Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin ***Kuratorin***, ***Adresse***, über die Beschwerde vom 1. November 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 24. Oktober 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer 2022 mit -918,00 Euro festgesetzt wird.
Die Bemessungsgrundlagen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Mit Bescheid vom 4.8.2023 wurde eine automatische Arbeitnehmerveranlagung der Beschwerdeführerin (Bf.) für das Jahr 2022 durchgeführt. Aufgrund einer neuerlichen Übermittlung von Spenden bzw. Sonderausgaben nahm die belangte Behörde am 24.10.2024 eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens gemäß § 303 BAO vor und erließ gleichzeitig den nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2022 vom 24.10.2024.
Am 1.11.2023 brachte die Bf. fristgerecht eine Beschwerde gegen diesen Bescheid ein. Darin beantragte sie die Berücksichtigung von - bisher nicht geltend gemachten - behinderungsbedingten Kosten für Heilbehandlungen und Hilfsmittel in Höhe von 2.884,77 € sowie weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 1.366,24 €.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.1.2024 gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt, indem sie behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen im Ausmaß von 2.686,77 € und die übrigen geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen zur Gänze anerkannte. Die Kürzung der geltend gemachten behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen um 198,00 € begründete die belangte Behörde damit, dass die Ausgaben für eine Uhr, eine Küchenwaage und eine Personenwaage nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung darstellen würden.
Dagegen richtet sich der rechtzeitige Vorlageantrag der Bf. vom 12.1.2024, in welchem sie die Berücksichtigung der gekürzten 198,00 € beantragte. Begründend führte sie aus, sie habe um diesen Preis von der Hilfsmittelzentrale des Blinden- und Sehbehindertenverbandes ***Bundesland*** eine sprechende Uhr, eine sprechende Personen- und eine ebensolche Küchenwaage bezogen. Sie sei hochgradig sehbehindert und diese Hilfsmittel würden es ihr erst ermöglichen, an einem behindertengerechten Leben teilzuhaben. Es handle sich um spezifische Produkte für Sehbehinderte.
(Erst) am 14.5.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Es ist aus den vorgelegten Aktenbestandteilen nicht ersichtlich, dass die Behörde in der Zwischenzeit weitere Erhebungen durchgeführt hätte. Die belangte Behörde beantragte, "die Beschwerde als unbegründet abzuweisen", meinte jedoch - wie sich aus dem Zusammenhang ergibt - offenkundig, es solle der Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung teilweise stattgegeben werden. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die drei genannten Gegenstände seien zwar für die Bedürfnisse von seheingeschränkten Personen angepasst, aber nicht für die ausschließliche Nutzung durch seheingeschränkte Personen vorgesehen. Es handle sich daher nicht um Hilfsmittel im Sinne des § 4 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen. Ferner sei lediglich eine Vermögensumschichtung erfolgt, weshalb überhaupt keine außergewöhnliche Belastung angenommen werden könne.
Am 13.8.2025 nahm das Bundesfinanzgericht Beweis durch Augenschein in den Räumlichkeiten der Hilfsmittelzentrale des Blinden- und Sehbehindertenverbandes ***Bundesland*** und Einvernahme von deren Leiter ***Auskunftsperson*** als Auskunftsperson gemäß § 143 BAO auf.
Am TT.8.2025 verstarb die Bf., wodurch ihre Verlassenschaft gemäß § 19 BAO ex lege anstelle der Bf. in das Verfahren eintrat. Das Bundesfinanzgericht erlangte davon unmittelbar nach der Durchführung der zuvor erwähnten Beweisaufnahme Kenntnis. Nach Schriftverkehr zwischen dem Bundesfinanzgericht und dem zuständigen Bezirksgericht bzw. Notar wurde das Bundesfinanzgericht mit Schreiben des Bezirksgerichtes vom 18.9.2025 über die von ihm zuvor angeregte erfolgte Bestellung einer Verlassenschaftskuratorin informiert.
Mit Schreiben vom 11.9.2025 informierte das Gericht die belangte Behörde über die Ergebnisse der Beweisaufnahme vom 13.8.2025 und die vom Gericht daraus gezogenen Schlüsse. In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht dabei zusammengefasst aus, dass es sich bei den gegenständlichen Artikeln seiner Ansicht nach um Blindenhilfsmittel handle. Die Geräte würden zwar von jedermann genutzt werden können, hätten aber einen eingeschränkten Verkehrswert, da solche Geräte auf blinde und sehbehinderte Personen spezialisiert seien und von nicht sehbehinderten Personen kaum verwendet würden. Zudem gehe das Gericht davon aus, dass derart geringwertige Produkte keinen Gegenwert im Sinne der von der Behörde herangezogenen Gegenwerttheorie hätten, zumal eine spätere Veräußerung - falls eine solche überhaupt möglich sei - wahrscheinlich mit einem erheblichen Wertverfall einhergehe und somit bereits bei der Anschaffung ein "verlorener Aufwand" vorliege.
Am 2.10.2025 brachte die belangte Behörde diesbezüglich eine Stellungnahme beim Bundesfinanzgericht ein. Darin führte sie zusammengefasst aus, Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern würden im Allgemeinen keine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn dadurch ein entsprechender Gegenwert erlangt wird. Eine andere Beurteilung könne dann geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden, die infolge ihrer Verwendbarkeit nur für bestimmte individuelle Personen oder aufgrund ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Verkehrswert haben. Dies sei der Fall, wenn eine andere behinderte Person oder eine gesunde Person keinen Nutzen von dem Wirtschaftsgut hätte. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch nicht ersichtlich, da die fraglichen Gegenstände von jedermann genutzt werden können und somit eine bloße Vermögensumschichtung vorliege. Die fraglichen Gegenstände mögen nämlich zwar für blinde Personen aufgrund der Sprachausgabefunktion besser nutzbar seien, könnten jedoch auch von gesunden Menschen ohne Einschränkungen verwendet werden. Insgesamt würden die fraglichen Gegenstände daher keine "Hilfsmittel" im Sinne der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen darstellen; im Übrigen mangele es aufgrund des erzeugten Gegenwerts überhaupt an einer außergewöhnlichen Belastung.
Die Bf. wurde im Jahr 1937 geboren. Seit 27.5.2022 betrug ihr Grad der Behinderung 90 %.Seit 1.2.2022 bezog sie Pflegegeld der Stufe 3 wegen einer hochgradigen Sehbehinderung.
Sie erwarb im Jahr 2022 von der Hilfsmittelzentrale des Blinden- und Sehbehindertenverbandes ***Bundesland*** eine sprechende Personenwaage der Marke "KORONA" um 49,00 €, eine sprechende Küchenwaage des Typs "MyWeigh VOX 3000" um 50,00 € und eine sprechende Armbanduhr des Typs "Marschall SENSO 2" um 99,00 €. Diese Produkte weisen folgende Eigenschaften auf:
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"Personenwaage \"",
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"Die gewöhnlich aussehende Personenwaage verfügt über ein digitales Display, einen Lautstärke-Drehregler, mit dem die Lautstärke der Sprachausgabe verändert und auch bis auf Null reduziert werden kann, sowie über einen Knopf zur Änderung der Sprache. Nach dem Aufsteigen wird das Gewicht auf dem Display angezeigt und vorgelesen."
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"Küchenwaage \"",
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"MyWeigh VOX 3000"
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"Es handelt sich dem Aussehen nach um eine gewöhnliche Küchenwaage mit digitalem Display. Wie die Personenwaage zeigt sie das gemessene Gewicht auf dem Display an und liest es laut vor. Mit der inkludierten Schale kann sie auch problemlos zur Messung von Flüssigkeitsmengen genutzt werden. Die Sprachausgabe ist in mehreren Sprachen möglich und kann auch ausgeschaltet werden. Die Lautstärke ist nicht verstellbar."
]
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"Analoge Armbanduhr \"",
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"Marschall SENSO 2"
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"children": [
"Hierbei handelt sich um eine relativ kleine, außergewöhnlich dicke, aber ansonsten gewöhnlich aussehende analoge Armbanduhr. Durch Druck auf den Glaskörper über dem Ziffernblatt wird die Sprachausgabe ausgelöst. Durch unterschiedlich langes Drücken wird entweder die Uhrzeit oder das Datum angesagt. Die Uhr verfügt auch über eine Weckfunktion und kann so eingestellt werden, dass sie stündlich die Zeit ansagt. Es handelt sich um das kleinste beim Blinden- und Sehbehindertenverband ***Bundesland*** verfügbare Modell dieser Art und war zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Bf. relativ neu in dessen Sortiment. Die Sprachausgabe ist ausschließlich auf Deutsch möglich."
]
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}
}Diese Produkte können von jedermann und nicht nur von Blinden oder Sehbehinderten genutzt werden, zumal die Funktion der Sprachausgabe ausgeschaltet bzw. bei der analogen Armbanduhr "Marschall SENSO 2" einfach nicht genutzt werden kann. Sie können von mehreren Anbietern im Internet-Versandhandel erworben werden, sind aber grundsätzlich nicht im Sortiment größerer Handelsketten (Müller, MediaMarkt, e-tec, Conrad) enthalten. Lediglich die "KORONA"-Waage wird von MediaMarkt im Sortiment geführt, ist aber auch dort ausschließlich im Versandhandel erwerbbar. Die Produkte sind - relativ gesehen - spürbar teurer als einfache vergleichbare Produkte ohne Sprachausgabe.
Die Hilfsmittelzentrale des Blinden- und Sehbehindertenverbandes ***Bundesland*** ist das einzige Ladengeschäft in ***Bundesland***, welches ein größeres Sortiment derartiger Produkte (Haushaltsgeräte und Alltagsgegenstände mit Sprachausgabe) anbietet. Nach der Verkehrsauffassung handelt es sich bei diesen Produkten nicht um Produkte, deren Verwendung allgemein üblich ist, sondern um Produkte, von denen speziell Blinde und sehbehinderte Menschen Gebrauch machen.
Die Feststellungen zu den persönlichen Umständen der Bf. gründen auf dem von der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen übermittelten Lohnzettel für das Jahr 2022 sowie der von der Bf. vorgelegten Kopie ihres Behindertenpasses. Die persönlichen Umstände waren zudem nicht strittig. Der Erwerb der gegenständlichen Artikel wurde durch Vorlage entsprechender Rechnungen nachgewiesen.
Am 13.8.2025 führte das Gericht in den Räumlichkeiten des Blinden- und Sehbehindertenverbandes ***Bundesland*** einen Augenschein durch und befragte ***Auskunftsperson***, den Leiter dessen Hilfsmittelzentrale, als Auskunftsperson gemäß § 143 BAO. Auf Grundlage dieser Beweisaufnahme traf das Gericht die Feststellungen zu den gegenständlichen Artikeln. Die Ergebnisse der Beweisaufnahme (die diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen) wurden der belangten Behörde vorgehalten und von ihr nicht bestritten.
Dasselbe gilt für die anhand von einer Internetrecherche des Gerichtes getroffene Feststellung zu den Handelsbetrieben, bei welchen die gegenständlichen Produkte erworben bzw. nicht erworben werden können. Vor deren Hintergrund hat ***Auskunftsperson*** vom Blinden- und Sehbehindertenverband ***Bundesland*** - als Leiter der dortigen Hilfsmittelzentrale für das Gericht zweifelsohne ausreichend qualifiziert, um solche Aussagen zu tätigen - nach Ansicht des Richters glaubhaft dargelegt, dass die Hilfsmittelzentrale des Verbandes der einzige Anbieter in ***Bundesland*** ist, der ein größeres Sortiment derartiger Produkte anbietet.
Angesichts der geringen Verbreitung der gegenständlichen Produkte in den Sortimenten größerer Handelsbetriebe, ihres (in Relation zu vergleichbaren Geräten ohne Sprachausgabe) hohen Preises und des Umstandes, dass die Funktion der Sprachausgabe Personen ohne eingeschränktem Sehvermögen wenig bis gar keinen Mehrwert bietet, war festzustellen, dass es sich der Verkehrsauffassung nach bei diesen Produkten nicht um Produkte handelt, deren Verwendung allgemein üblich ist, sondern um Produkte, von denen speziell Blinde und sehbehinderte Menschen Gebrauch machen.
Gemäß § 34 EStG 1988 müssen für die steuerliche Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung drei Kriterien erfüllt sein:
"(1) […] Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. […]"
Im Falle einer Behinderung besteht grundsätzlich ein Anspruch auf einen nach dem Grad der Behinderung gestaffelten Freibetrag ( § 35 Abs. 3 EStG 1988). Dieser steht der Bf. jedoch gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 nicht zu, weil die Bf. im gegenständlichen Jahr Pflegegeld bezogen hatte. Auf die Höhe des bezogenen Pflegegeldes kommt es dabei nicht an.
Anstelle dieses Freibetrages können gemäß § 34 Abs. 6 letzter Teilstrich EStG 1988 die behinderungsbedingten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt abzogen werden. Diese können jedoch nach dieser Bestimmung nur insoweit geltend gemacht werden, als sie das erhaltene Pflegegeld übersteigen oder in einer Verordnung des Bundesministers für Finanzen ausdrücklich festgelegt wird, dass die Mehraufwendungen ohne Anrechnung auf das Pflegegeld zu berücksichtigen sind.
Die einschlägige Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 303/1996 idgF, in der Folge: VO agB) normiert in § 1 Abs. 3, dass die Mehraufwendungen gemäß den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um das Pflegegeld zu kürzen sind. Die einzige im vorliegenden Fall einschlägige Bestimmung dieser Verordnung ist § 4 VO agB, wonach nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.
Es ist im gegenständlichen Verfahren strittig, ob die gegenständlichen drei Artikel Hilfsmittel (insbesondere Blindenhilfsmittel) im Sinne des § 4 VO agB darstellen bzw. ob die Ausgaben - im Hinblick auf die Gegenwerttheorie - überhaupt außergewöhnliche Belastungen darstellen.
Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn also eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (VwGH 4.3.2009, 2008/15/0292, mwN).
Dies gilt jedoch nicht, wenn Wirtschaftsgüter angeschafft werden, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (VwGH 22.10.1996, 92/14/0172). Bei Hilfsmitteln im Sinne des § 4 VO agB handelt es sich um derartige Wirtschaftsgüter (VwGH 27.2.2014, 2011/15/0145).
Hilfsmittel im Sinne der Verordnung sind Gegenstände und Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen bzw zu mildern. Darunter fallen beispielsweise Krücken, orthopädische Behelfe, Prothesen, Badelifte, Blindenführhunde, Prothesen, Rollstühle und Stützapparate (Jakom/Peyerl, EStG, 2025, § 35 Rz 25 f). Rollstühle sind schon im Verordnungstext ausdrücklich als Hilfsmittel genannt.
Wenn das Finanzamt in seiner Stellungnahme vom 2.10.2025 ausführt, die gegenständlichen Produkte würden gar nicht die Funktion fehlender bzw. unzulänglicher Körperteile übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen beseitigen bzw. mildern, so erscheint dies insbesondere im Vergleich mit einem - auch von der Behörde ausdrücklich als Hilfsmittel anerkannten - Rollstuhl nicht schlüssig. Auch ein Rollstuhl beseitigt schließlich eine bestehende Mobilitätseinschränkung nicht, sondern ermöglicht dem Benützer vielmehr eine Fortbewegung trotz der bestehenden Einschränkung. Gleichermaßen beseitigt die Sprachausgabe-Funktion der gegenständlichen Produkte nicht die Einschränkung des Sehvermögens ihres Benützers, aber sie ermöglicht es ihm, diese Produkte trotz einer solchen Einschränkung zu verwenden.
Nach Peyerl handelt es sich bei einem Wirtschaftsgut, das sich von einem handelsüblichen Gebrauchsgegenstand nicht unterscheidet und für jedermann nutzbar ist, nicht um ein Hilfsmittel, es sei denn, dass es behinderungsspezifisch einsetzbar ist (Jakom/Peyerl, EStG, 2025, § 35 Rz 26). Genau eine solche behinderungsspezifische Einsatzmöglichkeit erblickt das Gericht allerdings in der Sprachausgabe-Funktion der gegenständlichen Produkte. Schließlich bietet diese Funktion Personen ohne Einschränkung des Sehvermögens keinen erkennbaren Mehrwert. Davon abgesehen kann auch nicht gesagt werden, dass sich die gegenständlichen Produkte nicht von handelsüblichen Gebrauchsgegenständen unterscheiden, zumal gewöhnliche Gegenstände derselben Art eben nicht über eine Sprachausgabe-Funktion verfügen.
In diesem Zusammenhang ist abschließend erneut auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.2.2014, 2011/15/0145, zu verweisen: In dieser Entscheidung ging es um ein Elektromobil. Das Finanzamt zeigte in diesem Fall - wie hier - zutreffend auf, dass ein solches Produkt nicht nur von gehbehinderten Personen genutzt werden kann. Darauf kam es jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht an: Vielmehr war ausschlaggebend, dass die Verwendung von Elektromobilen durch nicht gehbehinderte Personen (noch) nicht allgemein üblich war und das Elektromobil daher nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Hilfsmittel im Sinne des § 4 VO agB anzusehen war, zumal nicht gehbehinderte Personen von der Möglichkeit, ein solches Elektromobil zu erwerben bzw. zu benützen, in der Regel keinen Gebrauch machen. Dies kann nach Ansicht des erkennenden Gerichtes vollumfänglich auf die streitgegenständlichen Produkte übertragen werden.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliegt, ob Haushaltsgeräte, welche grundsätzlich von jedermann genutzt werden können, aber über eine besondere Sprachausgabe-Funktion verfügen, "Blindenhilfsmittel" im Sinne des § 4 VO agB darstellen können, war die Revision zuzulassen.
Innsbruck, am 7. Oktober 2025
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