Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 25. Februar 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 9. Jänner 2025 betreffend Familienbeihilfe 03.2023-09.2024 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert, als die Familienbeihilfe nur für den Zeitraum März 2023 bis Jänner 2024 zurückzufordern ist.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Bescheid vom 9. Jänner 2025 forderte die belangte Behörde (bB) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum März 2023 bis September 2024 in Höhe von (iHv) insgesamt 4.699,60 € zurück. Die bB begründete die Rückforderung damit, dass die Tochter der Beschwerdeführerin (Bf) im streitgegenständlichen Zeitraum kein Studium betrieben, sondern lediglich Deutsch-Integrationskurse besucht habe. Dagegen erhob die Bf Bescheidbeschwerde nach § 243 Bundesabgabenordnung, in der sie vorbrachte, dass die Deutsch-Integrationskurse Vorbedingung für ein von der Tochter angestrebtes Universitätsstudium seien. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 9. April 2025 wies die bB die Beschwerde als unbegründet ab: Die Deutsch-Integrationskurse seien keine Berufsausbildung im Sinn des (iSd) § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG). Dagegen brachte die Bf einen Vorlageantrag ein.
(1.) Die im Dezember 2003 geborene Tochter der Bf betrieb entgegen der Angabe der Bf ab März 2023 kein Studium an einer österreichischen Universität.
(2.) Vielmehr stand die Tochter der Bf vom 3. Mai bis zum 15. September 2023 in einem Dienstverhältnis.
(3.) Vom 3. Mai bis zum 5. Juli 2023 besuchte die Tochter der Bf den Deutsch-Integrationskurs B1 (Teil 1), vom 9. Oktober bis zum 15. November 2023 den Deutsch-Integrationskurs B2 (Teil 1) und vom 24. November 2023 bis zum 15. Jänner 2024 den Deutsch-Integrationskurs B2 (Teil 2).
(4.) Mit 6. Februar 2024 schrieb sich die Tochter der Bf an einer belgischen Universität für ein Bachelorstudium ein.
(5.) Im Sommersemester des Studienjahrs 2023/2024 absolvierte die Tochter der Bf Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 21 ETCS-Punkten und im Studienjahr 2024/2025 im Ausmaß von 70 ETCS-Punkten.
(6.) Die Unterhaltskosten der Tochter werden überwiegend von der Bf bestritten.
(1.) Zwar liegt dem Bundesfinanzgericht ein Aufnahmeschreiben einer österreichischen Universität vor, die Bf hat aber trotz Aufforderung zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen, dass ihre Tochter Aktivitäten als Studentin dieser Universität (zB Besuch von Lehrveranstaltungen, Ablegung von Prüfungen) gesetzt hat.
(2.) Die Feststellung ergibt sich aus einer sozialversicherungsrechtlichen Auskunft vom 24. April 2025.
(3.) Die Feststellungen ergeben sich aus Anwesenheitsbestätigungen der die Deutschkurse anbietenden WIFI OÖ GmbH vom 31. Oktober 2024.
(4.) Die Feststellung ergibt sich aus dem Certificate of enrolment der ***Uni***.
(5.) Die Feststellungen ergeben sich aus den von der Bf vorgelegten Leistungsnachweisen ("2023-24 Results Second exam opportunity [EK2]" vom 5. September 2024 und "2024-25 Results First exam opportunity [EK1]" vom 26. Juni 2025).
(6.) Die Feststellung ergibt sich aus den von der Bf, vom Kindsvater und von der Tochter der Bf vorgelegten Bankauszügen.
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG). Streitig ist, ob die volljährige Tochter der Bf zwischen März 2023 und September 2024 einen Anspruch auf Familienbeihilfe zu vermitteln in der Lage war.
Wie erwähnt, war die Tochter der Bf im Sommersemester 2023 an einer österreichischen Universität eingeschrieben, setzte aber zu keinem Zeitpunkt Aktivitäten als Studentin dieser Universität (zB Besuch von Lehrveranstaltungen, Ablegung von Prüfungen). Die Tochter (Muttersprache: Spanisch) besuchte zwischen Mai 2023 und Jänner 2024 lediglich drei Deutsch-Integrationskurse. Die Bf brachte vor, dass ihre Tochter die Deutsch-Integrationskurse deswegen besuche, um in weiterer Folge an einer österreichischen Universität studieren zu können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) stellen Sprachkurse keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar, wenn Kenntnisse der Landessprache für das Studium in einem fremden Land erforderlich sind, um den in der Landessprache gehaltenen Lehrveranstaltungen folgen zu können (VwGH 18.11.2009, 2009/13/0106). Die von der Tochter der Bf absolvierten Deutsch-Integrationskurse qualifizieren also nicht als Berufsausbildung iSd FLAG.
Seit Februar 2024 betreibt die Tochter ein Bachelorstudium an einer belgischen Universität. Damit liegt zwar kein Studium an einer österreichischen Universität iSd § 2 Abs. 1 lit. b zweiter Satz FLAG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Z. 1 Studienförderungsgesetz 1992, sondern ein Auslandsstudium in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union vor, weswegen § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz FLAG unanwendbar ist und (nur) die allgemeinen Regeln betreffend Berufsausbildung des § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG gelten, doch handelt es sich bei dem von der Tochter der Bf in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union betriebenen Bachelorstudium unstreitig um eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG.
Einen (primären) Anspruch auf Familienbeihilfe hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört (§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG). Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft; § 2 Abs. 5 FLAG). Allerdings toleriert § 2 Abs. 5 FLAG einen vorübergehenden Aufenthalt des Kinds außerhalb der gemeinsamen Wohnung, ohne dass die Wohngemeinschaft aufgelöst wird. Aus Sicht des VwGH lässt die Ausdrucksweise des § 2 Abs. 5 FLAG erkennen, dass die Abwesenheit von der entstandenen Wohngemeinschaft nur eine zeitlich beschränkte sein darf, und diese zeitliche Beschränkung, damit sie nicht zur Auflösung der Wohngemeinschaft führt, nicht lange Zeit, sondern nur einen vorübergehenden Zeitraum dauern darf, wie dies bei einer Ausbildung oder einem Schulbesuch der Kinder der Fall ist (VwGH 19.5.1969, 1562/68). Im Licht dieser Rechtsprechung ist eine Wohngemeinschaft zwischen der Bf und ihrer Tochter, die zu Studienzwecken in Belgien wohnt, zu bejahen.
Eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht nach Ansicht des VwGH mit derjenigen Person, die zum überwiegenden Teil die laufenden Ausgaben für das Kind getragen hat (VwGH 18.4.2007, 2006/13/0120). Wie festgestellt, trägt die Bf überwiegend die Unterhaltskosten der Tochter.
Somit besteht zwischen der Bf und ihrer Tochter eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft iSd § 2 Abs. 5 FLAG, sodass der Bf kraft Zugehörigkeit ihrer Tochter zu ihrem Haushalt ein (primärer) Anspruch auf Familienbeihilfe und Kindergeld ab Februar 2024 zukommt. Die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kindergelds war daher lediglich für den Zeitraum März 2023 bis Jänner 2024 rechtmäßig.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Im vorliegenden Fall ist eine Tatsachenfrage streitig: Zur Klärung von Tatsachenfragen ist eine Revision nicht vorgesehen.
Salzburg, am 2. Dezember 2025
Rückverweise
Keine Verweise gefunden