G310 2295863-1/4Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde des litauischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2024, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:
A) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wird Folge gegeben und Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) ist ein am XXXX geborener rumänischer Staatsangehöriger. Er ist geschieden. Der alkoholkranke BF ist auf einem Auge erblindet, benötigt aufgrund Hüftproblemen einen Rollstuhl und leidet an einer Leberzirrhose. Seit Jänner 2019 liegen, wenn auch nicht durchgehend, Wohnsitzmeldungen des BF im Budnesgebiet vor. Zuletzt war er von XXXX 2022 bis XXXX 2022 und von XXXX 2023 bis XXXX 2023 in einer Obdachlosenunterkunft in Innsbruck gemeldet. Eine Anmeldebescheinigung wurde von ihm nie beantragt, auch liegen keine Beschäftigungszeiten des BF im Bundesgebiet vor. Berücksichtigungswürdige familiäre oder private Kontakte sind nicht vorhanden.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2020, XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, § 83 Abs 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen zu je EUR 4,00 verurteilt.
Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2020, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 100 Tagessätzen zu je EUR 4,00 verurteilt. Aufgrund der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe verbüßt der BF derzeit die 50tägige Ersatzfreiheitsstrafe in der Jusitzanstalt XXXX . Das Haftende ist am XXXX 2024.
Die von der Staatsanwaltschaft XXXX am XXXX 2022 unter der AZ. XXXX , erfolgte Anklageerhebung gegen den BF wegen des Verdachts wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 StGB führte zu keiner Verurteilung.
Laut der Bezirkshauptmannschaft Imst mussten gegen den BF 2019 zwei Betretungs- und Annährungsverbote nach § 38a SPG unter den GZ. XXXX und XXXX ausgesprochen werden.
Bei der Landespolizeidirektion XXXX sind wegen Schwarzfahrens nach Art III Abs 1 Z 2 EGVG unter den GZ. XXXX und XXXX zwei Verwaltungsstrafverfahren dokumentiert.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unter anderem damit, dass sich, wie im Zuge der Prüfung des Durchsetzungsaufschubs, keine Gründe ergeben hätten, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots sprechen würden. Wegen den wiederholten Berichten zu Eigentumsdelikten, den fortgesetzten Übertretungen und der andauernden Lebenssituation in Obdachlosigkeit und Mittelosigkeit sei es beim BF nur eine Frage der Zeit, bis er wieder ein Verhalten setze, welches fremdes Eigentum sowie die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Das Verhalten des BF stelle gegenwärtig eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Die Abwägung ergebe, dass aufgrund seines Verhaltens das Interesse des BF an einem Aufenthalt in Österreich hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurücktrete.
Der BF erhob dagegen Beschwerde und brachte bezüglich der Nichterteilung des Durchsetzungsaufschubs und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor, dass die Behörde keine der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entsprechende Begründung vorgenommen habe.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus dem Strafurteil, den Angaben des BF in der Beschwerde, sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Sozialversicherungsdatenauszug und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann gegen den BF als EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Das BFA muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172).
Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids erforderlich ist (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).
Eine solche Begründung lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde vielmehr nur mit den bereits für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründen, konkret mit dem (verwaltungs)strafrechtlich geahndeten Fehlverhalten des BF, begründet, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich der BF seit 2020 strafgerichtlich nichts mehr zu Schulden kommen hat lassen. Auch wurde der BF im Bundesgebiet bislang nur wegen nicht allzu schwerwiegenden Straftaten bestraft, wobei mit Geldstrafen das Auslangen gefunden und der Strafrahmen bei weitem nicht ausgenutzt wurde. Selbst die zuletzt verhängten Verwaltungsstrafen machen eine sofortige Ausreise des gesundheitlich beeinträchtigten BF ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nicht notwendig.
Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren.
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