Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 12. Juni 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 16. Mai 2023, Ordnungsbegriff Nr1, betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum "April 2023 - September 2023" zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
1. Mit Eingabe vom 9.5.2023 begehrte die Antragstellerin A (= Beschwerdeführerin, Bf) die Gewährung der Familienbeihilfe (FB) für den Sohn B, geb. 05/2003.Beigelegt war eine Studienbestätigung "Students Confirmation Sound Assistent" der XY-GmbH v. 23.4.2023, wonach der Sohn dieses Modul vom 1.4.2023 - 30.9.2023 absolviert.
2. Das Finanzamt hat mit Bescheid vom 16.5.2023, Ordnungsbegriff Nr1, den FB-Antrag für den Zeitraum April 2023 bis September 2023 abgewiesen. Begründend wird ausgeführt:Für ein volljähriges Kind stehe die FB während einer Berufsaus- bzw. fortbildung zu (§ 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967), welche Voraussetzung hier nicht zutreffe. Bei einer Berufsausbildung sei die überwiegende Zeit zum Erlernen von Fachwissen, nicht zur Allgemeinbildung, zu verwenden. Die Ausbildung bedürfe einer angemessenen Unterrichtsdauer und sei mit einer Abschlussprüfung abzuschließen. Der Kursbesuch zum "Sound Assistent" stelle keine solche Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar.
3. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird eingewendet, es handle sich um eine eineinhalbjährige Ausbildung (3 Semester), die der Sohn an der XX Akademie absolviere und mit einem Diplom abschliesse. Die Students Confirmations seien für die im jeweiligen Semester stattfindenden Module ausgestellt: 1. Semester Music Assistent und Sound Assistent; 2. Semester Sound Technician und Beat Designer; 3. Semester Sound Engineer und Music Designer. Nach dem Grunddiplom folge an der X-Universität der Bachelor of Arts. Dazu wurden an Unterlagen beigebracht:- Schulungsbestätigung der XX Akademie/XY vom Juni 2023 betr. die verbindliche Anmeldung des Sohnes für das online "Diploma Sound Engineering and Electronic Music Production" mit Laufzeit v. 1.4.2023 bis 30.9.2024. Festgehalten wird: "Der Theorieunterricht und die Expert Panels finden jeweils wöchentlich für 2 Stunden statt. Zusätzlich musst du Web Based Trainings, Tutorials, Skripte und Hausaufgaben jede Woche bearbeiten. Pro Einzelkurs liegt der wöchentliche Zeitaufwand bei ca. 20 Stunden … Das Diploma … besteht aus 6 Einzelkursen. Du nimmst an 2 Einzelkursen pro Halbjahr teil. Das erfolgreich abgeschlossene Diploma qualifiziert dich für die Programme "Bachelor of Arts (Hons) Electronic Music Production" oder "Bachelor of Arts (Hons) Music Technology Specialist. …".- Vertrag betr. "Diploma Sound Engineering and Electronic Music Production" v. 16.2.2023, Full-Time, online, 2 Kurse/Module im Halbjahr- 2 Students Confirmations betr. die Module "Sound Assistent" und "Music Assistent", Dauer je 1.4.2023 - 30.9.2023, wöchentlicher Aufwand für Sessions, Praktika, Projekte und Selbststudium je ca. 20 Stunden- umfassende Informationsbroschüre: Daraus geht ua. hervor, dass der Kursteilnehmer nach Kursabschluss "Sound Assistent" zB befähigt ist zum Assistenten eines Sound Ingenieurs; weitere Module befähigen ua. zur Planung und Organisation einer kompletten Musikproduktion ("Sound Engineer") oder eigener Musik ("Music Designer").
4. Mit Auskunftsersuchen v. 7.11.2023 hat das Finanzamt von der Bf eine Auflistung der einzelnen Ausbildungsgegenstände sowie um Fragenbeantwortung erbeten ua. dazu, welches Berufsbild angestrebt werde und ob die abgeschlossene Ausbildung zur Ausübung eines bestimmten Berufes und zu welchem berechtige.
5. Am 29.12.2023 hat die Bf folgende Unterlagen dem Finanzamt übermittelt:- 2 Zertifikate v. 30.10.2023, wonach der Sohn die Module "Music Assistent" mit dem Gesamtresultat von 72% und "Sound Assistent" mit dem Gesamtresultat von 76 % erfolgreich ("successfully completed") abgeschlossen hat- Anmeldebestätigungen (Students Confirmations) für die Module "Sound Technician" und "Beat Designer", Dauer 1.10.2023 bis 31.3.2024- Infomaterial zu den vier vorgenannten Modulen, worin ua. eine genaue Inhaltsangabe zu den einzelnen Unterrichtsblöcken sowie jeweils ein genauer Zeitplan/Stundenplan (pro Woche je 4 Stunden bzw. 2 x je von 13:00 Uhr - 15:00 Uhr) über die abgehaltenen online- Schulungen (Virtual Classroom - Expert Panels) je Modul enthalten ist.
6. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 29.1.2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Aus den vorgelegten Unterlagen erschliesse sich der Behörde nicht, ob überhaupt eine Berufsausbildung vorliege oder ob die überwiegende Zeit des Sohnes in Anspruch genommen werde.
7. Im Vorlageantrag v. 28.2.2024 bringt die Bf vor, sie habe versucht, mit den beigebrachten Unterlagen alle offenen Fragen zu beantworten, was anscheinend nicht gelungen sei. Zwecks Abklärung sei beim Finanzamt ein Termin am 6.3.2024 vereinbart.
8. Dem Bundesfinanzgericht/BFG wurde auf Anfrage am 17.9.2025 mitgeteilt, zu einer allfälligen Vorsprache am 6.3.2024 seien beim Finanzamt keine Vermerke vorhanden; weitere Unterlagen seien von der Bf nicht beigebracht worden.
II. Sachverhalt:
Der Sohn der Bf, B geb. 05/2003, hat mit Mai 2021 die Volljährigkeit erreicht.
Er war für 3 Semester bzw. im Zeitraum 1.4.2023 bis 30.9.2024 zur online-Schulung "Diploma Sound Engineering and Electronic Music Production" der XX Akademie/XY vertraglich angemeldet (Vertrag v. 16.2.2023). Diese besteht aus 6 Einzelmodulen/Einzelkursen (1. Semester: Music Assistent und Sound Assistent; 2. Semester: Sound Technician und Beat Designer; 3. Semester: Sound Engineer und Music Designer) und erfolgt in Form von theoretischem Unterricht (Visual Classroom-Expert Panels) + Trainings, Tutorials, Hausaufgaben etc. mit einem wöchentlichen Zeitaufwand je Modul von rund 20 Stunden (siehe die Schulungsbestätigung v. 5.6.2023; vorgelegte Zeit- bzw. Stundenpläne). Der Sohn hat im 1. Semester, Dauer 1.4.2023 bis 30.9.2023, die beiden Module "Sound Assistent" mit dem Ergebnis von 76 % und "Music Assistent" mit 72 % erfolgreich abgeschlossen (siehe 2 Zertifikate v. 30.10.2023).
Laut vorgelegten Informationsbroschüren sind die Kursteilnehmer nach dem Kursabschluss "Sound Assistent" befähigt, zB als Assistent eines Sound Ingenieurs tätig zu werden. Weitere Module befähigen ua. zur Planung und Organisation einer kompletten Musikproduktion ("Sound Engineer") oder eigener Musik ("Music Designer").
III. Beweiswürdigung:
Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem eingangs dargelegten Akteninhalt, im Wesentlichen aus den von der Bf beigebrachten, obbezeichneten Unterlagen, und ist insoweit unstrittig.
IV. Rechtslage:
A) Gesetzliche Bestimmungen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe lit a) für minderjährige Kinder, …. lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. …
Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
B) Rechtsprechung:
Berufsausbildung:
Die Gewährung von Familienbeihilfe ist nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 idgF. für volljährige Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres dezidiert an die Voraussetzung der tatsächlichen Berufsausbildung gebunden (vgl. UFS 26.1.2004, RV/0392-S/03).
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. zB VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050; VwGH 26.6.2001, 2000/14/0192).
Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung. Weiters ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass eine "Berufsausbildung" nur dann vorliegt, wenn eine Bildungsmaßnahme in einer entsprechend strukturierten Form (auch wenn sich diese lediglich in der Ablegung einer Abschlussprüfung mit vorgegebenen, allgemein gültigen Anforderungen), mit einer entsprechenden zeitlichen Inanspruchnahme des Auszubildenden (arg in VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050; "... volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht, ...") und mit entsprechender Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit (durch Antritte zu den notwendigen Prüfungen) dazu führt, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die im Anschluss die Ausübung eines Berufes ermöglichen und die sich in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privatem Interesse unterscheidet (VwGH 1.3.2007, 2006/15/0178). Vor dem Hintergrund dieser Judikatur kommt es auch nicht auf die nur wenige Monate währende Dauer der zu beurteilenden Kurse an. Maßgeblich ist nämlich der erforderliche zeitliche Einsatz während der Kurse, der - soll eine Berufsausbildung vorliegen - so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird (VwGH 23.2.2011, 2009/13/0127).Nach den vom VwGH zu diesem Begriff in stRSpr entwickelten Kriterien (zB VwGH 18.11.2009, 2008/13/0015; VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203 u.v.a.) weist jede anzuerkennende Berufsausbildung sohin ein qualitatives und ein quantitatives Element auf. Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang (= zumindest ein Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungen von 30 Wochenstunden; vgl. BFG 29.2.2016, RV/7105391/2014 u.a.).
V. Erwägungen:
Im Gegenstandsfall ist strittig, ob die vom Sohn der Bf in der Zeit vom 1.4.2023 bis 30.9.2023 absolvierten beiden Kurse (Sound Assistent und Music Assistent) an der XX Akademie als Berufsausbildung iSd FLAG 1967 anzusehen sind.
Nach oben dargelegtem Sachverhalt steht fest, dass bei beiden Kursen für jeweils vier Stunden wöchentlich ein Theorie-Unterricht zu besuchen war. Zusätzlich hatte der Sohn Trainings, Tutorials und Hausaufgaben zu absolvieren. Offenkundig waren jeweils Zwischenprüfungen oder auch eine Abschlussprüfung abzulegen, da - wie aus den beigebrachten Zertifikaten v. 30.10.2023 hervorgeht - die beiden Module mit 76 % bzw. 72 % erfolgreich abgeschlossen wurden. Pro Einzelkurs wird seitens der Akademie der wöchentliche Zeitaufwand mit 20 Stunden angegeben. Nach Absolvierung der Kurse ist das Kind befähigt, beispielsweise als Assistent eines Sound Ingenieurs tätig zu werden und als solcher ins Berufsleben einzutreten.
Im vorliegenden Fall ergibt sich beim gegebenen Sachverhalt, dass der Sohn gleichzeitig zwei Kurse absolvierte, in welchen in strukturierter Form - allenfalls neben gewissen Anteilen an allgemeinem musikalischen Wissen - durchaus konkret für eine spätere Berufsausübung als Sound Assistent oder Music Assistent spezifisch notwendige Kenntnisse vermittelt wurden. Nach Abschluss der Ausbildung hätte der Sohn die entsprechenden Berufe auch ausüben können. Damit geht der Kursinhalt aber - im Gegensatz zu der vom Finanzamt zunächst vertretenen Ansicht (siehe Erstbescheid) - über die Vermittlung reinen Allgemeinwissens hinaus, weshalb eine Anerkennung als Berufsausbildung möglich ist. Mittels abgelegter Prüfungen (siehe Zertifikate) wurde das erworbene Wissen getestet und wurden beide Module erfolgreich abgeschlossen, sodass an der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Bemühungen um den Ausbildungserfolg keine Zweifel bestehen können. Insoweit sind die vom Verwaltungsgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien für das Vorliegen einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 erfüllt. Hinsichtlich einer unzureichenden zeitlichen Intensität der Ausbildung können bei einem wöchentlichen Zeitaufwand von insgesamt vierzig Stunden für den Besuch beider Kurse keine Bedenken bestehen.(siehe zu vor auch: Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., Rz 45 zu § 2: "ABC der Berufsausbildung" betr. "Akademie für Musik- und Medienbranche XX" mit Verweis auf UFS 17.1.2013, RV/0266-I/11; UFS 16.9.2013, RV/0044-K/13)
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes hat daher der Sohn der Bf in den Zeiten des Besuches der beiden Kurse/Module in Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 gestanden. Der Bf steht aus diesem Grund für den Zeitraum April 2023 bis September 2023 die Familienbeihilfe zu, weshalb der angefochtene FB-Abweisungsbescheid aufzuheben war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der Frage, ob beim Sohn der Bf in qualitativer wie auch zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen für eine iSd FLAG erforderliche Berufsausbildung vorgelegen waren, ist anhand der tatsächlichen Umstände in Anwendung der og. Judikatur des VwGH wie auch des UFS und BFG zu beurteilen. Insofern liegt keine strittige Rechtsfrage vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am 24. September 2025
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