W292 2297588-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herwig ZACZEK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, Arabische Republik, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol – Außenstelle Innsbruck vom XXXX 07.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX 01.2025 zu Recht erkannt:
A)Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF), syrischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, reiste spätestens am XXXX 09.2022 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand eine Erstbefragung durch die Sicherheitsbehörden statt; darin gab der Beschwerdeführer an, er habe sein Land verlassen, weil ihm die Einberufung sowohl zum syrischen Militär als auch zu den kurdischen Selbstverteidigungskräften drohe.
2. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA (belangte Behörde) am XXXX 06.2024 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, er befürchte, die syrische Armee oder die kurdischen Selbstverteidigungskräfte könnten ihn zum Wehrdienst einberufen. Sein Heimatdorf XXXX in der Provinz Aleppo stehe zu einer Hälfte unter der Kontrolle des Regimes und zur anderen Hälfte unter der Kontrolle der Kurden. Im Oktober 2017 sei der Beschwerdeführer gegen Bezahlung einer Kaution und nach Ausstellung eines Militärdienstbuchs legal in den Libanon gereist, wo er sich bis 2019 aufgehalten habe. Er gab an, dass er die Absicht gehabt habe über den Flughafen in die Türkei zu reisen, dies jedoch nicht möglich gewesen sei. Über eine Kontaktperson sei der Beschwerdeführer sodann illegal aus dem Libanon ausgereist und von syrischen Offizieren wieder zu seiner Familie in seinen Heimatort gebracht worden. Von diesen sei ihm mitgeteilt worden, dass er sich nicht lange dort aufhalten dürfe, da man ihn zum Militärdienst zwingen würde. Am XXXX 09.2019 habe der Beschwerdeführer schließlich sein Heimatdorf verlassen, woraufhin er am XXXX 09.2019 in der Türkei angekommen sei.
3.Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX 09.2022 mit im Spruch bezeichneten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Begründend hielt die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen fest, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Rückkehrbefürchtungen betreffend die Gefahr, zum verpflichtenden Wehrdienst in die syrische Armee oder in die kurdischen Selbstverteidigungskräfte eingezogen zu werden, keine Glaubhaftigkeit zukomme, weil er die Möglichkeit habe, sich vom Wehrdienst bei der syrischen Armee freizukaufen, stattdessen aber sein Geld für die Schleppung nach Österreich verwendet habe. Einer etwaigen Ablehnung der Zahlung der Befreiungsgebühr aus moralischen oder politischen Gründen, weil der Beschwerdeführer das syrische Regime nicht finanziell unterstützen wolle, könne jedenfalls keine asylrelevante Bedeutung zukommen. Die belangte Behörde ist weiters der Ansicht, es könne zudem nicht erkannt werden, dass die Wehrdienstverweigerung auf einer tiefen, politischen Überzeugung bzw oppositionellen Gesinnung beruhe, aufgrund dieser das syrische Regime veranlasst wäre, trotz erfolgter Zahlung der Befreiungsgebühr die damit verbundene Wehrdienstbefreiung zu ignorieren. Überdies müsse der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht befürchten, zu den kurdischen Selbstverteidigungskräften einberufen zu werden, da die diesbezügliche Wehrpflicht sich auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren beschränke und diese überdies vornehmlich zu Hilfeleistungen und nur im Fall eines Wiederauflammens des Konfliktes herangezogen würden. Selbst wenn der Beschwerdeführer einberufen würde, werde die Wehrdienstverweigerung mit einer kurzen Gefängnisstrafe oder einer Verlängerung des Dienstes geahndet, welche für sich die Verhältnismäßigkeit wahren würden. Auch die Asylantragstellung im Ausland stelle für sich betrachtet keine asylrelevanten Gründe für eine Verfolgung dar. Ebenso bestehe die Möglichkeit, den Heimatort des Beschwerdeführers zu erreichen, ohne vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet durchqueren zu müssen.
4. Gegen Spruchpunkt I des oben bezeichneten Bescheides richtet sich die gegenständliche Bescheidbeschwerde. Im Rahmen seines Beschwerdevorbringens führte der Beschwerdeführer zunächst aus, die belangte Behörde sei der Pflicht zur Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen, wodurch das Ermittlungsverfahren mit grober Mangelhaftigkeit behaftet sei. Die Feststellungen würden insbesondere auf unvollständige Länderberichte beruhen. Richtigerweise hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass sich die Herkunftsregion des Beschwerdeführers unter kurdischer Kontrolle und unter Kontrolle des syrischen Assad-Regimes befindet. Weiters habe sich die belangte Behörde überhaupt nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit und seiner tiefgreifenden Verweigerung, Waffen zu tragen als Gegner der kurdischen Hegemonie angesehen werden könne. Auch die Möglichkeit der Entrichtung einer Befreiungsgebühr sei nicht nur auf theoretischer Ebene zu betrachten, sondern sei diese Möglichkeit auch in praktischer Hinsicht zu prüfen. Der Beschwerdeführer lehne die Entrichtung der Gebühr ab und sei überdies nicht imstande die finanziellen Mittel hierfür aufzubringen. Weiters rügt der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung, welche mangelhaft sei und auf unrichtigen Angaben bzw. nicht vorhandenen Tatsachen, die der Beschwerdeführer aufgrund einer belastenden Stresssituation bei der belangten Behörde gemacht hat, welche in weiterer Folge sodann zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt habe.
5. Auf gerichtlichem Auftrag legte der Beschwerdeführer am 13.12.2024 eine Stellungnahme zum kürzlich erfolgten Umsturz in der Arabischen Republik Syrien vor. Darin brachte er vor, dass die Situation nunmehr völlig neu zu betrachten sei und es zurzeit an wesentlichen Grundlagen für die Entscheidung fehle. Obwohl die HTS sich derzeit gemäßigt darstelle, sei nicht absehbar, wie diese weiter vorgehe, zumal sie bisher zumindest teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei und daher abzuwarten sei, in welchem Ausmaß die HTS Menschenrechtsverletzungen begehen werde. Weitere Unsicherheitsfaktoren würden dahingehend bestehen, als ein Wiedererstarken des IS möglicherweise zu erwarten sei und die humanitäre Lage weiterhin katastrophal sei. Weiters bestünde die fortgsetzte wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers dahin, durch kurdische Streitkräfte zwangsrekrutiert zu werden.
6. Am XXXX 01.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat sich das Bundesverwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschafft und diesen ausführlich zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt. Der Beschwerdeführer gab an, derzeit in einem Restaurant sowie bei einem Lieferservice zu arbeiten. Er habe noch Kontakt zu seiner Frau und seinen Kindern, die in seinem Heimatort XXXX in Syrien bei seiner Familie in einem Haus leben würden. Zu seiner Fluchtgeschichte brachte der Beschwerdeführer vor, er wäre im November 2017 aus Syrien in den Libanon ausgereist und Ende 2018 bzw. Anfang 2019 wieder nach Syrien zurückgekehrt. Anfang September 2019 sei er von Manbij nach Jarabulus, von dort weiter nach Assaz und über das Dorf Suju schließlich illegal mithilfe von Schleppern in die Türkei gereist. Der Beschwerdeführer sei ausgereist, da die kurdischen Streitkräfte anfingen, zu rekrutieren und er weder einen Wehrdienst in der syrischen Armee noch in den kurdischen Selbstverteidigungskräften habe leisten wollen, zumal er es ablehne Waffen zu tragen und zu kämpfen. Im Falle einer Rückkehr fürchte sich der Beschwerdeführer vor der HTS, welche strenggläubig und wie der IS sei. Man könne keinen Widerstand leisten oder seine Meinung äußern, ohne inhaftiert oder getötet zu werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , wurde am XXXX geboren, ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an.
1.1.2. Der Beschwerdeführer gehört der islamischen (sunnitischen) Glaubensrichtung an. Er bezeichnet sich als gläubigen Moslem, lehnt einen Scharia-Staat jedoch ab.
1.1.3. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Aleppo in Syrien geboren und hielt sich überwiegend dort auf.
1.1.4. Der Beschwerdeführer lebt seit XXXX 08.2015 in einer Lebensgemeinschaft nach islamischen Gepflogenheiten und hat drei Söhne. Seine Lebenspartnerin und die drei gemeinsamen Söhne leben bei seinen Eltern in einem Haus in seinem Heimatort XXXX . Zu seiner Familie pflegt er stetigen Kontakt. Die vier Schwestern des Beschwerdeführers halten sich alle in Syrien auf. Seine fünf Brüder leben – bis auf den Jüngsten – nicht mehr in Syrien. Einer hält sich in Deutschland auf, die übrigen im Libanon.
1.1.5. Im Oktober 2017 reiste er an die syrisch-libanesische Grenze, wo er von Offizieren des Assad-Regimes aufgefordert wurde, sich ein Militärdienstbuch ausstellen zu lassen und eine Geldstrafe zu zahlen. In der Folge reiste er mit seinem Personalausweis in den Libanon aus.
1.1.6. Anfang 2019 kehrte er in seinen Heimatort zurück, wobei nicht festgestellt werden kann, ob er dies alleine oder mit fremder Hilfe tat. Anfang September 2019 reiste er aus Syrien mithilfe von Schleppern über das Dorf Suju schließlich illegal in die Türkei aus.
1.1.7. Der Beschwerdeführer hat in Syrien fünf Jahre die Grundschule besucht und übte anschließend die Berufe des Bäckers und Mechanikers aus. Während seines Aufenthaltes im Libanon war er als Fliesenleger tätig. Nach seiner Flucht in die Türkei arbeitete er dort in einer Teppichfabrik.
1.1.8. Der Beschwerdeführer leistete weder aufgrund einer Zwangsrekrutierung noch aus Freiwilligkeit einen Wehrdienst ab.
1.1.9. Der Beschwerdeführer hat sein Heimatland Anfang September 2019 verlassen und ist seither nicht mehr dorthin zurückgekehrt.
1.1.10. Der Beschwerdeführer ist gesund, nimmt keine Medikamente ein und steht nicht in ärztlicher Behandlung.
1.1.11. Der Beschwerdeführer ist bisher strafrechtlich in Österreich nicht in Erscheinung getreten.
1.1.12. Der Beschwerdeführer arbeitet zum Entscheidungszeitpunkt in einem Restaurant und für einen Lieferdienst, er erzielt hieraus ein Einkommen von € 2.500,00 netto monatlich.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.2.1. Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Als die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt waren die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen.
1.2.2. Ab März 2020 trat der Konflikt in eine Patt-Phase ein, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden. Das Assad-Regime kontrollierte rund 70% des syrischen Territoriums. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten – auf syrischem Territorium tätig waren und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführten.
1.2.3. Am 27.11.2024 wurde von Seiten oppositioneller Kräfte unter Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) nach umfangreicher Vorbereitung eine Operation unter dem Titel „Abschreckung der Aggression“ gestartet, welche rasch bedeutende Kontrollveränderungen auf dem syrischen Staatsgebiet zur Folge hatte. Am 08.12.2024 erlangten die Operationskräfte die Kontrolle über Damaskus und beendeten damit die Herrschaft des syrischen Regimes. Der frühere Machthaber Bashar al-Assad hat das Land verlassen und sich auf russisches Territorium begeben. Die nunmehr machtausübenden Akteure haben insgesamt eine Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht gestellt, der diesbezügliche Zeitplan beinhaltet die Installation einer neuen Verfassung in drei Jahren, die Abhaltung von Wahlen in vier Jahren sowie die Auflösung sowohl aller Geheimdienste als auch der HTS.
1.2.4. Zur Lage in Westsyrien vor 27.11.2024:
Die HTS, welche von Seiten der US-Regierung und auch von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestuft wurde, versuchte in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Ihr wurden in dieser Zeit Menschenrechtsverletzungen (auch gegenüber religiöser Minderheiten) und u.a. willkürliche Verhaftungen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit auf Basis einer religiösen Gerichtsbarkeit, gewaltsame Niederschlagungen von Protesten sowie das Verschwindenlassen von Personen vorgeworfen.
Die Opposition versprach nach Machterlangung am 08.12.2024, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung al-Assads oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben.
Nach der Machterlangung durch oppositionelle Kräfte wurden die Soldaten der Regierung von Seiten des Armeekommandos außer Dienst gestellt. Der Militärdienst in der syrischen Armee unter dem vormaligen Regime ist nicht mehr existent, seit der oppositionellen Machtübernahme wurde bislang kein verpflichtender Militärdienst eingerichtet.
Anders als die frühere Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf. In den von den beiden Gruppierungen vor der Offensive im November 2024 kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrschte kein Mangel an Männern, die bereit waren, sich ihnen anzuschließen.
1.2.5. Die nachstehende Karte zeigt die Gebietskontrolle der verschiedenen Akteure in Syrien mit Stand 13.01.2025.

1.2.6. Seitens der Übergangsregierung bestehen bereits Bestrebungen eine neue syrische Armee zu formieren. So kündigte Syriens neuer Machthaber, Ahmed al-Scharaa, medial an, dass die HTS sowie alle bewaffneten Rebellenfraktionen im Konsens aufgelöst und unter dem Dach des Verteidigungsministeriums zusammengeführt werden. Zudem sollen die Geheimdienste der gestürzten Assad-Regierung aufgelöst werden, welche über Jahrzehnte hinweg maßgeblich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Die neuen Machthaber haben jedenfalls die Häftlinge aus den berüchtigten Foltergefängnissen entlassen und diese für Angehörige von Inhaftierten, internationale Journalisten und Menschenrechtsorganisationen zugänglich gemacht.
1.2.7. Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird zudem von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.
1.2.8. Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.01.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.01.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt.
1.2.9. Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 07.01.2025 wieder aufgenommen.
1.2.10. Seit dem Machtwechsel am 08.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise 115.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.
1.2.11. Die Vereinigten Staaten von Amerika lockerten die Sanktionsbedingungen zur Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien für eine Dauer von sechs Monaten. Hilfsorganisationen und Firmen, die lebenswichtige Güter liefern, wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt.
1.2.12. Kurz nach dem Machtwechsel versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.
1.2.13. Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.
1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.3.1. Vor dem Machtwechsel am 08.12.2024 stand der Herkunftsort des Beschwerdeführers vollständig unter kurdischer Kontrolle [Stand 01.12.2024]:
1.3.2. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, XXXX , steht zum Entscheidungszeitpunkt vollständig unter der Kontrolle der HTS [Stand 16.01.2025]:
1.3.3. Die Einreise in dieses Gebiet ist über einen von der HTS kontrollierten Grenzübergang auf dem ebenso von der HTS kontrollierten Landweg möglich.
1.3.4. Der Beschwerdeführer lehnt die Ableistung eines Militärdienstes für eine Konfliktpartei aufgrund der damit einhergehenden notorischen Gefahren und Handlungen ab. Er hat jedoch keine gegen die HTS oder sonstige vormals oppositionelle Kräfte gerichtete politische Überzeugung und ist zu keinem Zeitpunkt mit einer solchen in Erscheinung getreten.
1.3.5. Weder gegenüber der Person des Beschwerdeführers – noch in Ansehung seiner Familienmitglieder – hat es in der Vergangenheit negative Berührungspunkte mit oppositionellen Kräften gegeben.
1.3.6. Im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet besteht ein verpflichtender Wehrdienst für Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, die nach dem Jahr 1998 geboren worden sind und das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dem Beschwerdeführer drohen in Syrien als Araber keine Konsequenzen wie Folter, unmenschliche Strafe oder Behandlung bei Verweigerung des Dienstes in den kurdischen Selbstverteidigungskräften. Eine Verweigerung des Dienstes bei den kurdischen Selbstverteidigungskräften führt im Fall des Beschwerdeführers nicht zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung seitens der Kurden als Konfliktpartei. Ein konkreter Versuch zur Einziehung des Beschwerdeführers zur Ableistung des Militärdienstes von Seiten kurdischer Kräfte hat bislang nicht stattgefunden.
1.3.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von einer (sonstigen) Bürgerkriegspartei, insbesondere von der HTS, zur Teilnahme an Kampfhandlungen oder der Ableistung eines Militärdienstes aufgefordert oder sonst dazu verhalten worden wäre.
1.3.8. Der Beschwerdeführer war nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer politischen Gruppierung, ist aber auch sonst nicht in das Blickfeld der HTS oder anderer Konfliktparteien wegen einer (unterstellten) oppositionellen Haltung geraten.
1.3.9. Seitens österreichischer Behörden sind zur Asylantragstellung des Beschwerdeführers an dessen Herkunftsstaat keinerlei Informationen übermittelt worden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht zweifelsfrei fest, die Verfahrensidentität ergibt sich jedoch aus den im Verfahren vorgelegten Auszügen aus dem syrischen Personenstandsregister bzw. dem syrischen Familienbuch, aus dem Militärdienstbuch sowie anhand der diesbezüglich plausiblen Angaben des Beschwerdeführers selbst.
2.1.2. Dass der Beschwerdeführer am XXXX geboren ist, konnte aufgrund des vorgelegten Registerauszuges sowie seiner diesbezüglich gleichbleibenden und plausiblen Angaben festgestellt werden.
2.1.3. Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit konnten aufgrund der gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren getroffen werden.
2.1.4. Die Feststellungen zur Herkunftsregion beziehungsweise zum Geburtsort und dem Aufenthaltsort vor der Ausreise aus dem Heimatland basieren auf den eigenen, stringenten und insofern glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.
2.1.5. Dass sich der Beschwerdeführer seit XXXX 08.2015 in einer Lebensgemeinschaft nach islamischen Gepflogenheiten befindet und drei Söhne hat, folgt aus dem gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers und bestand kein Grund für das erkennende Gericht, hieran zu zweifeln. Dies gilt ebenso für die Feststellung, dass seine Lebensgefährtin mit den gemeinsamen Kindern im Haus seiner Eltern in seinem Heimatort XXXX lebt und der Beschwerdeführer zu diesen regelmäßig telefonischen Kontakt pflegt.
2.1.6. Dass sich die vier Schwestern sowie der jüngste Bruder des Beschwerdeführers in Syrien aufhalten, drei seiner Brüder im Libanon wohnhaft sind und sich ein weiterer Bruder in Deutschland befindet, folgt aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und dem damit in Einklang stehenden Akteninhalt.
2.1.7. Dass der Beschwerdeführer in Syrien die Grundschule besuchte und dort als Bäcker und Mechaniker tätig war, ergibt sich aufgrund der schlüssigen Angaben des Beschwerdeführers selbst, wobei keine Hinweise hervorgekommen sind, wonach die diesbezüglichen Angaben anzuzweifeln wären. Dies gilt ebenso für seine Tätigkeit als Fliesenleger während seines Aufenthaltes im Libanon sowie für seine Berufstätigkeit in einer Teppichfabrik nach seiner Einreise in die Türkei.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Oktober 2017 an die syrisch-libanesische Grenze reiste, sich dort bei syrischen Militärs ein Militärdienstbuch ausstellen ließ und eine Strafe zahlte, beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde unter Vorlage des Militärdienstbuches. Die Eintragungen decken sich mit den Erzählungen des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer einen syrischen Personalausweis besitze und mit diesem bereits damals in den Libanon reiste, ergibt sich aus den Angaben, die er schlüssig und nachvollziehbar vor dem Bundesverwaltungsgericht tätigte.Dass der Beschwerdeführer Anfang 2019 in seinen Herkunftsort nach Syrien zurückkehrte, folgt aus den Angaben des Beschwerdeführers selbst. Die Rückkehr des Beschwerdeführers fand wahrscheinlich auf eigene Faust und vielmehr ohne Hilfe bestochener syrischer Offiziere statt, was bei einer Gesamtbetrachtung lebensnaher erscheint als die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Dies folgt aus Sicht des erkennenden Gerichts insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf diese Angabe vor der belangten Behörde als stark vermindert anzusehen ist. Diese Annahme gründet einerseits darauf, dass der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde nach einer Unterbrechung seiner Befragung einräumte, in der ersten Hälfte der Befragung die Unwahrheit gesagt zu haben. Andererseits erwähnte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht, dass er nur durch Hilfe Dritter in seinen Heimatort zurückkehren konnte.
2.1.8. Dass der Beschwerdeführer im September 2019 aus Syrien mithilfe von Schleppern in die Türkei ausreiste, ergibt sich aus den plausiblen Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht hierzu, zumal es gängige Praxis war, syrische Flüchtlinge illegal (unter Umgehung von Kontrollposten) außer Landes zu bringen.
2.1.9. Dass der Beschwerdeführer keinen Wehrdienst ableistete, ergibt sich aus den stringenten und nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers sowie aus seinem Militärdienstbuch. Insbesondere basiert diese Feststellung auch auf der Aussage, sich durch die Flucht ins Ausland dem Wehrdienst entziehen zu wollen. Zudem war die syrische Zentralregierung in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht in der Lage, die Männer zum Wehrdienst zu rekrutieren, da kurdische Kräfte das Gebiet bis zum Machtwechsel 2024 kontrollierten.
2.1.10. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren durchgängig vor, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen, wobei sich diese Angaben auch mit dem persönlichen Eindruck zur Person des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Gericht decken. Der Beschwerdeführer wirkte körperlich gesund und psychisch klar orientiert.
2.1.11. Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet bislang nicht straffällig wurde, ergibt sich aus einer amtswegigen Einsichtnahme in das Strafregister sowie den damit in Einklang stehenden Angaben des Beschwerdeführers.
2.1.12. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer derzeit in einem Restaurant sowie bei einem Lieferservice beschäftigt ist und € 2.500 netto in Verdienst bringt, konnte aufgrund der diesbezüglich glaubhaften und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht ergehen.
2.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren zusammengefasst auf nachstehenden Quellen, wobei sämtliche Informationen, die sich auf die politische Lage zur Zeit vor dem Machtwechsel am 08.12.2024 und die Herrschaft des Assad-Regimes beziehen, als obsolet anzusehen sind.
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation SYRIEN vom 27.03.2024 (Version 11)
- Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN vom 10.12.2024
- UNHCR, Position on Returns to Syria, Dezember 2024
- UNHCR Regional Flash Update(s), zuletzt #8 vom 02.01.2025
- Iran Update vom Institute for the Study of War vom 07.01.2025
- Online Artikel des ZDF „Wer sind die neuen Machthaber in Syrien?“ vom 03.01.2025 [ZDF 03.01.2025]
- Online Artikel der NZZ „Umsturz in Syrien: 37 Tote bei Kämpfen im Norden +++ USA lockern Sanktionsbedingungen“ vom 11.01.2025 [NZZ 11.01.2025]
- Online Artikel der Tagesschau „Syriens neuer Machthaber plant Wahl in vier Jahren“ vom 29.12.2024 [Tagesschau 29.12.2024]
- Online Artikel der TAZ „Zwischen Bewaffneten nach Freiheit rufend“ vom 20.12.2024 [TAZ 20.12.2024]
- Online Artikel des ENR „Deutsch und französische Außenminister besuchen Syrien, um die neuen Führer zu treffen“ vom 03.01.2025 [ENR 03.01.2025]
- Online Artikel von Reuters „Syria's al-Sharaa meets Lebanese PM in bid to improve long-fraught ties“ vom 11.01.2025 [Reuters 11.01.2025]
- Online Artikel der FAZ „Demonstration für Gleichberechtigung in Syrien“ vom 20.12.2024 [FAZ 20.12.2024]
- Online Pressemitteilung „Qatar Airways to Resume Flights to Syria“ vom 02.01.2025 [Qatar 02.01.2025]
- Online Artikel des ORF „Flughafen Damaskus nahm internationalen Betrieb wieder auf“ vom 07.01.2025 [ORF 07.01.2025]
- Online Artikel der Frankfurter Rundschau „Syrischer Außenminister bekräftigt Loyalität zur Türkei und schweigt zu besetzten Gebieten“ vom 17.01.2025 [FR 17.01.2025]
- Online Artikel des Tagesanzeiger „Newsticker zur Lage in Syrien“ vom 06.12.2024; zuletzt aktualisiert am 16.01.2025 [TA 06.12.2024]
- Online Artikel der Presse „USA lockern Sanktionsbedingungen für Syrien“ vom 07.01.2025 [Die Presse 07.01.2025].
- Artikel der Le Monde Diplomatique „Syrien – Souveränität ohne Gewähr“ von Jänner 2025 [LMD 01/2025]
2.2.1. Die getroffenen Feststellungen zur Lage in Syrien bis zur Machtübernahme am 08.12.2024 stützen sich auf das Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 27.03.2024. Der Länderbericht beruht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen und bietet – bezogen auf die Zeit vor dem Machtwechsel – dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.
2.2.2. Die Feststellung zur aktuellen Aufteilung der Gebietskontrolle des syrischen Staatsgebietes per 13.01.2025 basiert auf einer Einsichtnahme in syria live map (Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com). Hieraus ist ersichtlich, dass die HTS nunmehr einen großen Teil des Staatsgebietes unter seiner Kontrolle hat. Der Nordosten des Staatsgebietes steht weiterhin im Einflussbereich verschiedener kurdischer Gruppierungen.
2.2.3. Der Machtwechsel sowie dessen festgestellte Begleitumstände um den 08.12.2024 können als notorisch betrachtet werden. Die Feststellung, dass sich unter der Führung des HTS Anführers und nunmehrigen Machthabers Syriens eine Übergangsregierung bildete, folgt aus zahlreichen übereinstimmenden Berichten unabhängiger Medien. Exemplarische Quellen: [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024].
2.2.4. Andererseits resultieren die festgestellten länderspezifischen Tatsachen im Zusammenhang mit den jüngsten politischen Umwälzungen aus dem Kurzbericht der Staatendokumentation vom 10.12.2024, welcher den Verlauf der zuletzt eingetretenen Ereignisse bis hin zur Machtergreifung durch die syrische Opposition abbildet. Der Bericht lässt keine Zweifel am Sturz des syrischen Regimes, der Außerdienststellung der Regierungssoldaten und damit auch dem Auslaufen des syrischen Wehrdienstes. Bedenken bestehen weiters nicht im Zusammenhang mit der Freilassung von Inhaftierten und dem festgestellten Umgang mit früheren Militärangehörigen. Insoweit finden die festgestellten Umstände auch vollumfängliche Deckung in der notorischen wie tagesaktuellen Medienberichterstattung. Dasselbe trifft auf die kolportierte Neuordnung des syrischen Staates samt in Aussicht genommener Wahlen zu. Hierzu und zum vorgestellten Zeitplan wird beispielhaft auf [Tagesschau 29.12.2024] verwiesen.
2.2.5. Dass abseits der kurdischen Selbstverwaltung derzeit keine Verpflichtung zur Wehrdienstableistung besteht, resultiert bereits aus der Länderberichtslage vor dem Machtwechsel im Jahr 2024. Für die aktuell vollzogene oder absehbar bevorstehende Einführung eines allgemeinen und wie auch immer geartetem zwangsbewehrten Grundwehrdienst fehlt es an jedweden Anhaltspunkten sowohl anhand verfügbarer Länderberichte als auch unter Berücksichtigung tagesaktueller Medienberichterstattung.
2.2.6. Zuletzt hat sich der UNHCR in seiner jüngsten Überarbeitung seiner Position zur Situation in Syrien zum aktuellen Konfliktstand geäußert (Position on Returns to Syria, Dezember 2024) und bei dieser Gelegenheit Verfolgungsgefahren mit Ausgangspunkt beim vormaligen syrischen Regime klar negiert („While risks related to persecution by the former Government have ceased,…“). Auch nachfolgende Veröffentlichungen des UNHCR bieten keinen Raum für gegenteilig ausschlagende Anhaltspunkte, vielmehr wird weiterhin und unwidersprochen vom Fall des syrischen Regimes ausgegangen und werden sogar Rückkehrbewegungen Geflüchteter abgebildet (hierzu UNHCR Regional Flash Update(s), zuletzt #8 vom 02.01.2025). Insgesamt belässt die Beweislage keine Bedenken am Untergang des syrischen Regimes als gefahrenindizierender Akteur und auch ein verpflichtender Militärdienst ist am Boden der gegebenen Beweislage nicht festzumachen. Jedenfalls in diesem Umfang hat sich die länderspezifische Situation bis zum Entscheidungszeitpunkt verfestigt.
2.2.7. Dass der syrische Geheimdienst aufgelöst werden soll, basiert auf den medial bekanntgewordenen Aussagen des neu ernannten Geheimdienstchef Anas Chattab. [Tagesschau 29.12.2024] Dieser beklagte „die Unterdrückung und Tyrannei des alten Regimes" unter Assad und kündigte damit eine Neuorganisation des Sicherheitsapparats an. "Die Sicherheitsdienste des alten Regimes waren zahlreich und vielfältig, aber allen war gemeinsam, dass sie dem Volk aufgezwungen wurden, um es fünf Jahrzehnte lang zu unterdrücken", so Chattab.
2.2.8. Offizielle Besuche diplomatischer und politischer Vertreter aus dem Westen und Nachbarländern Syriens, allen voran die Reise der deutschen Außenministerin sowie des französischen Außenministers nach Damaskus, sowie der Besuch des libanesischen Premierministers, sind ebenso breit medial bekannt geworden [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024], [ENR 03.01.2025], [Reuters 11.01.2025]. Ebenso wie der kürzlich erfolgte Besuch von Vertretern der syrischen Übergangsregierung in der Türkei [FR 17.01.2025].
2.2.9. Der Umstand, dass der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus am 07.01.2025 wiederaufgenommen werden konnte, am 11.01.2025 der erste kommerzielle Flug seit 13 Jahren der Fluglinie Qatar Airways landete und künftig dreimal wöchentlich eine Verbindung zwischen Doha und Damaskus geplant ist, lässt ebenso auf eine Normalisierung und Aufnahme internationaler Beziehungen schließen [NZZ 11.01.2025], [Qatar 02.01.2025], [ORF 07.01.2025].
2.2.10. Der Umstand, dass sich viele geflüchtete Syrer auf dem Weg zurück in ihre Heimat machen, ist insbesondere dem UNHCR Regional Flash Update #8 vom 02.01.2025 zu entnehmen. Demnach kehren ganze Familien, aber auch Frauen und Kinder allein nach Syrien zurück, während Familienväter zwischenzeitlich noch im Ausland verbleiben, um finanzielle Mittel für den Neubeginn in Syrien zu erwirtschaften [UNHCR Flash Update #8].
Dass die Vereinigten Staaten von Amerika Teile der Sanktionen im Hinblick auf die Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien lockerten, ist medialen Berichten wie etwa [TA 06.12.2024], [Die Presse 07.01.2025] sowie dem Iran Update vom Institute for the Study of War vom 07.01.2025 zu entnehmen.
2.2.11. Die friedlich abgehaltenen Demonstrationen sind ebenso medialen Berichten zu entnehmen: [TAZ 20.12.2024], [FAZ 20.12.2024].
2.2.12. Die Feststellung, dass sich die HTS ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat [LMD 01/2025] und sich im Gesamten sehr gemäßigt präsentiert, folgt insbesondere aus der Annäherung westlicher politischer und diplomatischer Vertreter sowie medial bekannt gewordene Äußerungen von Vertretern der Übergangsregierung sowie dem Umstand, dass keine gegenteiligen Berichte internationaler Medien und Organisationen hervorgekommen sind. Ebenso basiert die Feststellung, dass die neue Übergangsregierung versprach, Minderheiten zu schützen, auf medial bekanntgewordene Aussagen hochrangiger Vertreter der HTS. [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024].
2.2.13. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die aktuelle Berichtslage zur Gesamtsituation in Syrien keinen sicheren Schluss auf fortgesetzte positive Entwicklungen zulässt. Die derzeitigen Umstände insbesondere die Aussagen sowie der mediale Auftritt der HTS Führung, der kontinuierliche Empfang ausländischer Vertreter und die damit verbundene Wiederaufnahme politischer und diplomatischer Beziehungen, die Rückkehr vieler Syrer aus den umliegenden Nachbarländern sowie die friedliche Abhaltung von Demonstrationen markieren jedoch eine Zäsur nach der mehr als 50 Jahre andauernden Unterdrückung des syrischen Volkes unter dem Assad-Regime. Insgesamt kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Zeiten des repressiven Regimes in Syrien der Vergangenheit angehören.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.3.1. Zur Wehrpflicht bei der SAA:
2.3.1.1. Die Feststellungen hinsichtlich des Entfalls des bisher verpflichtenden Wehrdienstes für männliche syrische Staatsangehörige aufgrund der Auflösung der SAA stützen sich auf den notorischen Machtwechsel, den Medienberichten und der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024.
2.3.1.2. Die Feststellung, wonach die Herkunftsregion des Beschwerdeführers vor dem Machtwechsel am 08.12.2024 unter kurdischer Kontrolle stand, basiert auf einer Einsichtnahme in syria live map (Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com) [Stand 01.12.2024] in Übereinstimmung mit den konkreten Angaben über den Herkunftsort seitens des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
2.3.1.3. Die Feststellung, wonach die Herkunftsregion des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt unter der vollständigen Kontrolle der HTS steht, basiert ebenso auf einer Einsichtnahme in syria live map (Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com) [Stand 16.01.2025].
2.3.1.4. Dass der Beschwerdeführer über einen von der HTS kontrollierten Grenzübergang in sein Herkunftsgebiet einreisen kann, ergibt sich auch aus der Einsichtnahme in syria live map (Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com) [Stand 16.01.2025].
2.3.2. Zum Dienst bei den kurdischen Selbstverteidigungskräften:
2.3.2.1. In Ermangelung einer substanziell geänderten Berichtslage, aus der eine wesentliche Änderung der Umstände ableitbar wäre, ist auf den Kenntnisstand der ACCORD Anfragebeantwortung vom 18.08.2023 und 06.09.2023 zurückzugreifen.
Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt über 24 Jahre alt, laut den in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen beschränkt sich die kurdische Selbstverteidigungspflicht jedoch auf Männer bis zum Alter von 24 Jahren.
Die Feststellungen zu den Konsequenzen der Verweigerung des Dienstes innerhalb der Selbstverteidigungskräfte der Kurden ergeben sich zunächst aus den aktuell verfügbaren und in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen, so heißt es hierzu in der ACCORD Anfragebeantwortung vom 18.08.2023 und 06.09.2023 auszugsweise:
„…
Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften (Tod, Folter, Freiheitsentzug)
… Laut Fabrice Balanche und drei lokalen Bewohnern der Provinz Hasaka könnten gefasste Wehrpflichtige, die sich dem Dienst entzogen hätten, von den Behörden festgehalten werden, bis ihr Status geklärt sei (DIS, Juni 2022, S. 42) oder ein geeigneter Ausbildungsort für sie gefunden werde (DIS, Juni 2022, S. 61). Laut Fabrice Balanche könnten Wehrpflichtige aus diesem Grund für ein bis zwei Tage (DIS, Juni 2022, S. 42), laut den Bewohnern von Hasaka ein bis zwei Wochen (DIS, Juni 2022, S. 61) inhaftiert werden. Beide Quellen hätten nicht von Misshandlungen während der Haftzeit gehört (DIS, Juni 2022, S. 42; DIS, Juni 2022, S. 62)
Der/Die Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan Irak habe gegenüber DIS angegeben, dass es keine Strafe für Personen gebe, die sich der Selbstverteidigungspflicht entzogen hätten (DIS, Juni 2022, S. 57). Fabrice Balanche habe erwähnt, dass Wehrdienstverweigerer weder eine Geldstrafe noch eine Gefängnisstrafe erhalten würden (DIS, Juni 2022, S. 42; siehe auch: DIS, Juni 2022, S. 49). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group gebe es keine Strategie zur Inhaftierung von Wehrdienstverweigerern (DIS, Juni 2022, S. 45). Der syrisch-kurdische Journalist und Autor erklärt gegenüber DIS, dass Wehrdienstverweigerer ihren Selbstverteidigungsdienst einen Monat länger als die anderen Rekruten ableisten müssten. Er habe nicht von Misshandlungen von Wehrdienstverweigerern während ihres Dienstes aufgrund ihres Entzugs vom Wehrdienst gehört (DIS, Juni 2022, S. 49¬50). Auch die drei Bewohner von Hasaka hätten berichtet, dass ihrer Erfahrung nach die Wehrdienstverweigerung keinen Einfluss auf die Behandlung des eingezogenen Wehrdienstverweigerers habe (DIS, Juni 2022, S. 62).
… Die Interviewpartner·innen von DIS stimmen darin überein, dass eine Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften keine Konsequenzen für Angehörige habe (DIS, Juni 2022, S. 43; DIS, Juni 2022, S. 45; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 54; DIS, Juni 2022, S. 64; DIS, Juni 2022, S. 66). Laut Fabrice Balanche könnten Behörden Familienmitglieder nach dem Aufenthaltsort des Verweigerers fragen, doch die Familie würde nicht unter Druck gesetzt oder anderweitig belästigt (DIS, Juni 2022, S. 43). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group würden keine Hausdurchsuchungen stattfinden, um Wehrdienstverweigerer zu finden und Familienmitglieder würden auch nicht schikaniert (DIS, Juni 2022, S. 45). Der politische Analyst habe berichtet, dass fünf seiner Geschwister sich dem Dienst entzogen hätten. Die Behörden hätten das Haus seiner Mutter einmal durchsucht, seine Familie jedoch nicht weiter belästigt (DIS, Juni 2022, S. 54). Laut der Gruppe lokaler Einwohner gebe es die Möglichkeit, dass die Behörden Hausdurchsuchungen durchführen würden. Familienmitglieder würden jedoch ihrer Erfahrung nach niemals mitgenommen („they will [...] never take family members“) (DIS, Juni 2022, S. 64).
Situation von Arabern
Ein Universitätsprofessor in Erbil habe gegenüber DIS im Jänner 2022 ausgesagt, dass er davon ausgehe, dass Araber, die sich dem Dienst in den Selbstverteidigungskräften entzogen hätten, nicht im gleichen Ausmaß zum Beitritt gezwungen würden wie Kurden (DIS, Juni 2022, S. 66).
… Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern (als Gegner/ Oppositionelle)
Es konnten online keine Informationen über die Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern, gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, AANES, Rojava, Selbstverteidigungsdienst, Selbstverteidigungspflicht, Selbstverteidigungskräfte, verweigern, weglaufen, verstecken, Wahrnehmung, Probleme, Gegner, Oppositionelle, Anfeindung, Gesellschaft, Araber, Kurden, Stämme, Behörden
Fabrice Balanche schreibt in seiner E-Mail an ACCORD, dass Kurden Arabern im Allgemeinen nicht vertrauen und annehmen würden, dass sie gegen die AANES seien. Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, würden nicht als Terroristen wahrgenommen, sondern eher als Feiglinge und Gegner der AANES. Die Kurden seien pragmatisch und es sei ihnen lieber, Araber, die den Dienst verweigern, nicht in der Armee zu sehen, weil sie sich unter Umständen als Verräter entpuppen könnten (Balanche, 9. August 2023) …
Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front
Laut RIC würden Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht normalerweise nicht an aktiver Front kämpfen. Sie würden in der Regel eine ideologische und militärische Ausbildung absolvieren, bevor sie an Checkpoints oder Straßensperren stationiert und logistische Unterstützung für freiwillige Streitkräfte leisten würden (RIC, Juni 2020).
Laut der syrisch-kurdischen Nachrichtenagentur North Press Agency (NPA) würden Rekruten des Selbstverteidigungsdienstes dazu eingesetzt, Militärgebäude zu bewachen und würden an Militäreinsätzen gegen den Islamischen Staat (IS) teilnehmen (NPA, 23. Februar 2022).
Die Interviewpartner·innen von DIS hätten übereinstimmend berichtet, dass die Wehrpflichtigen der Selbstverteidigungskräfte allgemein nicht an der Front eingesetzt würden (DIS, Juni 2022, S. 37; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 57; DIS, Juni 2022, S. 60; DIS, Juni 2022, S. 63; DIS, Juni 2022, S. 67; DIS, Juni 2022, S. 71) Der Universitätsprofessor habe gegenüber DIS erklärt, dass der ideologische Zweck der Selbstverteidigungspflicht darin bestehe, die Jugend auf Sicherheitsnotsituationen vorzubereiten. Die Wehrpflichtigen würden hauptsächlich für Aufgaben der inneren Sicherheit in den Städten eingesetzt (DIS, Juni 2022, S. 67)
… Fabrice Balanche merkte in seiner E-Mail-Auskunft an ACCORD an, dass es im Gebiet der AANES seit Oktober 2019 keine aktive Front mehr gebe. Wehrpflichtige würden nicht an die Front geschickt. Sie könnten jedoch durch Terroranschläge hinter der Frontlinie getötet werden. Es gebe gefährliche Gebiete, wie beispielsweise südöstlich der Provinz Deir Ezzour und Wehrpflichtige würden regelmäßig bei Patrouillen oder an Straßensperren getötet (Balanche, 9. August 2023)
… Auch der kontaktierte Syrienexperte gab in seiner E-Mail an, dass ihm keine Fälle bekannt seien, in denen Rekruten an die Front geschickt würden. Die aktuelle Phase des Konflikts zeichne sich durch eingefrorene Frontlinien und einem Konflikt von geringer Intensität aus (Syrienexperte, 15. August 2023)“
2.3.2.2. Im Rahmen des Beweisverfahrens sind keinerlei belastbaren Hinweise hervorgetreten, wonach der Beschwerdeführer in der Vergangenheit von einem der Akteure des syrischen Bürgerkrieges zur Teilnahme an Kampfhandlungen oder der Ableistung eines de facto Militärdienstes aufgefordert oder sonst dazu verhalten worden wäre.
2.3.2.3. Der Beschwerdeführer war eigenen Angaben zufolge nicht politisch tätig, war und ist kein Mitglied einer politischen Bewegung und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der HTS oder anderer Konfliktparteien, etwa wegen einer (unterstellten) oppositionellen Haltung, geraten.
2.3.2.4. Es bestehen überdies keinerlei Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines muslimisch sunnitischen Glaubens oder seiner Ethnie als Araber mit der HTS in Konflikt stünde. Die Angehörigen der HTS gehören selbst – soweit aus der herangezogenen Berichtslage ersichtlich – der sunnitischen Ausrichtung des Islams an.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt A): Abweisung der Beschwerde
3.1.1.Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Als Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist anzusehen, wer sich aus der wohlbegründeten Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Als Flüchtling gilt ferner, wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2.Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (VwGH 11.01.2023, Ra 2020/19/0363). Bedingung für die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Artikel 1 Abschnitt A GFK ist damit das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen den in der Konvention genannten Gründen der Verfolgung und den Verfolgungshandlungen oder dem fehlenden Schutz vor solchen Handlungen VwGH 14.09.2022, Ra 2022/20/0028, VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001 mwN).
3.1.3.Unter Verfolgung ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie zu verstehen. Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist (Art. 9 Abs. 1 lit. A Statusrichtlinie). Verfolgung liegt darüber hinaus vor, wenn sie in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Art. 9 Abs. 1 lit. a beschriebenen Weise betroffen ist (Art. 9 Abs. 1 lit. B Statusrichtlinie).
3.1.4.Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (statt vieler nur VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0056 mwN).
3.1.5.Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Artikel 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387). Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (VwGH 14.09.2022, Ra 2022/20/0028 mwN).
3.1.6.Die Prüfung nach einem Antrag auf internationalen Schutz hat sich in zwei getrennten Abschnitten zu vollziehen. Der erste Abschnitt betrifft die Feststellung der tatsächlichen Umstände, die Beweise zur Stützung des Antrags darstellen können. Der zweite Abschnitt betrifft die rechtliche Würdigung dieser Umstände, die in der Entscheidung besteht, ob die in den Art. 9 und 10 oder 15 der Richtlinie 2004/83/EG vorgesehenen materiellen Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes in Anbetracht der Umstände, die einen konkreten Fall auszeichnen, erfüllt sind (soweit schon zur früheren Rechtslage EuGH 22.11.2012, C-277/11; zur Charakterisierung asylrechtlich zu treffender Feststellungen als Wiedergabe von in der Vergangenheit geschehenen und aktuell bestehenden Tatsachen im Gegensatz zu aus den vorhandenen Beweismitteln gezogenen (prognostischen) Schlussfolgerungen VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0619). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten der erkennenden Behörde vorzunehmen, im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden (VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386 mwN). Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009). Den Richtlinien des UNHCR ist indes besondere Beachtung im Sinne einer Indizwirkung zu schenken. Die Verpflichtung zur Beachtung der von UNHCR und EUAA [vormals: EASO] herausgegebenen Richtlinien ergibt sich aus dem einschlägigen Unionsrecht, doch sind die Asylbehörden nicht an entsprechende Empfehlungen von UNHCR und EUAA gebunden (VwGH 03.07.2023, Ra 2023/14/0182 mwN).
3.1.7. Zum Fluchtvorbringen und der seit Dezember 2024 geänderten Lage in Syrien:
3.1.7.1. Wie festgestellt, starteten Ende November 2024 oppositionelle Regierungsgegner unter der Führung der HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) eine Offensive gegen das Assad-Regime. Während die Oppositionskräfte immer weiter vorrückten, zogen sich die Regierungstruppen der Syrischen Arabischen Armee zurück. Viele Soldaten legten ihre Waffen nieder, flohen oder desertierten. Am Morgen des 08.12.2024 brachte die HTS die Hauptstadt Damaskus vollständig unter ihre Kontrolle. Der bisherige Machthaber Präsident Bashar al-Assad trat zurück und floh nach Russland. Ihm und seiner Familie wurde seitens der Russischen Föderation Asyl gewährt. Die Einnahme von Damaskus erfolgte ohne Gegenwähr; so gaben die Regierungstruppen der Syrischen Arabischen Armee ihre Stellungen auf und stellte das Armeekommando die Soldaten außer Dienst. Die Syrische Arabische Armee wurde aufgelöst und existiert nicht mehr.
3.1.7.2. Der Beschwerdeführer brachte – freilich noch vor den Ereignissen im Dezember 2024 – hinsichtlich seiner Asylgründe vor, er sei aus Syrien geflohen, um der Einberufung zur syrischen Armee bzw. zu den kurdischen Selbstverteidigungskräften zu entgehen. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer sodann auf gerichtlichen Auftrag zum im Dezember 2024 erfolgten Umsturz in der Arabischen Republik Syrien schriftlich vor, dass die Situation völlig neu zu betrachten sei, da es zurzeit an wesentlichen Grundlagen für die Entscheidung fehle. Obwohl die HTS sich derzeit gemäßigt darstelle, sei nicht absehbar, wie diese weiter vorgehe, zumal sie bisher zumindest teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen und abzuwarten bleibe, in welchem Ausmaß die HTS Menschenrechtsverletzungen begehen werde. Weitere Unsicherheitsfaktoren bestünden dahingehend, als ein Wiedererstarken des IS „möglicherweise zu erwarten“ und die humanitäre Lage weiterhin katastrophal sei. Zudem bestünde die fortgsetzte wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers, durch kurdische Streitkräfte zwangsrekrutiert zu werden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gibt der Beschwerdeführer sodann mit Blick auf die geänderte Lage in Syrien an, sich Im Falle einer Rückkehr nach Syrien vor der HTS, welche strenggläubig und wie der IS sei, zu fürchten. Danach könne man keinen Widerstand leisten oder seine Meinung äußern, ohne inhaftiert oder getötet zu werden.
3.1.8. Zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers:
3.1.8.1.Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob ihm dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm - sollte dies der Fall sein - im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (VwGH 25.08.2022, Ra 2021/19/0442 mwN). Wie festgestellt, befindet sich die Herkunftsregion des Beschwerdeführers seit Dezember 2024 nicht mehr unter der Kontrolle der Kurden, sondern wird von den neuen Machthabern im Land, der HTS, kontrolliert.
3.1.8.2. Vor dem Hintergrund der seit Dezember 2024 geänderten Situation in Syrien ist bereits an dieser Stelle festzustellen, dass diejenigen Umstände, die im Zusammenhang mit der früheren syrischen Zentralregierung des Assad-Regimes standen und in einer Vielzahl an Fällen männlicher syrischer Antragsteller zur Begründung von Asylanträgen geführt haben, namentlich die behauptete Furcht vor Verfolgung durch das damalige Regime aus Folge der Militärdienstverweigerung oder Desertation aufgrund einer tatsächlichen oder bloß unterstellten oppositionellen Einstellung dem Assad-Regime gegenüber, weggefallen sind. Wie festgestellt bzw. allgemein bekannt, besteht die von Assad geführte Zentralregierung seit dem 08.12.2024 nicht mehr und wurde das Militär aufgelöst und spielen zur Zeit des Assad-Regimes bestehende Geheimdienststrukturen keine politische Rolle mehr. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, dass sich auf eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Zusammenhang mit der Verweigerung des Wehrdienstes bei der syrischen Armee bezieht, ist daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht einmal denkmöglich geeignet, eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen. Die Soldaten der vormaligen syrischen Regierung wurden außer Dienst gestellt und politische Gefangene des Regimes aus berüchtigten Gefängnissen entlassen. Der frühere Machthaber befindet sich nicht länger auf syrischem Staatsgebiet. Es wurde die Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht genommen und die Auflösung der vormals aktiven Geheimdienste angekündigt. Durch die Kontrollerlangung oppositioneller Kräfte wurde der Untergang des syrischen Regimes besiegelt, sodass von letztgenanntem im hypothetischen Rückkehrfall keine asylrechtlich aufzugreifende Verfolgungsgefahr ausgehen kann und dahingehend fluchtbegründendes Vorbringen von vornherein nicht glaubhaft ist (vgl. auch die insofern in Einklang stehende UNHCR-Position unter Punkt 2.2.6.).
3.1.8.3. Gleiches gilt für das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, dass sich auf eine Furcht vor Verfolgung durch kurdische Akteure vor dem Selbstverteidigungsdienst bei kurdischen Verteidigungskräften bezieht. Wie festgestellt, steht die Herkunftsregion des Beschwerdeführers seit der Machtergreifung durch die HTS nicht mehr unter kurdischer Kontrolle, weshalb asylrelevante Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten kurdischer Streitkräfte bzw. deren Ablehnung zum Entscheidungszeitpunkt – mit Blick auf die neuen Machtverhältnisse – auszuschließen sind. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass – laut der herangezogenen Berichtslage in Bezug auf kurdische Selbstverteidigungseinheiten im Gebiet der AANES – die Verweigerung der Teilnahme an einem wie immer gearteten kurdischen Militärdienst in Bezug auf Araber keine asylrelevanten Verfolgungshandlungen nach sich zieht.
3.1.9. Zum ergänzten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
3.1.9.1. Wenn der Beschwerdeführer mit Blick auf die geänderte Lage in Syrien zur Begründung seines Asylantrages nunmehr angibt, sich auch vor den derzeitigen Machthabern – der als islamistisch geltenden HTS – zu fürchten, so war auch dieses Vorbringen nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.
3.1.9.2.Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 (und der hierzu bestehenden Rechtsprechung) stellt eine Verletzung von Grundrechten nur dann eine Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention dar, wenn sie einen bestimmten Schweregrad erreicht (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.2020, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Militärdienst und Asyl], C‑238/19, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Schweregrad ist in jedem der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2011/95 genannten Fälle ähnlich. Was speziell Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie betrifft, ist ein solcher Schweregrad insbesondere dann als erreicht anzusehen, wenn mehrere Verletzungen von Rechten in ihrer Gesamtheit, die nicht zwangsläufig Rechte darstellen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden darf, die uneingeschränkte Wahrung der in Art. 1 der Charta verankerten Menschenwürde beeinträchtigen, die die Richtlinie 2011/95, wie sich aus ihrem 16. Erwägungsgrund ergibt, ausdrücklich gewährleisten soll (vgl. zum Ganzen EuGH, 04.10.2024, C‑608/22 und C‑609/22, Rn. 32 ff hinsichtlich der Gruppenverfolgung afghanischer Frauen durch kumulative Maßnahmen des islamistischen Regimes der Taliban).
3.1.9.3. Zwar werden der HTS unter Anknüpfung an die Phase vor 27.11.2024 im Westen Syriens Menschenrechtsverstöße vorgeworfen, doch weist der arabisch sunnitisch geprägte und politisch unauffällige Beschwerdeführer selbst im Lichte der insoweit gegebenen, auf die derzeitige Situation aber ohnedies nicht umzulegenden Berichtslage keinerlei exponierende, verfolgungsindizierende Merkmale oder Verhaltensweisen auf. Nach dem Sturz des syrischen Regimes im Dezember 2024 ergibt die verfügbare Berichtslage überdies moderate staatspolitische Zugänge der machtpolitisch dominierenden Akteure, nicht zuletzt die ausgerollten Amnestien für vormalige Mitglieder der syrischen Armee, Demonstrationen an denen Frauen und Männer in Damaskus friedlich und ungehindert teilnehmen können, oder die in Aussicht genommene Auflösung früherer Geheimdienste sprechen gegen die prognostische Annahme verdichteter, allgemein oder spezifisch gegen die Person des Beschwerdeführers ausschlagender Gefahrenpotenziale. Seit der endgültigen Machtübernahme durch die HTS-dominierte Opposition befindet sich der größte Teil der engsten Familienangehörigen nach wie vor in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers. Konkrete Gefahrenlagen sind bis zuletzt nicht hervorgekommen und ist eine zwangsweise Einziehung zu einem Militärdienst der machthabenden Gruppierungen derzeit nicht zu befürchten. Dies wäre für sich betrachtet aber auch nicht ausreichend, einen Asylanspruch zu begründen. Die politischen Umwälzungen auf syrischem Territorium können zum Entscheidungszeitpunkt als gefestigt qualifiziert werden (vgl. auch die beweiswürdigenden Erwägungen unter Punkt 2.2.). Eine Vergleichbarkeit mit den zunächst unvorhersehbaren Veränderungen in Afghanistan im Jahr 2021 kann nicht angenommen werden (zur damaligen Situation etwa VfGH 19.09.2022, E 3015/2021). Dies belegen allein zahlreiche offizielle Besuche in Damaskus durch Vertreter der Europäischen Union oder die Lockerung der Sanktionen gegenüber Syriens seitens der USA.
3.1.10. Ergebnis:
Zusammenfassend sind in Bezug auf die derzeit die Kontrolle ausübenden Angehörigen der HTS – auf dem Boden des festgestellten Sachverhaltes – nicht einmal im Ansatz Anhaltspunkte für Handlungen erkennbar, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung derart gravierend wären, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellten, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden dürfe, nämlich des Rechts auf Leben (Art. 2), des Rechts, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3), der Sklaverei (Art. 4 Abs. 1) oder einer Verurteilung ohne Gesetz (Art. 7) unterworfen zu werden. Auch wenn der Beschwerdeführer – dieser ist selbst Angehöriger der arabischen Volksgruppe und ein männlicher sunnitischer Moslem – angibt, er lehne ein islamistisches Regime ab, ist nicht zu sehen, inwiefern er durch diese Haltung allein einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr seitens eines politischen Akteures ausgesetzt sein sollte, dessen Angehörige ebenso dem sunnitischen Islam angehören. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten. Vielmehr muss die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen (VwGH 11.9.2024, Ra 2024/01/0259, mwN).
3.1.11.Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen des ergänzenden Schriftsatzes vom 13.12.2024 – unter Hinweis auf verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Machtergreifung der Taliban in Afghanistan 2021 – ausführt, der Sachverhalt sei aktuell nicht entscheidungsreif, da Voraussetzung das Vorliegen neuer Länderberichte zu Syrien wäre, auf deren Basis eine tragfähige Prognosebeurteilung im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz durchgeführt werden kann, ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sich der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der angeführten Entscheidungen mit der erforderlichen Prüfung einer realen Gefahr der Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführer angesichts der sich [damals] nahezu täglich ändernden Situation in der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung und ihren Truppen befasste (VfGH 19.09.2022, E 3015/2021 ua). Demgegenüber spielen für den vorliegenden Fall – zu prüfen war ausschließlich das Vorliegen einer Verfolgung im Herkunftsstaat im Sinne von Artikel eins Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, nicht aber, ob die allgemeine Sicherheits- und Versorgungssituation eine Rückkehrentscheidung zulässig macht – Erwägungen zu Art. 2 und 3 EMRK bzw. Art. 15 Status-Richtlinie (subsidiärer Schutz) keine Rolle. Ob im Lichte der geänderten Umstände in Syrien in Bezug auf die Person des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Gewährung des –zum Entscheidungszeitpunkt aufrechten – Status als subsidiär Schutzberechtigter weiterhin vorliegen, wird die belangte Behörde im Rahmen eines Verfahrens nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen haben.
3.2. Zu Spruchpunkt II – Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Den Gegenstand der vorliegenden Entscheidung bildet die im Einzelfall zu beurteilende Frage der Asylrelevanz des u.a. in Richtung des syrischen Militärdienstes oder sonstiger Gefahrenmomente in Ansehung des vormaligen syrischen Regimes erstatteten Vorbringens, entscheidungswesentlich sind die auf Ebene der Beweiswürdigung zu beurteilenden Fragestellungen zur Situation des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der gegebenen Länderberichtslage und die darauf basierenden rechtlichen Einzelfallüberlegungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bei der Lösung der aufgetretenen Rechtsfragen an den vorgezeichneten und jeweils in Klammern zitierten Linien höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientiert.
Rückverweise