Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung Kärnten, Völkermarkter Ring 31, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom 17. Februar 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 10. Jänner 2022 betreffend Zurückweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhte Familienbeihilfe für das Kind ***1***, geb. ***2***, für den Zeitraum 01/2019 - 01/2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, Ordnungsbegriff ***3***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte mit 14.10.2019 einen Antrag auf Grund- und Erhöhungsbetrag für ihren 2015 verunfallten Sohn ***1*** ab 12/2018. Für ***1*** wurde bis 11/2018 die erhöhte Familienbeihilfe bezogen.
Das aufgrund des Antrages befasste Sozialministeriumservice (SMS) teilte dem FA in einer Stellungnahme mit, dass sowohl 2016 und 2019 der Grad der Behinderung ab 01.11.2015 bescheinigt worden sei; laut den beiden (dem BFG nicht vorliegenden) Gutachten liege (Anm.: aber) eine Erwerbsunfähigkeit von ***1*** nicht vor.
Basierend auf der Stellungnahme des SMS erging zunächst am 10.01.2020 ein Abweisungsbescheid, der idF nach § 299 BAO vom FA wieder aufgehoben wurde, weil darin ***4*** (Bruder von ***1***) statt ***1*** als Kind angeführt wurde.
In der Folge erließ das FA am 20.01.2020 den Abweisungsbescheid hinsichtlich des Grund- und Erhöhungsbetrages "ab 12/2018" für das Kind ***1***. Das FA verwies begründend auf § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 und darauf, dass die Behinderung von 50 % als Dauerzustand attestiert worden sei. Ein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag bestehe bei diesem Behinderungsgrad bis zum 25. Lebensjahr, wenn eine Berufsausbildung (Lehre, Anlehre, ein Anlernen von Fähigkeiten, Schulbildung etc.) vorliege.
Der Abweisungsbescheid vom 20.01.2020 erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 09.06./14.10.2021 beantragte die Bf. erneut die Gewährung des Erhöhungs- und des Grundbetrages ab 01/2019. Hinsichtlich des Grund- und Erhöhungsbetrages erfolgten am 10.01.2022 abweisende Bescheide. Die Abweisung Grundbetrag betraf den Zeitraum "ab 10/2021" und jene des Erhöhungsbetrages den Zeitraum "ab 02/2020". Auf das diesbezüglich ergangene abweisende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 28. November 2025 RV/4100216/2023 und RV/4100217/2023 sei verwiesen.
Mit Bescheid vom 10. Jänner 2022 wies das FA den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages vom 09.06.2021 für den Zeitraum Jänner 2019 - Jänner 2020 als unzulässig zurück, weil über den angeführten Zeitraum mittels Bescheid vom 20.01.2020 bereits (rechtskräftig) abgesprochen worden sei.
Die mittlerweile von der Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung (AMB) vertretene Bf. erhob gegen diesen Zurückweisungsbescheid mit Schriftsatz vom 17.02.2022 Beschwerde.
Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.10.2022 als unbegründet ab. Über das Nichtvorliegen der Zuerkennungsvoraussetzungen für den betreffenden Zeitraum sei bereits mit Abweisungsbescheid vom 20.01.2020 rechtskräftig abgesprochen worden.
Mit 17.11.2022 beantragte die Vertretung der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Im Einzelnen führte sie zur Zurückweisung aus, dass es richtig sei, dass es für den Zeitraum von Jänner 2019 bis Jänner 2020 bereits eine rechtskräftige Entscheidung des Finanzamtes gebe. Allerdings sei das Finanzamt - trotz der vertretenen Position der "entschiedenen Sache" - berechtigt und verpflichtet, eine neuerliche Sachentscheidung zu treffen, wenn durch das Aufkommen neuer Tatsachen davon auszugehen ist, dass das FA bei damaliger Berücksichtigung dieser Tatsachen zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können. Durch die Aufnahme von Herrn ***1*** in eine Maßnahme der "fähigkeitsorientierten Beschäftigung" unter Kostentragung des Amtes der Kärntner Landesregierung vor dem 21. Lebensjahr, liegen nach Einschätzung der Anwaltschaft sehr starke Argumente dafür vor, dass Herr ***1*** auch im Zeitraum von Jänner 2019 bis Jänner 2020 jedenfalls eine erhebliche Behinderung im Ausmaß von mehr als 50 % gehabt habe bzw. auch damals nicht selbsterhaltungsfähig gewesen sei. Nach Einschätzung der Anwaltschaft könne sich das FA daher nicht auf das Argument der "entschiedenen Sache" zurückziehen, sondern sei berechtigt und verpflichtet, diesen Zeitraum neuerlich zu prüfen.
Mit Vorlagebericht vom 21.08.2023 beantragte das FA nach Darlegung des Sachverhaltes, der Beweismittel und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung die Abweisung der Beschwerde.
Dem Sohn der Bf. wurde bis 11/2018 der Grundbetrag und der Erhöhungsbetrag gewährt.
Mit 14.10.2019 (Einlangen beim FA) beantragte die Bf. die (Weiter-) Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages für ihren Sohn ***1***.
Mit Bescheid vom 20.01.2020 wies das FA den Antrag auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag für das Kind ***1*** für den Zeitraum "ab Dezember 2018" ab. Der Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Die Bf. beantragte am 09.06.2021 erneut die Gewährung des Erhöhungsbetrag für ***1*** "ab Jänner 2019".
Das FA wies den Antrag mit Bescheid vom 10.01.2022 für den Zeitraum 01/2019 - 01/2020 zurück, weil über den Zeitraum bereits mit Abweisungsbescheid vom 20.01.2020 entschieden wurde.
Die dagegen am 17.02.2022 eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.10.2022 abgewiesen.
Mit 17.11.2022 beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig.
Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a leg. cit., nur auf Antrag gewährt.
Gemäß § 13 FLAG 1967 hat über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe das Finanzamt Österreich zu entscheiden.
Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. VwGH 9.9.2013, 2010/17/0274, 0275). Unter Rechtskraft im materiellen Sinn ist die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides zu verstehen (vgl. VwGH 17.4.2008, 2007/15/0278).
Grundsätzlich darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2 § 26 Rz 3). Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2 § 13 Rz 25; VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0003).
Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, ist auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (vgl. etwa VwGH 9.12.2020, Ra 2016/08/0059; VwGH 5.3.2020, Ra 2019/15/0114; VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027; VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050).
Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. zB VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0003 mwN).
Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen zu denen auch die Familienbeihilfe (Erhöhungsbetrag) zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (VwGH 30.1.2014, 2012/16/0052).
Nichts anderes gilt für die Entscheidung über den gemäß § 10 Abs. 1 gesondert zu beantragenden Erhöhungsbetrag (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/15/0003).
Ein Bescheid über eine Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung somit jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich des Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. VwGH 29.9.2011, 2011/16/0065 uvam.).
Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird.
Unter Anwendung der angeführte Rechtsprechung bedeutet das für den Beschwerdefall:
Aufgrund des Antrages vom 14.10.2019 wies das FA den Antrag auf Grund- und Erhöhungsbetrag mit Bescheid vom 20.01.2020 "ab 12/2018" ab. Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 09.06.2021 stellte die Bf. erneut einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages ab 01/2019. Das FA wies den Antrag auf Erhöhungsbetrag mit Bescheid vom 10.01.2022 für den Zeitraum "ab 02/2020" ab. Der rechtskräftig gewordene Bescheid vom 20.01.2020 galt demnach jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats ("12/2018 - 01/2020"), in welchem der Bescheid vom 20.01.2022 abgesprochen hat. Eine Bescheidänderung wäre erst nach 01/2020 - bei Vorliegen der geforderten (im Beschwerdefall nicht vorliegenden) Voraussetzungen - zu berücksichtigen gewesen.
Dem Einwand der Bf., dass das FA berechtigt und verpflichtet sei, eine neuerliche Sachentscheidung zu treffen, weil durch das Aufkommen neuer Tatsachen davon auszugehen gewesen sei, dass es bei "damaliger" Berücksichtigung dieser Tatsachen zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu folgen. Sofern die Bf. damit allenfalls eine Wiederaufnahme des Verfahren meint, ist sie auf § 303 BAO und den darin geforderten Voraussetzungen zu verweisen.
Wie bereits im Erkenntnis des Bundesfinanzgericht vom 28.11.2025, RV/4100216/2023 und RV/4100217/2023 ausführlich dargelegt, müssen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe die Voraussetzungen nach §§ 2 Abs. 1 lit. c iVm 8 Abs. 5 ff FLAG 1967 vorliegen. Die Aufnahme in eine Maßnahme der "fähigkeitsorientierten Beschäftigung" vor Vollendung des 21. Lebensjahres und unter Kostentragung des Amtes der Kärntner Landesregierung, ohne dass eine entsprechende Bescheinigung des SMS, die auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten basiert, vorliegt, begründet keinen Anspruch auf den Erhöhungsbetrag.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall nicht erfüllt. Das Bundesfinanzgericht folgt in seiner Entscheidung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Klagenfurt am Wörthersee, am 1. Dezember 2025
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