Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Maria Daniel in der Beschwerdesache Bf***, Bf-Adr*** vertreten durch Aigner Buzanich Rechtsanwälte OG, Mariahilfer Straße 47/3/5, 1060 Wien, über die Beschwerde vom 20. November 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 30. Oktober 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 sowie über die Beschwerde vom 25. März 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 29. Februar 2024 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 (St.Nr.: Bf-StNr***) zu Recht:
Den Bescheidbeschwerden wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
Verfahrenslauf
Mit Schreiben vom 18.10.2023 beantragte der Beschwerdeführer die Rückzahlung der Lohnsteuer für das Jahr 2022. Sein Arbeitgeber, die A***, habe österreichische Lohnsteuer von seinem Gehalt einbehalten. Jedoch habe Österreich als Ansässigkeitsstaat nach den Bestimmungen des DBA-Malta kein Besteuerungsrecht. Als Pilot der A*** beziehe er für seine Tätigkeit Vergütungen für unselbständige Arbeit iSv Art 15 DBA-Malta. Die Flüge fänden im internationalen Verkehr iSv Art 15 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 lit h DBA-Malta statt. Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der A*** befinde sich in Malta. Nach Art 23 Abs 1 DBA-Malta müsse Österreich die Einkünfte von der Besteuerung ausnehmen (Befreiung mit Progressionsvorbehalt).
Mit Eingabe vom 20.2.2024 über FinanzOnline beantragte der Beschwerdeführer die Rückzahlung der einbezahlten Lohnsteuer für das Jahr 2023 mit identer Begründung.
Mit Bescheiden vom 30.10.2023 und 29.2.2024 wurden anlässlich der Arbeitnehmerveranlagungen 2022 und 2023 die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Tätigkeit als Pilot bei der A*** der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen.
Die beantrage Rückzahlung der Lohnsteuer für die bei der A*** ausgeübte Tätigkeit sei nach Ansicht der belangten Behörde nicht möglich. Das Besteuerungsrecht stehe dem Ansässigkeitsstaat zu. Art 23 Abs 1 DBA-Malta sehe zwar die Befreiungsmethode vor, jedoch existiere kein ausschließliches Besteuerungsrecht in Malta. Dies werde durch die Verwendung des Wortes "nur" im Art 23 Abs 1 DBA-Malta deutlich, wie auch im Fehlen des Wortes "nur" im Art 15 Abs 3 DBA-Malta.
Die Anrechnungsmethode des Art 23 Abs 2 DBA-Malta sei nur auf die Artikel 10, 11, und 12 begrenzt (Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren) und treffe nach dem Wortlaut des DBA-Malta auf Einkünfte gem Art 15 Abs 3 nicht zu. Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates Österreichs werde daher weder auf Ebene der Verteilungsnorm des Art 15 Abs 3 iVm Art 15 Abs 1 DBA-Malta, noch auf Ebene des Methodenartikels 23 Abs 1 und Abs 2 iVm Art 15 Abs 3 DBA-Malta eingeschränkt. Um eine Doppelbesteuerung, aber auch eine ungerechtfertigte doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden, könne gem Expressantwortservice 3448 des Bundesministeriums für Finanzen vom 12.11.2023 in teleologischer Auslegung des Methodenartikels 23 DBA-Malta die Anrechnungsmethode auch für Einkünfte iSd Art 15 Abs 3 DBA-Malta angewendet werden, um damit dem Ziel und Zweck des Abkommens zu entsprechen. Diese vom BMF vorgeschlagene (Kann-Bestimmung) Anwendung der Anrechnungsmethode gem Art 23 Abs 2 iVm Art 15 Abs 3 DBA-Malta sei jedoch nicht zwingend und bedürfe daher eines eigenen Antrages samt entsprechender Nachweise (ausl. Steuerbescheid).
Dagegen richten sich die beiden Bescheidbeschwerden vom 20.11.2023 und 25.3.2024.
Die Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidungen vom 29.2.2024 und 13.6.2024 als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom 25.3.2024 und 11.7.2024 beantragte der Beschwerdeführer die Bescheidbeschwerden dem Bundesfinanzgericht unter Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung vorzulegen.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 25.4.2025 wurde das Beschwerdeverfahren bis zur Beendigung des beim VwGH anhängigen Verfahrens zu Ro 2024/13/0025 ausgesetzt, da der Ausgang dieses Verfahrens hinsichtlich der Auslegung von Art 15 Abs 3 und Art 23 Abs 1 DBA-Malta von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr mit Erkenntnis vom 4.9.2025 klargestellt, dass iZm Art 15 Abs 3 und Art 23 Abs 1 DBA-Malta die Befreiungsmethode zur Anwendung gelangt (VwGH 4.9.2025, Ro 2024/13/0025).
Mit Eingabe vom 27.10.2025 hat die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat zurückgezogen.
Folgender Sachverhalt steht unstrittig fest:
Der Beschwerdeführer hatte in den Jahren 2022 und 2023 seinen Hauptwohnsitz und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich und war im streitgegenständlichen Zeitraum als angestellter Pilot bei der A*** tätig. Die Tätigkeit als Pilot hat er an Bord von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr ausgeübt.
Die A*** ist eine Fluggesellschaft mit Sitz und Ort der der Geschäftsleitung in Malta.
Die A*** hat vom Gehalt des Beschwerdeführers österreichische Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt Österreich abgeführt.
Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Jahreslohnzetteln 2022 und 2023 und den Eingaben des Beschwerdeführers (Anträge auf Rückzahlung der Lohnsteuer, Bescheidbeschwerden, Vorlageanträge).
Der Sitz und Ort der Geschäftsleitung der A*** wird von der belangten Behörde nicht bestritten.
Rechtliche Würdigung:
Gem § 1 Abs 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Ergibt sich, wie im vorliegenden Beschwerdefall, aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem nächsten Schritt zu überprüfen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsrecht eingeschränkt ist.
Art 15 und Art 23 Abs 1 DBA-Malta lauten einschließlich Überschrift:
"Artikel 15
Unselbständige Arbeit
(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 18, 19 und 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 dürfen Vergütungen, die eine in einem
Vertragstaat ansässige Person für eine in dem anderen Vertragstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur in dem erstgenannten Staat besteuert
werden, wenn
a) der Empfänger sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183
Tage während des betreffenden Kalenderjahres aufhält,
b) die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt
werden, der nicht in dem anderen Staat ansässig ist, und
c) die Vergütungen nicht von einer Betriebstätte oder einer festen Einrichtung
getragen werden, die der Arbeitgeber in dem anderen Staat hat.
(3) Ungeachtet der Absätze 1 und 2 dürfen Vergütungen für unselbständige
Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
Artikel 23
Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
(1) Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und können diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen nur in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat, vorbehaltlich des Absatzes 2, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat kann aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären."
Art 23 Abs 1 DBA-Malta in englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut nach dem letzten Satz dieses Abkommens gleichermaßen verbindlich ist, lautet:
"Where a resident of a Contracting State derives income or owns capital which may be taxed in the other Contracting State in accordance with the provisions of this Convention, the first-mentioned State shall, subject to the provisions of paragraph (2) hereof, exempt such income or capital from tax but may, in calculating tax on the other income or capital of that person, apply the tax which would have been applicable if the exempted income or capital had not been so exempted."
Gemäß Art 15 Abs 3 DBA-Malta dürfen Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte und können diese Einkünfte nach dem DBA-Malta "nur" in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden, so nimmt gemäß Art 23 Abs 1 DBA-Malta der erstgenannte Staat, vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Ausnahmen, diese Einkünfte von der Besteuerung aus. In der englischen Sprachfassung des Art 23 Abs 1 ist eine Entsprechung des Wortes "nur" nicht enthalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 4.9.2025 (VwGH 4.9.2025, Ro 2024/13/0025) klargestellt, dass die nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage intendierte Regelung der Art 15 und Art 23 des DBA-Malta inhaltlich den Art 15 und Art 23A der OECD-Musterabkommen 1963 und 1977 gleicht bzw sich daran orientiert. Durch die Verwendung des Wortes "nur" in der deutschen Fassung kann nicht abgeleitet werden, dass eine erhebliche abweichende Regelung zur englischen Sprachfassung und auch zum als Vorbild dienenden OECD-Musterabkommen hätte getroffen werden sollen.
Es muss vielmehr abgeleitet werden, dass allgemein und somit auch im Rahmen des Art 15 Abs 3 DBA-Malta beabsichtigt war, dass die einzelnen Besteuerungsobjekte in jeweils einem der beiden Vertragsstaaten ausschließlich zugeteilt werden, folglich diese Besteuerungsobjekte iSd Art 23 Abs 1 DBA-Malta "nach diesem Abkommen nur" in dem in Art 15 Abs 3 DBA-Malta angesprochenen Staat (nämlich jenem, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet) besteuert werden dürfen.
Wenn Art 23 Abs 1 DBA-Malta mit dem Zusatz "nur" lediglich ein "ausschließliches Besteuerungsrecht" bedeuten würde, hätte dieses ausschließliche Besteuerungsrecht für sich genommen bereits eine Doppelbesteuerung verhindert und Art 23 Abs 1 DBA-Malta wäre somit weitgehend inhaltslos. Ein Methodenartikel, der sich auf ohnehin exklusive Besteuerungsrechte bezöge, wäre insoweit überflüssig.
Im Beschwerdefall gelangt daher nach dem Gesamten analog der Rechtsprechung des VwGH die Befreiungsmethode zur Anwendung.
Die Einkommensteuerbescheide betreffend 2022 und 2023 sind daher gem § 279 BAO abzuändern.
| 2022 | 2023 | |
| Einkommen iSd § 2 EStG 1988 | 0,00 € | 0,00 € |
| Einkommensteuer | 0,00 € | 0,00 € |
| Anrechenbare Lohnsteuer | -25.746,88 € | -39.556,47 € |
| Rundung gem § 39 Abs 3 EStG 1988 | -0,12 € | 0,47 € |
| Festgesetzte Einkommensteuer | -25.747,00 € | -39.556,00 € |
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die zu lösende Rechtsfrage bereits durch die im Erkenntnis zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 4.9.2025, Ro 2024/13/0025) beantwortet wurde. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am 10. November 2025
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