BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde der Gemeinde XXXX , vom 19.03.2024 gegen den Bescheid des Vermessungsamtes Imst vom 22.02.2024, GFN 222/2024/80:
A) Das beim Bundesverwaltungsgericht zur GZ. W114 2306344-1 anhängige Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der beim Verfassungsgerichtshof zu E 3758/2024 anhängigen Rechtssache ausgesetzt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 02.08.2024, GZ W138 2293894-1/5E, wurde eine Beschwerde der Gemeinde XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführerin), vom 10.10.2023, gegen den Bescheid des Vermessungsamtes Imst, Rathausstraße 14, 6460 Imst vom 12.09.2023, GFN 1312/2023/80, nach Beschwerdevorentscheidung vom 07.12.2023, GFN 1312/2023/80, aufgrund des Vorlageantrages vom 19.12.2023 abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung des Vermessungsamtes Imst vollinhaltlich bestätigt.
In dieser Angelegenheit ging es um die Frage, ob bei andauernden und großräumigen Bodenbewegungen unter Anwendung der Bestimmung des § 32a VermG und der Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über Vorschriften, unter welchen Bedingungen Grenzen von Grundstücken durch Bodenbewegungen als verändert anzusehen sind (Bodenbewegungsverordnung - BodBwV), BGBl. II Nr. 116/2017 die Umwandlung von Grundstücken vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster, die bereits Teil des Grenzkatasters geworden sind, rechtskonform wieder aufgehoben werden kann, sodass diese Grundstücke damit wiederum nur mehr Teil des nicht rechtsverbindlichen Grundsteuerkatasters sind.
Das BVwG bejahte im Erkenntnis des BVwG vom 02.08.2024, GZ W138 2293894-1/5E, die Rechtskonformität der Aufhebung der Umwandlung solcher Grundstücke.
Gegen diese Entscheidung des BVwG hat die Gemeinde XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , am 30.09.2024 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhoben und den Antrag gestellt, dass das Erkenntnis des BVwG vom 02.08.2024, GZ. W138 2293894-1/5E, wegen Verletzung der Beschwerdeführerin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verfassungswidrig, oder dieses Erkenntnis infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, aufzuheben.
Inhaltlich bestritt die Beschwerdeführerin, dass andauernde und großräumige Bodenbewegungen vorliegen würden. Die Beschwerdeführerin macht Verletzungen in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und im verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz (Art. 2 StGG; Art. 7 B-VG) sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG; Art. 1 1. ZP EMRK) geltend. Dazu wies sie darauf hin, dass die Bestimmung des § 32a VermG verfassungswidrig sei, und dass durch eine Rückgängigmachung einer Umwandlung der sich aus dem Grenzkataster sich ergebende Vertrauensschutz, der Grundstücken, die Teil des Grenzkatasters seien, anhafte, nicht mehr gegeben sei.
Der VfGH informierte das BVwG am 01.10.2024 zu E 5758/2024-2, dass gegen die Entscheidung des BVwG, GZ W138 2293894-1/5E am 01.10.2024 gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben bzw. ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen eben diese Entscheidung eingebracht wurde. Dieses Verfahren ist auch aktuell immer noch beim VfGH anhängig.
2. Auch in der nunmehr verfahrensgegenständlichen Angelegenheit geht das Vermessungsamt Imst von einer andauernden und großräumigen Bodenbewegung aus und hat daher mit Bescheid vom 22.02.2024, Geschäftsfallnummer: 222/2024/80, auf der Grundlage von § 32a VermG in Verbindung mit den Bestimmungen der BodBwV die ursprünglich mit Bescheid des Vermessungsamtes Imst vom 12.05.1998, Veränderungshinweis 3/1999, verfügte Umwandlung der im Eigentum von XXXX stehenden Grundstücke mit den Grundstücksnummern 723/3 und 736, KG XXXX , vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster aufgehoben.
Die Gemeinde XXXX , die als grundbücherliche Eigentümerin des Nachbargrundstückes mit der Grundstücksnummer 2691/1 KG XXXX auch von der Aufhebung der Umwandlung betroffen ist, und der daher im gegenständlichen Verfahren auch Parteistellung zukommt, hat mit Schriftsatz vom 19.03.2024 Beschwerde erhoben, die vom Vermessungsamt Imst am 22.01.2025 dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt wurde.
In dieser Beschwerde führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichsten zusammengefasst aus, dass durch das VermG rechtsverbindliche Grenzen garantiert werden würden. Durch die Novelle 2016 habe die Vermessungsbehörde die Garantie des Grenzkatasters in Gebieten mit indizierten Bodenbewegungen aufzuheben. Diese rechtliche Regelung greife in das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und den aus Art. 7 B-VG und der Erwerbs- und Eigentumsfreiheit abgeleiteten Vertrauensschutz ein. Dabei stünde zum Umgang mit Grundstücken im Grenzkataster in Gebieten mit Bodenbewegungen ein gelinderes Mittel zur Verfügung, das auch im gegenständlichen Fall bezüglich der Grundstücke Nr. 723/3 und 736 KG XXXX gewählt hätte werden können. Mit einem terrestrischen Polygonzug wäre zwischen den zwei nachgemessenen Festpunkten EP XXXX und EP XXXX und den vermessenen und vorgefundenen Grenzpunkten keine Koordinatendifferenz außerhalb der Toleranzgrenzen nachgewiesen worden.
Somit wurde von der Beschwerdeführerin die Sinnhaftigkeit der Sonderbestimmung gemäß § 15 VermV infrage gestellt, die einen terrestrischen Anschluss oder eine lokale Anfelderung im sogenannten Rutschgebiet nicht mehr zulasse. Es müsse aber in sogenannten Rutschgebieten möglich sein, einen alternativen terrestrischen oder lokalen Anschluss wieder zu verwenden, um den Verbleib von Grenzkatastergrundstücken im Grenzkataster weiterhin zu ermöglichen.
Daher beantrage die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und die Grundstücke Nr. 723/3 und 736 im Grenzkataster zu belassen. Es wurde auch angeregt, die Verfassungsmäßigkeit des § 32a VermG, des § 15 VermV und der Bodenbewegungsverordnung durch den Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Das Grundstück mit der Grundstücksnummer 2691/1 KG XXXX ist öffentliches Gut. Damit ist dieses Grundstück Teil des Gemeindeeigentums der Gemeinde XXXX . Das Eigentumsrecht an diesem Grundstück steht der Gemeinde XXXX zu. Das Grundstück mit der Grundstücksnummer 2691/1 KG XXXX grenzt im Osten an das Grundstück von XXXX mit der Grundstücksnummer 736 KG XXXX . Damit ist die Beschwerdeführerin auch von der in der angefochtenen Entscheidung verfügten amtswegig vorgenommenen Aufhebung der Umwandlung der Grundstücke mit den Grundstücksnummern 723/3 und 736, jeweils KG XXXX , betroffen. Der Beschwerdeführerin kommt in der gegenständlichen Angelegenheit Parteistellung zu.
2. Das BVwG hat mit Erkenntnis vom 02.08.2024, GZ W138 2293894-1/5E, in einer Angelegenheit im Anwendungsbereich des § 32a VermG entschieden, dass unter Berücksichtigung von § 32a VermG, wobei die Bestimmung des § 32a VermG in dieser Entscheidung vom BVwG als verfassungskonform vorausgesetzt wurde, die Aufhebung der Umwandlung von Grundstücken, die einer andauernden und großräumigen Bodenbewegung unterliegen, ebenfalls rechtskonform sei, obwohl die Beschwerdeführerin bereits damals verfassungsrechtliche Bedenken eingewandt hatte.
Diese verfassungsrechtlichen Bedenken hat die Beschwerdeführerin in ihrer Verfassungsgerichtshofsbeschwerde vom 30.09.2024 gegen das Erkenntnis des BVwG vom 02.08.2024, GZ W138 2293894-1/5E auch näher ausgeführt.
Diese Verfassungsgerichtshofsbeschwerde ist aktuell zu E 3758/2024 beim VfGH anhängig. Eine Entscheidung durch den VfGH ist bislang noch nicht ergangen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin zumindest in einem Teil mit ihrer Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG vom 02.08.2024, GZ W138 2293894-1/5E, durchdringt und allenfalls auch anzuwendende Bestimmungen als verfassungswidrig behebt. In einem solchen Fall würde eine Entscheidung in der gegenständlichen Angelegenheit durch das BVwG eine Entscheidung darstellen, die allenfalls nicht verfassungskonform wäre.
2. Beweiswürdigung:
Der wiedergegebene Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich schlüssig aus den vom Vermessungsamt Imst dem BVwG vorgelegten Unterlagen des Verwaltungsverfahrens sowie aus den Akten des beim BVwG geführten Verfahrens mit der GZ W138 2293894-1. Widersprüchlichkeiten konnten dabei nicht festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Verfahrensgegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A) Aussetzung des Verfahrens:
Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) enthält - sieht man von seiner Regelung in § 34 Abs. 3 ab, die die Aussetzung eines Beschwerdeverfahrens wegen eines beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängigen Revisionsverfahrens unter den in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Voraussetzungen zulässt - keine ausdrückliche Bestimmung über die Zulässigkeit der Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage durch eine andere Verwaltungsbehörde oder ein (anderes) Gericht, sodass gemäß § 17 VwGVG insoweit die Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles) anzuwenden sind. Nach dem AVG sind gemäß § 38 ergangene Aussetzungsbescheide abgesondert bekämpfbar.
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Beim VfGH ist aktuell ein gleichgelagertes Verfahren zur Klärung identer Rechtsfragen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 32a VermG anhängig. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist bislang noch nicht ergangen.
Auch in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit ist die Frage nach der Verfassungskonformität des § 32a VermG eine Vorfrage, die den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof bildet.
Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG sind sohin gegeben; das gegenständliche Beschwerdeverfahren wurde daher spruchgemäß ausgesetzt und ist nach Entscheidung durch den VfGH – entsprechend der Entscheidung durch den VfGH - fortzusetzen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Entscheidung über die Aussetzung hat mit (nicht bloß verfahrensleitendem) Beschluss (VwGH 07.01.2020, Fr 2019/03/0023) zu ergehen, die Revision ist bei Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.
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