Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom 20. Dezember 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 12. Dezember 2022 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juni 2022 bis Oktober 2022, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Die Beschwerdeführerin bezog für die Tochter T., geb. 2003, wegen Schulbesuch (Höhere Lehranstalt für Tourismus, Eventmanagement, Sport und Freizeit in Krems) bis Juni 2022 Familienbeihilfe. Am 16.05.2022 erfolgte eine automatische Verlängerung der Familienbeihilfe für Schüler gemäß § 2(1) lit d) FLAG bis Oktober 2022.
Im Zuge der Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches (Schreiben des Finanzamtes vom 29.09.2022 legte die Bf. am 18.10.2022 das Reifeprüfungszeugnis von T. vom 30.05.2022 sowie deren Arbeitsvertrag vor.
Das Finanzamt fordere daraufhin von der Bf. mit Bescheid vom 12.12.2022 die für den Zeitraum Juni 2022 bis Oktober 2022 bezogenen Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) mit der Begründung zurück, dass für ein volljähriges Kind die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zustehe. Bei ihrem Kind würde diese Voraussetzung nicht zutreffen (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967).
Die Bf. brachte in ihrer Beschwerde vom 20.12.2022 vor, dass ihre Tochter T. die 5-jährige HLF in Krems/Donau am 30.05.2022 mit der Matura abgeschlossen habe. Laut Mitteilung des Finanzamtes über den Bezug der Familienbeihilfe vom 17.05.2022 sei für ihre Tochter die Familienbeihilfe bis Oktober 2022 zugesagt worden.
Laut Gesetzeslage werde Schülern, welche im Juni 2022 maturiert haben, die Familienbeihilfe bis einschließlich Oktober 2022 gewährt worden. Es sei daher für sie nicht nachvollziehbar, warum dieser Schultyp anders behandelt werde, nur weil die Matura Ende Mai absolviert worden sei. Ihre Tochter habe mit ausgezeichnetem Erfolg maturiert und habe nicht weniger geleistet, als eine Schülerin einer HAK, HLW etc.
Sie bitte beim Bildungsministerium zu eruieren, warum dieser Schultyp früher maturiere als andere Schulen.
Da sie alle Unterlagen (Maturazeugnis, Meldung Dienstbeginn) zeitgerecht an das Finanzamt übermittelt habe, sei es für sie nicht verständlich, dass sie Leistungen zu Unrecht bezogen haben soll. Weiters könne sie nicht verstehen, warum dieser Schultyp anders behandelt werde.
Sie ersuche diesbezüglich um Überprüfung ihrer Beschwerde und um Aussetzung der Einhebung bis zur Erledigung.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.02.2023 mit der Begründung ab, dass § 2 Abs. 1 lit d FLAG 1967 geändert worden und mit 1. Juni 2022 in Kraft getreten sei.
§ 2 Abs. 1 lit. d laute:
"für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,"
T. habe mit positiver Ablegung der Reifeprüfung am 30.5.2022 die Schulausbildung abgeschlossen.
Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlösche mit Ablauf des Monats, in dem eine Voraussetzung wegfalle oder ein Ausschließungsgrund hinzukomme (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967).
Die geänderte Rechtslage sei ab 01.06.2022 anzuwenden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe sei bereits mit 31.05.2022 erloschen.
Die Bf. bringt im Vorlageantrag, eingelangt beim Finanzamt am 23.03.2023, vor, dass ihre Tochter T. am 30.05.2022 an der HLF Krems/Donau maturiert habe und damit in die alte Regelung des FLAG 1967 falle. Am 1.6.2022 sei die geänderte Rechtslage in Kraft getreten. Somit sei vom Finanzamt eine Rückforderung von € 1.157,00 vorgeschrieben worden. Da ihre Tochter bzw. sie keinerlei Einfluss auf den Tag der Reifeprüfung gehabt hätten, verstehe sie nicht, warum alle Schüler von anderen Schultypen (HAK, HLW, HTL) bevorzugt behandelt würden.
Strittig ist der Familienbeihilfenanspruch für die volljährige Tochter T. für 4 Monate nach Abschluss der Schulausbildung.
T. legte am 30.05.2022 die Reifeprüfung an der Höheren Lehranstalt für Tourismus, Eventmanagement, Sport und Freizeit ab und machte danach keine weitere Ausbildung.
Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt und den von der Bf. vorgelegten Unterlagen.
Im vorliegenden Fall sind die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 maßgeblich.
Die Bestimmungen lauten ab 01.06.2022 wie folgt:
" … für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird."
Unstrittig ist, dass die Schulausbildung der volljährigen Tochter der Bf. mit Ablegung der Matura am 30. Mai 2022 geendet hat. Die Bf. sieht eine Ungleichbehandlung darin, dass laut Gesetzeslage Schülern, welche im Juni 2022 maturiert haben, die Familienbeihilfe bis einschließlich Oktober 2022 gewährt werde. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, warum dieser Schultyp anders behandelt werde, nur weil die Matura Ende Mai absolviert worden sei.
Das Bundesfinanzgericht hat in einem vergleichbaren Fall im Erkenntnis vom BFG 26.06.2023, RV/7101261/2023, festgestellt, dass, wenn die Schulausbildung mit der Abschlussprüfung (hier: an einer HTL) im Mai 2022, das Schuljahr jedoch im Juni 2022 endet, die Familienbeihilfe dennoch nicht vier weitere Monate zusteht, weil § 2 Abs. 1 lit. d FLAG idF BGBl. I Nr. 220/2021 mit 1.6.2022 in Kraft trat und überdies auf das Ende der Schulausbildung und nicht auf das Ende des Schuljahres abstellt.
Gemäß § 55 Abs. 52 FLAG 1967 gilt hinsichtlich des Inkraftretens des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG Folgendes:
"§§ 2 Abs. 1 lit. d und 6 Abs. 2 lit. b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 220/2021 treten mit 1. Juni 2022 in Kraft."
Das bedeutet, dass dieser Verlängerungstatbestand nur auf jene Fälle anzuwenden ist, in denen die Schulausbildung beginnend mit 1.6.2022 endet. Endet die Schulausbildung vor dem 01.06.2022, wie hier am 31.05.2022, ist § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 nicht anzuwenden und der Beihilfenanspruch endet grundsätzlich mit Ende des Monats, in dem die Schulausbildung beendet wird.
Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut kommt es weder auf das Ende des Schuljahres noch auf den Schultyp an.
Fest steht, dass die Tochter der Bf. nach ihrem Schulabschluss (Ablegung der Matura am 30.05.2022) keine weitere Berufsausbildung begonnen hat (§ 2 Abs. 1 lit. d 2. HS FLAG 1967).
Wenn sich die Bf. dadurch benachteiligt fühlt, dass der Prüfungstermin ohne ihre Einflussmöglichkeit bereits für Mai 2022 angesetzt wurde, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:
Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei staatlichen Beihilfen, selbst wenn sie hoheitlich gewährt werden (zur Familienbeihilfe vgl. VfGH 27.06.1997, B 304/77; VfGH 05.12.1996, B 2965/95), sowie bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und der daran anknüpfenden, hoheitlich gewährten Maßnahmen (zum FLAG 1967 vgl. VfGH 18.06.1969, B232/68; VfGH 05.12.1996, B 2965/95) generell ein weiter ist (vgl. VfGH 28.09.2017, G 31/2017).
Der Gesetzgeber ist bei der Verfolgung familienpolitischer Ziele frei und es kommt ihm im Beihilfenrecht ein weiter, durch das Sachlichkeitsgebot begrenzter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu.
Ein Gesetz ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (VfGH 14.10.2016, G 121/2016).
In diesem Sinne stand es dem Gesetzgeber daher auch frei, das Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 lit d FLAG 1967 erster Halbsatz mit 1.6.2022 festzulegen.
Die Argumentation der Bf., wonach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 ihren Beihilfenanspruch nicht um vier Monate verlängert, weil die Abschlussprüfung bereits im Mai stattgefunden habe, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen hätte können, ist zwar verständlich, ändert jedoch nichts daran, dass auch das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 18 B-VG nur auf Grund der Gesetze handeln darf.
Eine Verfassungswidrigkeit, die es gebieten würde, die Norm zunächst bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes unangewendet zu lassen, kann das Bundesfinanzgericht nicht erkennen.
§ 26 FLAG 1967 lautet:
"Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."
Die Rückzahlungspflicht gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. zB VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047). Fehlen die Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezog, ist die Familienbeihilfe und auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern (vgl. VwGH 28.11.2002, 2002/13/0079; VwGH 9.7.2008, 2005/13/0142). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047 oder VwGH 24.6.2009, 2007/15/0162).
Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 16 zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. BFG 13.6.2018, RV/7104954/2017; BFG 20.6.2016, RV/7100264/2016).
Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. BFG 13.6.2018, RV/7104954/2017).
Da die Bf. objektiv betrachtet in den Monaten Juni bis Oktober 2022 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge hatte, waren diese zu Recht zurückzufordern und es war spruchgemäß zu entscheiden.
Nur informativ wird Folgendes festgehalten:
Die Erläuterungen zu § 241a BAO (983/A 26. GP 52 f) verweisen insbesondere auf § 26 FamLAG 1967. Jener Bestimmung liegt zu Grunde, dass die Familienbeihilfe (wie auch der Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 EStG 1988) nicht mit Bescheid zuerkannt wird; es erfolgt lediglich eine Mitteilung. Eine spätere Aberkennung der Familienbeihilfe erfordert daher keine Durchbrechung der Rechtskraft eines Bescheides; die Mitteilung steht einer Rückforderung nicht entgegen (vgl. VwGH Ro 20.09.2023, 2023/13/0012).
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 lit. d idF des BGBl. 220/2021 ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 55 Abs. 52 FLAG 1967), sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt und daher die ordentliche Revision auszuschließen war.
Wien, am 17. November 2025
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