriftlichen Stellungnahme lediglich auf sein bisheriges Vorbringen (vgl. OZ 5, S. 2: „Der BF gab im bisherigen Verfahren […] als auch seine Furcht vor Vergeltung vom IS, der ihn und seinen Vater inhaftiert hat [an].“).
In der mündlichen Verhandlung führte er aus, dass er und sein Vater festgenommen worden seien und sein Onkel mütterlicherseits ermordet worden sei (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 10).
Der Beschwerdeführer führte - trotz seines extensiven Vorbringens – kein einziges Mal näher aus, warum er und sein Vater angeblich vom IS inhaftiert worden seien. Auch die Entführung und Tötung seines Onkels erläuterte er nicht näher, dies obwohl er am Ende der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde explizit gefragt wurde, ob er „alles zu seinen Fluchtgründen vorbringen“ habe können (vgl. AS 50). Des Weiteren konnte der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar dartun, warum er ca. 8 Jahre nach seiner angeblichen Inhaftierung weiterhin vom IS gesucht und bedroht werden sollte. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich auch der Vater des Beschwerdeführers trotz der behaupteten Inhaftierung durch den IS nach wie vor – offenkundig völlig unbehelligt – im Herkunftsgebiet aufhalten kann, ohne dass es im Anschluss an die vorgebrachte Inhaftierung zu weiteren Problemen oder Repressalien von Seiten des IS gekommen wäre, zumal solche vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht wurden. Der Beschwerdeführer führte diesen Umstand darauf zurück, dass sein Vater nicht mehr „wie früher gehen oder sich bewegen“ könne und „zu Hause sitze“. Er sei zu alt geworden, „noch ein paar Tage und er [werde] sterben“. Der Sheikh bzw. Familienclanführer habe mit den HTS-Leuten geredet und ihnen gesagt: „diese Person ist zu alt. Bei jeder kleinen Sache kann er sterben, er gehörte früher zur Sufi-Richtung. Lassen Sie ihn bitte in Ruhe leben, wir suchen nach seinem Sohn.“ (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 12,13). Dass der Vater des Beschwerdeführers bei einer derart großen Gefahr, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers unmöglich machen würde, lediglich aufgrund des Ausführungen seines Sheikhs von den HTS bzw. IS-Leuten in Ruhe gelassen werden sollte, ist weder nachvollziehbar noch glaubhaft, zumal dies auch nicht die Jahre direkt nach der angeblichen Inhaftierung seines Vaters erklären würde.
Insgesamt ist damit ein konkretes, auf die Person des Beschwerdeführers bezogenes aktuelles Interesse des IS nicht als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen (vgl. zur derzeitigen Aktivität des IS 2.2.4.).
2.2.7. Zu einer allfälligen Zwangsrekrutierung vonseiten der SDF:
In den neuen Länderinformationen wird hinsichtlich möglicher Rekrutierungen vonseiten der SDF hauptsächlich auf die Situation vor dem Umsturz des Assad-Regimes Bezug genommen. Demnach gibt es in der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) einerseits die Community Protection Forces, die für den Schutz Nord- und Ostsyriens und die Gewährleistung des Schutzes von Leben und Eigentum der Bürger vor allen Angriffen und Besatzungen verantwortlich sind. Die Community Protection Forces werden unter Beteiligung aller Bürger organisiert. Selbstverteidigung ist ein Recht und eine Pflicht für jeden Bürger. Es ist die Pflicht organisierter ethnischer und religiöser Gruppen, sich wirksam am Selbstverteidigungssystem zu beteiligen, angefangen bei Stadtvierteln, Dörfern, Städten und allen Wohneinheiten. Anderseits erwähnt Artikel 111 auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF). Sie sind die legitimen Verteidigungskräfte in der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens. Sie nehmen den freiwilligen Beitritt der Söhne und Töchter des Volkes und die Pflicht zur Selbstverteidigung an. Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben (Artikel 13). Wehrpflichtig ist jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 1). Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der „Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien“ hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, die Erklärung wurde vom Verteidigungsbüro der Autonomen Verwaltung an alle Verteidigungsbüros in der Region verteilt. Darin steht, wer zwischen dem 1.1.1998 und dem 31.12.2005 geboren ist, ist für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig. Araber und Kurden werden laut von ACCORD befragten Experten vor dem Gesetz gleichbehandelt. Es würde jedoch mehr Flexibilität gegenüber Arabern gezeigt werden, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken. Einem Syrienexperten zufolge seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich (vgl. 1.3.4.2.).
In der aktuellen ACCORD Anfragebeantwortung vom 21.03.2025 wird auf die Lage seit dem Machtwechsel im Dezember 2024 Bezug genommen (vgl. ACCORD 1, 1.3.4.2.). Darin wird berichtet, dass SDF-Kräfte Verhaftungs- und Rekrutierungskampagnen, auch von ethnischen Arabern, in den von ihnen kontrollierten Gebieten durchgeführt hätten. Einer Quelle zufolge bestehe ein Mangel an Kräften in den Reihen der SDF und sei diese daher nicht imstande neue Rekrutierungskampagnen in der Region zu starten. Es könnten nur begrenzt Rekrutierungsoperationen, hauptsächlich im Gouvernement Al-Hasakah, durchgeführt werden. Der Quelle zufolge prüfe die SDF sämtliche Optionen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, unter anderem durch den Aufbau neuer Kräfte. Die SDF sehe für jeden Mann, der das Alter von 18 Jahren erreicht habe und zwischen 1998 und 2006 geboren sei, eine einjährige Wehrpflicht vor.
Da der Beschwerdeführer bereits XXXX Jahre alt ist (Geburtsjahrgang XXXX ), ist es insbesondere aufgrund der veröffentlichten rekrutierungspflichtigen Geburtsjahrgängen nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer vonseiten der SDF oder ihr nahestehenden Gruppierungen im Fall einer Rückkehr rekrutiert werden würde. Zudem befindet sich das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers nicht in einem DAANES-Gebiet, weswegen der Beschwerdeführer auch nicht verpflichtet ist den „Selbstverteidigungsdienst“ abzuleisten, zumal die SDF/PYD im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers – mangels Kontrolle – auch keine Zugriffsmöglichkeiten auf diesen hat.
Unter Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ist es daher nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass die SDF den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr zwangsrekrutieren würde. Dem Beschwerdeführer droht daher weder vonseiten der neuen syrischen Regierung, der ehemaligen HTS noch von der kurdisch dominierten SDF eine Zwangsrekrutierung.
2.2.8. Zur vorgebrachten Bedrohung vonseiten der SDF/PYD aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Stamm der XXXX und seiner angeblichen Teilnahme an Demonstrationen:
Erstmals in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass er dem Stamm der XXXX angehöre (vgl. AS 45).
In der schriftlichen Stellungnahme vom 27.03.2025 führte der Beschwerdeführer aus, dass er „Angst vor den kurdischen Kräften [habe], da er zum Stamm der XXXX gehör[e] und die Stämme schon lange mit den Kurden einen erbitterten Kampf führen“ würden (vgl. OZ 5, S. 2).
Gegen Ende der mündlichen Verhandlung brachte er ebenso vor, dass es militärische Konflikte zwischen „Kurden und XXXX “ gebe, das sei „innerhalb der Familie“. Er würde von den Kurden gesucht werden, weil die Kurden „gegenüber von seinem Heimatort“ seien. Es habe „starke Probleme zwischen Arabern und Kurden gegeben“, sein Name sei als Person, „die Probleme verursacht [habe] angeführt“ worden. Auf Nachfrage der erkennenden Richterin, welche Probleme er meine, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass es „am Anfang Demonstrationen mit dem Regime, mit den Kurden“ gegeben habe, „die Sachen [seien] durcheinander“ gewesen. Jede Person, die auf der Straße gewesen sei und „irgendeine Sache diesbezüglich erwähnt [habe]“ sei namentlich erfasst worden. Auf die weitere Frage, wie seine Eltern dann dort wohnen könnten, brachte der Beschwerdeführer vor, dass es dort „landwirtschaftliche Grundstücke, Gemüse und Obst“ gebe, sie „dort aber nicht wohl leben“ würden. Völlig zusammenhangslos gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob die Kurden alle Araber von diesem Stamm verfolgen würden, an, dass sich „ein Teil der Araber den Kurden angeschlossen [habe] und sie zwangsrekrutiert“ worden seien (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 11).
Der öffentlich zugänglichen ACCORD „Anfragebeantwortung zu Syrien: Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES): Informationen zu Clans und Stämmen (Präsenz, Strukturen, Mitgliedschaften, bewaffnete Konflikte/Konkurrenzkämpfe in Raqqa und Deir ez-Zor, Militärische Kontrolle der Stämme und Möglichkeit machthabende Kräfte herauszufordern, mögliche Verwaltung über die Bevölkerung)“ vom 16.11.2023 – die sich auf die Lage vor dem Machtwechsel im Dezember 2024 stützt – lassen sich im Gebiet des Herkunftsortes des Beschwerdeführers mehrere arabische Stämme und Clans entnehmen. Aufgrund der zahlreichen Transkriptionen bestehen für die Stämme unterschiedliche Schreibweisen, daher ist es naheliegend, dass der Beschwerdeführer den Stamm der AKIDAT (auch Al-E’keidat ; vgl. hierzu eine vom Center for Operational Analysis and Research (COAR) veröffentlichte Landkarte der Stammesgebiete vom Mai 2019) meinte. Laut der ACCORD Anfragebeantwortung vom 16.11.2023 ist dieser Stamm einer der berühmtesten im Gebiet des Euphrat. Laut COAR seien Stämme von einem gemeinsamen Verwandtschaftsnetzwerk geprägt, das auf einer gemeinsamen väterlichen Abstammung basiere. Grundsätzlich sei die Stammeszugehörigkeit ein unveränderliches Merkmal, was bedeute, dass man den Stamm nicht wechseln könne. Für viele sei die Stammeszugehörigkeit nur eine mehrerer sozialer Identitäten, wie ihre Religion, Nationalität oder Ethnizität. Die AANES (jetzige DAANES) habe Versöhnungskomitees und -räte sowie einen Ältestenrat, der sich aus Scheichs und angesehene Persönlichkeiten aus der Region zusammensetze, gebildet. Es gebe weiters ein Allgemeines Versöhnungskomitee, dessen Aufgabe darin bestehe, Clanprobleme zu lösen, wenn die lokalen Versöhnungsprozesse der Clans keine Lösung erbringen. Laut Scheich Al-Jassim aus Deir ez-Zor gebe es in der Provinz keine formelle richterliche Autorität. Die Clans würden in Deir ez-Zor diese Aufgaben übernehmen (vgl. 1.3.5.1.).
Etana Syria berichtet im August 2023 über gewalttätige Konfrontationen zwischen den SDF und Stammeskräften in Deir ez-Zor. Der Auslöser für die Kämpfe sei die Festnahme des Kommandeurs des Militärrats von Deir ez-Zor, Abu Khawla, und mehrerer seiner hochrangigen Mitarbeiter durch die SDF gewesen. Fraktionen des Militärrats hätten sich zusammen mit verschiedenen Stammesangehörigen gerächt, indem sie Straßen gesperrt, Checkpoints unter ihre Kontrolle gebracht und SDF-Militärstandorte im Osten von Deir ez-Zor belagert hätten. Es hätten sich immer mehr Städte und Clans an den Angriffen gegen die SDF beteiligt. Am 30. August habe sich der Scheich der Akidat-Stammeskonföderation, die die Provinz Deir ez-Zor dominiere, zu Wort gemeldet. Der Scheich, der ein langjähriger Verbündeter der SDF gewesen sei, habe alle Stämme und Clans in Deir ez-Zor dazu aufgerufen sich gegen die SDF zu vereinen. In den zwei Tagen nach dem Aufruf seien die SDF aus allen Akidat- und Shaytat-Gemeinden zwischen dem Fluss Khabour bis hin zur irakischen Grenze vertrieben worden. Während einige Mitglieder Ende August begonnen hätten SDF-Positionen anzugreifen, hätten sich manche Stammesführer ausdrücklich für die SDF ausgesprochen. Die meisten seien neutral geblieben. Jusoor for Studies berichtet im Oktober 2023, dass die SDF am 8. September 2023 ihre Militäroperation in Deir ez-Zor für beendet erklärt hätten. Die Angriffe der Stammeskämpfer gegen die SDF würden jedoch weitergehen. Der Kern der Aktivitäten konzentriere sich auf Gebiete, in denen der Akidat-Stamm lebe. Dhiban, wo die Führung des Akidat-Stammes ansässig sei, diene als Knotenpunkt der Stammeskämpfer. Aufgrund der Aktivitäten der Stammeskämpfer hätten die SDF nur einen schwachen Einfluss in den Außenbezirken von Deir ez-Zor. Laut Jusoor for Studies sei die Kontinuität der Kämpfe durch die Stämme von menschlicher, finanzieller und militärischer Unterstützung abhängig. Al-Mayadeen schreibt Ende Oktober 2023, dass laut lokalen Medien Stammeskämpfer am 29. Oktober an einer groß angelegten Offensive im Umland von Deir ez-Zor teilgenommen hätten, um die Kontrolle über die von den Kurden kontrollierten Gebieten in der Region zu erlangen. Es sei ihnen gelungen den Großteil der Stadt Abu Hardoub einzunehmen und in die Stadt Dhiban einzudringen und dort mehrere Stadtteile einzunehmen. Stammesmitglieder hätten Anfang September die Kontrolle über das gesamte östliche Umland von Deir ez-Zor übernommen, bevor die SDF die Kontrolle zurückerlangt hätten (vgl. 1.3.5.1.).
Laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.01.2024 nahmen jedoch nur zwei der zwölf Clans des Al-Akidat-Stammes an den Kampfhandlungen gegen die SDF teil (vgl. BFA). Einem Artikel der ANHA (HAWAR NEWS AGENCY) zufolge, deklarierte der Akidat Stamm nunmehr seine Unterstützung für die AANES (vgl. https://hawarnews.com/en/akidat-tribe-confirms-their-support-for-aanes, abgerufen am 04.07.2025).
Den aktuellen Länderberichten sind keine Informationen zu dem Stamm der Akidat zu entnehmen. Das rezente Länderinformationsblatt berichtet jedoch Anfang März 2025 von Demonstrationen in Deir ez-Zor gegen die SDF. Es wurde einerseits dazu aufgerufen, die Verantwortlichen für die Angriffe in den Küstengebieten zur Rechenschaft zu ziehen, andererseits aber auch gegen die SDF skandiert. Mindestens 25 arabische Stämme haben seit dem 14.04.2025 die SDF verurteilt, wahrscheinlich als Reaktion auf die anhaltenden Forderungen der SDF nach einer Dezentralisierung der Kontrolle Damaskus’ im Nordosten Syriens. Die Stämme lehnten das, was sie als „separatistisches Projekt“ bezeichneten, das den mehrheitlich arabischen Gebieten aufgezwungen werde, ab. „Separatistisches Projekt“ ist eine häufig verwendete Bezeichnung für die Bemühungen der SDF, unter der Übergangsregierung die Dezentralisierung und Föderalisierung im Nordosten Syriens zu erreichen. Unbekannte arabische Stammesführer trafen sich kürzlich in der Provinz ar-Raqqa mit den SDF, um deren Aufruf zur Unterstützung nachzukommen. Andere arabische Stammesführer verurteilten diese Treffen und stellten klar, dass die beteiligten Personen nicht die offizielle Position ihrer Stämme vertreten. Stattdessen bekundeten die Stammesführer ihre Unterstützung für die Übergangsregierung in Damaskus. Einige arabische politische Gruppierungen kündigten am 15.04.2025 die Bildung eines neuen Rates an, um sich der Kontrolle der SDF im Nordosten Syriens zu widersetzen und eine einheitliche Front für Verhandlungen mit Damaskus zu bilden (vgl. 1.3.5.1.). In den DAANES Gebieten wurden vonseiten der SDF Großrazzien und Verhaftungskampagnen durchgeführt, die auf Zivilisten abzielten, denen eine Verbindung zum IS, zu den mit den SDF in Konflikt stehenden arabischen Stämmen oder der Syrian National Army (SNA) vorgeworfen wird (vgl. 1.3.5.1.).
Unter Betrachtung der vorliegenden Länderinformationen ergibt sich zwar ein volatiles Bild im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, jedoch kann aus den Länderberichten nicht geschlussfolgert werden, dass alle Männer aus seinem Stamm bedroht werden würden, insbesondere da die Länderberichte die Festnahme von Abu Khawla und einen Aufruf des Scheichs der Akidat Stammeskonföderation zu Vereinigung gegen die SDF, und eben nicht die Stammeszugehörigkeit, als Auslöser der Streitigkeiten im Jahr 2023 verorteten. Ebenso machte der Beschwerdeführer trotz mehrmaligen Nachfragens der erkennenden Richterin keine genaueren Angaben hinsichtlich etwaiger Gefahren.
Zudem befindet sich der Herkunftsort des Beschwerdeführers entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers – wie bereits beweiswürdigend ausgeführt – nicht unter „geteilter Kontrolle der HTS und der SDF“ (vgl. OZ 5, S. 2), sondern unter Kontrolle der neuen syrischen Regierung (vgl. insb. tagesaktuelle Online Länderkarten: ISW und CT Map, https://storymaps.arcgis.com/stories/1933cb1d315f4db3a4f4dcc5ef40753a; Syria LiveuaMap, https://syria.liveuamap.com/, jeweils abgerufen am 04.07.2025). Die SDF/PYD befindet sich auf der anderen Seite des Euphrat und hat daher keine Zugriffsmöglichkeiten auf den Beschwerdeführer. Dieser Umstand findet auch Einklang mit den Aussagen des Beschwerdeführers, wonach die Kurden lediglich „gegenüber“ (Anm.: gemeint ist auf der anderen Seite des Euphrat) seines Herkunftsortes die Kontrolle innehätten. Die vom Beschwerdeführer geäußerte Angst hinsichtlich der Kurden bezieht sich lediglich auf einen Besuch seiner Familie im DAANES-Gebiet, damit negiert er ebenso eine etwaige Bedrohung in seinem Herkunftsort (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 12: „Im Falle einer Rückkehr wird es mir nicht möglich sein, mich in dieses Gebiet zu begeben.“).
Zudem befinden sich auch seine Eltern weiterhin in seinem Herkunftsort, eine Bedrohung vonseiten der Kurden aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit brachte er nicht vor. Warum genau der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in das Visier der SDF/PYD geraten sollte, konnte der Beschwerdeführer weder erklären noch haben sich diesbezüglich etwaige Anhaltspunkte ergeben.
Des Weiteren konnte der Beschwerdeführer die Teilnahme an Demonstrationen gegen die SDF/PYD nicht glaubhaft vorbringen. Wie bereits ausgeführt, brachte der Beschwerdeführer erstmals in der schriftlichen Beschwerde vor, dass er an Demonstrationen in Syrien teilgenommen habe. Diese seien jedoch gegen das syrische Regime – und nicht gegen die SDF/PYD – abgehalten worden (vgl. AS 206 ff.). Abgesehen davon, dass die Demonstrationsteilnahmen an Demonstrationen gegen das syrische Regime als übersteigert anzusehen sind – da er diese weder in der polizeilichen Erstbefragung noch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde erwähnte -, konnte er ebenso wenig die Teilnahme an Demonstrationen gegen die SDF/PYD glaubhaft vorbringen. Am Anfang der mündlichen Verhandlung führte er abermals aus, dass er „am Anfang der Revolution ein Oppositioneller“ gewesen sei, sie hätten aber nicht gekämpft, sondern nur an Demonstrationen teilgenommen. Auf Nachfrage der erkennenden Richterin, gegen wen oder wofür er demonstriert habe, brachte er „das damalige Regime in Syrien“ vor (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 8). Auch in seinen darauffolgenden Ausführungen bezog er sich lediglich auf das ehemalige Assad-Regime (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 9: „Wir haben gegen das Regime demonstriert […] Wir haben dagegen demonstriert, alle Leute, die gegen das Regime demonstriert haben waren von Seiten des Regimes bestellt. […] Wir waren von mehreren Seiten bestellt, von Seiten der Geheimdienste und von Seiten der Palästin-Abteilung. Uns erwartete eine Gefängnisstrafe in Sednaya […]“). Erstmals gegen Ende der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass es „am Anfang Demonstrationen mit dem Regime, mit den Kurden“ gegeben habe (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 11). Auf explizite Nachfrage der erkennenden Richterin, warum er von den Kurden gesucht werden sollte, brachte er vor, dass er im Jahr 2012 an Demonstrationen teilgenommen habe. Die Kurden hätten sie damals gesucht, um sie dem syrischen Regime zu überstellen, weil sie „als Revolutionäre für [ihre] Rechte und Freiheit demonstriert hätten“. Diese „Aktenunterlagen“ würden sich mittlerweile bei den Kurden befinden und deswegen würde er gesucht werden. Als die erkennende Richterin nachhakte, warum die Kurden ihn wegen der Teilnahme an Demonstrationen gegen das syrische Regime suchen sollten, brachte er zu Protokoll, dass sie auch gegen die Kurden demonstriert hätten (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 13). Sie hätten ein System, da sei alles abgespeichert, würden sie seine Daten überprüfen würden sie sein Foto und seine Daten sehen (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 14).
Abgesehen davon, dass sein Vorbringen bezüglich seiner angeblichen Teilnahme an Demonstrationen massiv gesteigert ist, konnte der Beschwerdeführer trotz expliziter Fragen nicht erklären, warum die SDF/PYD 13 Jahre nach angeblichen Demonstrationsteilnahmen weiterhin Interesse an seiner Person haben sollte. Zudem brachte der Beschwerdeführer selbst mehrmals in der mündlichen Verhandlung vor, dass die SDF/PYD lediglich gegenüber seinem Herkunftsort die Kontrolle innehabe.
Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit keinen – die nicht bereits vom subsidiären Schutz abgedeckt wären – konkreten Bedrohungen gegenüber seiner Person im Fall einer Rückkehr nach Syrien ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht glaubhaft machen, dass er an Demonstrationen gegen die SDF/PYD teilnahm und deswegen in das Visier der SDF/PYD geraten ist.
2.2.9. Zur vorgebrachten Bedrohung aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung im Ausland:
Der Beschwerdeführer brachte diesbezüglich lediglich in der schriftlichen Beschwerde vor, dass ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich im Fall einer Rückkehr eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde (vgl. AS 214). Der Vollständigkeit halber ist jedoch noch einmal darauf hinzuweisen, dass sich die die Lage in Syrien maßgeblich geändert hat und das ehemalige Assad-Regime seit Dezember 2024 nicht mehr existiert.
Zudem liegen nach dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die neue syrische Regierung oder die SDF dem Beschwerdeführer aufgrund seiner illegalen Ausreise und/oder seiner Asylantragstellung im Ausland eine oppositionelle politische Haltung unterstellen würde; insbesondere zumal diese Ereignisse zeitlich vor dem Regimewechsel in Syrien stattgefunden haben. Ebenso wenig führt eine Asylantragstellung in Österreich zu Sanktionen, weil die Antragstellung den syrischen Behörden nicht bekannt ist, zumal es den österreichischen Behörden untersagt ist, diesbezüglich Daten an die syrischen Behörden weiterzuleiten. Der Beschwerdeführer läuft daher auch nicht Gefahr, dass seine „Geheimnisse“, die er in der mündlichen Verhandlung bzw. im Laufe des Verfahrens vorbrachte, veröffentlicht werden würden (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 10: „Das, was ich Ihnen jetzt erzähle, wenn diese Informationen bei der Botschaft landen, wird es für meine Familie sehr gefährlich sein, falls die Beziehungen wieder gut sind zwischen Syrien und [der] EU. Sie haben mir am Anfang schon gesagt, dass nichts nach Syrien geschickt wird. Ich habe Ihnen vertraut und Ihnen mein Herz geöffnet.“).
Dem Beschwerdeführer droht daher auch aus diesen Gründen im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet kein Eingriff in seine körperliche Integrität.
2.2.10. Weitere Fluchtgründe
Weitere Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer nicht vor, auch ergab eine Einsicht in die aktuellen Länderinformationen keinen Hinweis darauf, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Bedrohung für Leib und Leben drohen könnte, weswegen die entsprechende Feststellung getroffen wird.
2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien aktuell.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3 (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.3. Wie festgestellt und zuvor beweiswürdigend dargelegt wurde, gibt es den verpflichtenden syrischen Wehrdienst unter der ehemaligen syrischen Regierung von Baschar al-Assad seit Dezember 2024 in der bis dahin geltenden Form nicht mehr. Nach dem Umsturz des syrischen Regimes unter der Führung von Bashar al-Assad erweist sich das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers (angebliche Teilnahme an Demonstrationen, drohende Rekrutierung zum Reservedienst) daher als nicht asylrelevant. Auch UNHCR hat sich in seiner jüngsten Überarbeitung seiner Position zur Situation in Syrien zum aktuellen Konfliktstand geäußert und bei dieser Gelegenheit Verfolgungsgefahren mit Ausgangspunkt beim vormaligen syrischen Regime klar negiert (vgl. UNHCR, Position on returns to the Syrian Arab Republic, vom Dezember 2024: „While risks related to persecution by the former Government have ceased […]“).
Der Beschwerdeführer läuft auch nicht Gefahr von der neuen syrischen Regierung als Assad-Anhänger oder als Gegner der neuen syrischen Regierung angesehen zu werden, da er niemals politisch in Erscheinung getreten ist und auch keine diesbezügliche verinnerlichte politische Gesinnung vorweisen konnte. Auch die Ableistung seines verpflichtenden Wehrdienstes vor Kriegsbeginn löst keine individuell konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers aus.
3.1.4. Ebenso haben sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, dass dem XXXX -jährigen-Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung vonseiten der neuen syrischen Regierung, der nunmehr offiziell aufgelösten HTS oder der SDF drohen würde.
3.1.5. Dem Beschwerdeführer droht weder aufgrund seines „europäischen Aussehens“ noch aufgrund seiner Zuschreibung als „Europa-Rückkehrer“ eine asylrelevante Verfolgung vonseiten der neuen syrischen Regierung und/oder der offiziell aufgelösten HTS.
Im Hinblick auf mögliche derartige Ordnungsvorschriften fehlt es insbesondere an einem Konnex zur GFK. So führt etwa der Verwaltungsgerichtshof zur Frage des „westlich" orientierten Lebensstils von afghanischen Frauen – im Hinblick auf Männer spielt diese Thematik in der Judikatur ohnedies keine Rolle – aus, dass ausschlaggebend für die Asylrelevanz eine Lebensweise ist, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung der Grundrechte zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388). Verhaltensweisen wie lange Haare oder ein kurz geschnittener Bart fallen nicht unter einen entsprechenden Schutz der Grundrechte, zumal der Beschwerdeführer selbst angibt, „einfach zum Friseur gehen zu können“ (vgl. Niederschrift vom 28.03.2025, S. 13).
3.1.6. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er ein sunnitischer Sufi ist, ihm droht daher weder vonseiten der neuen syrischen Regierung, der offiziell aufgelösten HTS oder des IS eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit.
3.1.7. Wie festgestellt und zuvor beweiswürdigend dargelegt wurde, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er und sein Vater in den Jahren 2016 bzw. 2017 inhaftiert und sein Onkel entführt und ermordet wurde. Der Beschwerdeführer wird aufgrund dessen weder von IS-Terroristen noch von der offiziell aufgelösten HTS oder der neuen syrischen Regierung verfolgt, er steht auch nicht auf einer gemeinsamen Fahndungsliste des IS und der HTS. Ihm droht aufgrund dessen weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität.
3.1.8. Der Beschwerdeführer wird, wie beweiswürdigend ausgeführt, nicht aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit zu den XXXX vonseiten der SDF/PYD asylrelevant verfolgt. Ebenso wenig nahm er an Demonstrationen gegen die SDF/PYD, die ihn in das Visier der kurdischen Milizen gebracht hätten, teil.
3.1.9. Bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien droht ihm daher aus diesen Gründen individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität.
3.1.10. Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind. Dementsprechend konnten der in Syrien herrschende (Bürger-)Kriegszustand, die dortige Versorgungs-, Sicherheits- und Menschenrechtslage – auch unter Berücksichtigung der Ereignisse seit Ende November 2024 – nicht die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zur Folge haben (vgl. VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151). Wegen der Versorgungslage in Syrien erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ohnedies mit Bescheid vom 27.09.2024 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (vgl. AS 89).
Der Beschwerdeführer ist durch den ihm bereits rechtskräftig zukommenden Status des subsidiär Schutzberechtigten vor einer ihm allenfalls drohenden Gefährdung durch willkürliche Gewalt im Herkunftsgebiet geschützt. Eine darüberhinausgehende individuelle und konkret drohende Verfolgungsgefahr aus asylrelevanten Gründen konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen.
3.1.11. Schließlich droht einer politisch nicht exponierten Person wie dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien auch nicht bloß wegen seiner illegalen Ausreise oder der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die neue syrische Regierung.
Es liegt beim Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund vor.
3.1.12. Die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es auch nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
3.1.13. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die jüngst veröffentlichte Position des UNHCR zur Rückkehr nach Syrien („UNHCR Position on Returns to the Syrian Arab Republic“) der vorliegenden Entscheidung nicht entgegensteht:
UNHCR thematisiert die freiwillige Rückkehr („Voluntary Returns“), sowie das Moratorium zwangsweiser Rückführungen („Moratorium on Forced Returns“) und plädiert außerdem dafür, dass vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, erlassen werden. Zutreffend weist UNHCR zunächst darauf hin, dass das Risiko einer Verfolgung durch das ehemalige Assad-Regime, geendet ist. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den restlichen Länderinformationen, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung stützt. Soweit UNHCR allerdings ausführt, dass andere Risiken fortbestehen oder zunehmen könnten, ist zu betonen, dass grundlegende Informationen zu den nunmehrigen kontrollierenden oppositionellen Gruppierungen bereits den vor dem Sturz des Assad-Regimes bestehenden Länderberichten und sonstigen Entscheidungsgrundlagen zu entnehmen waren. Im Falle des Entstehens neuer Asylgründe infolge der Lageänderung in Syrien ab Ende November/Anfang Dezember 2024 wäre eine entsprechende Glaubhaftmachung beim Beschwerdeführer gelegen, dieser brachte jedoch weder glaubhaft neue Asylgründe vor noch substantiierte er seine bereits vorgebrachten Gründe. Zum für die Beurteilung und Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt ist jedenfalls von keiner asylrelevanten Verfolgung auszugehen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch UNHCR keine konkreten neuen Verfolgungsrisiken ins Treffen führt, sondern sich bloß allgemein auf die in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bezieht. Vor diesem Hintergrund sei abschließend noch einmal daran erinnert, dass der Beschwerdeführer ohnedies bereits den Status des subsidiär Schutzberechtigten innehat.
3.1.14. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten oder sonstigen Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
Die Beschwerde war daher betreffend Spruchpunkt I. und somit – da sie sich ausdrücklich nur gegen diesen richtete (vgl. AS 206) – zur Gänze als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Rückverweise