Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wolfgang BONT, Dr. Manfred VOGEL, Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und die Rätin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Maria KRENN als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache des Antragstellers M ***** vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Ebendorferstraße 3, 1010 Wien, wegen Eintragung der Wortmarke EINFACH LEBEN über die Beschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung der Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 13. Dezember 2011, Zl Bm 27/2010-4, womit die Beschwerde des Antragstellers gegen den Feststellungbeschluss der Rechtsabteilung Österreichische Marken vom 31. Mai 2010, GZ AM 6194/2009-4, abgewiesen und der angefochtene Beschluss bestätigt wurde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung den B e s c h l u s s gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass dem zu Nummer AM 6194/2009 eingebrachten Antrag, die Wortmarke „EINFACH LEBEN“ für Druckerzeugnisse, Zeitungen, Zeitschriften; Fotografien, Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind (Klasse 16), Biere (Klasse 32), alkoholische Getränke (ausgenommen Biere) (Klasse 33), Telekommunikation, insbesondere elektronische Übermittlung von Zeitungen und Zeitschriften (Klasse 38) und Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten (Klasse 41) in das Markenregister einzutragen, auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG stattgegeben wird.
G r ü n d e :
M***** (in der Folge: Anmelder ) beantragte beim Österreichischen Patentamt mit Anmeldung AM 6194/2009 vom 19. Oktober 2009 die Registrierung des Zeichens „EINFACH LEBEN“ als österreichische Wortmarke für folgende Waren und Dienstleistungen:
Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Zeitungen; Zeitschriften; Buchbindeartikel, Spielkarten; Fotografien; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bierdeckel;
Klasse 21: Gläser; Glaswaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind;
Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;
Klasse 28: Spielkarten;
Klasse 32: Biere;
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);
Klasse 38: Telekommunikation, insbesondere elektronische Übermittlung von Zeitungen und Zeitschriften;
Klasse 41: Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten;
Die Rechtsabteilung Österreichische Marken stellte mit amtlicher Mitteilung vom 16. Dezember 2009 die Abweisung des Antrags gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG wegen fehlender Unterscheidungskraft in Aussicht. Die beteiligten Verkehrskreise beurteilten das angemeldete Zeichen in Zusammenhang mit den so bezeichneten Waren und Dienstleistungen nur als Titel (Teile der Klassen 16 und 38), als werbliches Motto (Teile der Klassen 16, 21 und 25) oder animierende Aufforderung (Klassen 32, 33 und 41) zu einem unbeschwerten oder dem Luxus entsagenden Leben. Das Zeichen sei daher nicht geeignet, als individualisierender Unternehmenshinweis zu dienen. Es sei wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Registrierung als Marke ausgeschlossen, sofern nicht der Nachweis der österreichischen Verkehrsgeltung erbracht werde.
Nach einer Äußerung des Anmelders zu den von der Rechtsabteilung aufgeworfenen Bedenken zur Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens teilte die Rechtsabteilung mit, die Bedenken zum Vorliegen eines Eintragungshindernisses gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG erstreckten sich vorläufig nicht mehr auf die Waren Buchbinderartikel, Bierdeckel (Klasse 16), Gläser, Glaswaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind (Klasse 21), Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen (Klasse 25) und Spielkarten (Klasse 28). Zu den anderen von der Anmeldung umfassten Waren und Dienstleistungen wurden die Bedenken aufrecht erhalten, und es wurde neuerlich eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt.
Nach neuerlicher Äußerung beantragte der Antragsteller einen Feststellungsbeschluss gemäß § 20 Abs 3 MSchG betreffend die Waren und Dienstleistungen, hinsichtlich derer die Rechtsabteilung die Bedenken aufrecht gehalten hat, und die Registrierung für die übrigen Waren.
Die Rechtsabteilung Österreichische Marken stellte mit Beschluss vom 31. Mai 2010 fest, dass das angemeldete Zeichen „EINFACH LEBEN“ betreffend die Waren und Dienstleistungen Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Zeitungen, Zeitschriften; Fotografien, Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Klasse 32: Biere; Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Klasse 38: Telekommunikation, insbesondere elektronische Übermittlung von Zeitungen und Zeitschriften; Klasse 41: Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG registrierbar sei.
Die Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamtes bestätigte diese Entscheidung.
Das angemeldete Zeichen bestehe aus einer gewöhnlichen Aneinanderreihung von zwei gebräuchlichen Worten in der Art einer an den Konsumenten gerichteten Aufforderung. Es bedürfe keiner Gedankenoperation, um das Zeichen in seinem Aussagegehalt zu erfassen; es werde als werbende Aufforderung zur Konsumation von Waren und Dienstleistungen verstanden. Im Hinblick auf die Waren der Klasse 16 und die Dienstleistungen der Klasse 38 sei die angemeldete Wortkombination nur eine Angabe über den Inhalt der Waren und Dienstleistungen in dem Sinn, dass etwa Werbematerialien und Zeitschriften Informationen über ein einfaches Leben enthielten. Auch für Dienstleistungen der Klasse 41 erkenne der Konsument im Zeichen keine Herkunftsangabe, sondern eine Angabe über die angebotene Aktivität (zB eine Ferienwoche ohne übliche Ablenkungen der heutigen Zeit und ohne Technik im Alltag). Nicht auszuschließen sei, dass das Zeichen im Zusammenhang mit Zeitungen und Zeitschriften wie ein Zeitschriftentitel und bei Druckereierzeugnissen wie ein Buchtitel aufgefasst werde. Für Biere und alkoholische Getränke werde das Zeichen als Versprechen verstanden, die Getränke bewirkten den Zustand eines unbeschwerten, lockeren und sorgenfreien Lebens. Mangels Unterscheidungskraft komme nur eine Eintragung mit Verkehrsgeltungsnachweis in Frage.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Anmelders ist berechtigt.
Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuG Rs T-471/07 - Wella AG/HABM, Randnummer 15 mwN). Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11 mwN).
Auch aus mehreren Worten zusammengesetzte Marken, etwa Werbeslogans, sind nach denselben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken (RIS-Justiz RS0122385[T1]). Sie sind dann als bloß beschreibend nicht schutzfähig, wenn der Satz oder Satzteil nur eine Aussage über die Ware oder Dienstleistung selbst enthält, die sie beschreibt. Anderes gilt, wenn die Wortfolge eine interpretationsbedürftige Aussage enthält (OBm 1/12 – Die grüne Linie mwN). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind Zeichen beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit uä der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten (EuGH C-326/01 – Universaltelefonbuch, Randnummer 33 mwN).
Im Fall eines Werbeslogans ist insbesondere zu prüfen, ob er Bestandteile enthält, die über seine offenkundige Werbeaussage hinaus die maßgebenden Verkehrskreise in die Lage versetzen, sich den Ausdruck leicht und unmittelbar als unterscheidungskräftige Marke für die bezeichneten Waren oder Dienstleistungen einzuprägen (EuG Rs T-58/07, BYK-Chemie GmbH/HABM - Substance for Success, Randnummer 22; RIS-Justiz RS0122385[T2]). Das kann der Fall sein, wenn eine Wortfolge einen gewissen Interpretationsaufwand erfordert und eine gewisse Originalität und Prägnanz aufweist, die sie leicht merkfähig machen (vergleiche EuGH C 398/08 P – Vorsprung durch Technik). Enthält ein Zeichen nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung geschützt (RIS-Justiz RS0109431[T3]; OBm 1/12).
Auf dieser Grundlage ist der angemeldeten Marke Unterscheidungskraft nicht abzusprechen. Sie besteht aus der sprachlich richtigen Verbindung zweier Worte der Alltagssprache ohne im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt zu einem Slogan, der zwar einfach gehalten und als eine an den Konsumenten gerichtete prägnante Aufforderung verstanden werden kann, der aber mehrdeutig ist (
Damit stehen mehrere Bedeutungsvarianten im Raum, und es bedarf eines Denkprozesses der maßgeblichen Verkehrskreise und zumindest eines Mindestmaßes an Interpretationsaufwand, seinen Sinngehalt zu erfassen und ihn mit der Art, Natur oder Beschaffenheit bestimmter Waren gedanklich zu verknüpfen. Ist es aber dem Publikum nicht möglich, sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten, direkten und eindeutigen Bezug zwischen einem Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herzustellen, ist das Zeichen nicht bloß beschreibend. Ein solches Zeichen ist auch ohne Verkehrsgeltung unterscheidungskräftig und damit eintragungsfähig.
Der Beschwerde des Anmelders war Folge zu geben und die Eintragung der Marke auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG anzuordnen.
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