Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***BE*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 18. November 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 27. Oktober 2022 betreffend Rückforderung Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind ***1*** für den Zeitraum Oktober 2021 bis April 2022, ***OB***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Bescheid vom 27.10.2022 forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer die ihm für seinen Sohn ***1*** gewährte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Oktober 2021 bis April 2022 zurück. Begründet wurde dies damit, dass der nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 erforderliche Studienerfolg im ersten Studienjahr nicht erreicht worden sei und daher die Familienbeihilfe nicht zustehe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18.11.2022 Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Leistungsnachweis sehr wohl beigebracht und dem Finanzamt vorgelegt worden sei, ebenso liege ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis für eine gerechtfertigte Verlängerung des Nachweiszeitraumes vor. Beim Beschwerdeführer sei im Juli 2021 eine schwere Erkrankung diagnostiziert worden. Er sei auf familiäre Hilfe, insbesondere seines Sohnes, angewiesen gewesen, auf dessen Studium sich diese aufreibende Zeit negativ ausgewirkt habe.
In Beantwortung des Ersuchens um Auskunft bzw Vorlage von Unterlagen vom 13.12.2022 führte der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 31.12.2022 ua aus, dass im Wintersemester 2021 die schwierige familiäre Situation mit seiner Erkrankung und die Hilfeleistung des Sohnes die Fortführung seines Studiums in Wien stark beeinflussten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.1.2023 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im ersten Studienjahr die benötigten ECTS-Punkte nicht erreicht worden seien. Eine Verlängerung der Studienzeit wäre nur dann möglich, wenn der Sohn durch mindestens drei Monate vollständig und unabwendbar am Studienfortgang gehindert gewesen wäre. Eine vollständige Studienbehinderung sei der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung nicht zu entnehmen.
Am 25.1.2023 stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag. Begründend wurde vorgebracht, dass der Leistungsnachweis sehr wohl beigebracht und dem Finanzamt vorgelegt worden sei. Auch liege ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis für eine gerechtfertigte Verlängerung des Nachweiszeitraumes vor, auf das in der Beschwerdevorentscheidung nicht eingegangen worden sei. Die näher geschilderte Belastungssituation, in der sich der Sohn befunden habe, habe zu einer massiven Einschränkung seines Studienerfolgs geführt. Seit dem Wegfall der Therapien und der gesundheitlichen positiven Entwicklung erfolge das Studium wieder ernsthaft, gewissenhaft und zielstrebig, wie die erreichten ECTS-Punkten zeigen würden.
Mit Vorlagebericht vom 31.3.2023 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Der im März 2000 geborene Sohn des Beschwerdeführers, ***1***, begann im Wintersemester 2020 das Bachelorstudium Elektrotechnik und Informationstechnik an der ***2***.
Im Wintersemester 2021 wechselte er auf das Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurswesen - Maschinenbau an der ***2*** und im Sommersemester 2021 auf das Bachelorstudium Informatik an der Universität ***3***.
Im ersten Studienjahr 2020/2021 erreichte der Sohn einen Studienerfolg von 1 ECTS-Punkt.
Folgende Lehrveranstaltungen wurden (einschließlich WS 2021) absolviert:
VU Orientierung ETIT, 1 ECTS, 30.1.2021, mit Erfolg teilgenommen UE Mathematik, 3 ECTS, 30.1.2021, nicht genügendUE Elektrotechnik, 3 ECTS, 10.2.2021, nicht genügendUE Physik für Elektrotechnik, 2 ECTS, 24.2.2021, nicht genügendUE Digitale Systeme, 1 ECTS, 8.3.2021, nicht genügendVO Grundlagen der Unternehmensführung, 3 ECTS, 12.11.2021, nicht genügend UE Mathematik, 3 ECTS, 14.1.2022, nicht genügend,VU Einführung Maschinenwesen und BW, 1 ECTS, 28.1.2022, mit Erfolg teilgenommen
Im Juli 2021 wurde beim Beschwerdeführer eine schwere, lebensbedrohende Erkrankung diagnostiziert, die zu einer Belastungssituation für die ganze Familie führte. Der Beschwerdeführer war auf familiäre Hilfe, insbesondere seines Sohnes, angewiesen. Dadurch wurde im Wintersemester 2021 die Fortführung des Studiums stark beeinflusst (Beantwortung Auskunftsersuchen des Finanzamtes vom 31.12.2022).
Das Finanzamt forderte mit dem angefochtenen Bescheid Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Oktober 2021 bis April 2022 zurück.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakt und ist unbestritten.
Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. […] Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 idgF steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Anspruch auf die Weitergewährung der Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr besteht nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Gleiches gilt, wenn alle, zumindest mit 14 ECTS-Punkten bewerteten, Lehrveranstaltungen und Prüfungen der STEOP erfolgreich absolviert wurden.
Der Nachweiszeitraum ist das vorhergehende Studienjahr. Der Studienerfolgsnachweis ist erbracht, wenn im betriebenen Studium Prüfungen im erforderlichen Ausmaß positiv beurteilt wurden (vgl Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 69 ff).
Der Sohn des Beschwerdeführers hat in seinem ersten Studienjahr (2020/2021) einen ECTS-Punkt erreicht und damit den gesetzlich vorgesehenen Studienerfolg von 16 ECTS-Punkten für die Weitergewährung der Familienbeihilfe im nachfolgenden Studienjahr 2021/2022 (sohin ab Oktober 2021) nicht erfüllt.
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis für eine gerechtfertigte Verlängerung des Nachweiszeitraumes vorlag. Die bei ihm im Juli 2021 diagnostizierte, schwere Erkrankung habe zu einer Belastungssituation für die ganze Familie geführt. Er sei insbesondere auf die Hilfeleistung seines Sohnes angewiesen gewesen und diese aufreibende Zeit habe sich selbstverständlich auf sein Studium negativ ausgewirkt.
Der Nachweiszeitraum kann gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verlängert werden. Dabei bewirkt eine vollständige Studienbehinderung von drei Monaten pro Semester eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes um ein Semester.
Das erste Studienjahr (2020/2021) war von der im Juli 2021 diagnostizierten Krankheit noch (nahezu) nicht beeinflusst. Es kann somit nicht von einer bereits in diesem Studienjahr bestehenden Studienbehinderung im Sinne des FLAG ausgegangen werden. Dies steht auch im Einklang mit der Beantwortung des Auskunftsersuchens vom 31.12.2022 durch den Beschwerdeführer, wonach die Fortführung des Studiums im Wintersemester 2021 stark beeinflusst war. Eine allenfalls im Wintersemester 2021 und damit erst im nachfolgenden Studienjahr bestehende Studienbehinderung ist für den hier maßgeblichen Nachweiszeitraum (Studienjahr 2020/2021) nicht relevant.
Somit konnte im ersten Studienjahr (2020/2021) der nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 erforderliche Studienerfolg für die Weitergewährung der Familienbeihilfe im zweiten Studienjahr nicht nachgewiesen werden. Es bestand daher im Rückforderungszeitraum Oktober 2021 bis April 2022 kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag wurden in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogen und sind gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Rechtsfolgen ergeben sich unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.
Salzburg, am 5. November 2025
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