Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 23. Jänner 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 9. Jänner 2025 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für Oktober 2024, SVNr. ***1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO (Bundesabgabenordnung) als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Die Tochter (T) der Beschwerdeführerin (Bf.) begann im Oktober 2022 das Bachelorstudium Lebensmittel-und Biotechnologie an der Universität Wien.
Mit Schreiben vom 26.8.2024 teilte die Bf. der belangten Behörde mit, dass das Hauptstudium Lebensmittel-und Biotechnologie ab dem kommenden Studiensemester aus gesundheitlichen Gründen zu Landschaftsplanung und -architektur geändert werde. Ärztliche Bestätigungen würden umgehend nachgereicht werden.
Am 24.9.2024 langte das von der behandelnden Ärztin am 23.9.2024 ausgefüllte Formular "Bestätigung" über studienrelevante Funktionsbeeinträchtigungen" bei der belangten Behörde ein.
Händisch angekreuzt waren folgende Optionen:
Zusammenfassend hält die behandelnde Ärztin fest:
"Bei längerer körperlicher Belastung und Stress rasch einsetzende Erschöpfung mit Schwindel und Konzentrationsschwierigkeit seit Covid-Erkrankung 2022."
Die Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag wurden mit Bescheid vom 9.1.2025 für Oktober 2024 unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FALG 1967 und § 17 StudFG zurückgefordert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 22.1.2025, in der die Bf. folgendes vorbrachte:
Der Bescheid ist hinsichtlich der ausgewiesenen Rückforderung unrichtig, da eine Studienbehinderung durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis (im konkreten Falle: Krankheit) stattgefunden hat und durch ein Attest des behandelnden Arztes bestätigt wurde. Die ärztliche Bestätigung wurde dem Finanzamt Österreich schriftlich eingereicht und liegt vor. Zusätzlich lege ich eine Kopie diesem Schreiben bei. Aufgrund der vorliegenden Krankheit ist es durch die vom behandelnden Arzt erhobenen Einschränkungen einerseits für das Kind physisch nicht möglich, das Studium "Lebensmittel- und Biotechnologie" weiterzuführen, andererseits ebenfalls eine Gefahr für die Mitstudierenden der zahlreichen Laborkurse, da jene auf höchster Konzentration, Sorgfalt (u.a. feinmotorische Fähigkeiten) und Stressresistenz aufbauen, welche durch die vorliegende Krankheit nicht aufbringbar sind.
Da jene Studienbehinderung als "Ausnahme vom Wegfall der Familienbeihilfe" gilt, ist der Wechsel von "Lebensmittel- und Biotechnolgie" zu "Landschaftsplanung und -architektur" kein schadhafter Studienwechsel, der einen Anspruchswegfall zur Folge hätte.
Familienbeihilfe für Studierende" Bundeskanzleramt, Januar 2025
https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/icrdfdbd71d-2d75-4593-89d8-9c256d9f67fb/
info fbh.pdf.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 2.6.2025 als unbegründet abgewiesen. Wie bereits im Rückforderungsbescheid begründete die belangte Behörde die Abweisung im Wesentlichen damit, dass gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 i.Z. mit § 17 StudFG ein schädlicher Studienwechsel vorliege, da T nach vier Semestern vom Bachelorstudium Lebensmittel-und Biotechnologie auf das neue-als Hauptstudium betriebene-Bachelorstudium Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur gewechselt habe. Die von der Bf. vorgelegte ärztliche Bestätigung sei kein tauglicher Nachweis, dass eine Krankheit vorgelegen sei, die als unabwendbares Ereignis ohne Verschulden von T den Studienwechsel zwingend herbeigeführt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom 19.6.2025, eingelangt bei der Behörde am 20.6.2025, in dem die Bf. darauf verweist, dass der Studienwechsel sehr wohl durch ein unabwendbares Ereignis zwingend herbeigeführt worden sei.
Im Einzelnen wurde folgendes ausgeführt:
"Meine Tochter hat von WS 2022 bis SoSe 2024 das Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie ("LBT") studiert. Seit WS 2024 studiert sie Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur ("LapLarch"). (Beilage 1: Studienzeitbestätigung, Beilage 2: Studienerfolgsbestätigungen). Sie erkrankte im Mai 2022 an Covid-19. Seitdem leidet sie an der schweren Folgeerkrankung LC (Long Covid) bzw. CFS (Chronisches Fatigue Syndrom). (Beilage 3: Fachärztliche Bestätigung von Dr. ***2***, Beilage 4: Bestätigung der Hausärztin über studienrelevante Funktionsbeeinträchtigungen). Der genaue Beginn der Erkrankung ist nicht ganz sicher zu sagen, weil ihre Erkrankung - wie auch in vielen anderen Fällen von LC/CFS - erst sehr spät diagnostiziert wurde. So wurde meine Tochter zuerst fehldiagnostiziert und bekam falsche Medikamente, die natürlich nichts halfen bei LC/CFS. Der Zustand meiner Tochter, der zuerst (im ersten Studienjahr) nicht so schlimm schien, verschlechterte sich durch das LBT-Studium mit seinen vielen Präsenzleistungen immens (es ist ein Symptom der Erkrankung, auf bestimmte Belastungen mit großer Zustandsverschlechterung zu reagieren). Schlussendlich war meine Tochter nicht mehr in der Lage, die im Studium vorgesehenen Labor-Lehrveranstaltungen (weiters kurz "Labore" genannt) zu absolvieren und war gezwungen, das Studium zu wechseln.
Die Erkrankung wirkt sich bei meiner Tochter insbesondere folgendermaßen aus: Die Symptome und Erklärungen werden für den Laien verständlich, ausgeführt:
{
"type": "ol",
"children": [
{
"type": "li",
"children": [
"Neurokognitive Störungen (Konzentrationsstörungen nach kurzzeitiger Belastung)"
]
},
{
"type": "li",
"children": [
"Post-Exertionelle Malaise - PEM (eine unverhältnismäßige Zustandsverschlechterung, insb. auch ein geschwächtes Immunsystem, nach Belastung)"
]
},
{
"type": "li",
"children": [
"Orthostatische Intoleranz (geschwächtes Kreislaufsystem, das etwa bei längeren Stehzeiten zu Schwindel, Kreislaufzusammenbrüchen führt)"
]
},
{
"type": "li",
"children": [
"Muskelschwäche"
]
}
],
"attributes": {
"class": "ListeAufzhlung",
"style": "list-style-type: disc;"
}
}Meine Tochter kann das Studium der Lebens- und Biotechnologie insbesondere wegen der darin vorgesehenen Labore, die einen Großteil der vorgeschriebenen ECTS ausgemacht haben, nicht mehr fortführen. Die Labore in Lebensmittel- und Biotechnologie finden mehrere Wochen lang täglich durchgehend 8 Stunden in Vollzeit, meist in stehender Position statt. Es besteht Anwesenheitspflicht bzw. muss die vorgegebene Arbeit in dieser vorgegebenen Zeit vor Ort (!) fertig gestellt werden. Wenn man von 4 Wochen 1 Woche krank ist, muss man die gesamte Einheit wiederholen. Obwohl meine Tochter jedes Mal bei den Laboren spätestens nach 1 bis 2 Wochen durch den Stress und die Anstrengung wegen ihres durch die LC/CFS-Erkrankung geschwächten Immunsystems (Post- Exertionelle Malaise) krank geworden ist (schwere Grippesymptome, sonstige bakterielle Infektionskrankheiten), hat sie in den ersten Laboreinheiten, als die LC/CFS-Erkrankung noch "leichter" war, noch abschließen können. Der gesundheitlicher Zustand meiner Tochter ist aber immer schlechter geworden. Im 4. Semester konnte sie gar keine Labore mehr absolvieren. Diese sind jedoch notwendig, um das Studium positiv abschließen zu können. Zu den Laboren führe ich im Detail aus:
Die neurokognitiven Störungen (Konzentrationsstörungen) meiner Tochter sind im Labor, wo man mit ätzenden/giftigen Chemikalien und großen Geräten arbeitet, nicht tolerierbar. Sie sind eine potentielle Gefahr sowohl für die eigene persönliche Gesundheit/Unversehrtheit als auch die der Mitstudierenden. Durch die orthostatische Intoleranz (geschwächtes Kreislaufsystem) meiner Tochter sind längere Stehzeiten (es ist aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt, in chemischen Labors beim Arbeiten zu sitzen) immens anstrengend und führen oft zu Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, manchmal auch zu Kreislaufzusammenbrüchen. Auch dies ist in einem Laborsetting, in dem man mit heiklen chemischen Stoffen/Geräten arbeitet, nicht zumutbar. Durch die (Muskel-)Schwäche und Fatigue (Erschöpfungszustand) meiner Tochter ist es nicht möglich, täglich 8h für mehrere Wochen ununterbrochen im Labor zu stehen und zu arbeiten. Die Muskelschwäche äußert sich durch Beine, die den Körper nach einer Zeit nicht mehr selbstständig tragen/halten können, oder Arme die alltäglichen Dinge nicht mehr heben können, da die Muskelkraft schlicht nicht mehr vorhanden ist, was im Labor sehr gefährlich sein kann. In den ersten Semestern ihres Lebensmittel- und Biotechnologie-Studiums hat sich meine Tochter zunächst auf jene Lehrveranstaltungen konzentriert, die nicht in Laboren bestanden, nur dann kam der Punkt, an dem die Labore absolviert werden mussten und nicht weiter aufgeschoben werden konnten. Und da war klar, dass meine Tochter das Studium nicht mehr fortführen kann, sondern zu einem Studienwechsel gezwungen ist.
Nicht nur kann sie die im Lebensmittel- und Biotechnologie-Studium vorgesehenen Labore nicht absolvieren, sodass sie das Studium nicht abschließen kann. Der Verbleib im Lebensmittel- und Biotechnologie-Studium würde darüber hinaus ihren körperlichen Zustand langfristig noch stärker verschlechtern. Im neuen Studium der Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur bestehen die genannten Hinderungsgründe nicht: Das neue Studium besteht vorrangig aus Vorlesungen, die im Selbststudium zuhause absolviert werden können, Übungen, die einmal wöchentlich stattfinden und in ihrem Belastungsspektrum möglich sind, und Seminaren, bei denen, (falls geblockte Teile abgehalten werden, welche aber nie länger als eine Woche sind) Teile der Leistung ebenfalls zuhause im eigenen Zeitmanagement bearbeitet werden können, sobald dies gesundheitlich notwendig ist. Grundsätzlich ist es möglich, die allermeisten ECTS (ruhig-) sitzend zu absolvieren, was der Kernpunkt des Studienwechsels ist.
Meine Tochter kann das Studieren außerdem von der Studienorganisation her an ihren jeweiligen gesundheitlichen Zustand anpassen, der sich von Tag zu Tag ändern kann. Ebenfalls bestehen keine Sicherheitsrisiken wie im Labor, da in LapLarch maximal mit Styropormodellen gearbeitet wird. Die Erkrankung meiner Tochter machte ihr das Weiterverbleiben im Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie unmöglich (sie ist zwar formal weiterhin inskribiert, studiert es jedoch aus den genannten Gründen seit WS 2024 gar nicht mehr, sondern musste auf Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur wechseln).
Meine Tochter hat infolge ihrer Erkrankung "maßgebliche Eigenschaften oder Fähigkeiten für eine erfolgreiche Fortsetzung" (VwGH 27.02.2006, 2005/10/0071) des Lebensmittel- und Biotechnologie- Studiums verloren. Das Studium der Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur ist für sie hingegen, wie oben ausgeführt, mit ihrem Gesundheitszustand möglich. Der Studienwechsel ist somit durch ein unabwendbares Ereignis ohne das Verschulden meiner Tochter zwingend herbeigeführt worden und gilt daher gemäß § 17 Abs 2 Z 2 StudFG nicht als Studienwechsel. Da kein Studienwechsel im Sinne des StudFG vorliegt, besteht auch keine Wartezeit in ihrem neuen Studium und der Familienbeihilfenanspruch für meine Tochter besteht daher auch ab Oktober 2024."
Beigelegt waren Studienzeitbestätigungen und Studienerfolgsnachweise beider Studien,
-betreffend des neuen Studiums wie folgt-:
sowie der Arztbrief ***4*** (auszugsweise):
Und der Arztbrief Dr. ***3*** (auszugsweise, vom 16.6.2025):
Zum Arztbrief ***4*** wird angemerkt, dass es sich lt. Recherche im Internet bei EBV um den "Epstein-Barr-Virus handelt und bei POTS um das sog. Posturale Tachykardiesyndrom=spürbar erhöhter Pulsanstieg nach dem Aufsehen bei kaum verändertem Blutdruck, das bei rund 30% der schweren Long Covid Fälle auftritt.
Weiteres informierte sich die Richterin auf der Homepage der BOKU Wien über den Studienverlauf des Studiums Lebensmittel-und Biotechnologie sowie im Internet zu den Begriffen POTS und LongCovid.
Zum Krankheitsbild bzw -verlauf:
Im Mai 2022 war die Tochter (T) der Bf. an Covid 19 erkrankt. In der Folge verstärkten sich die bereits nach einer Epstein-Barr Virusinfektion vorhandenen Symptome wie Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel. Dazu kam eine Muskelschwäche, die ihr das Stehen für länger als eine halbe Stunde unmöglich machte.
Der Neurologe ***4*** stellte am 23.7.2024 die Diagnose "Post Covid Zustand, Verdacht auf POTS".
Die Ärztin Dr. ***3*** bestätigte am 23.9.2024 folgende Funktionsbeeinträchtigungen:
"Bei längerer körperlicher Belastung und Stress rasch einsetzende Erschöpfung mit Schwindel und Konzentrationsschwierigkeit seit Covid-Erkrankung 2022."
Mit Arztbrief vom 16.6.2025 bestätigte sie folgendes:
Feststeht dass T im Mai 2022 an Covid19 erkrankt war.
T leidet an Symptomen, die unter dem Sammelbegriff "Long Covid" zusammengefasst werden, im Konkreten an Konzentrationsschwierigkeiten, rascher Erschöpfung, Schwindel und Muskelschwäche.
Der Beginn des Auftrittes oder verstärkten Auftrittes dieser Symptome steht nicht fest.
Aus der ärztlichen Bestätigung Dr. ***3*** vom 23.9.2024 ergibt sich, dass das Stehen (nur) kurzzeitig möglich ist und zwar "schubhaft".
In der Bestätigung vom 16.6.2025 wird festgestellt, dass das Stehen länger als eine halbe Stunde "derzeit" nicht möglich ist.
Der Arztbrief Dr. ***2*** enthält keine Feststellung von Schwindel und Muskelschwäche und keine eindeutige Diagnose, welche Krankheit vorliegt. Die beschriebenen Symptome liegen seit Covid 19 vor.
T begann im Wintersemester 2022 das Bachelorstudium Lebensmittel-und Biotechnologie an der BOKU Wien und studierte dieses erfolgreich bis Ende des Sommersemesters 2024. Zu diesem Zeitpunkt war sie im vierten Semester.
Dieses Studium verbindet naturwissenschaftliche Inhalte (Biologie, Chemie, Physik) mit der Verfahrenstechnik sowie wirtschaftlichem und rechtlichem Know-how. Die praktische Anwendung von Studieninhalten hat dabei einen hohen Stellenwert- so werden Vorlesungen und Seminare durch umfassende Laborübungen ergänzt (www.boku.ac.at).
Einzelne Laborübungen wurden bis zum Ende des 4. Semesters erfolgreich absolviert, diverse weitere waren noch ausständig.
Mit dem Herbstsemester 2024 begann T das Bachelorstudium Landschaftsplanung-und Landschaftsarchitektur ebenfalls an der BOKU Wien ("Beginn 23.7.2024")
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie diverse Recherchen im Internet wie in den Entscheidungsgründen dargestellt.
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 normiert auszugsweise:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester … Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe …
§ 17 StudFG bestimmt idF BGBl I 54/2016 auszugsweise:
(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:
1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,
2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,
(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.
Nicht bestritten wird, dass T das Studium Lebensmittel-und Biotechnologie nach dem vierten Semester gewechselt hat. Damit liegt grundsätzlich ein schädlicher Studienwechsel nach § 17 Abs. 1 StudFG vor.
Ein solcher wäre gemäß § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG allerdings dann nicht anzunehmen, wenn der Studienwechsel durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt worden wäre.
Dies ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Fall, wenn ein Ereignis eintritt, das eine erfolgreiche Fortsetzung des bisherigen Studiums unmöglich macht (VwGH 29.6.2020, Ro 2018/16/0048). Mit der Wendung "zwingend herbeigeführt" in § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG verlangt der Gesetzgeber einen qualifizierten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, der über eine "bloße Kausalität" hinausgeht. Außerdem muss trotz zwingender Aufgabe des bisherigen Studiums die Durchführung eines anderen Studiums möglich sein (z.B. gravierende Handverletzung, die zwar das Studium eines Musikinstruments ausschließt, nicht aber ein geisteswissenschaftliches Studium, sowie eine Beeinträchtigung des Bewegungsapparates, die zwar die Weiterführung eines sportwissenschaftlichen Studiums unmöglich macht, nicht aber etwa ein rechtswissenschaftliches Studium). Nur ein das Vorstudium, nicht jedoch andere Studien spezifisch behindernder Grund führt in diesem Sinne den Studienwechsel "zwingend" herbei (VwGH 26.5.2011, 2011/16/0076).
Eine Erkrankung kann ein solcher zwingender Grund sein, das bisherige Studium zu wechseln.
Es ist daher zunächst zu prüfen, ob bzw. wie sich das bisherigen Studium Lebensmittel-und Biotechnologie vom danach gewählten Studium Landschaftsplanung-und Landschaftsarchitektur unterscheidet. Nach den im Internet auffindbaren Beschreibungen und den Ausführungen der Bf. liegt der gravierende Unterscheid darin, dass beim Studium Lebensmittel-und Biotechnologie besonders viel Wert auf die Vertiefung des theoretischen Wissens durch praktische Anwendung im Labor gelegt wird. Diese Laborübungen gibt es im Studium Landschaftsplanung-und Landschaftsarchitektur nicht. Es ist daher insoweit den Ausführungen der Bf. was den Umfang und Ablauf der Laborübungen betrifft, Glauben zu schenken.
Ist daher auf Grund einer Erkrankung ein kennzeichnendes Merkmal eines Studiums-hier die Absolvierung von Laborübungen-nicht möglich, kann dies ein zwingender Grund sein, das Studium zu wechseln.
Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes sind hingegen Konzentrationsfähigkeit und Stressresistenz allein keine kennzeichnenden Merkmale des Lebensmittel-und Biotechnologie-Studiums, sondern muss allgemein bei Studierenden vorhanden sein, um etwa Vorlesungsinhalten folgen zu können oder Prüfungssituationen zu bewältigen.
Eine Krankheit ist durch eine schlüssige ärztliche Bestätigung nachzuweisen (VwGH vom 27.2.2006). Die Ausführungen der Bf. zum Gesundheitszustand von T können daher nur als Ergänzungen oder Erläuterungen gewertet werden. Im Fall des Nachweises eines beihilfenunschädlichen Studienwechsels nach dem vierten Semester müssten daher die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen nachvollziehbar und schlüssig begründen auf Grund welcher Erkrankung im vierten Semester eine Weiterführung des Studiums danach nicht möglich gewesen ist.
Diese Voraussetzungen erfüllen die vorgelegten Bestätigungen nicht in einer Weise, die den Eintritt einer Erkrankung zu eben diesem Zeitpunkt zumindest glaubhaft machten.
Tatsache ist, dass sich der Gesundheitszustand von T nach der Covid19 Erkrankung im Mai 2022 verschlechterte. Allen drei Bestätigungen ist gemeinsam, dass sie die Ursache dafür in ebendieser Erkrankung sehen. Eine Erkrankung allerdings, die bereits vor Beginn des Studiums eingetreten ist, kann kein zwingender Grund sein, dass Studium später zu wechseln.
Unter der Annahme, dass T an einer gesondert zu beurteilenden Folgeerkrankung leidet, ist folgendes auszuführen:
Die Bestätigung ***4*** spricht von einem "Post Covid Zustand" und einem "Verdacht" auf POTS, trifft aber keine Aussagen zu Schwindel oder Muskelschwäche. Im Hinblick darauf, dass maßgeblicher Grund für den Wechsel die mit den Laborübungen verbundene körperliche Belastung war, lässt sich keine Verbindung zwischen dieser Bestätigung und dem nach dem vierten Semester erfolgten Studienwechsel herstellen. Im Übrigen ist aus dieser Bestätigung auch kein bestimmter Zeitpunkt festzumachen, zu dem die beschriebenen Symptome erstmals aufgetreten sind, sondern werden diese in Zusammenhang mit der Covid 19 Infektion 2022 gebracht.
Die Bestätigung Dr. ***3*** vom 16.6.2025 nennt als Ursache für diverse näher aufgezählte Symptome das LongCovid Syndrom. Darunter verseht man
{
"type": "ol",
"children": [
{
"type": "li",
"children": [
"Symptome, die nach einer akuten COVID-19 oder deren Behandlung fortbestehen,"
]
},
{
"type": "li",
"children": [
"neue Symptome, die nach dem Ende der akuten COVID-19-Phase auftreten, aber als Folge der SARS-CoV-2-Infektion verstanden werden können,"
]
},
{
"type": "li",
"children": [
"Verschlechterung einer vorbestehenden Erkrankung in Folge einer SARS-CoV-2-Infektion (",
{
"type": "a",
"children": [
"https://de.wikipedia.org/wiki/Long_COVID"
],
"attributes": {
"title": "Neues Fenster: https://de.wikipedia.org/wiki/Long_COVID",
"href": "https://de.wikipedia.org/wiki/Long_COVID",
"target": "_blank"
}
},
"). "
]
}
],
"attributes": {
"class": "ListeAufzhlung",
"style": "list-style-type: disc;"
}
}Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes müsste aus den Bestätigungen Dr. ***3*** schlüssig hervorgehen, dass sich der Zustand von T am Ende des vierten Semesters derart verschlechtert hat, dass das Studium der Lebensmittel-und Biotechnologie im Hinblick auf die bereits geschilderten Anforderungen was die verpflichtenden Laborübungen betrifft, nicht fortgeführt werden konnte und "zwingend" gewechselt werden musste. Die Bestätigung vom 23.9.2024 ist inhaltlich widersprüchlich: So wird am 23.9.2024 bestätigt, dass Stehen nur kurzzeitig möglich sei und diese Funktionsbeeinträchtigung "schubhaft" auftrete, d.h. Jedenfalls nicht dauerhaft. Hingegen trete "Schwindel" dauerhaft auf.
Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen werden folgendermaßen beschrieben: "Bei längerer körperlicher Belastung und Stress rasch einsetzende Erschöpfung mit Schwindel und Konzentrationsschwierigkeit seit Covid-Erkrankung 2022." Dazu ist einerseits zu sagen, dass auf die Problematik des langen Stehens hier nicht eingegangen wird.
Andererseits kann diese Bestätigung der Beschwerde auch deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Symptome, die nach Auffassung der Bf. den Studienwechsel nach dem vierten Semester rechtfertigen als "seit Covid-Erkrankung 2022" bestehend beschrieben werden, somit als bereits vor Beginn des Studiums im Oktober 2022.
In der Bestätigung vom 16.6.2025 wird das längere Stehen als "derzeit nicht möglich" beschrieben. Der zeitliche Zusammenhang mit dem vierten Semester-März bis Juli 2024- fehlt, Dass die weiteren beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen, die erfolgreiche Weiterführung des Lebensmittel-und Biotechnologie-Studium "nicht zumutbar" machten begründet nicht, dass diese es unmöglich machten.
Im Übrigen führt die Bf. selbst aus, T habe zwar einige Laborübungen, allerdings mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, absolviert, aber weitere hinausgeschoben. Dies lässt den Schluss zu, dass die mit den Laborübungen verbundenen körperlichen Anstrengungen schon vor Ende des vierten Semesters für T kaum mehr bewältigbar waren.
Da somit nicht erwiesen ist, zu welchem Zeitpunkt eine bereits seit längerem bestehende Krankheit von T ein Ausmaß erreicht hat, das sie an der erfolgreichen Fortsetzung des Studiums der Lebensmittel- und Biotechnologie hinderte und den Wechsel auf das Studium der Landschaftsplanung-und Architektur nach dem vierten Semester zwingend herbeiführte, war die Beschwerde abzuweisen.
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG, der auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 verweist, auch für die zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge.
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie (fehlendes) Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Tz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ist auch keine Ermessensentscheidung, im Zuge derer Billigkeitserwägungen Berücksichtigung finden könnten (BFG 26.01.2024, RV/5100216/2023).
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da die Frage unter welchen Voraussetzungen ein krankheitsbedingter Studienwechsel nach dem 3. Semester nicht beihilfenschädlich ist, bereits vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde. Ob im gegenständlichen Fall diese Voraussetzungen vorlagen, war eine der Revision nicht zugängliche Frage der Beweiswürdigung.
Wien, am 10. Oktober 2025
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