Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, ***AdrBf***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom 11. Dezember 2023 gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom 9. November 2023, Zl. ***1***, betreffend Abweisung eines Antrages auf Eingangsabgabenbefreiung für Übersiedlungsgut zu Recht erkannt:
I. Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird wie folgt abgeändert:
a. Über den Antrag des ***Bf.*** vom 09.03.2023 auf Gewährung der Eingangsabgabenbefreiung für Übersiedlungsgut für die drei verfahrensgegenständlichen Armbanduhren (Marke ***2***, ***3*** und ***4***) wird gem. § 87 Abs. 1 Z 1 Buchstabe b ZollR-DG wie folgt entschieden:Es wird festgestellt, dass die drei genannten Uhren grundsätzlich alle Voraussetzungen für die Abgabenbefreiung gem. Art. 3 bis 11 der ZollbefreiungsVO erfüllen.
b. Ob dem Bf. im Rahmen der Einfuhr dieser Waren in das Zollgebiet der Union vorschriftswidriges Verbringen iSd Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK anzulasten ist bzw. ob allenfalls in diesem Zusammenhang die Bestimmungen des Art. 86 Abs. 6 UZK zur Anwendung gelangen, ist in einem gesonderten Verfahren festzustellen.
c. Die Eingangsabgabenbefreiung ist gem. Art. 8 ZollbefreiungsVO an eine mit 12 Monaten ab Annahmedatum der Zollanmeldung befristete Verwendungs-verpflichtung geknüpft.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit dem o.a., an den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn ***Bf.*** gerichteten Bescheid vom 9. November 2023 wies das Zollamt Österreich den Antrag des Bf. vom 9. März 2023 auf Abgabenbefreiung für Übersiedlungsgut für drei im Bescheid näher bezeichnete Armbanduhren ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Bescheidbeschwerde vom 11. Dezember 2023.
Das Zollamt Österreich wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. April 2024, Zl. ***5***, als unbegründet ab.
Der Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom 22. Mai 2024 den Vorlageantrag.
Am 7. April 2025 fand in der vorliegenden Beschwerdesache gem. § 269 Abs. 3 BAO ein Erörterungstermin statt.
Am 02.01.2023 reiste der Bf. von Istanbul kommend per Flugzeug in das Zollgebiet der Union ein. Kurz vor Verlassen des sog. Grünkanals wurde er am Flughafen Wien von Organen des Zollamtes zu einer Zollkontrolle gebeten. Die an ihn gerichtete Frage, ob er anmeldepflichtige Waren mit sich führe, verneinte der Bf. Im Zuge der Kontrolle konnten anschließend drei gebrauchte Armbanduhren vorgefunden werden.
Das Zollamt erblickte im Verhalten des Bf. ein vorschriftswidriges Verbringen iSd Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK und beschlagnahmte die drei Uhren zur Sicherung des Verfalls bzw. zur Beweissicherung. Mit dem an den Bf. gerichteten Zollschuldbescheid vom 25.08.2023, Zl. ***6***, setzte das Zollamt die Zollschuld fest.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Bescheidbeschwerde entschied das Zollamt bislang nicht.
Der Bf. führt in der verfahrensgegenständlichen Beschwerdeschrift wie folgt zum Sachverhalt aus (auszugsweise Wiedergabe):
Der Bf. war von Dezember 2016 bis November 2022 durchgehend in Moskau wohnhaft und fast durchgehend auch dort aufhältig, war aber noch an seinem früheren Wohnsitz in Deutschland angemeldet geblieben. Seit 2016 ist der Bf. nicht mehr in Deutschland wohnhaft und seit Februar 2020 bis zur verfahrensgegenständlichen Einreise nach Österreich auch nie mehr nach Deutschland eingereist.
Konkret seit zumindest 01.12.2016 hatte der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Wohnsitz iSd Art 3 VO (EG) 1186/2009 in Moskau, mit lediglich urlaubsbedingt, kriegsbedingt oder beruflich bedingten vorübergehenden Unterbrechungen seines dortigen Aufenthaltes. Seine Gattin ***7*** lebte seit November 2018 dauerhaft mit ihm in Moskau und auch seine Tochter ***8*** wurde am ***9*** in Moskau geboren und war dort bis November 2022 wohnhaft.
Am 14.06.2022 wurde der Beschwerdeführer, der zuvor für die ***FirmaNN*** deren Moskauer Niederlassung geleitet hatte, von der Gruppe zum Leiter der österreichischen Tochter **FirmaNN** mit dem Sitz in Wien bestellt und hat dieser Bestellung am 16.06.2022 zugestimmt. Ab diesem Zeitpunkt stand fest, dass der Beschwerdeführer nach ordnungsgemäßer Übergabe seiner bisherigen Tätigkeit seinen und seiner Familie gewöhnlichen Wohnsitz nach Wien verlegen werde. Zwischen 28.08.2022 und 25.11.2022 pendelte der Beschwerdeführer zur Erfüllung seiner beruflichen Verpflichtungen zwischen Moskau und Wien, der Familienwohnsitz blieb bis dahin in Moskau.
Am 22.11.2022 wurde das gesamte Inventar samt Hausrat und nicht dringend benötigter Fahrnisse des Beschwerdeführers und seiner Familie aus ihrer Wohnung in Moskau abgeholt. Bereits zuvor hatte die Spedition dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er seine Wertgegenstände, insbesondere seine gleichfalls zu seinem Gebrauchsvermögen gehörigen drei Armbanduhren aus versicherungstechnischen Gründen nicht per Spedition versenden dürfe, sondern persönlich überstellen müsse. Daher hat er diese anlässlich seiner eigenen Einreise am 02.01.2023 mitgenommen. Die Spedition hat dem Beschwerdeführer nicht mitgeteilt, dass er dieses sein persönliches Gebrauchsvermögen anlässlich der Einreise deklarieren müsse.
Am 25.11.2022 verließen der Beschwerdeführer und seine Familie Moskau endgültig. Da in Wien noch kein Wohnsitz gefunden und bezugsbereit war, verblieb seine Familie zunächst bis 15.01.2023 bei Angehörigen und Freunden in Istanbul, während der Beschwerdeführer bereits großteils in Hotels in Wien nächtigte, um die Übersiedlung der Familie vorzubereiten.
Konkret nächtigte der Beschwerdeführer von 27.11.2022 bis 08.12.2022 und von 12.12.2022 bis 23.12.2022 im **HotelA** (***AdrWien***). In dieser Zeit fand er auch die nunmehrige Wohnung und schloss am 13.12.2022 den Mietvertrag für seine nunmehrige Wohnung in **AdrBf** für den Zeitraum 01.01.2023 bis 31.12.2028 ab.
Am 02.01.2023 ist der Beschwerdeführer dauerhaft nach Wien übersiedelt. Dabei wurden die drei genannten Armbanduhren des Beschwerdeführers bei der Einreise zur Control- GZ: ***10*** zunächst aus finanzstrafrechtlichen Gründen beschlagnahmt.
Der Beschwerdeführer nächtigte zunächst im ***HotelB*** (**AdrWien**) und holte am 15.01.2023 seine Familie nach, welche vorerst auch im ***HotelB*** unterkam. Am 20.01.2023 hat der Beschwerdeführer mit seiner Familie seinen neuen Wohnsitz in ***Adr.Bf,*** bezogen, wobei in der Einzugsphase bis 30.01.2023 noch im genannten Hotel genächtigt wurde.
Zuvor war bereits das größere Inventar vorab von einer Spedition überstellt worden, welche dafür den Bescheid vom 16.12.2022 zur Zahl: ***11*** über die Gewährung der Eingangsabgabenbefreiung für Übersiedlungsgut erwirkt hatte.
Im Rahmen des Erörterungstermins gab der Bf. bekannt, er sei seit August 2022 handelsrechtlicher Geschäftsführer bei *FirmaNN* in Wien und seit 01.01.2023 bei diesem Unternehmen dienstvertraglich angestellt.
Nach der Aktenlage ist von folgendem chronologischen Ablauf des Geschehens auszugehen:
| Datum | Text |
| ca. 2010 | Ankauf der ***2*** in Istanbul |
| 07.10.2017 | Ankauf der ***3*** in Wien |
| 10.02.2019 | Ankauf der ***4*** in Moskau |
| 2016-2022 | Der Bf. wohnt, lebt und arbeitet mit seiner Familie in Moskau |
| 17.11.2022 | Bf. erteilt der Sped. ***12*** die Vollmacht zur Zollabfertigung |
| 22.11.2022 | Der persönliche Hausrat des Bf. wird von der Spedition in Moskau abgeholt |
| 25.11.2022 | Der Bf. samt Familie verlässt Moskau endgültig |
| 13.12.2022 | Abschluss des Mietvertrages für die Wohnung in Wien |
| 15.12.2022 | Der Bf. unterschreibt hinsichtlich des persönlichen Hausrats den Antrag auf Zollbefreiung als Übersiedlungsgut (ohne Uhren) |
| 15.12.2022 | Der Bf. stellt schriftlich den Antrag auf Erteilung eines Grundlagenbescheids (ohne Uhren) |
| 16.12.2022 | Das Zollamt erteilt den Grundlagenbescheid für den Hausrat ohne Uhren |
| 27.12.2022 | Zollabfertigung des Übersiedlungsgut (ohne die drei Uhren) für den Bf. |
| 01.01.2023 | Beginn des Mietverhältnisses für die Wiener Wohnung laut Mietvertrag |
| Seit Beginn 2023 | Bf. ist Geschäftsführer bei *FirmaNN* in Wien |
| 02.01.2023 | Einreise des Bf. über den Flughafen Wien und Beschlagnahme der 3 Uhren |
Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte.
Darüber hinaus wurde auch auf das Ergebnis des Erörterungstermins Bedacht genommen. Die Parteien erklärten im Rahmen des Erörterungstermins die Feststellungen des Bundesfinanzgerichts betreffend den chronologischen Ablauf des Geschehens laut obiger Aufstellung als zutreffend.
Es konnte daher bedenkenlos vom oben wiedergegebene Sachverhalt und vom geschilderten Verfahrensgang ausgegangen werden.
Rechtslage
Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, ABl. L 324 vom 10.12.2009 (Zollbefreiungsverordnung - ZollbefreiungsVO) bestimmt:
Von den Eingangsabgaben befreit ist vorbehaltlich der Art. 14 bsi 11 das Übersiedlungsgut natürlicher Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegen.
§ 87 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) lautet:
(1) Für die Feststellung der Einfuhrabgabenfreiheit bedarf es eines Antrags. Die Feststellung erfolgt
1. in jenen Fällen, in denen
a. für die Feststellung, ob die für die Verwirklichung des Tatbestandes maßgeblichen Umstände gegeben sind, Ermittlungen erforderlich sind, die nicht im Zuge der Abfertigung abgeschlossen werden können, oder
b. der Antrag nicht in der Anmeldung gestellt wird,
mit gesonderter Entscheidung ( § 185 BAO),
2. in allen übrigen Fällen durch die Annahme der Anmeldung.
(2) Auf welche Fälle Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a zutrifft, hat der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festzulegen.
Art. 79 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013 (Unionszollkodex - UZK) bestimmt:
Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:
a. eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,
b. eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Endverwendung von Waren innerhalb des Zollgebiets der Union,
c. eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in ein Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren.
Erwägungen:
Zum gewöhnlichen Wohnsitz:
Von den Eingangsabgaben befreit ist gem. Art. 3 der ZollbefreiungsVO vorbehaltlich der Art. 4 bis 11 das Übersiedlungsgut natürlicher Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Union verlegen.
Die Zollbefreiungsverordnung definiert den Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" nicht. Er ist deshalb unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der Regelung verfolgten Zwecks als autonomer Begriff des Unionsrechts auszulegen.
Nach ständiger Rechtsprechung wird als gewöhnlichen Wohnsitz der Ort angesehen, den der Betroffene als ständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen (vgl. etwa Finanzgericht Hamburg, 18.08.2016, 4 K 99/15).
Der EuGH hat klargestellt, dass eine natürliche Person für die Zwecke der Anwendung des Art. 3 der Zollbefreiungsverordnung ihren gewöhnlichen Wohnsitz nicht gleichzeitig in einem Mitgliedstaat und in einem Drittland haben kann. Weiter hat er ausgeführt, dass unter dem Begriff "gewöhnlicher Wohnsitz" der Ort zu verstehen ist, den der Betroffene als ständigen Mittelpunkt seiner Interessen gewählt hat. Um zu bestimmen, ob sich dieser gewöhnliche Wohnsitz im Hinblick auf die Gewährung der in Art. 3 der Zollbefreiungsverordnung vorgesehenen Zollbefreiung in einem Drittland befindet, sind alle erheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, ohne dass den persönlichen Bindungen der Vorrang einzuräumen wäre. Zu diesen erheblichen Tatsachen gehören u. a. die körperliche Anwesenheit des Betroffenen, diejenige seiner Familienangehörigen, die Einrichtung einer Wohnung, der Ort des tatsächlichen Schulbesuchs der Kinder, der Ort der Ausübung der beruflichen Tätigkeit, der Ort, an dem die Vermögensinteressen liegen und der Ort, an dem die verwaltungsmäßigen Beziehungen zu den staatlichen Stellen und den gesellschaftlichen Einrichtungen bestehen, soweit diese Faktoren den Willen des Betroffenen zum Ausdruck bringen, dem Ort, an dem die Bindungen bestehen, aufgrund einer Kontinuität, die aus einer Lebensgewohnheit und aus der Entwicklung normaler sozialer und beruflicher Beziehungen folgt, eine gewisse Beständigkeit zu verleihen. Schließlich hat der EuGH unterstrichen, dass bei der Gesamtbewertung der erheblichen Tatsachen zur Bestimmung, ob sich ein gewöhnlicher Wohnsitz im Drittland befindet, der Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in diesem Drittland besondere Bedeutung zukommt (EuGH 27.04.2016, C-528/14).
Die nach dieser Maßgabe durchzuführende Gesamtbewertung der vorliegenden Umstände führt nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts zweifellos zum Schluss, dass sich der gewöhnliche Wohnsitz des Bf. von 2016 bis 2022 in Russland befand und dass der Bf. mit Beginn des Jahres 2023 in Österreich seinen gewöhnlichen Wohnsitz begründete.
Für dieses Ergebnis spricht zunächst die Tatsache, dass der Bf. laut vorliegender Bestätigung seines Arbeitgebers vom 08.05.2023 von Dezember 2016 bis Dezember 2022 als Geschäftsführer für die Niederlassung des Konzerns in Russland und ab Anfang 2023 als Geschäftsführer für die Niederlassung in Wien tätig war und seinen Wohnsitz Anfang 2023 von Russland nach Wien verlegte.
Hinsichtlich der familiären Bindungen ist für die Bestimmung des Wohnsitzes von Bedeutung, dass der Bf. seit Jahren gemeinsam mit seiner Ehegattin und seiner laut vorliegender Geburtsurkunde im Jahr ***JJJJ*** in Russland geborenen Tochter in Moskau wohnhaft war und dass die Familie diesen gemeinsamen Wohnsitz laut den glaubwürdigen Aussage des Bf. im November 2022 endgültig aufgab.
Für die Richtigkeit der Angaben hinsichtlich Wohnsitzaufgabe Ende 2022 spricht die vorliegende Korrespondenz zwischen der beauftragten Spedition und dem Zollamt Österreich (siehe z.B. E-Mail vom 16.12.2022), die vom Bf. unterfertigte Vollmacht vom 15.12.2022 für die Übersiedlungsgutabfertigung und die mit 24.11.2022 datierte Liste über den von der Spedition in Moskau abgeholten und nach Wien überstellten Hausrat des Bf.
Es entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass die Übersiedlung des gesamten Hausrats vom Drittland und die erstmalige Begründung eines Wohnsitzes in Österreich keine Angelegenheit ist, die problemlos innerhalb weniger Tage abzuwickeln ist. Das Beschwerde-vorbringen, wonach Ende 2022 in Wien noch kein Wohnsitz gefunden und bezugsbereit war, erscheint daher durchaus plausibel. Ebenfalls Glauben geschenkt wird den Ausführungen, wonach bis zum Bezug der Wohnung in Wien die Familie zunächst bis 15.01.2023 bei Angehörigen und Freunden in Istanbul verblieb, während der Bf. bereits großteils in Hotels in Wien nächtigte, um die Übersiedlung der Familie vorzubereiten. Diese Angaben wurden durch die beigebrachten Reservierungsbestätigungen und den o.a. Mietvertrag glaubhaft gemacht.
Die Richtigkeit der im angefochtenen Bescheid seitens des Zollamts noch vertretenen Ansicht, der gewöhnliche Wohnsitz des Bf. habe sich bis zum 20.1.2023 in Russland befunden, seine Familie habe sich ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt in Russland aufgehalten und die beruflichen Bindungen des Bf. seien bis dahin auch in Russland zu finden gewesen, ist angesichts der vorstehenden Feststellungen und der seitens des Bf. beigebrachten Beweise widerlegt.
Das Zollamt selbst änderte in der o.a. Beschwerdevorentscheidung seine diesbezügliche Einschätzung und kam zum Schluss, dass sich der gewöhnliche Wohnsitz des Bf. zum Zeitpunkt der Einreise in einem (nicht näher genannten) Land außerhalb der Europäischen Union befunden habe.
Wenn das Zollamt damit zum Ausdruck bringen möchte, der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. sei damals in der Türkei gelegen, kann ihm aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:
Der Familienaufenthalt bei Freunden und Verwandten in der Türkei zum Jahreswechsel 2022/2023 diente - wie oben dargelegt - der Überbrückung der Wohnsituation bis zur Bezugsfertigkeit der Wiener Wohnung. Die dortige Wohnsitznahme führte daher (ähnlich wie ein Zweitwohnsitz oder ein vorübergehendes Urlaubsdomizil) nicht zur Begründung eines gewöhnlichen Wohnsitzes im Drittland. Dies schon deshalb, weil derartigen Wohnsitzen nicht die laut oben zitierter Rechtsprechung geforderte Beständigkeit innewohnt.
Aus dem Gesagten folgt, dass der Bf. Ende 2022 seinen bisherigen gewöhnlichen Wohnsitz in Russland aufgab und Anfang 2023 seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Österreich begründete. Dass der Bf. erst seit 20.01.2023 in seiner bereits seit 01.01.2023 angemieteten Wohnung gemeldet ist und dass im Antrag vom 09.03.2023 daher ebenfalls dieses Datum genannt ist, schadet nicht, zumal es auf die oben geschilderten tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die Eintragungen im Zentralen Melderegister ankommt.
Wenn - wie oben ausgeführt - der Bf. am 25.11.2022 Russland endgültig verließ und dem Zwischenaufenthalt in der Türkei keine entscheidungsmaßgebliche Relevanz beizumessen ist, bleibt als gewöhnlicher Wohnsitz zum Zeitpunkt der Einreise am 02.01.2023 nur noch Österreich, wo der Bf. auch tatsächlich wohnhaft und berufstätig war.
Gegen eine Wohnsitzverlegung erst am 20.01.2023 spricht auch der o.a. Bescheid des Zollamtes vom 16.12.2023, mit dem für den Hausrat des Bf. die Eingangsabgabenbefreiung als Übersiedlungsgut gewährt wurde. In diesem Bescheid ist keine Rede davon, dass der Bf. zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung noch über keinen gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Gemeinschaft verfügte.
Zu den grundsätzlichen Voraussetzungen der Abgabenbefreiung:
Nach Art. 4 ZBefrVO wird nur Übersiedlungsgut von den Eingangsabgaben befreit, das - außer in umständehalber gerechtfertigten Sonderfällen - dem Beteiligten gehört und, falls es sich nicht um verbrauchbare Waren handelt, von ihm an seinem früheren gewöhnlichen Wohnsitz mindestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt der Aufgabe seines gewöhnlichen Wohnsitzes in dem Herkunfts-Drittland benützt worden ist.
Dass der Bf. hinsichtlich der drei gebrauchten, in seinem Eigentum stehenden und vor der Wohnsitzverlegung von ihm in Russland benützten Armbanduhren diese sachlichen Voraussetzungen erfüllt, steht außer Streit. Es handelt sich dabei um zum Hausrat gehörende und zum persönlichen Gebrauch des Bf. bestimmte Gegenstände, die gem. Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c i) und Buchstabe b ZollbefreiungsVO als Übersiedlungsgut zählen. Die Uhren sind auch nicht gem. Art. 6 ZollbefreiungsVO von der Abgabenbefreiung ausgeschlossen.
Das Zollamt begründet im angefochtenen Bescheid die Abweisung des Antrags vom 09.03.2023 auf Zollbefreiung zunächst mit den Bestimmungen des Art. 9 ZollbereiungsVO.
Nach dieser Gesetzesstelle kann die Befreiung für Übersiedlungsgut für vor Begründung des gewöhnlichen Wohnsitzes durch den Beteiligten im Zollgebiet der Union zur Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldetes Übersiedlungsgut genehmigt werden, sofern dieser sich verpflichtet, seinen gewöhnlichen Wohnsitz tatsächlich innerhalb von sechs Monaten dort zu begründen.
Es geht also um Fälle, in denen bei der Einfuhr der EU-Wohnsitz der übersiedelnden Person noch nicht nachweisbar begründet wurde (siehe Kampf in Witte, 7. Auflage, Anh 2, Rz. 18).
Diese Norm kann im Streitfall schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil der Bf. bereits am 13.12.2022 einen Mietvertrag für die Wohnung in ***Adr.Bf,*** abgeschlossen hatte. Das Mietverhältnis begann laut Pkt. 2 des Mietvertrages am 01.01.2023. Der Bf. gab diese Anschrift im Zuge seiner Einvernahme am 02.01.2023 den einschreitenden Zollbeamten bekannt. Dass das Zollamt Kenntnis von diesem Wohnsitz hatte, ergibt sich auch aus dem o.a. Grundlagenbescheid vom 16.12.2022, der den Bf. mit eben dieser Wohnanschrift als Bescheidadressat nennt.
Wie oben ausgeführt, hat der Bf. spätestens seit 01.01.2023 seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Österreich.
Es kann also keine Rede davon sein, dass der Bf. zum Zeitpunkt der Einfuhr noch keinen Wohnsitz im Zollgebiet der Union begründet hatte. Die Abweisung des Antrags kann sich daher nicht zu Recht auf die Bestimmungen des Art. 9 ZollbefreiungsVO stützen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Wohnsitzverhältnisse des Bf. plötzlich gegen die begehrte Abgabenbefreiung sprechen sollen, zumal sich diesbezüglich nach der Aktenlage zwischen 16.12.2022 (Erlassung des Grundlagenbescheids für den Hausrat) und 02.01.2023 (Tag der in Rede stehenden Einreise) keine entscheidungsmaßgebliche Änderung ergeben hat.
Hätte der Bf. in seinem Antrag vom 15.12.2022 auf Abgabenbefreiung für seinen Hausrat auch die drei Uhren genannt, wären diese ebenfalls vom Grundlagenbescheid vom 16.12.2022 erfasst gewesen und hätten dementsprechend zollfrei abgefertigt werden können. Er spricht daher auch aus dieser Sicht alles dagegen, dem Bf. die Abgabenbefreiung als Übersiedlungsgut mit der Begründung zu verwehren, er habe zum Zeitpunkt der Einreise noch über keinen Wohnsitz im Zollgebiet der Union verfügt.
Die Bestimmungen des Art. 4 der ZollbefreiungsVO sehen vor, dass die Mitgliedstaaten die Abgabenbefreiung davon abhängig machen können, dass die normalerweise auf diese Gegenstände anwendbaren Zölle und/oder Steuern im Ursprungs- oder Herkunftsland entrichtet worden sind. Österreich hat von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht. Die Tatsache, dass die drei Uhren mehrwertsteuerfrei erworben wurden, steht daher der begehrten Abgabenbefreiung nicht entgegen.
Zum Vorwurf des vorschriftswidrigen Verbringens:
Im angefochtenen Bescheid wird die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Grundlagen-bescheides neben den eben angesprochenen Wohnsitzverhältnissen des Bf. auch damit begründet, er habe die drei Uhren im Rahmen seiner Einreise am 02.01.2023 nicht angemeldet und somit vorschriftswidrig verbracht. Dadurch sei die Zollschuld gem. Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK entstanden. Der Bf. habe dabei in Täuschungsabsicht gehandelt. Daher könne die Bestimmung des Art. 86 Abs. 6 UZK nicht zur Anwendung gebracht werden.
Dazu wird ausgeführt:
Art 86 Abs. 6 UZK bestimmt:
Ist in den zollrechtlichen Vorschriften eine zolltarifliche Abgabenbegünstigung oder die vollständige oder teilweise Befreiung von den Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 56 Absatz 2 Buchstaben d bis g, nach den Artikeln 203, 204, 205 und 208 oder den Artikeln 259 bis 262 der vorliegenden Verordnung oder nach der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen vorgesehen, so gilt diese zolltarifliche Abgabenbegünstigung oder Befreiung auch in den Fällen, in denen eine Zollschuld nach Artikel 79 oder 82 der vorliegenden Verordnung entstanden ist, sofern der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, kein Täuschungsversuch war.
Nach der zitierten Norm ist selbst im Falle zollunredlichen und zollschuldbegründenden Verhaltens des Beteiligten die Inanspruchnahme einer Abgabenbefreiung möglich. Liegen alle Voraussetzungen vor, so gilt die Befreiung auch in Fällen, in denen wegen der Nichtbeachtung von Verfahrensvorschriften (vermeintlich) eine Zollschuld entstanden ist. Im Ergebnis bleibt dann - sofern kein Täuschungsversuch vorliegt - die Zollschuld nach Art. 79 UZK nicht bestehen.
Es stellt sich nun die Frage, in welchem Stand des Verfahrens die Erfüllung der Tatbestands-merkmale des Art. 86 Abs. 6 UZK zu untersuchen ist. Systematisch überzeugend ist es, die Vorschrift nach dem Entstehungstatbestand, aber vor einem etwaigen Erlöschen nach Art. 124 UZK zu prüfen (Traub in Witte, UZK, 7. Auflage, Rz. 80 zu Art. 86).
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist in diesem Zusammenhang strikt zu trennen zwischen einerseits dem Verfahren betreffend die Feststellung der Einfuhrabgabenfreiheit gem. § 87 ZollR-DG iVm Art. 3 der ZollbefreiungsVO und andererseits dem Verfahren betreffend das Entstehen der Zollschuld bei Verstößen gem. Art. 79 UZK.
Dem hier streitgegenständlichen Verfahren liegt der Antrag des Bf. vom 09.03.2023 auf Feststellung der Zollbefreiung für Übersiedlungsgut (Antrag auf Ausstellung eines Grundlagenbescheides gem. § 87 Abs. 1 Z 1 lit. b ZollR-DG) zugrunde.
Gegenstand eines solchen Verfahrens kann ausschließlich die Prüfung dahingehend sein, ob die in der ZollbefreiungsVO normierten Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung als Übersiedlungsgut erfüllt sind. Letzteres steht im Streitfall - wie oben dargelegt - fest.
Ob es hinsichtlich der (an sich eingangsabgabenfrei zu belassenden) Waren zu einer Zuwiderhandlung iSd Art. 79 Abs. 1 UZK gekommen ist und ob gegebenenfalls die Bestimmungen des Art. 86 Abs. 6 UZK, ist hingegen im Verfahren betreffend die Festsetzung einer sich daraus allenfalls ergebenden Zollschuld und nicht im Rahmen der Erteilung eines Grundlagenbescheides zu prüfen.
Für eine solche getrennte Würdigung spricht schon der übliche Ablauf einschlägiger Zollabwicklungen, konkret der Umstand, dass der Grundlagenbescheid zumeist vor der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr erlassen wird. Das Zollamt kann in diesen Fällen denkunmöglich bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des Grundlagenbescheides Kenntnis darüber haben, ob der Beteiligte etwa beim nachfolgenden Verbringen ein zollschuld-begründendes Fehlverhalten iSd Art. 79 UZK setzen wird und ob er dabei in Täuschungsabsicht iSd Art. 86 Abs. 6 UZK handeln wird.
Diese Argumentation wird durch die Bestimmungen des Art. 7 Abs. 2 ZollbefreiungsVO gestärkt. Demnach kann das Übersiedlungsgut in mehreren Teilsendungen in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden:
Hätte der Bf. schon in seinem o.a. Antrag vom 15.12.2022 die Abgabenbefreiung sowohl für seinen persönlichen Hausrat als auch für die gegenständlichen Armbanduhren gestellt, wären Letztere - wie oben dargelegt - vom o.a. Grundlagenbescheid vom 16.12.2022 mitumfasst gewesen. Der Grundlagenbescheid hätte in der Folge im Wege der Teilabschreibung zur Zollabfertigung des Hausrats am 27.12.2022 verwendet werden können. Hätte der Bf. dann im Zuge seiner späteren Einreise hinsichtlich der Uhren in Täuschungsabsicht die Gestellungs-pflicht verletzt, hätte das Zollamt trotz Vorliegen des gültigen Grundlagenbescheids die Anwendung des Art. 86 Abs. 6 UZK prüfen und gegebenenfalls die Zollschuld festsetzen müssen.
Es spricht daher auch aus dieser Sicht alles dafür, im Rahmen der Erteilung des Grundlagen-bescheides (die nach den Bestimmungen der ZollbefreiungsVO vorzunehmen ist) eine Prüfung hinsichtlich der Täuschungsabsicht bei allfälligen Zollunredlichkeiten beim Verbringen und deren zollschuldrechtlichen Konsequenzen (die nach den Bestimmungen einer völlig anderen Norm, nämlich des Zollkodex, zu geschehen hat) nicht anzustellen. Für eine solche Prüfung bietet sich im Streitfall etwa das noch unerledigte Rechtsbehelfsverfahren betreffend den o.a. Zollschuldbescheid vom 25.08.2023 an.
Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Abweisung des Antrages des Bf. vom 09.03.2023 erfolgte nach dem Gesagten zu Unrecht.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der hier entscheidungsmaßgeblichen Frage, ob sich der gewöhnliche Wohnsitz des Bf. zu Beginn des Jahres 2023 bereits in Österreich befunden hatte, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage. Diese Umstände waren vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung auf Tatsachen- und Sachverhaltsebene zu klären.
Im Übrigen kann sich die vorliegende Entscheidung auf die zitierte Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.
Wien, am 16. April 2025
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