Das Bundesfinanzgericht hat durch den Einzelrichter über die Beschwerde des Bf, Bf-Adr, vertreten durch Mag. Kurt Kulac, Rechtsanwalt, Kaiserfeldgasse27/IV, 8010 Graz, vom 17.10.2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 14.09.2022 betreffend Haftung gemäß § 9 BAO für Lohnsteuern nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Beschwerdeführer haftet gemäß § 9 Abs. 1 BAO für folgende Abgabenbeträge der X-GmbH:
| L 01/2018 | 1.183,49 € |
| L 02/2018 | 1.183,49 € |
| L 03/2018 | 1.183,49 € |
| L 04/2018 | 1.183,49 € |
| L 05/2018 | 1.183,49 € |
| L 06/2018 | 1.183,49 € |
| L 07/2018 | 1.183,49 € |
| L 08/2018 | 1.183,49 € |
| L 09/2018 | 1.183,49 € |
| L 10/2018 | 1.183,49 € |
| L 11/2018 | 1.183,49 € |
| L 12/2018 | 1.183,49 € |
| L 01/2019 | 1.216,53 € |
| L 02/2019 | 1.216,53 € |
| L 03/2019 | 1.216,53 € |
| L 04/2019 | 1.216,53 € |
| L 05/2019 | 1.216,53 € |
| L 06/2019 | 1.216,53 € |
| L 07/2019 | 1.216,53 € |
| L 08/2019 | 1.216,53 € |
| L 09/2019 | 1.216,53 € |
| L 10/2019 | 1.216,53 € |
| L 11/2019 | 1.216,53 € |
| L 12/2019 | 1.216,53 € |
| L 01/2020 | 1.406,16 € |
| L 02/2020 | 1.406,16 € |
| L 03/2020 | 1.959,22 € |
| L 04/2020 | 3.269,55 € |
| L 05/2020 | 1.406,16 € |
| L 06/2020 | 1.406,16 € |
| L 07/2020 | 1.406,16 € |
| L 08/2020 | 1.406,16 € |
| L 09/2020 | 2.248,12 € |
| L 10/2020 | 2.742,88 € |
| L 11/2020 | 2.523,03 € |
| L 12/2020 | 1.711,59 € |
| L 01/2021 | 1.131,22 € |
| L 02/2021 | 649,63 € |
| L 03/2021 | 2.483,40 € |
| L 04/2021 | 2.009,14 € |
| L 05/2021 | 1.476,37 € |
| L 06/2021 | 1.822,39 € |
| L 07/2021 | 1.449,75 € |
| L 08/2021 | 1.872,81 € |
| L 09/2021 | 1.591,31 € |
| L 10/2021 | 649,63 € |
| L 11/2021 | 2.327,76 € |
| L 12/2021 | 942,37 € |
| L 01/2022 | 243,17 € |
| L 02/2022 | 436,13 € |
| L 03/2022 | 321,28 € |
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der mit Erklärung vom 08.06.2015 errichteten X-GmbH (Geschäftszweig: Immobilienhandel).
Mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom TT.05.2022 wurde der Konkurs über die GmbH eröffnet und die Gesellschaft infolgedessen aufgelöst (siehe Ausdruck Insolvenzdatei [OZ 29]).
Mit (an den Masseverwalter gerichteten) Bescheiden vom 17.08.2022 (OZ 19) schrieb die Abgabenbehörde die hier haftungsgegenständlichen Lohnsteuern vor. Der Niederschrift über die Schlussbesprechung (OZ 10) ist ua. zu entnehmen, dass der "Abgabepflichtige" die Stundenaufzeichnungen laut eigener Aussage nachgeschrieben und die Originalschriften (Uraufzeichnungen) vernichtet habe. Die nachgeschrieben Stundenaufzeichnungen seien nicht schlüssig und im Vergleich betrachtet widersprüchlich gewesen. Bauvorhaben seien laut den vorgelegten nachgeschriebenen Stundenaufzeichnungen in wenigen Tagen schlüsselfertig ausgeführt worden.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom TT.04.2024 erfolgte die Genehmigung des Schlussverteilungsentwurfs des Masseverwalters (Quote: 3,02 %; siehe Ausdruck Insolvenzdatei [OZ 29]).
Mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom TT.04.2024 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben (siehe Ausdruck Insolvenzdatei [OZ 29]) und die Firma in der Folge gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Mit Schreiben vom 24.06.2022 (OZ 6) hielt die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer vor, dass beabsichtigt sei, ihn für verschiedene (aufgezählte) Abgaben, so auch für die Lohnsteuern für die Zeiträume 01/2018 bis 03/2022, zur Haftung wegen Uneinbringlichkeit heranzuziehen (wobei sie ohne Einschränkung für die Lohnsteuern einen Nachweis verlangte, dass die Abgabenbehörde bei der Abgabenentrichtung nicht gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt worden ist).
Mit Schreiben vom 12.08.2022 (OZ 9) brachte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers vor, dass diesem die Nichtentrichtung nicht vorzuwerfen sei. Zum einen resultiere ein Großteil der Abgabenschuld aus einer Überprüfung und nachträglich höheren Festsetzung von Abgabenschulden und resultierten in einem Schlag zu hohen Ausstände, welche aber auf einen längeren Zeitraum entsprechend der Monate der Beschäftigung der betroffenen Arbeiter aufgeteilt würden (aufgrund dessen ergebe sich eine rechnerisch niederere Quote im Vergleich zu den Zahlungen an Lieferanten und Löhne). Außerdem seit es dem Beschwerdeführer darauf angekommen, betreffend der nichtentrichteten Abgabenbeträge mit dem Finanzamt eine gemeinsame Vereinbarung zu schließen, die einerseits das Überleben seines durch zahlreiche widrige Umstände (wie nicht zuletzt die Pandemiesituation) in Zahlungsstockung geratene Unternehmen zu sichern, und andererseits der Abgabenpflicht nachzukommen und die ausständigen Beträge tatsächlich zu bezahlen. Dieses Ziel habe zumindest zwischenzeitig durch Raten- und Zahlungsvereinbarungen mit dem Finanzamt erreicht werden können. Exemplarisch werde auf die als bekannt vorausgesetzten Vereinbarungen sowie die letzten beiden Einmalzahlungen von knapp 20.000 € sowie 40,000 € verwiesen. Zur Vermeidung der drohenden Insolvenz sei der Beschwerdeführer natürlich auch dazu gezwungen gewesen, mit den übrigen Gläubigern Vereinbarungen zu schließen und Zahlungen zu leisten. Die diesbezügliche Aufstellung für das Jahr 2021 werde als Beilage beigelegt. Daraus werde deutlich, dass sich keine Abweichungen, die ein schuldhaftes Handeln des Beschwerdeführers hinsichtlich der gegenständlichen Vorwürfe bedingen würden, ergäben. Die Intention des Beschwerdeführers sei es gewesen, mit allen Gläubigern Vereinbarungen zu schließen, dies mit dem Ziel, nach Überwinden der Zahlungsstockung sämtliche Ausstände in angemessener Zeit begleichen zu können. Bekanntlich hätten sich die Bemühungen letzten Endes aber als erfolglos erwiesen, wodurch das Insolvenzverfahren habe eröffnet werden müssen. Die geleisteten Zahlungen, auch jene an das Finanzamt, würden durch den Masseverwalter in Bezug auf anfechtungsrelevante Tatbestände untersucht, woraus sich eine Neugewichtung ergeben könnte, die auch im vorliegenden Verfahren Berücksichtigung finden müsste.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 14.09.2022 (OZ 1) zog die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer zur Haftung für Lohnsteuern für die Zeiträume 01/2018 bis 03/2022 im Gesamtbetrag von 73.306,71 € heran. Zur Begründung führte die Abgabenbehörde aus, dass sich die die schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten aus der Nichtbeachtung der Kürzungspflicht (§ 79 Abs. 1 bzw. 78 Abs. 3 EStG) ergebe. Demzufolge seien auszubezahlende Löhne entsprechend zu kürzen, wenn die vorhandenen Mittel für die Entrichtung der Löhne und die darauf entfallenden Lohnabgaben nicht ausreichten. Der Haftungsschuldner hafte auch dann für die nicht entrichteten "Abgaben" der Gesellschaft, wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichten.
Mit Schreiben vom 17.10.2022 (OZ 2) erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsanwalt die Beschwerde und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es unrichtig sei, dass der Beschwerdeführer seine abgabenrechtlichen Pflichten als Vertreter der Gesellschaft schuldhaftverletzt hätte. Das Finanzamt Österreich habe aufgrund der Ergebnisse der Außenprüfung (siehe Bericht gem. § 150 BAO vom 17.08.2022) für den Prüfungszeitraum 01.01.2018 bis 24.05.2022 (zusätzliche, daher nicht abgeführte) Lohnsteuerbeträge nachträglich festgesetzt. Die von der Gesellschaft als richtig angenommen Lohnsteuerbeträge wurden im Rahmen ihrer Möglichkeiten abgeführt; mangels Kenntnis über die Rechtsansicht(en) des Finanzamts Österreichs über die tatsächliche Lohnsteuerschuld wäre es dem Beschwerdeführer gar nicht möglich gewesen, im Rahmen seiner Verpflichtung nach Beachtung der Kürzungspflicht iSd § 79 Abs. 1, § 78 Abs. 3 EStG zeitgerecht nachzukommen. Demzufolge sei dem Beschwerdeführer diesbezüglich kein Verschulden zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Außenprüfungsberichts sei die Gesellschaft bereits insolvent gewesen, wodurch die ausständigen Beträge erst zum Zeitpunkt der Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich uneinbringlich gewesen seien. Zuvor habe der Beschwerdeführer der nunmehr insolventen Gesellschaft alles daran gesetzt, die Ausstände des Unternehmens zu begleichen, und mit dem Finanzamt Österreich Rückzahlungsvereinbarungen getroffen, um eine Benachteiligung im Vergleich zu anderen Gläubigern zu vermeiden. Hierbei werde auf die Annahme der Raten- und Stundungsvereinbarung mit dem Finanzamt Österreich/Dienststelle Oststeiermark vom "15.12.2011" verwiesen. Dieser Vereinbarung sei eine Anfrage - unter anderem - der ausständigen Lohnsteuer vorausgegangen, wobei von den nun gegenständlichen Beträgen keine Rede gewesen sei. Dadurch werde abermals offensichtlich, dass dem Beschwerdeführer gegenständlich kein schuldhaftes Handeln vorzuwerfen sei. Die Bemühungen seien aufgrund der vorliegenden Umstände und der widrigen Wirtschaftslage jedoch letztlich erfolglos gewesen. Ausdrücklich richte sich die vorliegende Beschwerde aber auch gegen die Höhe der angenommenen Lohnsteuerrückstände. Die Schätzungen der Abgabenbehörde aufgrund der Außenprüfung seien weder schlüssig noch folgerichtig. Tausende Stunden Mehrleistung seien pauschal anhand angeblicher Durchschnittswerte und "Potential" für Fehlstunden und dergleichen berechnet worden, ohne dass dies für den Beschwerdeführer in irgendeiner Weise überprüfbar wäre. Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO sei innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit sei dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststehe und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden sei. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit komme die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liege daran, dass nur durch diese Maßnahme eine Eindringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben sei und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden könne. Unabhängig davon, dass der Beschwerdeführer seine Verursachung der Nichtentrichtung der Abgaben als Beschwerdevorbringen bestreite, sei die Geltendmachung der Haftung im Rahmen der Ermessungsentscheidung vorliegend nicht zweckmäßig. Aufgrund der Finanzlage des Beschwerdeführers würde die Rechtskraft der bekämpften Entscheidung zu einem Privatinsolvenzverfahren führen, in welchem nicht einmal eine teilweise Kompensation des Abgabenausfalls zu erwarten wäre. Diesfalls wäre es ausgeschlossen, dass beim Beschwerdeführer hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.11.2022 (OZ 3) wies die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Abgabenbehörde aus, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Außenprüfung bereits insolvent gewesen sei, wodurch die ausständigen Beträge erst zum Zeitpunkt der Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich uneinbringlich gewesen seien. Bei den Abzugssteuern hafte der zum Auszahlungszeitpunkt verantwortliche Geschäftsführer stets in voller Höhe, und zwar auch dann, wenn liquide Mittel zur Abfuhr dieser Abgaben gefehlt hätten (Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz). Der Umstand, dass im Zeitpunkt der "Nachforderung" der Lohnsteuer auf Grund einer Lohnsteuerprüfung keine flüssigen Mittel mehr zur Verfügung gestanden seien, sei für die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden nicht maßgeblich. Die Verbindlichkeit an Lohnsteuer sei nicht erst im Zeitpunkt der "Nachforderung", sondern bereits im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte entstanden (VwGH 20.2.1996, 94/13/0088). Eine Haftung komme auch für auf Grund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstanden Abgabenschulden in Betracht (VwGH 30.11.1999, 94/14/0173). Der Geschäftsführer hafte für eine solche Abgabennachforderung bei der Gesellschaft, wenn ihm ein Verschulden an der Verletzung jener abgabenrechtlichen Pflichten, die die Schätzung begründet habe, zugerechnet werden könne, insbesondere Pflichtverletzung im Zusammenhang mit den Gründen § 184 Abs. 2 und 3 BAO) (VwGH 27.2.2014, 2009/15/0212).
Mit Schreiben vom 21.12.2022 (OZ 5) stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsanwalt gegen die Beschwerdevorentscheidung ohne weiteres Vorbringen den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag).
Mit Vorlagebericht vom 22.08.2025 (OZ 12) legte die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In der Stellungnahme führte die Abgabenbehörde aus, dass nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung eine Haftung auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandenen Abgabenschuld in Betracht komme. Der Geschäftsführer hafte für eine solche Abgabennachforderung bei der Gesellschaft, wenn ihm ein Verschulden an der Verletzung jener abgabenrechtlichen Pflichten, die die Schätzung begründet habe, zugerechnet werden könne. Insbesondere seien hier Pflichtverletzungen iZm den Gründen des § 184 Abs 2 und 3 BAO gemeint. § 184 BAO normiere, dass insbesondere dann zu schätzen sei, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermöge oder weitere Auskunft über Umstände verweigere, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich seien oder wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen habe, nicht vorlege oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig seien oder solche formelle Mängel aufwiesen, die geeignet seien, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Aus der Niederschrift zur Außenprüfung ergäben sich eine Reihe an Pflichtverletzungen iZm der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten der BAO, die zur Schätzung geführt hätten. Der "Abgabepflichtige" habe die Stundenaufzeichnungen laut eigener Aussage nachgeschrieben und die Originalschriften (Uraufzeichnungen) vernichtet. Es hätten nicht für jeden Dienstnehmer Stundenaufzeichnungen vorgelegt werden können, zudem seien die nachgeschrieben Stundenaufzeichnungen nicht schlüssig und im Vergleich betrachtet widersprüchlich gewesen. Die Angebote und/oder Abrechnungen der ausgeführten Dienstleistungen (Hausbau-Einfamilienhäuser - schlüsselfertig) hätten nicht vorgelegt werden können bzw. seien nicht vorgelegt worden. Kalkulationen und Kostenschätzungen, Ablaufvereinbarungen, Zielvereinbarungen oder Ähnliches, wodurch der tatsächliche Aufwand an Personal/Arbeitsstunden abzuleiten gewesen wäre, seien nicht vorhanden gewesen oder seien nicht vorgelegt worden. Die nachgeschriebenen Stundenaufzeichnungen seien zudem in vielerlei Hinsicht äußerst mangelhaft und völlig unschlüssig gewesen. Weitere Beispiele für Mängel seien aus der beigelegten Niederschrift zur Schlussbesprechung zu entnehmen.
In der mündlichen Verhandlung am 30.10.2025 brachte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsanwalt vor, dass sich die Frage stelle, ob man dem Beschwerdeführer das tatsächlich zurechnen könne. Die Zurechnung sei in Punkten akzeptiert worden. Es bestehe kein Raum für grobes Verschulden. Das bloße Akzeptieren der Schätzung berechtige nicht zur Haftungsinanspruchnahme.
Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden ( § 80 Abs. 1 BAO).
Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können ( § 9 Abs. 1 BAO).
Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten ( § 78 Abs. 1 EStG 1988).
Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ( § 78 Abs. 3 EStG 1988).
Die Auszahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer stellt in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar, weshalb der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Lohnsteuer nicht zum Tragen kommt (vgl. VwGH 23.03.2010, 2007/13/0137).
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der "angenommenen Lohnsteuerrückstände" wendet (siehe Seite 3 des Beschwerdeschreibens), ist festzustellen, dass die Lohnsteuern mit (an den Masseverwalter gerichteten) Bescheiden vom 17.08.2022 (OZ 19) vorgeschrieben wurden. Die Abgabenbehörde hat mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer spätestens anlässlich der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, dass diese Lohnsteuerhaftungsbescheide erlassen wurden (siehe deren Schreiben vom 28.08.2025 [OZ 20]). Der Beschwerdeführer ist dem nicht entgegengetreten (siehe den diesen Umstand vorhaltenden und von Seiten des Beschwerdeführers unbeantwortet gebliebenen Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 28.08.2025 [OZ 22]).
Geht bei Selbstberechnungsabgaben, bei denen die GmbH zum Steuerabzug und zur Steuerabfuhr verpflichtet ist (zB Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer und Abzugsteuer bei bestimmten beschränkt steuerpflichtigen Einkünften), einem Haftungsbescheid an den Geschäftsführer ein Abzugsteuerhaftungsbescheid an die GmbH voran, so ist die Behörde im Haftungsverfahren des Geschäftsführers auch an den Abzugsteuerhaftungsbescheid gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung des Geschäftsführers zur Haftung hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe grundsätzlich an den Abzugsteuerhaftungsbescheid zu halten (ausdrücklich auch für Bescheide nach § 202 BAO: VwGH 20.11.2014, Ro 2014/16/0057).
Dem Einwand der Unrichtigkeit der Höhe der Lohnsteuerbeträge ist daher im gegenständlichen Haftungsverfahren unbeachtlich.
Im Beschwerdeschreiben vorgebracht wird, dass die haftungsgegenständlichen Lohnsteuerbeträge nachträglich "festgesetzt" wurden, weshalb es dem Beschwerdeführer mangels Kenntnis der Rechtsansicht(en) des Finanzamts Österreichs über die tatsächliche Lohnsteuerschuld gar nicht möglich gewesen wäre, der "Kürzungspflicht iSd § 79 Abs. 1, § 78 Abs. 3 EStG" zeitgerecht nachzukommen,
Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandenen Abgabenschuld in Betracht (zum Säumniszuschlag: VwGH 30.11.1999, 94/14/0173).
Die Verletzung sonstiger abgabenrechtlicher Pflichten (insbesondere aus den in § 184 Abs. 2 und 3 BAO genannten Gründen, zB Verletzung der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen, Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und sonstigen Belegen) kann zur Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung führen. Daraus sich ergebende Abgabennachforderungen bei der GmbH können auch zur Heranziehung des für die Erfüllung der verletzten Pflichten verantwortlichen Geschäftsführers führen.
Dem Einwand, dass das bloße Akzeptieren der Schätzung nicht zur Haftungsinanspruchnahme berechtige, ist entgegenzuhalten, dass der (dem angefochtenen Haftungsbescheid beigelegten) Niederschrift über die Schlussbesprechung (OZ 10) ua. zu entnehmen ist, dass die Stundenaufzeichnungen (also aufbewahrungspflichtige Grundaufzeichnungen) nachgeschrieben und die Originalschriften (Uraufzeichnungen) vernichtet wurden. Schon dieser (als solches unbestritten gebliebene) Umstand stellt eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflicht zur Aufbewahrung von Grundaufzeichnungen dar, die die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers für die zugeschätzen Lohnsteuerbeträge rechtfertigt.
Der Hinweis auf die Annahme einer Stundungs- und Ratenvereinbarung vom "15.12.2011" (wohl gemeint: 15.12.2022) vermag an der Rechtsmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers für die zugeschätzen Lohnsteuerbeträge nichts zu ändern, zumal die gesetzliche Fälligkeit der Lohnsteuern (15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats) vor dem genannten Zeitpunkt gelegen war.
Der angefochtene Bescheid war jedoch insoweit abzuändern, als die Konkursquote von 3,02 % haftungsmindernd zu berücksichtigen war (die Beschwerdevorentscheidung wurde vor Genehmigung des Schlussverteilungsentwurfs des Masseverwalters erlassen, sodass die Konkursquote noch keine Berücksichtigung finden konnte).
Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung ist zweckmäßig, weil aufgrund seines Alters zu erwarten ist, dass die Hereinbringung der Haftungsschuld wenn nicht jetzt, so durch zukünftiges Einkommen oder Vermögen möglich ist. Gegen die Heranziehung zur Haftung sprechende Gründe waren dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise Privatkonkurs anmelden muss, macht die Heranziehung zur Haftung nicht unzweckmäßig, zumal dadurch zumindest ein Teil der Haftungsschuld hereingebracht werden könnte.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.
Graz, am 30. Oktober 2025
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