Vorwort
(1) Der Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein wird durch folgende Urkunden bestimmt:
a) Grenzbeschreibung mit Koordinatenverzeichnis (Anlage 1)
b) Grenzkarte im Massstab 1:2‘000 in der Talebene bzw. 1:10‘000 im Alpengebiet (Anlage 2).
(2) Die im Absatz 1 angeführten Urkunden bilden in ihrer Gesamtheit das Grenzurkundenwerk. Dieses bildet einen Bestandteil dieses Vertrages.
(3) Im Bereich des Egelsees im Grenzabschnitt Mistelmark-Rhein verläuft die Staatsgrenze zwischen den Grenzpunkten 54.00 und 55.00 sowie 55.00 und 56.00 geradlinig. Die Grenzänderung ist in einem Situationsplan im Massstab 1:750 dargestellt (Anlage 3).
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind unkündbar.
Die Staatsgrenze verläuft
a) in gerader Linie von einem der zahlenmäßig im Grenzurkundenwerk ausgewiesenen Grenzpunkte zum nächsten,
b) in Gräben in der sich aus dem Grenzurkundenwerk ergebenden Mittellinie oder
c) entlang der Wasserscheide, Gratlinie (Kammlinie) oder Tiefenlinie (Tobel).
Gräben, in deren Mitte die Grenze verläuft, werden im Grenzurkundenwerk als Grenzgräben bezeichnet.
Die im Artikel 2 lit. a erwähnten Grenzpunkte sind durch Grenzsteine oder Felsmarken, bei besonderer Wichtigkeit durch Spezialgrenzzeichen kenntlich gemacht (direkte Vermarkung), Grenzgräben sind nur an wichtigen Stellen durch einander gegenüberstehende Grenzzeichen kenntlich gemacht (indirekte Vermarkung).
Durch die auf der Erdoberfläche vermarkte Grenzlinie in Verbindung mit Lotlinien ist das Hoheitsgebiet auch unter und über der Erdoberfläche abgegrenzt.
Die Vertragsstaaten werden die Grenzzeichen sowie andere der Bezeichnung der Staatsgrenze dienende Einrichtungen gegen Zerstörung und Beschädigung schützen.
(1) Zur Sichtbarerhaltung des Grenzverlaufes dürfen:
a) in einem Geländestreifen von einem Meter Breite zu beiden Seiten der Staatsgrenze keine Baulichkeiten und – vorbehaltlich der Bestimmung des Artikels 14 – keine Anlagen errichtet werden;
b) bei Grenzgräben Baulichkeiten und – vorbehaltlich der Bestimmung des Artikels 14 – Anlagen nur bis zu 5 m vom nächstgelegenen Grabenrand errichtet werden.
(2) Provisorische Zäune dürfen bis auf 1 m an die Staatsgrenze herangeführt werden.
(3) Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten können im gegenseitigen Einvernehmen, wenn dadurch die Erkennbarkeit der Staatsgrenze nicht behindert wird, Ausnahmen von den Bestimmungen des Abs. 1 lit. a und b zulassen.
(4) Die Bestimmungen des Absatzes 1 finden auf gegenwärtig bestehende Baulichkeiten und Anlagen solange keine Anwendung, als diese nicht verfallen sind oder völlig zerstört oder aufgelassen werden.
(5) Die Bestimmungen des Absatzes 1 finden auf Baulichkeiten und Anlagen, die dem öffentlichen Verkehr oder dem Grenzmanagement dienen, sowie für Leitungen aller Art, die die Staatsgrenze schneiden, keine Anwendung.
(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dafür zu sorgen, daß beiderseits der Grenzlinie ein Streifen von 1 m Breite und um jedes neben die Grenzlinie gesetzte Grenzzeichen (indirekte Vermarkung) ein Kreis mit dem Radius von 1 m von Bäumen, Sträuchern und anderen, die Sichtbarkeit der Grenzzeichen und des Verlaufes der Staatsgrenze beeinträchtigenden Pflanzen freigehalten werden. Diese Bestimmung findet auf Bann- und Schutzwälder keine Anwendung.
(2) Die Kommission (Artikel 11) kann in besonderen Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen des Absatzes 1, erster Satz, zulassen, wenn und solange die Erkennbarkeit der Staatsgrenze nicht beeinträchtigt wird.
(3) Die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten der an oder in der Nähe der Staatsgrenze liegenden Grundstücke sind verpflichtet, den Zugang zu den im Absatz 1 erwähnten Gebietsteilen nicht zu behindern.
(4) Entschädigungsansprüche auf Grund von Arbeiten und Maßnahmen nach Absatz 1 sind gegen den Vertragsstaat geltend zu machen, auf dessen Hoheitsgebiet die Grundstücke liegen, und nach dessen Recht zu beurteilen.
In der Grenzlinie dürfen keine privaten Eigentumsgrenzzeichen errichtet werden; anstoßende Eigentumsgrenzen dürfen daher nur durch Richtungssteine vermarkt werden, wobei diese einen Normalabstand von mindestens 2 m von der Grenzlinie aufweisen müssen.
(1) Die Erhaltung der Grenzzeichen wird wie folgt geregelt:
a) Jeder Vertragsstaat erhält auf seine Kosten die zur Gänze auf seinem Hoheitsgebiete stehenden Grenzzeichen.
b) Die in der Grenzlinie liegenden gemeinsamen Grenzzeichen werden wie folgt erhalten:
Das Fürstentum Liechtenstein erhält auf seine Kosten die Abschnitte von Grenzzeichen 1 (Naafkopf) bis einschliesslich Grenzzeichen 59 (Zigerbergkopf/Langspetz) sowie von Grenzzeichen 72 (Schellenbergwand) bis einschliesslich Grenzzeichen 136 RM (Rhein).
Die Republik Österreich erhält auf ihre Kosten den Abschnitt von Grenzpunkt 59/1 (Zigerbergkopf/Langspetz) bis einschliesslich Grenzzeichen 71/9 (Schellenbergwand).
(2) Die Verpflichtung zur Erhaltung der Grenzzeichen umfaßt auch deren Neubeschaffung, Beförderung und Aufstellung.
(3) Die Kommission (Artikel 11) kann in Einzelfällen Ausnahmen von der Regelung des Absatzes 1 beschliessen.
(4) Den Grenzzeichen sind hinsichtlich der Erhaltung andere der Bezeichnung der Staatsgrenze dienende Einrichtungen gleichzuhalten.
(5) Aufgehoben
(1) Zur Durchführung der nach diesem Vertrag erforderlichen Aufgaben wird die Österreichisch-Liechtensteinische Grenzkommission – im Vertrag Kommission genannt – eingesetzt. Die Kommission gibt sich ihre Geschäftsordnung selbst.
(2) Die Kommission besteht aus einer österreichischen und einer liechtensteinischen Delegation von je vier Mitgliedern. Jeder Vertragsstaat bestellt einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter sowie die übrigen Mitglieder und gegebenenfalls stellvertretende Mitglieder. Jede Seite kann Experten und Hilfskräfte beiziehen. Die Vorsitzenden sind berechtigt, unmittelbar miteinander in Verbindung zu treten.
(3) Jeder Vertragsstaat trägt die Kosten der von ihm bestellten Mitglieder einschließlich der Kosten der von ihm beigezogenen Experten und Hilfskräfte.
(4) Die Kommission tritt zu Tagungen und Grenzbesichtigungen zusammen, wenn sie es selbst beschließt oder wenn es einer der Vertragsstaaten auf diplomatischem Wege verlangt. Die Kommission tritt, wenn nicht etwas anderes vereinbart ist, zu ihren Tagungen abwechselnd auf dem Hoheitsgebiet eines der beiden Vertragsstaaten zusammen.
(5) Die Tagungen werden vom Vorsitzenden der Delegation des Vertragsstaates geleitet, auf dessen Hoheitsgebiet die Tagung stattfindet. Die Grenzbesichtigungen werden von den Vorsitzenden der beiden Delegationen gemeinsam geleitet.
(6) Über jede Tagung und jede Grenzbesichtigung ist eine Niederschrift in zwei Originalen zu verfassen. Diese sind von den Vorsitzenden beider Delegationen zu unterzeichnen.
(7) Zu einem Beschluß der Kommission ist die Übereinstimmung der beiden Delegationen erforderlich.
(8) Die Kommission ist nicht befugt, den Verlauf der Staatsgrenze zu ändern, sie kann jedoch Vorschläge zur Änderung der Staatsgrenze den Vertragsstaaten unterbreiten.
(1) Die Vertragsstaaten werden die Grenzzeichen in der Regel in Zeitabständen von zehn Jahren einer periodischen Revision unterziehen.
(2) Im Zuge der periodischen Revision sind der Zustand der Grenzvermarkung zu überprüfen und die Behebung allfälliger Mängel zu veranlassen. Insbesondere können, wo dies erforderlich ist, zusätzliche Grenzzeichen gesetzt, Grenzzeichen auf sichere Stellen versetzt und direkte Vermarkungen der Grenzlinie in indirekte abgeändert werden oder umgekehrt.
(3) Die Vertragsstaaten werden überdies Vermarkungsschäden laufend einander mitteilen. Deren Behebung wird durch die Kommission veranlaßt.
(4) Über sämtliche Arbeiten sind Niederschriften und erforderlichenfalls Feldskizzen zu verfassen, die von der Kommission zu genehmigen sind. Bei Änderungen und Ergänzungen der Vermarkung sowie bei Berichtigungen von Fehlern im Grenzurkundenwerk ist durch die Kommission eine Urkunde „Ergänzung und Berichtigung des Grenzurkundenwerkes“ zu erstellen.
(5) Die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten von an oder in der Nähe der Staatsgrenze liegenden Grundstücken sowie ober- und unterirdischen Bauten und Anlagen sind verpflichtet, die zur Durchführung der nach den Absätzen 1, 2 und 3 sowie nach Artikel 10 erforderlichen Arbeiten und Maßnahmen, insbesondere das Setzen oder Anbringen von Grenz- und Vermessungszeichen, zu dulden.
(6) Die Vermessungs- und Vermarkungsarbeiten sind unter möglichster Schonung bestehender öffentlicher und privater Interessen vorzunehmen.
(7) Entschädigungsansprüche auf Grund von Arbeiten und Maßnahmen nach Absatz 5 sind gegen den Vertragsstaat geltend zu machen, auf dessen Hoheitsgebiet die Grundstücke, Bauten und Anlagen liegen, und nach dessen Recht zu beurteilen.
Die gegenwärtig bestehenden Rechte und Verbindlichkeiten natürlicher und juristischer Personen bleiben durch diesen Vertrag, soweit er nichts anderes bestimmt, unberührt.
Sollen zum Zwecke der Erschließung oder Ausbeutung von Lagerstätten innerhalb eines Streifens von je 50 m beiderseits der Staatsgrenze Arbeiten verrichtet oder innerhalb eines Streifens von 2 km beiderseits der Staatsgrenze Erdöl- oder Erdgaslagerstätten aufgeschlossen werden, so werden die Vertragsstaaten gemeinsam die Maßnahmen treffen, die bei der weiteren Erschließung und Ausbeutung zur Sicherung des Grenzverlaufes notwendig sind.
Entsteht über die Auslegung oder Anwendung dieses Vertrages eine Streitigkeit, so wird diese auf Verlangen eines Vertragsstaates einem Schiedsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden. Dies gilt auch für die Vorfrage, ob sich die Streitigkeit auf die Auslegung oder Anwendung des Vertrages bezieht. Die Entscheidung des Schiedsgerichtes hat verbindliche Kraft. Das Schiedsgericht wird für jeden Streitfall in der Weise gebildet, daß jeder Vertragsstaat einen seiner Staatsangehörigen zum Schiedsrichter ernennt und beide Schiedsrichter einen Angehörigen eines dritten Staates zum Obmann wählen. Einigen sie sich nicht binnen sechs Monaten, nachdem das Begehren auf schiedsgerichtliche Entscheidung beim anderen Vertragsstaat eingegangen ist, über die Wahl des Obmannes, so kann jeder Vertragsstaat den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes um Ernennung des Obmannes ersuchen. Die aus der Mitwirkung der Schiedsrichter entstehenden Kosten trägt jeder Vertragsstaat für den von ihm bestellten Schiedsrichter. Die übrigen Kosten tragen beide Vertragsstaaten je zur Hälfte.
Personen, die zu Arbeiten und Massnahmen nach diesem Vertrag an der Staatsgrenze eingesetzt werden, sind berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Staatsgrenze auch ausserhalb der zugelassenen Grenzübergangsstellen zu überschreiten. Sie haben ein Reisedokument, das zum Grenzübertritt berechtigt, mit sich zu führen.
Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Wien ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt am ersten Tag des auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Kalendermonats in Kraft.
Zu Urkund dessen haben die beiden Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet und mit Siegeln versehen.
Geschehen zu Vaduz, am 17. März 1960 in doppelter Urschrift.
(Anm.: Anlage 1 als PDF dokumentiert)
Anhänge
Anlage 1PDF(Anm.: Anlage 2 als PDF dokumentiert)
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Anlage 2PDF(Anm.: Anlage 3 als PDF dokumentiert)
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Anlage 3PDF