IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommando Oberösterreichs vom 02.04.2025, Zl. P1773456/6-MilKdo OÖ/Kdo/ErgAbt/2025 (4):
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 teilweise stattgegeben und XXXX von der Ableistung des Präsenzdienstes bis zum 30.04.2026 befreit. Im Übrigen wird die Beschwerde hinsichtlich des darüber hinausgehenden Zeitraums bis zum Mai 2027 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum bisherigen Verfahrensgang:
XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) stellte am 20.01.2025 einen Antrag auf „Verlängerung der Einberufung“ und brachte im Wesentlichen vor, seine Familie sei in einer finanziell schwierigen Lage und auf seine Unterstützung angewiesen. Seine Mutter sei aus gesundheitlichen Gründen arbeitslos und sein jüngster Bruder leide an XXXX . Durch die Ableistung des Grundwehrdienstes würde sich die Situation der Familie sehr verschlechtern. Mit Schreiben vom 04.03.2025 gab er an, die Befreiung für 2 Jahre (Mai 2027) zu beantragen.
Mit im Spruch genannten Bescheid wies das Militärkommando Oberösterreich (in Folge: Behörde) den Antrag auf befristete Befreiung bis Mai 2027 ab. Begründend wurde ausgeführt die familiären Interessen des Beschwerdeführers seien nicht besonders rücksichtswürdig, dies wäre nur der Fall, wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige durch Ausbleiben der Unterstützung in seinem Leben oder sonstigen wichtigen Interessen gefährdet wäre. Die finanziellen Verpflichtungen seien deshalb nicht berücksichtigungswürdig, weil er seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so regeln hätte müssen, dass vorhersehbare Schwierigkeiten hintangehalten werden.
Dagegen richtet sich die am 05.04.2025 bei der Behörde eingebrachte Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer der einzig aktive Unterstützungsfaktor im familiären Umfeld sei und seine Einberufung eine enorme psychische Belastung für seine Mutter und eine Gefährdung der Versorgung seines pflegebedürftigen Bruders bedeuten würde.
1.2. Zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt:
1.2.1. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner 42-jährigen Mutter, seinem inzwischen 18-jährigen und seinem 14-jährigen Bruder im gemeinsamen Haushalt in XXXX . Der jüngere Bruder des Beschwerdeführers hat das XXXX und einen daraus resultierenden Grad der Behinderung von 100%. Die Mutter des Beschwerdeführers hat aus gesundheitlichen Gründen einen Grad der Behinderung von 40%. Die Mutter des Beschwerdeführers bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von 28,80€ täglich, der ältere Bruder bezieht Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts plus Schulungszulage in Höhe von insgesamt 15,34€ täglich.
1.2.2. Der Beschwerdeführer ist die einzig erwerbstätige Person seiner familiären Haushaltsgemeinschaft. Die Familie ist auf dessen finanzielle Unterstützung angewiesen, bei Wegfall der Unterstützung wäre der Lebensunterhalt der Familie nicht mehr gesichert.
1.2.3. Die Mutter des Beschwerdeführers nahm für einen Autokauf einen Kredit auf. Zum 31.12.2024 haftete ein Betrag von 5.037,41€ aus die monatliche Kreditrate beträgt ca. 305€.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang (1.1.) ergeben sich aus den gänzlich unbedenklichen Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt (1.2.) ergeben sich
hinsichtlich 1.2.1. aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den zum Nachweis vorgelegten Dokumenten, insbesondere die Bestätigung der Haushaltsgemeinschaft der Gemeinde XXXX vom 06.02.2025, die Kopie des Behindertenpass des Bruders des Beschwerdeführers, ausgestellt durch das Sozialministeriumservice, das Sachverständigengutachtens zum Gesamtgrad der Behinderung der Mutter des Beschwerdeführers sowie die Mitteilungen des Arbeitsmarktservices über den Leistungsanspruch des Bruders und der Mutter des Beschwerdeführers;
hinsichtlich 1.2.2. aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den vorgelegten Beweismitteln. Wie sich aus diesen ergibt, leben sowohl die Mutter als auch der (gerade) volljährige Bruder des Beschwerdeführers von Sozialleistungen des Arbeitsmarktservice und muss die Mutter darüber hinaus einen Kredit bedienen. Insbesondere zeigt die Höhe der Leistungen eine prekäre finanzielle Situation, wenn man bedenkt, dass der Betrag des Existenzminimums 2025 (=Ausgleichszulagenrichtsatz gem. § 293 ASVG) für Alleinstehende 1.273,99€ beträgt und sich für jedes Kind unter 24, dessen Nettoeinkommen 468,58€ nicht erreicht um 197,57€ erhöht und
hinsichtlich 1.2.3. aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und dem vorgelegten Kontoauszug der Sparkasse XXXX vom 30.12.2024.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 26 Abs 1 WG 2001 sind taugliche Wehrpflichtige, soweit militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes auf Antrag zu befreien, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentlichen Interessen erfordern (Z 1) oder wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern (Z 2).
Gründe die für das Vorliegen militärischer oder sonstiger öffentlicher Interessen sprechen, wurden von Seiten des Beschwerdeführers nicht vorgebracht und sind auch nicht zu erkennen.
Der Beschwerdeführer führte jedoch das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen ins Treffen.
Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen liegen nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/11/0064; VwGH 21.09.1990, Zl. 90/11/0044; VwGH 27.03.2008, 2007/11/0202).
Die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen ist dann anzunehmen, wenn durch die fehlende Unterstützung der Angehörigen (hier: Eltern bzw. Geschwister) eine Gefährdung ihrer Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen, wie z.B. der Verlust der Existenzgrundlage, zu befürchten ist. Zur Unterstützung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen. Jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, haben überdies ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten (VwGH 13.12.2005, 2005/11/0167).
In gegenständlichem Fall ist die Familie des Beschwerdeführers – das heißt seine Mutter und seine zwei Brüder – zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf die finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers angewiesen.
Im Sinne der Rechtsprechung ist jedoch für die besondere Berücksichtigungswürdigkeit der familiären Interessen auch die Familie gehalten, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der bevorstehenden Präsenzdienstpflicht des Wehrpflichtigen zu harmonisieren. Darüber hinaus wären auch andere Familienmitglieder zur Unterstützung verpflichtet.
Gegenständlich ist nicht zu erkennen, dass die Familie gegen ihre Dispositions- und Harmonisierungspflicht verstoßen hätte.
Die Behörde selbst ging davon aus, dass die Mutter des Beschwerdeführers angesichts ihres Behinderungsgrades in ihrer Erwerbsfähigkeit um 60% gemindert ist, darüber hinaus pflegt und betreut sie den minderjährigen und schwer behinderten jüngsten Bruder des Beschwerdeführers. Dass die Mutter zur Anschaffung eines Autos einen Kredit aufnahm, mag zwar die angespannte finanzielle Lage der Familie nicht gebessert haben, zum einen resultierte aber die Unterstützungsbedürftigkeit nicht aus dieser Anschaffung, zum anderen ist angesichts des Wohnorts der Familie und dass die Mutter etwa im Rahmen ihrer Betreuungspflichten den jüngsten Sohn zur Schule oder zum Arzt bringen muss, durchaus nachvollziehbar, dass es sich bei dem Autokauf nicht um eine vermeidbare Anschaffung, bzw. eine die nach Ableistung des Präsenzdienst getätigt hätte werden können, handelte.
Hinsichtlich des 18-jährigen Bruders, der grundsätzlich auch angehalten wäre, die Mutter bzw. die Familie zu unterstützen, ist anzumerken, dass dieser gerade erst volljährig ist und auch noch nicht die Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht hat. Zum jetzigen Zeitpunkt kann daher noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Bruder während der Ableistung des Präsenzdienstes des Beschwerdeführers in der Lage wäre die Familie derart zu unterstützen, dass deren Existenzgrundlage gesichert wäre.
Im Gegensatz zu den Ausführungen der Behörde handelt es sich bei den hier drohenden Auswirkungen gerade nicht um solche, die sich innerhalb des allen Wehrpflichtigen gleichermaßen zumutbare Ausmaß an Nachteilen bewegen, sondern liegt hier ein Härtefall vor, für welchen die Befreiungsmöglichkeit nach § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 geschaffen wurde.
Eine Befreiung von der Ableistung kann jedoch nur verfügt werden, solange es besonders rücksichtswürdige Interessen fordern, dass dies entsprechend dem Antrag bis Mai 2027 der Fall wäre, ist jedoch nicht zu erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es innerhalb eines Jahres für die Familie möglich sein sollte, sich finanziell auf den Zeitraum der Einberufung des Beschwerdeführers vorzubereiten, dazu ist diese im Sinne der Rechtsprechung auch verpflichtet. Insbesondere der volljährige Bruder des Beschwerdeführers wird dann zur finanziellen Unterstützung der Familie angehalten sein.
Es war daher gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 der Beschwerdeführer bis zum 30.04.2026 von der Ableistung des Präsenzdienstes zu befreien. Soweit die Beschwerde den darüber hinausgehend abgewiesenen Befreiungszeitraum bis zum Mai 2027 betrifft war diese hingegen abzuweisen.
Von einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen standen. Ein Zusammenhang mit der GRC besteht nicht, die Verpflichtung, Wehr(ersatz)dienst zu leisten fällt nicht unter Art. 6 EMRK (siehe VfSlg. 17.341 sowie VfGH vom 15.10.2005, B 360/05, wo der Verfassungsgerichtshof diesen Zusammenhang auch nicht hergestellt hat). Darüber hinaus hätte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Entscheidung entscheidend nach hinten verschoben, was angesichts der Einberufung des Beschwerdeführers mit 05.05.2025 problematisch gewesen wäre.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat unter A) die relevante Rechtsprechung angeführt und konnte sich auf diese stützen.
Rückverweise