Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom 20. Mai 2024 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 22. April 2024 betreffend die Wiederaufnahme gem § 303 Abs 1 BAO betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 und 2021 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) brachte am 12.04.2021 die Arbeitnehmerveranlagung 2020 und am 13.10.2022 die Arbeitnehmerveranlagung 2021 beim Finanzamt ein.
Die beiden Arbeitnehmerveranlagungen wurden je mit einem Einkommensteuerbescheid erledigt, für das Jahr 2020 am 25.08.2021 und für das Jahr 2021 am 05.12.2022. Beschwerde wurde gegen die beiden Einkommensteuerbescheide nicht erhoben.
Am 08.02.2023 wurde vom Bf bzw dessen steuerlichen Vertreter der beschwerdegegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 BAO für die Jahre 2020 und 2021 in Verbindung mit einem Antrag auf Erstattung der zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens gem § 240 Abs 4 BAO für die Steuerjahre 2020, 2021 und 2022 beim Finanzamt eingebracht. Als Begründung für den Antrag auf Wiede raufnahme wurde folgendes vorgebracht:"Begründet wird der Antrag auf Wiederaufnahme mit dem Umstand, dass unserem Klienten erst jetzt die Tatsache bewusst wurde, dass sein Arbeitgeber zu Unrecht die Lohnsteuer in Österreich abgeführt hat. Als steuerlicher Laie hatte er bisher keine Kenntnis vom Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Malta, und war sich nicht bewusst, dass Steuerpflicht in Malta gegeben ist. Dabei hat er sich auf seinen Arbeitgeber verlassen, dass dieser die Lohnsteuer korrekt abführt, was aber offensichtlich nicht der Fall war."
Die belangte Behörde hat die Anträge gem § 303 Abs 1 BAO auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 2020 und 2021 mit den Bescheiden vom 22.04.2024 abgewiesen. Über den Antrag gem § 240 Abs 4 BAO wurde vom Finanzamt nicht bescheidmäßig abgesprochen.
In seinen Beschwerden vom 20.05.2024 beantragte der Bf, "einen neuen Bescheid 2020 und 2021 zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu erlassen und im Rahmen eines neuen Einkommensteuerbescheides die Einkünfte von der ***DG Bf*** auf Grundlage Artikel 15 Absatz 3 iVm 23 Absatz 1 DBA-Malta unter Progressionsvorbehalt von der österreichischen Einkommensteuer zu befreien." Weiters führte der Bf aus, dass sich die Bescheide vom 22.04.2024 als falsch erweisen würden, da nicht die Anrechnungsmethode gem Artikel 23 Abs 2 DBA-Malta, sondern die Befreiungsmethode gem Artikel 23 Abs 1 DBA-Malta zur Anwendung kommen würde. Die Begründung in den Bescheiden sei somit nicht korrekt.
In den Beschwerdevorentscheidungen der belangten Behörde vom 17.07.2024 wurde im Wesentlichen inhaltlich zur Anwendung des DBA-Malta ausgeführt und die Beschwerden weiterhin abgewiesen.
In seinen Vorlageanträgen vom 12.08.2024 verwies der Bf in erster Linie auf die Ausführungen in seinen Beschwerden und ergänzend auch auf ein jüngst ergangenes BFG Erkenntnis zu RV/7102502/2024 in dieser Sache, welches er seinen Vorlageanträgen beilegte.
Weder in seinen Beschwerden noch in seinen Vorlageanträgen hat der Bf darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht neue Tatsachen und Beweise hervorgekommen seien und daher ein für ihn günstigerer Bescheid zu erwarten sei.
Mit Vorlagebericht vom 12.08.2024 wurden die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde beantragte weiterhin die Abweisung der Beschwerde und führte abermals inhaltlich - nicht zur Thematik der Wiederaufnahme an Sich - zur innerstaatlichen und DBA-rechtlichen Sichtweise der Behörde aus.
Der Dienstgeber des Bf, der seinen Sitz der tatsächlichen Geschäftsleitung der Gesellschaft in den Beschwerdejahren in Malta hatte, führte in den abgeschlossenen Einkommensteuerverfahren 2020 und 2021 Lohnsteuer für den Bf in Österreich ab. Die Einkommensteuerbescheide 2020 vom 25.08.2021 und 2021 vom 05.12.2022 wurden nicht mittels Bescheidbeschwerde bekämpft und sind in Rechtskraft erwachsen.
Der Bf stellte mit 08.02.2023 je einen Wiederaufnahmeantrag für die Jahre 2020 und 2021 sowie einen Antrag auf Erstattung der zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens gem § 240 Abs 4 BAO für die Steuerjahre 2020, 2021 und 2022.
Es wurden vom Bf weder neue Tatsachen noch Sachverhaltselemente als Wiederaufnahmegrund in seinen Beschwerden vom 20.05.2024 oder seinen Vorlageanträgen vom 12.08.2024 dargelegt. Lediglich in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 08.02.2023 wurde die "Rechtsunwissenheit" des Bf als Neuerungstatbestand angeführt.
Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den vorgelegten Unterlagen. Strittig ist die Rechtsfrage, ob das Bewusstsein Werden des Bf, dass sein Arbeitgeber zu Unrecht die Lohnsteuer in Österreich abgeführt hat, eine neue Tatsache im Sinne von § 303 Abs 1 BAO darstellt.
Gemäß § 303 BAO, BGBl Nr 194/1961 idgF kann(1) ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenna) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oderb) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oderc) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruchanders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamen Umstände zu bestimmen.
Der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend (zB VwGH 29.03.2017, Ro 2015/15/0030) ist für einen Antrag auf Wiederaufnahme erforderlich, dass für den Antragsteller Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände, allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (Neuerungstatbestand). Die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag erfordert, dass es sich um eine für den Antragsteller neu hervorgekommene Tatsache handelt (vgl auch VwGH 18.12.2017, Ra 2016/15/0071; VwGH 24.02.2021, Ra 2020/15/0105).
Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden sollen, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei durch das Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag (VwGH 07.11.2022, Ra 2021/15/0073). Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs 1 lit b BAO iVm § 303 Abs 2 lit b BAO ist somit abzuleiten, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen bei der beantragten Wiederaufnahme grundlegend aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl ua VwGH 24.02.2021, Ra 2020/15/0105; VwGH 29.03.2017, Ro 2016/15/0036); Die amtswegige Ermittlungspflicht tritt hierbei in den Hintergrund.
Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen oder Beweismittel, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0035; VwGH 18.12.2017, Ra 2016/15/0071).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - keine Tatsachen. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unter (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar 2023, § 303 BAO Rz 18 mit der dort angeführten höchstgerichtlichen Judikatur).
Daher ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens (wie bisher) ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt war, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu der Entscheidung gelangen hätte können, die nunmehr in einem wiederaufgenommenen Verfahren erlassen werden soll (vgl zB VwGH 31.05.2011, 2009/15/0135; 22.12.2011, 2010/15/0192).
So ist auch keine Wiederaufnahme möglich, wenn die Partei wegen mangelnder Information über die Auswirkung einzelner Sachverhaltselemente, wegen unzutreffender rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes oder wegen Fehlbeurteilung der Gesetzeslage im vorangegangenen Verfahren die maßgebenden Tatsachen nicht vorgebracht hat. Die Folge eines Rechtsirrtums kann nicht durch einen Wiederaufnahmeantrag beseitigt werden (VwGH 26.01.1999, Zl 98/14/0038).
Der Sinn dieser Beschränkung der Wiederaufnahmemöglichkeiten ist somit klar und verständlich: Fehlbeurteilungen und unzutreffende rechtliche Würdigungen sollen den Eintritt der Rechtskraft nicht behindern können. Das gilt für amtswegige Wiederaufnahmen und für vom Steuerpflichtigen beantragte Wiederaufnahmen.
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:
Der Bf hat in seinen Wiederaufnahmeanträgen lediglich seine Rechtsunwissenheit als Neuerungstatbestand angegeben. Es wurden tatsächlich jedoch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel gem § 303 Abs 1 BAO vorgebracht. Da somit nach der Aktenlage zum Zeitpunkt der Einbringung der strittigen Wiederaufnahmeanträge (Antrag vom 08.02.2023) aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO vorlagen, waren die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
Es war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Ergänzend wird festgehalten, dass es sich im gegenständlichen Beschwerdefall lediglich um die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide handelte. Da keinerlei Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 Abs 1 BAO vorliegen (es wurden weder ein Neuerungstatbestand oder ein Vorfragentatbestand vorgebracht, noch wurde der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat erschlichen), wurde im gegenständlichen Verfahren auch nur über die Wiederaufnahme entschieden. Eine inhaltliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Thematik der Steuerpflicht in Österreich oder Malta konnte folglich unterbleiben.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Rechtsfrage konnte anhand der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung und den angeführten gesetzlichen Vorschriften gelöst werden, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Graz, am 13. November 2025
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